20
Jul 2021

The Sound of my Drive

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Die letzten zwei Tage war ich mal wieder unterwegs in Sachen LIEBES LAND – Sonntag in aller Früh nach Hannover, dort einen bezaubernden Garten (und ein bisschen Handwerk) fotografiert, am Tag drauf eine massiv coole Lagerfeuer-Kochschule. Die Fastenzeit legte eine unfreiwillge, aber leckere Pause ein.

Nach dem Termin in der Kochschule habe ich den Fotografen zum Bahnhof gebracht, um im Anschluss den Highway 7 gen Süden zu nehmen. Um 22.00 Uhr nagelte ich mit dem gemieten A3 Sportback TDI über die Münchner Stadtgrenze. Insgesamt sind wir in zwei Tagen mehr als 1500 Kilometer gefahren und haben mehr als 1500 Bilder produziert. Nicht nur viel, auch gut.

Weil ich jetzt noch ein wenig Pause habe, empfehle ich euch mal die Leckereien fürs Ohr, mit denen ich mir die lange Fahrt durch viele Baustellen versüßt habe.

Da ist zuerst einmal der hoch gelobte sechsteilige Podcast “Cui bono?” über den Abstieg Ken Jebsens vom anarchischen Radio-Clown zum rechtslastigen Verschwörungsdeppen der Nation. Gut recherchiert und schön aufgearbeitet, auch wenn auf der Zielgeraden ein wenig die Luft rausgeht. Vier Folgen wären angemessener gewesen.

Auch schön: der ebenso lange Podcast über die “Karriere” von Kim Schmitz, aka Kimble, aka Kim Dotcom. Kim ist ein Mann, der leicht zu hassen ist – ein fetter Aufschneider, der sich eierschwingend mit Playmates und B-Promis inszeniert und dabei Geld verbläst, das er mit augenscheinlich illegalen, zumindest aber fragwürdigen Unternehmungen verdient. Aber wie schon die Dokumentation CAUGHT IN THE WEB gelingt es “Wild wild web” sehr gut, dieses Bild zu relativieren. Ja, Kim mag maßlos und megaloman sein, aber er ist auch hoch intelligent und seine Gegner in Politik und Industrie sind sehr offensichtlich eiskalte Strippenzieher, denen es nur darum geht, einen Mann zu vernichten, dessen Ideen sie nicht verstehen. Insbesondere die Verstrickungen des neuseeländischen Premiers sind nicht weniger als skandalös. Andererseits wurde ich manchmal das Gefühl nicht los, der Podcast wolle sich mit Kim solidarisieren, um das versprochene Interview nicht zu gefährden (das trotzdem nicht stattfand).

Ich urteile also, wie ich es schon bei CAUGHT IN THE WEB getan habe:

“Und tatsächlich gelingt es (…), die beteiligten Machtmenschen als nicht weniger korrupt und ekelhaft zu zeigen als den Kriminellen, gegen den sie vorgehen. Sicher nicht “fair and balanced” und vieles vom Hintergrund bleibt unerzählt – trotzdem eine ganz spannende Geschichte, die hier ausgebreitet wird.”

Dass Bastian Pastewka ein Nerd ist, der sämtliche Wallace-Filme aus dem FF kennt und eine große Liebe für das Radio hegt, ist bekannt. Darum ist es auch kein Wunder, dass er in seinem neusten Podcast-Projekt alles zusammen bringt. In “Kein Mucks!” präsentiert er alte Kriminal-Hörspiele von Radio Bremen, erklärt Kontext und stellt Schauspieler vor. Das ist extrem sympathisch und zumindest in der Anmoderation so launig wie der Vorspann:

Man muss allerdings ein beinharter Fan von Radio-Hörspielen sein, um sich nicht ständig zu wundern, mit was für staubigen Schmalspurgeschichten die Autoren in den 50er, 60er und 70er Jahren durchkamen. So liebevoll die Produktionen auch inszeniert waren, so hanebüchen sind die Figuren und so lahm die Auflösungen.

Auch mal was mit englisch: Wer wissen will, wieso auch Monopolisten scheitern und was für banale Auslöser hinter gigantischen Wirtschafts-Crashs stecken, der ist bei Lauren Obers “Spectacular Failures” richtig, einem launischen Podcast über große Namen, die klein endeten (Kodak, Trump Towers, PanAm). Die Erklärung, wie in den USA mit Taxi-Lizenzen geschachert wird, ist ein echter “eye opener”.

Als Kritik muss ich anbringen, dass die Verlängerung der Laufzeit in der zweiten Staffel mitunter zu Längen führt und die Episode über das Restaurant Squirl nach irgendeiner persönlichen Vendetta riecht und unangenehm aus dem Format fällt.

Über diese Reihen hinaus habe ich mir die Zeit mit ein paar freistehenden Dokus und Reportagen vertrieben.

In “Porno und Kohle” wird Sexstar Lena Nitro ausführlich interviewt, mit der ich vor über 10 Jahren im Rahmen der TV SÜNDE schon zu tun hatte – einerseits interessant, wie smart und natürlich sie rüberkommt. Andererseits ist es schon auffällig, dass in diesem Gespräch praktisch alle problematischen Aspekte der Pornobranche (Gewalt, Drogen, AIDS) der Scheuklappe zum Opfer fallen.

Es gehört zur Natur der Sache, dass man als “Wessi” weniger über die Filmkultur der “Ossis” weiß als über die eigene. Man muss sich auch wahrlich nicht auf Jahre ins Thema einlesen, aber Dokus wie “75 Jahre DEFA” bieten eine gute Übersicht.

Ich bin nicht so der Fan von “true crime”-Podcasts (was daran liegen mag, dass ich mich mit dem Thema nie wirklich auseinandergesetzt habe), aber “Tod eines Fuhrknechts” ist eine faszinierende Rekonstruktion, die auch als Blick in die Geschichte funktioniert.

Und natürlich wieder Zeitzeichen: Stephen King, die Mauritius, Weltraumvertrag, Kartoffeln, erstes Hörspiel, Farbfernsehen, Antidepressiva u.v.a.

Es sei zum Abschluss vermerkt, dass längst nicht alles Gold ist, was glänzt – so habe ich mehrere Dokus und Reportagen über esoterische oder spirituelle Themen abgebrochen, weil die Macher augenscheinlich keinerlei Distanz zum Thema aufbringen konnten. Und “Sex für Taschengeld” vom Y-Kollektiv ist sicher eine der peinlichsten Nummern, die ich je gestreamt habe: sich selbst über den Klee lobende Redakteurinnen, die ihre eigenen Emotionen nicht im Griff haben und das Thema fast gewaltsam ins Korsett der eigenen Empörung prügeln. Das Ding hätte nie auf Sendung gehen dürfen. Vielleicht ist das aber auch nur eine neue Art von Ich-Journalismus, dessen Zielgruppe ich nicht (mehr?) bin.

Dennoch: meine langen Autofahrten waren nie kürzer. Danke dafür.

Habt ihr – abgesehen von Lifestyle-, Film- und Spiele-Podcasts – bestimmte Favoriten unter 60 Minuten, die ihr euch nicht entgehen lasst?



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Jake
Jake
20. Juli, 2021 14:03

Ich höre hauptsächlich Podcasts rund ums Thema PC- und Videospiele. Dabei kann ich am besten abschalten. Was ich aber auch sehr gerne konsumiere:

OK, America? (ZEIT Online-Podcast)
Verbrechen (ZEIT Online-Podcast)
Den Übermedien-Podcast “Holger ruft an…”
Eine Stunde History (Deutschlandfunk Nova)
SWR2 Wissen

Jake
Jake
20. Juli, 2021 14:19
Reply to  Torsten Dewi

Beim SWR2-Podcast kommt man gar nicht hinterher, weil die praktisch täglich neuen Content hochladen. Nicht selten zweimal am Tag. Da kann man sich wirklich dusselig dran hören.

Lothar
Lothar
20. Juli, 2021 14:06

Radiolab, Strong Songs, 20 Thousand Hertz, The Pod Gamespodcast, Stay Forever, Brady Heywood Podcast, Hoaxilla, Kapitel Eins, Wait Wait… Don’t Tell me, WDR Hörspiel Speicher.

Erst mal auf Eis, aber weiterhin abrufbar ist “13 Minutes to the Moon”, in der Apollo 11 und Apollo 13 sehr detailliert beschrieben werden.

Zeddi
Zeddi
20. Juli, 2021 14:56

Hab leider nicht so viel Zeit zum Podcast oä hören

Aber wenn ist es oft der hier in den Kommentaren angesprochene Hoaxilla oder die Sternengeschichten von Florian Freistetter

Kai
Kai
20. Juli, 2021 15:45

Ich würde ja wie immer Hardcore History von Dan Carlin vorschlagen, aber “…Favoriten unter 60 Minuten” wird schwierig. Es ist ja schon mittlerweile erwähnenswert, wenn er pro Folge unter 300 Minuten bleibt… 🙂

Ansonsten höre ich regelmäßig

BBC History Extra – breites Spektrum an Themen, pro Folge zwischen 30 – 50 min
Revolutions (mehrere Staffeln) von Mike Duncan – ebenso lang
History on Fire von Daniele Bolelli – dazu muss man leider Luminary abbonieren

Hollywood and Levine
WTF von Marc Maron
Stay Forever – Gamestar Urgesteine Gunnar Lott und Christian Schmidt über alte PC/Konsolenspiele

dermax
dermax
20. Juli, 2021 18:14

Bin auch grad mit “Cui Bono” durch und stimme voll zu, zumindest die letzte Folge hatte ja eigentlich nix mehr mit Jebsen zu tun.
Als Fussballfan kommt man um “11 Leben” nicht drum rum, während der Produktion hat der Max-Jacob Ost dann auch gemerkt, dass 11 Folgen hinten und vorne nicht reichen. Für den Hausherrn vermutlich zu sportlastig, deshalb verkneif ich mir auch weitere Tipps aus dem Genre…
Gerade heute hab ich “Seehofers 69” fertig, 4x30min, die einen wütend werden lassen.
Zumindest die erste Folge von “Raus aus der Depression” mit Harald Schmidt als Moderator war ein interessanter Einblick mit einem Betroffenen, der u.a. bei “Price Charming” im TV war. Darauf bin ich über den NDRinfo Corona-Podcast gestolpert, der vermutlich hier nicht extra erwähnt werden muss, aktuell wird die Sommerpause mit Kompakt-Zusammenfassungen gefüllt, was angesichts der sonstigen 90min-Nummern richtig erholsam ist.

S-Man
20. Juli, 2021 18:54

Ich habe irgendwie nicht die Geduld oder Fähigkeit zum Hören von Podcasts. Ich habe immer das Problem, dass ich von den visuellen Eindrücken um mich rum zu sehr abgelenkt bin. Deswegen lese ich Stories lieber, als sie mir erzählen zu lassen.

Der allererste (und bislang einzige) Podcast, dem ich aber länger zuhören konnte, war der Comic-Podcast artAberHerzlich der deutschen Comiczeichner Flix und Marvin Clifford, deren Arbeiten ich aber schon seit Jahren verfolge und zumeist verehre.

Olaf Kröger
Olaf Kröger
20. Juli, 2021 21:34

Viel Musik-Podcasts, wenn Themen- und Laufzeitbeschränkungen den Rest wegblocken:

Hit Parade: Chart History, d. h. welcher Künstler war wann auf welchem Platz der Billboard Top 100. Das dient als Gerüst für interessante Geschichten über Künstlerkarrieren, Strömungen im Massengeschmack oder (gewöhnlich schamlose) Praktiken der Musikindustrie. Anspieltipp: “The Great War Against The Single Edition”.

Centuries of Sound: Ein Mix für jedes Jahr, aus dem es Musikaufnahmen gibt, aktuell bis 1937. Laufzeit teilweise weit über 60 Minuten, aber man braucht nicht bis zum Ende zu hören. Schon nach 20 Minuten steckt man tief im akustischen Zeitgeist eines vergessenen Jahres. Anspieltipps: Wenn man sich in das Jahr 1916 reingehört hat und dann den Mix für 1917 startet, kann man erahnen, was für Sensationen die ersten Jazzplatten gewesen sind. Das gleiche 1924 + 25 für das Wunder des elektronischen Mikrofons.

Strong Sounds: Der freundlichste Mann der Welt erklärt, wie Hits komponiert und produziert wurden. Anspieltipp: Ein Stück, das ihr mögt.

A History Of Rock Music in 500 Songs: Auf zehn Jahre angelegtes Großprojekt, das gerade beim 127. Stück ist, “Ticket to Ride”. Kann man mit Gewinn von Anfang an hören, weil eine durchgehende Geschichte erzählt wird. Aber auch, wenn man nur einzelne Folgen hört, lernt man eine Menge.

Just King Things: Zwei etwas woke, aber beschlagene Leute lesen alle Bücher von Stephen King in Erscheinungsreihenfolge und diskutieren sie. Deutlich länger als 60 Minuten, aber nur, weil die Episoden am Ende durch überflüssige Rubriken aufgebläht werden. Die Hauptdiskussion ist nach 60 oder 70 Minuten im Kasten, und man kann die Folge getrost beenden.

The British Broadcasting Century: Nichts für mich, aber vielleicht für den Hausherren. Ich habe die ersten Folgen gehört und dachte “Handwerklich spitze, wenn mich das Thema nur interessieren würde.” Eine kleinteilige Geschichte der BBC, die bisher nur bis 1922 reicht, eine Zeit, aus der keine einzige Tonaufnahme überlebt hat. Wahrscheinlich toll, wenn man die BBC als Institution und nicht nur ihre Sendungen und Persönlichkeiten mag.

Joris
Joris
20. Juli, 2021 22:51

Super unterhaltsam und kurzweilig: „ there’s no such thing as a fish“ Leute aus dem britischen QI Dunstkreis präsentieren ihre Lieblingsfakten der letzten Woche.
Super für internet interessierte: „reply all“. Perfekte einsteiger Episoden sind „long distance“ bei dem die Moderatoren um indischen telefon scammern auf die Schliche zu kommen unverrichteter Dinge nach Indien fliegen und „the case of the missing hit“ in der sich einer der Moderatoren auf die suche nach einem verschollenen Lied begibt.

sven
sven
21. Juli, 2021 16:30

Leichte Überschneidung mit deinem Beruf:
Hock di her – Holger Klein interviewt Leute aus Bayern fürs Bayern-Tourismus-Marketing. Viele Themen die auch bei euch im Heft vorkommen könnten, Handwerk, Gastronomie und ähnliches.

Deine Welt: Christian Conradi von 4000Hertz begleitet Leute bei dem was sie so machen. Fahrradkurier, Detektiv, Pannendienstlerin z.B.

Durch die Gegend: Auch von 4000Hertz, Christian Möller unterhält sich mit Prominenten beim Durch-die-Gegend-laufen. Die Bewegung lenkt die Gespräche oft in interessante Richtungen.

Moepinat0r
Moepinat0r
21. Juli, 2021 20:37

Kann dir leider keine empfehlen, die du nicht schon kennst. Ich hab sogar erst dank dir den wdr Hörspielspeicher kennen und lieben gelernt!
Jedenfalls hab ich heute einige deiner Empfehlungen mal angehört. Die meisten waren sehr unterhaltsam, aber ich kann deine Kritik an „sex für Taschengeld“ nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe auf trashige, zum Fremdschämen einladende Unterhaltung gehofft, aber es waren dann doch nur zwei junge Damen, die subjektiv über ein schwieriges Thema berichtet haben. Was daran besonders emotional oder selbstbeweihräuchernd war, weiß ich nicht. Das kam mir weder vom Stil noch vom Inhalt anders vor als die Art Journalismus, die man zB von „this American Life“ kennt.

DJ Doena
DJ Doena
21. Juli, 2021 22:40

Michael Rosenbaum, der von 2001-2008 den Lex Luthor in der Serie Smallville gespielt hat, hat einen Podcast names “Inside of You” wo er mit wechselnden Gästen über viele verschiedene Themen spricht und diese auch sehr offen über psychische Probleme usw reden. Ums Showgeschäft selbst geht es dabei oftmals nur am Rande.

Gibts auf Youtube, aber auch bei den üblichen Verdächtigen.

https://player.fm/series/series-2331217

Matts
Matts
22. Juli, 2021 13:32

Zusätzlich zu Podcasts höre ich tatsächlich auch immer wieder einfach Audiokommentare zu Filmen an – ohne den dazugehörigen Film dabei zu schauen. Ist oft trotzdem interessant, wenn die Kommentatoren über alle möglichen Hintergründe zu dem Thema plaudern.
In letzter Zeit hab ich einige der Commentary-Tracks von Redlettermedia durchgehört, aber es gibt mit Sicherheit auch noch viele andere, die ineressant sind.

Squirrelius
Squirrelius
24. Juli, 2021 16:52

Finde Hoaxilla ganz gut. Nehmen Verschwörungsmythen (sowohl Allegemeine wie auf bestimmte Zeitpunkte und Ereignisse begrenzte),paranormale Erscheinungen etc. auseinander. Hin und wieder wird auch mal in die Geschichte geblickt.Die Talks, die in der Corona-Krise eingeführt wurden, finde ich nicht so pralle.

Und noch der Nullwert. Fiktive Interviews im Stile von 10vor11, ohne natürlich so… so 10vor11ig zu sein. Kannman sich hin und wieder geben.

Und dann noch die Folge “Vukodlak, der Vampir” von CropFM. Man muss voher sagen, das CropFM halt ein Eso- Radio ist, weswegen mAnch anderer Beitrag schon, sagen wir mal, “speziell” ist. Die hier empfohlene Folge find ich persönlich aber ganz gut. Ist halt ein Interview mit jemandem, der eine Diplomarbeit zum Thema Vampirmythos verfasst hat und die Ursprünge desMythos’ in Jugoslawien vermutet.