12
Jul 2021

Cinema is back! Gedanken zum BLACK WIDOW-Wochenende

Themen: Film, TV & Presse |

Es ist ein halbes Aufatmen: Mit 220 Millionen Dollar (US, weltweit, plus Streaming) ist BLACK WIDOW der erste wirkliche Post Corona-Blockbuster. War ja auch eine super Idee, sich innerhalb des sonst so ernst-actionlastigen Marvel Universe mal an einer romantischen Komödie zu versuchen:

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Kleiner Scherz. Sei erlaubt. 220 Millionen. Das ist fett. Die erste Reaktion sollte Erleichterung sein – das Kino hat die Pandemie überlebt, und selbst beim Angebot des gleichzeitigen Streamings über Disney+ gehen die Leute eher ins Kino, als vor dem Fernseher zu hocken. Die Befürchtung, die Menschen hätten den Ausgehdrang verloren, scheint sich nicht zu bestätigen. Eher ist es wohl so, dass die Menschen dankbar sind, wieder raus zu dürfen. Ob das ein Strohfeuer ist, wird man abwarten müssen. Ich persönlich denke, die Lage wird sich schneller normalisieren, als wir alle gedacht haben (je nachdem, wie es mit der Pandemie weitergeht). Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Allerdings muss man bedenken, dass Heimzuschauer für den Film zusätzlich zum Disney+-Abo im Streaming satte 22 Euro bezahlen. Wenn man nicht gerade eine ganze Familie daheim hat oder den Freundeskreis einlädt, ist der Kinobesuch deutlich billiger. Man mag das für Abzocke halten, aber als Geschäftsmodell ist es durchaus clever, denn man dreiteilt den Start nun: Kino, Disney+ mit VIP-Pass, und regulärer Disney+-Start im Oktober. Angesichts der guten Zahlen vom ersten Wochenende ist anzunehmen, dass man sich eine neue Zielgruppe eröffnet hat: Zuschauer, die aus verschiedensten Gründen nicht ins Kino wollen oder können, aber dennoch bereit sind, deutlich mehr Geld für eine zeitnahe Premiere zu zahlen. Es rechnet sich – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Sache hat aber noch einen anderen Aspekt. Am Freitag, dem 9. Juli, tauchte der Film ab 9 Uhr auf den entsprechenden Torrent-Seiten auf. Einen Tag nach dem Kinostart und zeitgleich mit der Streaming-Premiere. Von der kleinen 1,2 Gb-Datei für Handy und Tablet bis zum 16 Gb-Monsterdownload in 4k und mit Dolby Atmos. Die sofort verfügbaren Raubkopien haben dem Film anscheinend nicht geschadet – was eine beliebte Klage der Industrie mal wieder ad absurdum führt. Die Piraterie ist ein Phänomen, das die Branche seit der Frühzeit von kommerziell vertriebenen digitalen Datenprodukten (sei es Musik, Film, oder Software) verfolgt. Seit den 80ern heißt es, die Raubkopierer machten den Markt kaputt. Beispiele wie BLACK WIDOW zeigen, dass das Gezeter beim Workprint von X-MEN ORIGINS: WOLVERINE genau so leer war wie beim Drama um CLOUD ATLAS.

Es mag der Branche nicht gefallen und die Lage wird vermutlich nie entspannt genug sein, um es offen auszusprechen, aber: Raubkopien sind ein unvermeidliches Ärgernis, das zwar nicht zu beseitigen ist, andererseits die produzierende Industrie aber auch nicht existenziell gefährdet.

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Wie seht ihr das? Ist Premium-Streaming "der dritte Weg" oder wird er das Kino mittelfristig kannibalisieren? Pokert die Branche mit Preisen jenseits der 20 Euro zu hoch? Macht sich die Industrie mit jedem Streaming, das zwangsweise perfekte und zeitnahe Raubkopien zur Folge hat, angreifbar? Was bedeutet das für den Markt an Silberscheiben – ist der Film ausgespielt, bevor er in den Regalen steht?



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Thor
Thor
12. Juli, 2021 15:06

Ich bin schon seit Jahren ein seltener Kinogänger, da muss schon was ganz besonderes Laufen, um es als Event für mich/uns interessant zu machen.

Dies liegt zum einen daran, das Familie mit 2E+2K+2K nicht gerade familienfreundlich ins Kino zu bekommen sind und auch daraus resultierend Heimkino für mich schon immer ein Ziel war und ich nun in unserem neuen Heim ein Bild von 3,50 cm und 7.1 Soundanlage betreibe (auch wenn Netflix und Konsorten bisher bei mir nur 5.1 ausspucken).

Auch bin ich nicht jemand, der sofort den neusten Film gesehen haben muss und ich auch gerne warte bis er im Streaming erhältlich ist.

Ich muss aber zugeben, das ich damit doch zur "neuen" Zielgruppe gehören werde und damit vermutlich noch weniger ins Kino gehen werde, wenn man mir die Möglichkeit gibt, neue Filme gegen Mehrgebühr parallel zum Kinostart im Heimkino zu sehen.
Allerdings sind mir 22,- da noch zuviel 🙂

Kai
Kai
12. Juli, 2021 15:10

Über 20 Ocken extra, zusätzlich zur monatlichen Grundgebühr, sind mir persönlich zu viel. Abgesehen davon, dass man ja generell erst mal auch den richtigen Streaming Dienst haben muss.

Das einzige Problem das ich sehe ist, dass viele Filme dann evtl. gar nicht mehr in meine Nähe kommen (wohne ländlich).

Gerade extra nachgelesen, bei Dune scheinen sie ja nun einen Rückzieher gemacht zu haben und zeigen es erst im Kino und danach erst bei HBO Max. Puuh, Glück gehabt. Das Ding gehört ins Kino. 🙂

jimmy1138
jimmy1138
12. Juli, 2021 15:39

Selbst an einem "guten" Wochenende generiert die US-Boxoffice nur 115 Mio$ Umsatz. Das ist in meinen Augen noch immer 40-50Mio $ hinter dem langjährigen Durchschnitt.
Kino ist nicht tot, aber der Umsatz an den Kinokassen hinkt noch immer mindestens 30-40% hinterher. Kann sich die Industrie das leisten?
Wird sich das jemals erholen? Man muß sich nur einmal das Beispiel der Musikindustrie ansehen – der Umsatz ist noch immer die Hälfte vom Jahr 2000 – trotz Inflation. Wenn das tatsächlich so eintritt, werden viele Filmprojekte wirtschaftlich keinen Sinn mehr machen, v.a. wird es billigere Filme brauchen und dadurch womöglich andere Genres forciert werden.

Zeddi
Zeddi
12. Juli, 2021 22:03
Reply to  Torsten Dewi

Ich hab 2015 mir son BlueRay laufwerk mal zugelegt und das seltener seit dem Benutzt als das Waffeleisen … nough said

jimmy1138
jimmy1138
12. Juli, 2021 22:07
Reply to  Torsten Dewi

Man muß nicht alles schwarz oder weiß sehen. Klar wird es Medien weiter geben, es gibt ja noch immer Theater und Oper, aber die Bedeutung und Art der Nutzung wird sich ändern – wer setzt sich heute noch fein gekleidet zum Radio um dem neuen Hörspiel zuzuhören?
Zeit und Geld, das man in Unterhaltung investieren kann, sind endlich. Das Kino wird überleben, aber wie groß wird das Stück vom Kuchen sein? Wie gesagt: Wenn man – Hausnummer – 30% des Umsatzes verliert, kann man sich es leisten, so weiterzumachen wie bisher? Wenn dann selbst die großen Kracher nur noch knapp in die Gewinnzone kommen?
Physischen Datenträgern wird es gehen wie Vinyl: Eine kleine Sammlerszene wird bleiben, das Massenphänomen DVD-Sammlung ist aber wohl Geschichte…

Andreas
Andreas
12. Juli, 2021 15:59

Bin definitiv auch jemand der Filme (auch gegen Extrakosten) gerne lieber gleich im Heimkino konsumiert. Über die Jahre gehe ich immer weniger ins Kino. Ich mag das Kinofeeling, kann aber auf die störenden Menschen dabei verzichten. Wenn ich jetzt Kinofeeling will, fahre ich in das Autokino nach Frankfurt (aber nur weil ich das mit dem Firmenwagen machen kann). Mehr wie 1 oder 2mal im Jahr ist es allerdings nicht.

Gottloser
Gottloser
12. Juli, 2021 18:38

Mit Fahrtkosten zum nächsten Kino und bei Eintrittspreisen jenseits der 15 € ist es eigentlich für ums schon zu zweit billiger den Film zu streamen.

Zeddi
Zeddi
12. Juli, 2021 22:08

Hab hier son kleineres zumindest etwas gemütlicheres Kino entdeckt, etwas ländlicher, das mag ich ab-und-an mal wegen der "klassischen" Atmosphäre die zumindest ein bisschen aufkommt. Direkt angeschlossen ist auch ein recht "ordentliches" Restaurant / Bar

Diese großen Stahlbetonbauten wie aus ner Dystropie die überall gleich aussehen mit den Menschenmassen, das ist nichts für mich, dann doch lieber Fernseher oder PC-Bildschirm.

(Was natürlich nicht bedeutet das Gesellschaftliche zwänge mich da auch mal alle 1-3 Jahre hinführen)

Heino
Heino
12. Juli, 2021 22:15

Für mich wird Streaming niemals das Kino ersetzen können, aber ich habe auch keine Familie, die mich pro Kinoabend locker €50 kosten würde, und lebe in einer Stadt mit vielen Kinos, die z.T. Filme schon für € 4,50 anbieten. DVD und BR werden definitiv Nischenprodukte werden (sie sind es ja schon fast, nur Sammler geben da noch viel Geld aus), aber nicht aussterben, da NF und Co. niemals jeden Film vorrätig haben werden. Und das Kino verändert sich doch ständig, zuletzt war es der 3D-Hype, jetzt sind es Sachen wie Screen X, die neues Publikum ziehen sollen.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
13. Juli, 2021 11:37

Letzte Woche nach Monaten mal wieder im Kino gewesen (Nobody, unterhaltsam) und das war schon nett – allerdings mit Bahn, Treffen mit Freunden vorab und der Abschaffung des Kinodienstags mit 50€+ kein preiswertes Vergnügen. Da ist der VIP-Stream ab drei Leuten tatsächlich eine Überlegung wert. Oder man wartet halt einfach die paar Wochen, durch das Überangebot an Serien und Filmen (und der Tatsache, dass BW ja eh nur ein Einschub ist) verpasst man wahrscheinlich auch nichts, wenn man den Film erst im Oktober sieht. Plus die Gier seitens Disney (siehe Post beim Review)