EUROWINGS: Horror am Boden und in der Luft
Themen: Neues |Es wird dieser Tage noch eine weitere Geschichte zu erzählen sein, die von Fluglinien und ihrem Verhältnis zu Passagieren handelt, das man mittlerweile als äquivalent zu Agrar-Großkonzernen und seinem Schlachtvieh sehen muss.
Vorab: Ich WEISS, dass Flüge mit Billig-Airlines immer ein Glücksspiel sind und ein Wettrennen gegen die Abzocke – gerne versteckt in vagen Formulierungen, hinter nicht gekennzeichneten Links und im Kleingedruckten. Es ist schon fast ein Sport, bei Ryanair, Easyjet und Co. den Preis zu bekommen, der beworben wurde.
Aber ich hatte vor zwei Jahren an dieser Stelle schon geschrieben – ich kann das:
Die LvA und ich – wir sind da gut drin. Wir schaffen es manchmal, Kurzreisen zu organisieren, bei denen nur einer von uns extra Gepäck kostenpflichtig zubucht und bei denen wir für den Web-Checkin nicht extra zahlen müssen. Es kam sogar schon vor, dass wir nicht noch mal bei der Hotline anrufen mussten, um uns zu versichern, wie die Boarding-Vorgaben auf dem E-Ticket gemeint sind.
Es ist ja auch nicht so, dass wir mit Begeisterung den Flug nach Düsseldorf gebucht hatten. Die Strecke kann man – gerade in Corona-Zeiten – einfacher mit dem Auto fahren. Zeitlich brutto kaum ein Unterschied. Aber das Weihnachts-Familienessen stand an und wir hatten drum herum wenig Zeit, also:
Morgens hin, eine Nacht im Hotel, am nächsten Abend zurück. Stemmbar. Und dank Booster und rechtzeitigem Test schien uns das Risiko des Fluges überschaubar. Die lassen ja nicht (mehr) jeden an Bord.
Wir ihr schon gemerkt habt, ist 2021 das Jahr der geplatzten Träume. Mit der vierten Welle wurde offensichtlich, dass das Familienessen nicht zu verantworten war. Da sind alte und kranke Leute bei. Umgeben von fremden Menschen. Ausgehend von meinem Bruder und mir wurden die Feierlichkeiten storniert.
Nicht stornierbar war allerdings das Flugticket. Und zumindest meine Eltern wollte ich ein letzten Mal in diesem schweren Jahr noch sehen. Also vereinbarten wir ein Treffen in kleinem Kreis, mit der legendären Mitternachtssuppe meines Stiefvaters Clemens. Die allein ist schon die Reise wert.
Je näher der Dezember rückt, desto fragiler wird der Glaube, dass die Reise stattfinden kann. Mit dem Aufkommen der Omicron-Variante müssen wir unsere Pläne für London ein Wochenende später begraben. Das tut weh und wird dieser Tage noch mal für euch aufgerollt.
Aber Eurowings scheint entschlossen, uns trotzdem nach Düsseldorf zu bringen. Und zurück. Corona be damned. Angesichts der erneut verschärften Vorschriften in Bayern fassen die LvA und ich den Entschluss, uns kurz vor Abflug noch mal testen zu lassen. Nicht verlangt, nicht erbeten, aber man weiß nie, was denen am Flughafen auf einmal einfällt.
Letzten Samstag früh dann kurz nach 6 in Richtung Flughafen. Dunkel, Schneeregen, gedeckelte Laune. Wenigstens haben wir uns das Parkticket zum City Trip-Tarif bereits besorgt. Da gibt es nichts zu meckern.
Es mag der Tatsache geschuldet sein, dass ich wegen Corona länger nicht mehr geflogen bin – ich habe vergessen, uns online einzuchecken. Egal, dafür sind ja Check In-Desks da. Beziehungsweise nicht “da”, sondern einen Laufkilometer von unserem Gate entfernt. Egal. Kostet 10 Euro Bearbeitungsgebühren extra. Egal.
Die Dame am Desk ist exemplarisch miserabel ausgebildet in Sachen Kundenkontakt. Sie loggt sich erstmal fünf Minuten lang genervt seufzend in ihr Terminal ein, ohne uns auch nur einmal anzuschauen oder anzusprechen. Den Blickkontakt vermeidet sie dann auch konsequent während des folgenden Gesprächs, bei dem sie mir eröffnet, dass wir unser Handgepäck (ein kleiner Trolley) nun doch aufgeben müssen, “aus Platzgründen”. 50 Euro bitteschön. Ich frage etwas konsterniert, wie das denn sein könne, ich hätte das doch alles korrekt gebucht. Wie es scheint, hat die Airline vor meiner Buchung die Richtlinien geändert, setzt diese aber erst seit Anfang November um.
Es ist zu früh, ich bin zu müde, es ist auch den Aufstand nicht wert – ich zahle die 50 Euro. Plus 10 Euro für den vor Ort Check-In. Dann geht’s ab zum Sicherheitscheck. Full Body Scan. Ich muss nicht mal den Gürtel ausziehen.
Am Gate bekomme ich einen Gepäckschein für unseren Trolley. Die junge Dame hier ist freundlich, wenn auch nicht im Sinne ihres Arbeitgebers: “Ich finde das mit dem Handgepäck auch scheiße. Da sollten Sie sich wirklich beschweren. Das sollte jeder, vielleicht ändern die das dann wieder. Buchen Sie für den Rückflug die Handgepäck-Option als Extra, dann kostet das nur 20 Euro. Tut mir echt leid.”
Wir sitzen schließlich vor dem Gate und warten auf den Flieger. Schau mal an, der Loddar Matthäus fliegt mit seinen Söhnen auch nach Düsseldorf. In Sachen “Maske auf der Nase behalten” spielt er jedenfalls nicht in der Champions League.
Als wir anstehen, um den Flieger zu besteigen, fällt der LvA was auf: “Es hat uns gar keiner nach unseren Impfpässen gefragt”. Und weil sie von mir gelernt hat, macht sie gegenüber der Boarding-Servicekraft auch gleich mal den Mund auf: “Prüfen Sie eigentlich gar nicht, ob Ihre Passagiere gegen Corona geimpft sind?”
Es ist der Dame sichtlich peinlich: “Wir… machen das eher so mit Stichproben.”
Es ist wohl heute nicht der Tag für Stichproben.
Das ist… beunruhigend. De facto könnte der Flieger halbvoll mit akut erkrankten Corona-Schleudern sein, niemand hätte es geprüft oder gemerkt. Ich bin gespannt, ob sich das in Düsseldorf ändert.
Der Flug verläuft ereignislos, in Düsseldorf wartet mein Stiefvater, nachdem wir am Gepäckband mein Handgepäck wieder in Empfang genommen haben. Als der Wagen auf die Autobahn auffährt, bin ich sicher: keine Corona-Kontrollen. Nirgendwie, nirgendwo, nirgendwann.
Un-fucking-fassbar.
Ich denke ernsthaft drüber nach, der BILD einen Tipp zu geben: “LOTHAR MATTHÄUS (61) in Corona-Gefahr: Drama über den Wolken!”. Oder so.
Egal, ich bin nicht hier, um mir den Advent versauen zu lassen. Der Tag mit der Kernfamilie wird recht nett, abends kaufen die LvA und ich noch ein paar Sachen im Tains, dann geht’s ab ins Hotel. Wenigstens da wird nach dem Impfpass gefragt.
Es geht schon auf Mitternacht zu, als mir einfällt, dass ich noch das Upgrade für den nächsten Tag brauche. Also logge ich mich bei Eurowings ein und klicke mich durch die verschachtelten Menüs. Nach einer Viertelstunde finde ich die Option, aktiviere sie und zahle per Paypal. Statt einer Bestätigung bekomme ich das hier zu sehen:
Ich versuche es noch mal. Das Ergebnis:
Ich bleibe ruhig – Server-Probleme kann es immer mal geben und morgen ist auch noch ein Tag. Gute Nacht.
Es ist Morgen, es ist ein neuer Tag:
Genau mein Humor.
Ich rufe die Hotline an und bekomme zeitnah einen jungen Mann zu fassen, der mir verspricht, dass er wegen der Server-Probleme die eigentlich anfallende Zusatzgebühr bei Nutzung der Hotline von 10 Euro streichen werde. Vermutlich ist er überrascht, dass ich nicht dankbar bin. Schließlich verkündet er zufrieden, dass ich nun für 36 Euro ein Stück Handgepäck mit in die Kabine nehmen darf.
Ich bleibe ganz ruhig: “20 Euro.”
Er so: “Bitte?”
Ich so: “Das kostet 20 Euro.”
Er rechnet noch mal durch, findet den Fehler in der Tat auf seiner Seite – er hat das Upgrade für den schon absolvierten Hinflug gleich auch noch berechnet. Am Ende wird doch ein Schuh draus und ich bekomme das Upgrade für 16 Euro. Die Höhe der Kosten ändert natürlich nichts an ihrer Unverschämtheit – die Maschine war auf dem Hinflug nur zu zwei Dritteln besetzt und ein beträchtlicher Teil der Gepäckfächer über den Sitzen leer. Das hier ist kein simpler Versuch, Kosten auf den Kunden auszulagern – es ist blanke Abzocke.
Aber auch DAS soll mir wurscht sein. Ich will nur nach München zurück. Also bringt mein Bruder uns zum Flughafen. Eine Stunde bis Abflug. Zum Glück habe ich mein Tablet dabei. Ich hänge ungern sinnfrei rum.
Ta-DAAAA!!!
Insgesamt also mehr als zweieinhalb Stunden Wartezeit. Die LvA und ich, wir lieben uns innig. Darum kocht selbst in solchen Situationen zwischen uns keine Wut hoch. Da stehen wir drüber. Der Leerlauf fördert aber zwangsweise meine Adrenalin-Produktion und ich werde zum Corona-Nazi: ungefähr ein halbes Dutzend Nochnichtmitreisende weise ich teilweise in rüdem Ton daraufhin, dass sie gefälligst die Lappen vors Gesicht schnallen sollen, wenn sie mir gegenüber sitzen. Um es mit dem leider zu früh verstorbenen Perscheid zu sagen:
Besonders ein junger Typ in drei Metern Entfernung macht es mir schwer, nicht die Contenance zu verlieren. Er zieht seine Maske immer wieder runter, plaudert deutlich zu laut am Telefon und hustet auch gerne mal. Als er nach meiner zweiten Aufforderung, sich an die Maskenpflicht zu halten, wieder den Lappen runter zieht, stelle ich mich vor ihn und drohe mit der persönlichen Durchsetzung der Verordnung. Er ist eingeschüchtert und feige, präsentiert aber ein Attest seines Hausarztes. Asthma. Interessant – er scheint das seltene Nasen-Asthma zu haben, bei dem man den Mund ruhig bedecken kann und nur die Nase frische Luft braucht. Leider kann ich ob des Attests kein Flughafenpersonal rufen, aber mir reicht, dass ich ihn ordentlich zusammen geschissen habe.
Erwähnte ich schon, dass wieder keinerlei Kontrollen der Impfnachweise stattfinden?
Es ist schon später Abend, als der Flieger endlich gen München abhebt, aber nach all dem Ärger ist nun endlich das Ziel in Sicht – allenfalls könnten die den Nasen-Asthmatiker noch in meine Sitzreihe packen, aber das ist ja nun…
Man packt den Nasen-Asthmatiker in meine Sitzreihe.
Wenigstens sind wir durch den Gang getrennt. Die Passagiere, die direkt neben ihm sitzen, bitten die Flugbegleiterin fast augenblicklich, ihnen andere Sitze zuzuweisen. Sie machen sich aus dem Staub, bevor der Flieger abhebt.
Wie ein einzelner Flug ein komplettes Wochenende derart versauen kann, das ist schon wirklich bemerkenswert. Die Vollständigkeit, mit der Eurowings in Sachen Buchung, Abwicklung, Corona-Sicherheit und Pünktlichkeit versagt hat, ist es ebenso. Hier hat wirklich NICHTS funktioniert, wie es funktionieren sollte. Es gibt auch keine Entschuldigung dafür. Man will eine Billig-Airline sein, keine Scheißegal-Airline. Und in Sachen Corona sollte es dafür noch empfindliche Strafen hageln.
Am Tag nach der Rückkehr höre ich übrigens noch mal von Eurowings:
Eine Umfrage zu meiner Zufriedenheit? Aber SEHR GERNE! Die Fragen sind wie für meine Experience gemacht:
Es wird mir Spaß machen, das auszufüllen. Es wird keine Konsequenzen haben. Aber es wird mir Spaß machen. Den einzigen Spaß, den ich mit Eurowings hatte.
Versagt in allen punkten. Da kann man ja gleich bahn fahren. War es mit hin und rückfahrten zu den flughäfen wenigstens schneller als die <5h direkte Zugverbindung? Fahrten zum und von den flughäfen dauert mit einchecken meistens mindestens 2h zusätzlich zur flugzeit.
Wie ich oben schon andeutete: es gibt sich nix. Alles in allem sind Bahn, Flug und Auto mit ca. 5 Stunden gleichauf.
Im Oktober von Berlin nach Frankfurt und dann nach Italien, Lufthansa:
3G-Nachweise musste man beim Online-Checkin hochladen oder halt am Schalter vorlegen – natürlich Online-Check gemacht, weil ja zuvor das Chaos Wochenende am BER war.
Die Bestätigung, das alle Online-Dokumente okay sind, kam ein paar Stunden nach dem Hochladen – aber hat da wirklich ein Mensch drüber gesehen?
Am Lufthansa-Schalter Waagen und Markendrucker waren für die Selbstaufgabe des Gepäckstückes für Online-Checker aufgestellt worden, BER-Personal stand erklärend bereit. Das machte auch Sinn, denn ansonsten hätte man sich ja trotzdem in der Schlange nur wegen dem Koffer anstellen müssen.
Das muss kurzfristig eingerichtet worden sein, denn auf der Lufthansa-Website war der BER da noch nicht für die Gepäckselbstaufgabe gelistet. (Ein paar Tage später kam die Meldung, dass die Dinger schon wieder kaputt sind).
Es gab natürlich für die Selbstaufgabe bei Economy-Class eine Begrenzung auf 1 Gepäckstück und eine Gewichtsgrenze.
Im Flugzeug wurde vom Personal aufs richtige Maskentragen geachtet, aber wenn man neben einem mit der ner OP-Maske in der Enge sitzt, bringt das im Zweifelsfall eher wenig. Man kann sich nur selber mit FFP2 schützen.
Das wirklich Erstaunliche: Es wurde keines einziges Mal kontrolliert, ob du auch die selbe Person bist, die du im Online-Checkin angegeben hast.
Das Online-Ticket mit QR-Code kriegt man halt aufs Handy und nur das muss man beim beim Gepäckcomputer und Gate einscannen.
Einfach das Handy einem gesuchten Terroristen übergeben und der hätte nach Italien reisen können. Kann eigentlich nicht korrekt sein.
Denn bei der Rückreise konnte man keine Online-Checkin machen, da musste man in Neapel an den Schalter, wo die Lufthansa übrigens drei statt zwei Schalter als am BER für die Economy-Class öffnete.
Am Frankfurter-Flughafen konnte man an einem anderen Gate noch eine schöne Szene beobachten: Eine Lufthansa-Mitarbeiterin nahm tapfer das Mikrofon in die Hand und verkündete, dass leider eine zu kleine Maschine bereitgestellt worden sei und man jetzt ein dutzend Leute suche, die bereit wären erst am nächsten Tag nach Athen zu fliegen. Hotelkosten würden natürlich gestellt und 400 Euro gäbe es dazu. Kein schlechtes Angebot.
> und man jetzt ein dutzend Leute suche, die bereit wären erst am nächsten Tag nach Athen zu fliegen. Hotelkosten würden natürlich gestellt und 400 Euro gäbe es dazu. Kein schlechtes Angebot.
Gleiche Situation in Vancouver nach Portland mit Chicken-or-Pasta-Wings (UA). Da hätte es aber 1000 USD gegeben.
> Kein schlechtes Angebot.
Alles ist relativ 😉
In den USA ist das m.W. Standard (oder war es zumindest in Vor-Corona-Zeiten): Die Fluglinien wissen, dass es statistisch einen gewissen Prozentsatz an No-Shows geben sollte, daher werden Flüge oft leicht überbucht. Falls es dann doch mehr Passagiere werden als in die Maschine passen, gibt es Upgrades oder Umbuchungen gegen Geld oder Fluggutscheine. Hatte ich auch mal: Flug Washington New York erst Mittwoch Morgen statt Dienstag Abend, dafür einen 600-Dollar Fluggutschein (mit dem ich dann später nach San Francisco und zurück geflogen bin) + eine Übernachtung im Airport-Hilton statt wie geplant in der New Yorker Jugendherberge. Da gibt’s Schlimmeres. 🙂
Es gibt sogar Webseiten mit Tipps, wie man mit der richtigen Buchungsstrategie die Chance auf so eine “Belohnung” erhöhen kann.
>Die Bestätigung, das alle Online-Dokumente okay sind, kam ein paar Stunden nach dem Hochladen – aber hat da wirklich ein Mensch drüber gesehen?
Ich bin in dem Zeitraum ein paarmal geflogen, und es gab verschiedene Stufen: Am Anfang hat tatsächlich ein Mensch drüber geguckt, da hat (bei mir) die Antwort 48 h gedauert.
Später hat die LH das mittels KI automatisiert, ab da gab’s die Antwort dann innerhalb weniger Stunden.
Dazwischen gab’s eine Testphase, wo sie beschrieben haben, dass sie das Umstellen.
Wir sind im Oktober mit dem Auto von Berlin nach Malle und zurück gefahren. Unser Zertifikat wurde genau zweimal geprüft: 1x als wir in Palma von der Fähre runter sind (davor: 2x Übernachtung in Hotel in Frankreich) und 1x auf der Rückfahrt beim einchecken in Völkingen ins Leonardo. Läuft also (mit dem spreading)
Da werden Erinnerungen wach – ich bin mit meinem Vater und seiner Lebensgefährtin 1985 nach Malle gefahren: