25
Mai 2021

Streaming-Kritik: ARMY OF THE DEAD

Themen: Film, TV & Presse |

USA 2021. Regie: Zack Snyder. Darsteller: Dave Bautista, Ella Purnell, Matthias Schweighöfer, Omari Hardwick, Ana de la Reguera, Tig Notaro u.a.

Story: Nach einem katastrophalen Ausbruch einer Zombie-Epidemie ist Las Vegas abgeriegelt worden und man hat es den Untoten überlassen – bis in ein paar Tagen ein taktischer Nuklearschlag das Problem radikal lösen soll. Der Ex-Soldat Scott Ward wird von dem Casinobesitzer Tanaka angeheuert, mit ein paar Spezialisten 200 Millionen Dollar aus einem Hochsicherheits-Safe zu retten, bevor es soweit ist.

Kritik: Früher war mehr Lametta. Es liegt nur noch wenig Glanz und Gloria darin, einen Film wie ARMY OF THE DEAD zu besprechen, weil so ziemliche alle relevanten Kommentatoren (you know who you are) ihn ebenfalls schon gesehen und sich ihre Meinung gebildet haben. Im Zeitalter des Streamings wird es immer schwerer bis unmöglich, einen Wissensvorsprung zu haben, mit dem ich Vorreiter spielen kann. Und was soll es dann?

Ich bin auch nicht der Typ, der nur auf die Freischaltung bei Netflix wartet und dann sofort mit Notizbuch vor dem Fernseher kauert, um irgendwie “ERSTER!” mit seiner Kritik schreien zu können. Zumal ich immer im Hintertreffen wäre gegenüber jenen “Kollegen”, die keine Probleme damit haben, einen Film des schnellen Reviews zuliebe über weite Strecken durchzuspulen.

Aber es kommt der Tag, da will die Säge sägen und es soll niemand sagen, ich würde meine Pflichten vernachlässigen. ARMY OF THE DEAD. Zack Snyders zweiter, diesmal selbst gewählter Ausflug ins Streaming-Universum. Ein 70-90 Millionen Dollar teurer Versuch, Netflix eine Zombie-Franchise zu bauen, an der (ausgerechnet!) Matthias Schweighöfer beteiligt ist.

Wollte ich es mir einfach machen, würde ich den Film auf DIE KLAPPERSCHLANGE meets I AM LEGEND reduzieren – nur etwas hohler. Und tatsächlich läge ich nicht allzu weit daneben, auch weil AOTD in der ersten Stunde sehr gut aus den Puschen kommt, das Szenario schnell und knackig aufbaut und die grob, aber klar gezeichneten Figuren dann auch flott ins Chaos scheucht. Das erinnert an die dystopischen Heuler der 70er (DAMNATION ALLEY, NEW YORK ANTWORTET NICHT MEHR, PHASE IV) und die Action-Reißer der 90er (THE ROCK, CON AIR) gleichermaßen. Die Pinselstriche, dramaturgisch wie optisch, sind breit und bunt, auch wenn AOTD niemals so neon-besoffen oder ironisch wird, wie das Poster verspricht. Wir mögen die Charaktere, wir verstehen ihre “wants and needs”, und die Mythologie dieser spezifischen Sorte Zombies lässt Raum für Überraschungen.

Das postapokalyptische Las Vegas ist eine dankbare Kulisse (wie schon in RESIDENT EVIL: EXTINCTION), auch wenn auffällt, dass die Macher bei den Haupt-Locations fiktive Hotels bespielen, weil wohl kein echtes Casino bereit war, sich zerstört und von Zombies überrannt zu präsentieren.

Und so war ich trotz der abschreckenden Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden nach einer Stunde guter Dinge, einen für Zack Snyder-Verhältnisse erstaunlich unprätentiosen und fettfreien Zombie-Reißer zu sehen, wie ihn George Romero sicher gerne gedreht hätte, wenn ihm jemals jemand so viel Geld anvertraut hätte.

Aber leider gehört AOTD zu den Filmen, denen mit fortschreitender Laufzeit zunehmend die Puste ausgeht und der mehr interessante Fragen als Antworten präsentiert. Was ich anfänglich noch sympathisch als “klassisch” ausgemacht hatte, dreht unangenehm ins billige Klischee und wer jemals auch nur die Grundlagen von Filmdramaturgie gelernt hat, der wird wirklich JEDEN Twist und JEDES Charakterschicksal vorher sagen können. Ich muss sogar unterstellen, dass die Autoren (darunter Snyder selbst) bestenfalls die Grundlagen von Filmdramaturgie gelernt haben, denn trotz allen Spektakels ist AOTD erschreckend arm an tatsächlichen Ideen. Die hier gezeigten Zombie-Plotten sind selbst von Asylum schon ausreichend durchgekaut worden. Mich erschüttert, dass man sich keinen fleischhaltigeren Knochen suchen konnte, den es abzunagen galt.

Nach dem Ende der regulären Spielzeit von 90 Minuten, wenn AOTD in die weit überspannte Verlängerung geht, tritt die eigentliche Story immer mehr in den Hintergrund, die Idee eines Heist-Films im Zombie-Umfeld gerät außer Fokus, es wir geschrien, geschossen und gebissen. Schlimmer noch: der Höhepunkt des Heist-Plots wird so beschissen und lachhaft erzählt, dass ich Snyder gerne eins mit der Schaufel übergezogen hätte,

Man erlaube mir den Abstecher: im Casino gibt es also diesen Super-Safe namens “Götterdämmerung” (da ist sie wieder, Snyders Faszination mit germanischen Übergrößen), den nur Super-Safeknacker Ludwig Dieter knacken kann. Der Safe ist mit Fallen gesichert wie die Höhle am Anfang von RAIDERS OF THE LOST ARK (was in Las Vegas WIRKLICH keinen Sinn macht). Und diese Fallen müssen natürlich mit dazu heran gekarrten Zombie-Versuchskaninchen ausgelöst werden. obwohl es sich um banale Kontaktauslöser handelt, die man auch mit einem geworfenen Schuh hätte triggern können.

Schließlich besteht die ganze Leistung des Safeknackers darin, dem Safe beim Drehen der Rädchen gut zu zu hören. Kein Werkzeug, keine Expertise, kein Hightech – einfach eine halbe Stunde Rädchen drehen, bis es Klick macht. Der sicherste Safe der Welt.

Are you fucking kidding me?!

Es ist zu offensichtlich, dass Snyder den Heist-Aspekt nur als Vorwand sieht und so lautlos wie möglich verklappen will, aber ein BISSCHEN mehr Hirnschmalz hätte man schon in den Safe und die Leistung des Safeknackers investieren können, um beides einen Tacken glaubwürdiger zu gestalten.

Danach sind übrigens noch 50 Minuten rumzubringen, die dann eben mit den üblichen Elementen der Apokalypse (Verrat, Opfer, Neuanfang) gefüllt werden bis zu einem eher zynischen Ende, das halb den erwünschten Fortsetzungen und halb der Weltsicht Snyders geschuldet ist. Es ist symptomatisch, dass ich nach der Flucht aus Vegas das dringende Bedürfnis verspürte, abzuschalten. Die Aufarbeitung der letzten menschlichen Konflikte war mir schlicht schnurz. Kein gutes Zeichen.

Reden wir noch kurz über die Darsteller. Über Dave Bautista schrieb ich angesichts seiner Rolle in BLADE RUNNER 2049:

“Und bei Gott – ich glaube mittlerweile, Dave Bautista könnte noch zum Charakterdarsteller wachsen.”

Das stimmt. Aber so sympathisch das steroide Mastschwein unter den aktuellen Ex-Wrestler-Schauspielern auch wirken mag, so sehr mangelt es ihm an Gravitas, um einen Blockbuster zu tragen. Das hier wäre eine Rolle für The Rock gewesen oder Jason Statham, vielleicht sogar eine gute Altersrolle für Schwarzenegger. Bautista überhebt sich ein bisschen, was aber nur deshalb auffällt, weil der Cast ansonsten hauptsächlich aus No Names besteht. Und Schweighöfer? Spricht kurioserweise die deutschen Worte im englischen Dialog mit Akzent aus und darf den überdrehten Deppen geben, was ein wenig zu albern wirkt, sich aber versendet, weil die Französin Nora Arnezeder so auffallend schlecht ist, dass sie alles andere überstrahlt. Tig Notaro ist aber (wieder mal) klasse.

Man merkt, dass vor allem beim Cast am Budget gespart wurde – anders als bei Michael Bays auch nicht besserer Netflix-Premiere 6 UNDERGROUND, wo man zumindest auf die Starpower von Ryan Reynolds setzte:

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Und weil diverse Kollegen sich wohl an der Musik gerieben haben, die statt eines Soundtracks oft auf Cover-Versionen passender klassischer Pop-Hits setzt – ich finde das eigentlich ganz drollig. Mehr als die Verwendung bekannter Melodien werfe ich den Machern die totale Einfallslosigkeit bei der Auswahl vor: “The End” von den DOORS sollte für solche Zwecke mittlerweile ebenso als “durchgekaut” gesperrt sein wie “Bad Moon Rising” und “Viva Las Vegas”.

So erarbeitet sich AOTD in der ersten Stunde eine Menge Respekt, die er im weiteren Verlauf grundlos verschwendet. Unter dem Strich ist er damit immer noch okay und wäre in einem mäßigen Kino-Jahr auch auf der großen Leinwand nicht fehl am Platze gewesen.

Ein Cineplex-Füller ohne Neben-, aber auch ohne Nachwirkungen.

Fazit: Ein anfänglich erfreulich flotter und stringenter Zombie-Action-Blockbuster degeneriert über die zu lange Laufzeit zur Abfolge billiger Klischees, die sich auch mit tonnenweise Schießereien, Prügeleien und Explosionen nicht pimpen lassen.

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Marcus
Marcus
25. Mai, 2021 15:00

“…weil die Französin Nora Amezeder so auffallend schlecht ist…”

Psst. Mach mal richtig, bevor das einer merkt.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
25. Mai, 2021 18:14

In der deutschen Synchro heißt Schweighöfer Dieter mit Vornamen – haben die das tatsächlich gedreht? Nach anfänglicher Skepsis war seine Rolle tatsächlich noch eine der sympathischeren. Dein Review fasst den Film gut zusammen, da war ziemlich viel 0815 drin – mitunter wirkte der Film gar billig (erste große Explosion ohne Drumherum – einfach nur wie ein Bildschirmschoner die Explosion gezeigt – dafuq oO*) und die Zombies wirkten eher wie abgemagerte Orks denn wie schlurfende oder rennende Untote. Für nen verregneten Sonntag ok, aber eher so 5/10 und nix worauf Netflix oder Snyder stolz sein sollten…

Dizoneros
Dizoneros
25. Mai, 2021 19:59
Reply to  Rudi Ratlos

Yap. Immer ein schlechtes Zeichen, wenn ich gegen Filmmitte die Altherrenblase entleere, ohne auf Pause zu drücken. Bautista wird sehr überschätzt – am meisten wohl von sich selbst (“true artist”, etc.). Kasper Schweighöfer war sogar noch unterhaltsam. Der Film ingesamt – tja. Im Untoten-Rating würde ich sagen: schon ziemlich angefault, stinkt aus dem Maul, selbst die Fliegen machen ‘nen Bogen drum – kann weg. Einige (wahrlich nicht alle) Szenen sind vielleicht coole Visuals, aber so… dumm: Der Fallschirmspringer z.B. – was hatte er erwartet? Nee. Snyders “Dawn of the Dead” war weit besser.

Martzell
25. Mai, 2021 18:21

Der Schweighöfer und seine lustigen Gesichter die er zieht finde ich oftmals etwas zu albern. Da ich Zack Snyders Dawn of the Dead positiv in Erinnerung habe überlege ich mir den zu schauen, auch wenn das CGI im Trailer abschreckend ist.

jimmy1138
jimmy1138
25. Mai, 2021 21:09

“Ein Cineplex-Füller ohne Neben-, aber auch ohne Nachwirkungen.”

Und darum herum möchte man bei Netflix offensichtlich eine Franchise aufbauen? Prequel mit Schweighöfer ist schon abgedreht, Animationsserie soll es auch geben.
Generell wie bei Snyder so oft style over substance. Diesmal experimentiert er halt mit schlechtem Kamerafokus herum.Besondere Wirkung hat er damit mMn nicht erzielt.
Und vielleicht bin ich da durch die Rezeption von JL nicht vorurteilsfrei, aber bei Snyder dauert wieder mal alles viel zu lange. Darüber hinaus sind die Logikfehler so haarsträubend, daß man tatsächlich zum Zombie werden muß, um den Film zu genießen – dafür ist der “Pitch Meeting”-Sketch zum Film herrlich…

Gerrit
Gerrit
26. Mai, 2021 00:56

Thema Musik: Die Coverversion von “Down with the sickness” war bei mir was damals hängenblieb von “Dawn of the Dead”. Dass jetzt wieder Richard Cheese mit dem Opener (Viva Las Vegas) dabei ist und damit den (Cover-)Ton angibt, ist auch eine Snyder-Kontinuität, oder Unoriginalität – je nach Denkweise. Jedenfalls hier nicht zum ersten Mal eingesetzt.

Harry
Harry
26. Mai, 2021 14:48

Ich fand den Film ganz unterhaltsam und besser was bisher Netflix an großen Filmen rausgehauen hat, es ist was es ist Popcorn Unterhaltung und das für verhältnismäßig kleines Geld 70-90 Millionen Dollar.

Matts
Matts
26. Mai, 2021 20:18

Mit der Kritik gehe ich absolut mit: Erst hui, dann pfui. Das Allerbeste war für mich tatsächlich die Anfangs-Credit-Sequenz. Genau wie bei WATCHMAN zeigt sich da, dass Snyder das visuelle Storytelling immer noch drauf hat. Wenn er nur jemand anders die Drehbücher schreiben lassen würde…
Aber gegen Ende häufen sich die Facepalm-Momente, Plotlöcher und Anschlussfehler zu sehr (was war los mit dieser Immigrantin (Geeta?), wegen der am Ende noch der ganze Aufstand veranstaltet wurde? Bin ich blind, oder war die plötzlich einfach komplett verschwunden?).
Die Musik war auch gemischt: Das Cover von “Viva, Las Vegas” (sehr naheliegend) hat sich echt schön in die Sequenz eingefügt. Auf der anderen Seite hab ich noch nie erlebt, dass ein Zombiefilm allen Ernstes so dreist war, “Zombie” zu spielen!

oibert
oibert
26. Mai, 2021 21:47

Also der interessanteste Aspekt des Films war, dass Tig Notaro erst dazukam, als der Film schon längst abgedreht war und keine der restlichen SchauspielerInnen überhaupt getroffen hat. Sie hat den Part von Chris D’Elia komplett übernommen… wieso kann man bei nicht wissen selber googlen 🙂

sergej
sergej
2. Juni, 2021 11:55