Fantasy Filmfest Nights XL 2021 (8): CAVEAT
Themen: FF Nights XL 2021, Film, TV & Presse, Neues |UK 2020. Regie: Damian McCarthy. Darsteller: Ben Caplan, Conor Dwane, Jonathan French, Leila Sykes
Offizielle Synopsis: Der an Amnesie leidende Isaac wird von einem Kumpel gebeten, für ein paar Tage die Tochter seines verstorbenen Bruders zu beaufsichtigen. Olga ist schizophren mit katatonischen Zuständen und kann nicht allein sein. Einmal im Jahr trauert sie in einem verlassenen Haus um ihren Vater, der sich dort im Keller erschossen hat. Nicht erwähnt hat der Kumpel, dass das Haus auf einer einsamen Insel liegt. Und es gibt eine Bedingung: Isaac muss seinen Aufenthalt angekettet in einem ledernen Geschirr verbringen. Dass die Kette lang genug ist, um durchs ganze Haus zu streifen, ist da auch kein Trost. Doch aus Geldmangel nimmt der junge Mann den Job an.
Kritik: Und noch so ein Spukfilm. Langsam wähne ich mich wirklich in einem neuen Trend – oder dem perfiden Experiment, mich zu Tode zu langweilen.
CAVEAT ist der erste Langfilm des bisher auf dem FFF mit Kurzfilmen angetretenen McCarthy. Nach eigener Aussage wollte er ein Suspense-Stück präsentieren, dass sich wirklich zum Finale hin steigert – vermutlich im Gegensatz zum Rest aller Filme, die sich zum Ende hin nicht steigern. Ist ja nicht so, dass wir von der Idee noch nie gehört hätten und das nicht ohne Grund Climax heißt.
Ich habe selten einen Film gesehen, dessen Setup so unglaubwürdig, dessen Figuren so komplett herbei gefaselt und dessen Spannungsbogen derart unbegründet ist wie in CAVEAT. Auch auf die Gefahr hin, ein wenig zu spoilern: alles, was hier passiert, KANN nur passieren, weil ein psychisches Wrack mit Amnesie von einem skrupellosen Gangster angeheuert wird, auf ein Mädchen mit katatonischen Ausfällen aufzupassen, deren klaustrophobischer Vater die verrückte Mutter auf dem Gewissen hat. Ach ja, und ein verrotteter Spielzeughase mit Blechtrommel fungiert als „Gefahr-o-meter“, aber nur im ersten Drittel, dann wird dieses möglicherweise übernatürliche Element einfach vergessen.
Der Film bricht in dem Augenblick zusammen, in dem man das erste Mal die Motivation einer Person hinterfragt. Irgendeiner. Schon die erste Szene: Moe heuert Richie an, auf Olga aufzupassen, weil diese immer ins Haus ihrer toten Eltern zurück kehrt. Warum Olga das tut? Keine Ahnung, alles würde dagegen sprechen. Warum Moe ausgerechnet Richie anheuern will? Keine Ahnung, alles würde dagegen sprechen. Warum Richie den Auftrag annimmt? Keine Ahnung, alles würde dagegen sprechen.
Ich glaube ja nicht mal die Location – ein total verfallenes Haus, in dem angeblich bis zum letzten Jahr Olgas Familie gelebt hat, das aber offensichtlich schon seit mindestens 20 Jahren verfallen ist. NIEMAND hat hier bis letztes Jahr gelebt, und wenn das Budget keine andere Location erlaubte, dann hätte man das Drehbuch vielleicht ein bisschen darauf anpassen müssen.
Und ich fange gar nicht erst mit der „Weste“ an, die Richie tragen muss. Abgesehen davon, dass es sehr einfach sein müsste, sich ihrer zu entledigen, ist es verdächtig einfach, sich ihrer zu entledigen. Ihr versteht diesen Satz, wenn ihr den Film seht. Ebenso einfach sollte es für Richie sein, von Insel zu fliehen. Für Olga, aus dem Zimmer zu entkommen. Für beide, Moe zu überwältigen. Nichts, was CAVEAT zur Spannungserzeugung anbietet, hält auch nur der geringsten Überprüfung stand. Nichts macht hier Sinn, und deshalb kann auch nichts überzeugen.
Ich habe den Begriff „hanebüchen“ auf meinem Blog ja schon öfter verwendet, aber niemals mit einer solchen Berechtigung. Es gibt in CAVEAT keinerlei „wenn dann“ oder „dann weil“-Logik. Wir erfahren nicht einmal, warum Olga und Richie einander Gegner sein sollten – sie haben keinen Grund, sich nicht zusammen zu tun Oder die Polizei zu rufen. Oder irgendwas. Irgendwas.
88 Minuten, die sich länger als das gesamte Festival anfühlen.
Fazit: Ein Totalausfall in Sachen Story und Figuren, der sich an wirkungsvoller Suspense tragisch überhebt und beweist, dass manche Kurzfilmer eben doch nicht zum Langfilmer taugen. 3 von 10 Punkten, und auch die nur für die Mühen der Darsteller.
Faszinierend. Die Rezension formuliert exakt die Bedenken aus, die ich nach der Inhaltsangabe hatte. Nicht mehr und nicht weniger. (Kurz gesagt: "schon die Prämisse kauf ich nicht")
Ich passe.
Witzig, ich bin hier der gegenteiligen Meinung. Witzig deshalb, weil es schon bei THE NIGHT genau umgekehrt war. Die beiden Filme zu vergleichen, liegt ja auch ein bisschen nahe: Beides sind Low-budget Gruselfilme, die primär über den langsamen Aufbau einer bedrohlichen Stimmung arbeiten. Und in beiden Fällen hatte der Regisseur auch beim Drehbuch und Schnitt die Zügel in der Hand – also so ziemlich die volle Kontrolle über den Film.
Und ich muss sagen: Damian McCarthy hat mich deutlich mehr erreicht als Kourosh Ahari. Ich kann gut verstehen, dass es einem die ganze Prämisse verhagelt, wenn da Handwedelei stattfindet wie "Die ist halt verrückt" und "Er hatte Amnesie und brauchte das Geld". Aber Tatsache ist: Die CAVEAT hab ich mich streckenweise wirklich gegruselt, bei THE NIGHT nicht.