19
Okt 2021

Fantasy Filmfest 2021 Tag 2, Film 5: MOTHER SCHMUCKERS

Themen: Fantasy Filmf. 21, Film, TV & Presse, Neues |

Belgien 2021. Regie: Harpo Guit, Lenny Guit. Darsteller: Maxi Delmelle, Harpo Guit, Claire Bodson, Tom Adjibi

Offizielle Synopsis: Der Hund ist weg. Die Mutter kann sich nicht drum kümmern, wird sie doch an den Arbeitsplatz geprügelt. Eine Drohung jagt sie den ungeliebten Versagersöhnen noch hinterher: Taucht die Töle nicht wieder auf, fliegen Issachar und Zabulon aus der veratzten Sozialwohnung. Startschuss für ihre Odyssee durch die Niederungen (un)menschlicher Ghettoexistenz zwischen erbarmungswürdigen Traumtänzern, fehlgeleiteten Tierliebhabern und übergriffigen Freiern.

Kritik: Puh, da wird’s eng. Es kommt immer mal wieder vor, dass ich nach einem Film hin- und hergerissen bin. Es ist eher selten der Fall, dass es mir am nächsten Tag noch so geht.

MOTHER SCHMUCKERS wurde von der Festival-Leiterin als extreme Erfahrung angekündigt, die ihr selber beim Sundance(!)-Festival nicht gefallen habe. Mein Kumpel Mark, der mich netterweise zu diversen Filmen begleitet, fand ihn augenscheinlich bodenlos nach dem durchaus legitimen “was soll das?!”-Maßstab.

Ich bin… gespalten. Genau genommen ist MOTHER SCHMUCKERS kein Film, sondern ein “day in the life”-Projekt über zwei so idiotische wie symbiotische Brüder, die mental die Pubertät noch nicht erreicht haben und in einer Welt aus Perversen, Prostituierten und anderen Randexistenzen irgendwie ihre tumbe Unschuld bewahrt haben. Nicht ohne, aber frei von Moral versuchen sie ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu befriedigen – während der Zuschauer ahnt, dass die grausame Wirklichkeit für die beiden irgendwann einen Tod in der Gosse oder ein Ende im Knast bereit hält.

Das ist bewusst rotzig inszeniert, teilweise erkennbar freestyle, mit einer Freude an Schock und Ekel, die sich aber in letzter Konsequenz doch in Grenzen halten – EX-DRUMMER und WE ARE THE FLESH z.B. haben da ganz anders vorgelegt.

Macht das einen “guten” Film? Vermutlich nein. Aber wenn man das Mäntelchen der braven Empörung mal ablegt, dann ist hier durchaus eine Absicht zu erkennen. Issachar und Zabulon sind Produkte ihrer Umwelt, Kinder einer gänzlich kinderfeindlichen Welt, in der die Erwachsenen in ihrer eigenen Scheiße köcheln und jeder Ausweg eine Sackgasse ist. Dass sie deshalb schrill und fast unerträglich sind, dass man ihnen permanent eine runterhauen möchte, wenn das nicht bedeuten würde, dass man ihnen dafür tatsächlich begegnen müsste? Auch das vermutlich: gewollt. Filme sollen Spiegel vorhalten. Und es gibt durchaus Spiegel, in die man nicht gerne schaut.

Hinzu kommt, dass ich zum FFF fahre, um auch mal “andere” Filme zu schauen. Um Mitternacht ist mir so etwas wie MOTHER SCHMUCKERS allemal lieber als der fünfte kanadische “Thriller” mit reduzierter Farbgebung und einem abgehalfterten amerikanischen “name star”.

Und so empfehle ich MOTHER SCHMUCKERS – und warne vor ihm.

Fazit: BILL & TED im belgischen Aso-Milieu. Kann man als Sozialstudie einer verlorenen Generation stundenlang diskutieren oder als geschmacklose Sponti-Comedy ohne Sinn und Verstand (oder Budget) rückstandslos entsorgen. Daher keine Wertung.

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6 Kommentare
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Nummer Neun
19. Oktober, 2021 13:24

Interessanterweise ist der Film nur für Berlin und Stuttgart gelistet.

Generell wundere ich mich jedes Jahr wieder, dass die Spielpläne für die einzelnen Spielstätten immer angepasst werden. Sind die Vorlieben lokal so verschieden – oder sichert man jedem Film eine bestimmte Zahl an attraktiveren Slots zu?

Ralf
Ralf
19. Oktober, 2021 14:23
Reply to  Torsten Dewi

Ja, scheint zu stimmen. BLOODY ORANGES läuft dafür in den anderen fünf Städten.

Mencken
Mencken
19. Oktober, 2021 20:03

Neben Broadcast Signal Intrusion der bisher einzige Film, der ganz interessant klingt. Allerdings auch wieder ein Kandidat, bei dem ich die Verbindung zum FFF nicht unbedingt sehe.

Thies
Thies
4. November, 2021 02:32

Danke für die Empfehlwahrnung, nach der ich erst mal schnell geschaut habe, wann er in Hamburg läuft. Die Antwort lautete zum Glück gar nicht, denn das klingt nicht nach meiner Tasse Tee.