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Okt 2021

Fantasy Filmfest 2021 Tag 5, Film 4: LAMB

Themen: Fantasy Filmf. 21, Film, TV & Presse, Neues |

Island/Schweden/Polen 2021. Regie: Valdimar Jóhannsson. Darsteller: Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson, Ingvar Sigurdsson

Offizielle Synopsis: Etwas Unheimliches bewegt sich mit schwerem Atem durch die eiskalte Nacht, am Haus der einsam gelegenen isländischen Farm vorbei, hin zum Schafstall. Ergeben harren die Tiere mit sanften Augen ihrem Schicksal. In der frischen Luft des in leuchtende Farben getauchten nächsten Morgen ist von den mysteriösen Geschehnissen allerdings nichts mehr zu ahnen. Wir folgen dem kinderlosen Ehepaar Ingvar und Maria, wie es in stiller Übereinkunft seinen täglichen Pflichten nachgeht: der rauen Natur eine Ernte abringen, Gerätschaften in Stand halten, die Schafe versorgen. Doch irgendwann in diesem routinierten Alltag passiert etwas, was ihr Leben auf immer und mit aller Konsequenz auf den Kopf stellen wird.

Kritik: LAMB ist einer dieser Filme, bei denen schon die Vorstellung durch die Festival-Leitung alle Alarmsirenen schrillen lässt: der Regisseur beschwert sich über die Klassifizierung als Genrefilm, der Autor hat mal Songtexte für Björk geschrieben (!), die Handlung ist in Kapitel unterteilt und es spielt alles auf einem Einöd-Hof. Isländisch mit Untertiteln.

Es droht Kunst.

Und so habe ich ich auch durch die erste halbe Stunde gequält, in der María und ihr Mann Ingvar die Schafe füttern, den Stall ausmisten, Felder bestellen und schweigend beim Essen sitzen. Respekt allenfalls dafür, dass Noomi Rapace in bester DER DOKTOR UND DAS LIEBE VIEH-Manier eigenhändig ein paar Lämmer on camera zur Welt bringt.

Dann wird den beiden ein Lamm geboren, das anders ist und wir müssen fürchten, dass die resoluten Bauern gleich zur Schrotflinte greifen. Aber nein: das Lamm zieht ins Haus der beiden ein und bekommt den Namen Ada.

Was geht hier vor sich?

In dem Moment, in dem wir verstehen, was die Kamera die ganze Zeit vor uns geheim gehalten hat, müsste LAMB nach allen Maßstäben von Vernunft und Kino zerbrechen, die Zuschauer zu peinlich berührtem Kichern reizen und jede Chance verspielen, ernst genommen zu werden.

Er tut es nicht. Stattdessen erschafft er eine seltsame “mystische Normalität”, in der das, was wir sehen, von uns genauso akzeptiert wird wie von den Protagonisten. In die Atmosphäre des Bizarren und Verstörenden mischt sich Wärme und wir verstehen, was Ingvar meint, wenn er seinem Bruder als Antwort nur sagen kann “das ist Glück”. Und dennoch ahnen wir, dass es dabei nicht bleiben wird.

Ich kann leider nicht mehr sagen, weil LAMB einer der Filme ist, die man nicht spoilern darf. Es muss reichen, dass ich die Darsteller lobe wie die Kameraarbeit, die dröhnende Musik wie die perfekten, aber niemals aufdringlichen Effekte.

Wieder nix für den Gorehound oder Freunde von EIN SCHWEINCHEN NAMENS BABE, aber eine echte Entdeckung für Cineasten, die sich vom Kino noch berühren lassen. Ein einzigartiger Film, der in seiner skandinavisch-träumerischen Art am ehesten an BORDER und THALE erinnert.

Fazit: Ein sicher nicht für jedermann geeignetes karges Drama im Stil einer Folklore-Erzählung, das aber mit erzählerischer Reife und beeindruckender Technik auch harte Herzen weichkocht. 9 von 10 Punkten.

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3 Kommentare
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Comicfreak
Comicfreak
22. Oktober, 2021 19:42

Danke, nach dem halte ich dann mal Ausschau

PabloD
PabloD
22. Oktober, 2021 23:02

Der Trailer spoilert dann doch kurz, was man die ganze Zeit eh schon vermutet?

Tobias
Tobias
5. November, 2021 07:08

Wow! Toll, wenn man aus dem Kino kommt mit dem Gefühl, richtig etwas erlebt zu haben…