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Dez 2020

Tankstelle: Diesel oder Superspreader?

Themen: Neues |

Es gibt Sachen, die mich ärgern, weil sie sehr offensichtlicher Unfug sind, aber durchgewunken werden, weil niemand ein Interesse hat, sich darum zu kümmern. Dazu gehört die Frage, was Tankstellen verkaufen dürfen. Klingt im ersten Augenblick komisch, ist aber so.

Eigentlich dürfen Tankstellen nur verkaufen, was für den Reisenden bzw. die Fahrt notwendig ist. Dass dazu weder Tiefkühlpizza noch Alkohol noch Pornovideos gehören, ist selbst für Laien nachvollziehbar. Aber man lässt es durchgehen, weil alle Beteiligten davon profitieren. Und das ist auch der Grund, warum ich nicht dagegen anrede. Es ist ein Non-Aufreger.

Nun ist kein Geheimnis, dass Tankstellen, ob auf der Autobahn oder in der City, ihre Waren zu Apothekerpreisen anbieten. Die Tatsache, dass man dort seine Milch nach Ladenschluss kaufen kann, ist genau genommen wettbewerbswidrig, wird aber als Wettbewerbsvorteil weitreichend ausgeschlachtet.

Die Tankstellen haben ein Interesse, den Tankenden zum Kauf weiterer, völlig überteuerter Produkte zu animieren. Dazu müssen sie vor allem eins: ihn in den Laden locken. Denn der Tankvorgang selber zwingt niemanden dazu. Eigentlich.

Und damit kommen wir zu der Sache, die mich ärgert. So richtig ärgert. Sie lässt sich in einer einfachen Frage zusammen fassen:

Warum kann ich – gerade in Corona-Zeiten – nicht direkt an der Zapfsäule per EC-Karte kontaktlos zahlen?

Technisch und logistisch wäre das völlig stressfrei möglich – ob ich an der Zapfsäule oder zehn Meter weiter in der Tanke mit der Karte wedele, ist völlig irrelevant. Selbst Betrug ist praktisch nicht möglich, weil alles gefilmt wird.

Anfahren, tanken, kontaktlos zahlen, abfahren. Zeit und Stress gespart.

Aus anderen Ländern wie den USA kenne ich das “pay at the pump” auch.

Warum es hierzulande nicht geht? Weil trotz aller Versicherungen, man wolle es dem Kunden so bequem wie möglich machen, die Generierung von Profit das oberste Ziel ist. Und Profit macht die Tankstelle, wenn sie – wie oben erklärt – den Kunden in den Shop lockt.

Das kann man so machen. Das muss ich als Kunde nicht gut finden, auch wenn ich mitspielen muss, weil es alternativlos ist. Den Diesel für unseren X3 kann ich leider weder bei Amazon bestellen noch aus dem Heizkeller abpumpen. Ich nehme hin, dass mir ein größerer Aufwand abverlangt wird und vor allem eine längere Wartezeit. Nix ist schöner, als nachts in der Tanke hinter vier Provinzprolls zu stehen, die primär ein paar Dosen Red Bull und zwei Packungen Lucky Strike kaufen wollen. Ach ja, und noch Bockwürstchen mit Semmel und extra Senf.

Aber diese Zeiten sind keine normalen Zeiten. Wir haben Corona. Epidemie. Ich vermeide jede Nähe zu fremden Personen, jeden Aufenthalt in viel frequentierten Örtlichkeiten fraglicher Hygiene. Die Tankstelle ist kein Ort meines Vertrauens oder trauten Beisammenseins.

Es gibt keinen Grund, warum Tankstellen das Jahr 2020 nicht genutzt haben, alle Zapfsäulen umrüsten zu lassen. Wenn der Komfort des Kunden schon nicht im Vordergrund steht, sollte es wenigstens die Gesundheit tun.

Aber soweit ich das beurteilen kann: es tut sich nix. Weil den Tankstellen eben doch wichtiger ist, den Kunden zum Spontankauf in den Shop zu locken, als ihn vor Viren zu schützen. Das ist keine Vermutung. Das ist offensichtlich.

Und weil ich glaube, dass der Markt selten, aber dann konsequent reguliert gehört, geht meine Forderung an den Gesetzgeber: ich erwarte eine staatliche Vorgabe, dass Tankstellen binnen drei Monaten kontaktlose Zahlung an den Zapfsäulen ermöglichen müssen. Das Tanken und der Einkauf im Shop sind zwei getrennte Vorgänge, die auch so behandelt werden müssen. Es gibt kein Recht darauf, mich nach der Betankung meines Fahrzeugs unnötig zu gängeln in der Hoffnung, ich würde dann doch noch einen MARS-Riegel für 1,20 Euro kaufen.

Nun mag der eine oder andere Leser verschüchtert die Hand heben und sagen: gibt’s doch. In der Tat findet man an manchen Zapfsäulen solche Aufkleber:

Ryd Pay? Nie von gehört? Ich auch nicht. Aber ich hab’s mir mal angesehen:

Je mehr man sich da einliest, desto absurder wird. Abgesehen davon, dass ich kein Interesse habe, nur für den Tankvorgang eine weitere App zu laden, mich zu registrieren und mich dann an der Zapfsäule durch mein Smartphone zu hangeln, ist die Ryd App sehr offensichtlich nur als “Einstiegsdroge” gedacht: man möchte dem Kunden – ganz wie die Tankstelle – viel mehr verkaufen. Ein kostenpflichtiges Premium-Abo und die Ryd Box nämlich, mit der man dann ein digitales Fahrtenbuch führen, den Batteriestand des Autos messen und sogar seinen Live-Standort mit der Welt teilen kann.

Für Otto Normaltanker kompletter Unfug, bestenfalls was für kleine und mittlere Unternehmen, die so ihre Firmenflotte im Blick und im Griff behalten wollen.

Selbstredend funktioniert Ryd Pay auch nur bei einer Minderheit der Tankstellen. Andere Tankstellen bieten andere Versionen an. Und ich bin raus.

Es braucht keine App. Es braucht keine Registrierung. Es braucht kein Smartphone. Es braucht lediglich den EC-Karten-Leser (gerne auch kontaktlos mit RFID).

Ich kann’s nur noch mal sagen: Corona allein ist Grund genug, das gesetzlich vorzuschreiben. Dafür muss man sich auch mal mit der Benzin-Lobby anlegen.



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Joyklappe
Joyklappe
23. Dezember, 2020 13:41

Einerseits: Ja.

Andererseits: Wäre es denn wirklich schön, wenn unser aller Alltag nun gänzlich auf Abstandhalten optimiert würde? Alles nur noch mit so wenig zwischenmenschlichem Kontakt wie möglich? Ich sehe bei Menschen, die Lebensmittel eh im Laden mit Hunderten anderen Kunden kaufen wenig Sinn darin, bei Läden mit im Schnitt fünf Kunden nun in Regulierungswut zu verfallen.

Ich halte das für wenig zielführend, und würde begrüßen, wenn man die Energie auf die zahlreichen zielführenden Maßnahmen verwendet, die man auch nicht umsetzt oder nie zu kontrollieren gedenkt.

Vermutlich werden wir nach Weihnachten an die 100.000 Fälle pro Tag haben. Davon vermutlich kaum welche aus Tankstellen.

dermax
dermax
23. Dezember, 2020 16:38
Reply to  Joyklappe

Echt? Der zwischenmenschliche Kontakt an Tankstellen ist wichtig fürs Gemüt? Und die Leute regen sich doch schon drüber auf, wenn sie an der Kasse wegen ner Payback-Karte gefragt werden, da scheint auch kein übermässiges Interesse an Interaktion zu bestehen.

Dietmar
24. Dezember, 2020 09:43
Reply to  dermax

Vor allem, weil das Bezahlen durch diese ganzen “Angebote”, Punkte und “Vergünstigungen” so ätzend unnötig lang ist. Besonders wenn, wie Torsten beschrieb, vor einem einer oder mehrere sind, die sich die Zeit nehmen, in Ruhe auszusuchen und zu bezahlen. “Möchten Sie die Wagenwäsche Premium?” – “Oh – interessant. Hm. Ist da auch Unterboden dabei?” – “Selbstverständlich! Sehen sie mal hier…” etc. pp.

Daniel
23. Dezember, 2020 14:11

Lustigerweise hab ich das eine Weile anders gesehen. Ich hatte in abgelegenen Orten in Island oder Norwegen immer Panik mich an die PIN meiner Kreditkarte nicht mehr zu erinnern (weil ich in DE immer mit EC bezahle und viele Säulen früher nur KK angenommen haben). Oder ich hatte auch immer mal Probleme, dass, wenn es möglich war trotzdem meine EC Karte abgelehnt wurde. Da war ich immer froh, wenn ich die Möglichkeit hatte an der Kasse in bar zu bezahlen. Insbesondere wenn es wie auf der Insel Senja einfach nur eine Zapfsäule im Umkreis von 30min gibt.

Inzwischen sehe ich das aber genauso wie du. Lass mich doch an der Säule bezahlen. Wenn ich noch ne Coke brauche geh ich halt rein.

ChristianM
ChristianM
23. Dezember, 2020 14:12

“Andere Tankstellen bieten andere Versionen an.”
Der war gut. (Wirecard)

Dennis
23. Dezember, 2020 14:16

Mahlzeit! Sowas gibt es in Deutschland auch, jedoch sehr, sehr selten. In meiner alten Heimat steht seit Jahren eine Avia Xpress Tankstelle. Allerdings ist die immer teurer als die Konkurrenz, dafür 24 Stunden geöffnet, ohne Personal und mit EC-Terminal. https://www.avia.at/tanken/avia-xpress-tanken-avia-xpress-tankstellen-top-qualitaet-zu-guenstigen-preisen-48651.html

Thomas
Thomas
23. Dezember, 2020 14:44

Ich erinnere mich an die Situation vor einigen Monaten (Jahren?), als der Sprit morgens immer deutlich teurer war als abends. Tankstellenbetrieber haben sich beklagt, weil ihnen mords was entgeht, wenn morgens nicht noch der Kaffee und die vertrocknete Butterbrezel mitgenommen wird, abends wollen die Leute eh nur heim.

Vermutlich lohnt sich eine Tankstelle nicht, wenn nur… getankt wird 🙂

An “meiner” Tankstelle gibt es einen Automat, bei dem man nachts oder am Wochenende mit EC-Karte oder Scheinen bezahlen kann. Tagsüber ist der Automat deaktiviert – auch zu Corona-Zeiten. Naja, ich tank halt nachts, dann ist es mir wurscht.

Und ich möchte dieser Tankstelle auch nichts unterstellen, gut möglich, dass die Technik es nicht hergibt, dass man sowohl am Automat, als auch “drinnen” bezahlen kann (das ist alles recht alt und unkomfortabel).

Sven
Sven
23. Dezember, 2020 15:57
Reply to  Thomas

Nur tanken lohnt sich tatsächlich nicht. In städtischer Nähe hat der Betreiber ca. 1,4 Cent Gewinn pro Liter. Wie bei Kinos auch lohnt sich das Model nur, wenn Kunden etwas konsumieren.
Nur von Spritverkäufen oder Eintrittskarten würden Tankstellen und Kinos nicht überleben. So wie ein Magazin in der Regel ja auch die Werbung neben dem Verkaufspreis benötigt;)
Torstens Argumente in Bezug auf Corona sind natürlich nicht zu widerlegen.
Allerdings haben die Betreiber durch stark gesunkene Mobilität, die örtliche Jet hat zur Zeit nur etwas 5% der Taxen , eh weniger Treibstoff- als auch Shopverkäufe. In dieser Situation dann teure Umbauten zu fordern ist dann mMn schon etwas vermessen. Siehe die medial zu Hauf betrachteten Gastronomiebetriebe, welche durch Umbauten jetzt noch höher verschuldet sind, als wenn diese einfach geschlossen geblieben wären…

Baumi
23. Dezember, 2020 17:04
Reply to  Torsten Dewi

Im Prinzip gebe ich Dir Recht. Problem ist nur, dass daran eine Menge mehr hängt als nur die Umbauten. Das Modell ist ja i.d.R. ein Vertrag zwischen Pächter und Ölfirma: „Unser Treibstoff lockt die Kunden an, die Snacks sichern Dir Dein Einkommen.“

Klar sind andere Modelle möglich (siehe USA) und, wie Du richtig schreibst, auch sinnvoller, aber wenn ich mir vorstelle, was für ein Rattenschwanz an Verhandlungen zwischen Pächtern und Firmen da dran hängt, halte ich drei Monate für ein ziemlich sportliches Ziel, um das Geschäftsmodell einer Branche komplett umzukrempeln. Insbesondere wenn man als Politiker kurzfristige Tankstellenschließungen oder Preiserhöhungen vermeiden will, denn beides käme bei einer Menge Wählern vermutlich nicht gut an.

Lothar
Lothar
23. Dezember, 2020 14:49

Seit mein Treibstoff aus der Steckdose kommt, schaue ich auf YouTube die Videos von Autodoktoren et al an und lese Blogposts dieser Art sehr entspannt 😉 An den Ladesäulen der SWM stand bisher jedenfalls noch keiner mit Bauchladen, der mir eine Bockwurst andrehen wollte, während das Auto aufgeladen wird.

dermax
dermax
23. Dezember, 2020 16:36

Natürlich gehts ums Upselling an der Kasse, wo man vor einem Sammelsurium von Schokoriegeln steht. Mit Sprit ist nullkommanull verdient. Hier in Feldmoching hat grad ein neuer Rewe aufgemacht, dessen Gänge keinerlei Abkürzung zwischen Eingang und Kasse zulassen. Man muss für seine Tüte Milch an allen Regalen und damit auch Kunden vorbei. Pandemie hin oder her…

Martzell
23. Dezember, 2020 22:39

Interessanter Punkt und volle Zustimmung. Was mir im Baumarkt und Supermarkt aktuell aufgefallen ist: Trotz Pandemie muss man sich an der Kasse durchquetschen, auch wenn man gar nichts gekauft hat, weil beispielsweise Klopapier nicht vorrätig. Wahrscheinlich kann einem jemand die Einwegschranke aufmachen, wenn man ihn nett drum bittet und gerade jemand da ist.

Hier haben die meisten Tankstellen sogar eine Bezahlmöglichkeit draußen an den Säulen. Diese ist aber nur außerhalb der Öffnungszeiten verfügbar. Angesichts der Kompliziertheit der Bedienung ist es darum aber nicht schade.

Hauptsache wir bekommen nicht Automaten-Tankstellen wie auf Sizilien. Da muss man vor dem Tanken Bargeld reinstecken und bekommt kein Rückgeld. Gar nicht so einfach den Mietwagen vor der Abgabe so voll zu bekommen. Wir hatten zum Glück ausreichend 5 Euro Scheine.

Im Ausland auch nicht üblich ist Alkoholverkauf an der Tankstelle. Irgendwie logisch dass das nicht zusammen passt.

Dietmar
24. Dezember, 2020 09:40

Als wir vorletztes Jahr zum Hockenheimring fuhren, um Vettel in eine Abgrenzung krachen zu sehen, konnten wir an der Zapfsäule bargeldlos tanken. Ich laufe immer so stumpf zum Bezahlen rein, dass ich gar nicht fassen konnte, wie vernünftig und bequem Tanken sein kann. Habe ich sonst nirgends wieder gesehen.

Bargeldloses und automatisiertes Zahlen ist vermutlich ein Auslaufmodell…

Joyklappe
Joyklappe
24. Dezember, 2020 10:33
Reply to  Dietmar

Tanken allerdings auch.

Dietmar
24. Dezember, 2020 22:23
Reply to  Joyklappe

Tanken ist ein Auslaufmodell? Ich denke nicht.

Howie Munson
Howie Munson
26. Dezember, 2020 15:10
Reply to  Dietmar

Doch ganz eindeutig: Das Benzin läuft aus dem Zapfhahn… *SCNR*

Dietmar
24. Dezember, 2020 09:48

Du hast in allem Recht und ich widerspreche nicht. Nur anekdotisch: Zu der Pächterin unserer lokalen Tankstelle hat sich in den Jahrzehnten meiner beruflich notwendigen Vielfahrerei und nun schwindenden lokalen *hust* Bekanntheit meiner Person ein sehr nettes Verhältnis persönlichen Kennens gebildet, das es nicht gegeben hätte, wenn ich an der Säule hätte bezahlen können. Kleinstadtleben…

Gottloser
Gottloser
24. Dezember, 2020 19:11

In meinem Kaff in Österreich (25km östlich Wien) und Umkreis bieten das 5 von 5 Tankstellen an. Also alle. Bei zweien sogar mit 0,5 Cent Rabatt pro Liter im Vergleich zum Bezahlen an der Kasse. Bei den anderen drei geht das nicht – da stehen nur Zapfsäulen und es gibt keine Kassen.

Selle
Selle
26. Dezember, 2020 20:07

Bei Shell kann man an allen Tankstellen vom Handy bezahlen, braucht dafür aber natürlich eine eigene App, ebenfalls bei Shell hab ich jetzt ein paar Mal gesehen dassan “wegen Corona” auch tagsüber am Nachtschalter zahlen kann. Pay at the Pump ist hierzulande ja meist so gelöst, dass es einen Bezahlautomat für alle Säulen gibt was leidlich funktioniert. Gehen tut es also schon, das größere Problem ist vermutlich den traditionell auf Bargeld fixierten Deutschen dazu zu bringen, so ein Angebot in dem Ausmaß zu nutzen, dass es sich trägt. Ich glaube nicht, dass Impulskäufe so wichtig für das Geschäftsmodell von Tankstellen sind, dass sie deswegen alle unbedingt reinlocken wollen. Die meisten, die dort etwas kaugen, fahren doch gezielt “zur Tanke”.

Robert Prätzler
Robert Prätzler
28. Dezember, 2020 09:53

Du hast vollkommen Recht! Aber Tankstellen sind ohnehin in Deutschland eine merkwürdige Sache, mit den willkürlichen mehrfach täglichen Preisänderungen. Andere Länder kennen das oftmals nicht… ich frage mich immer, welche Lobby hier wen in der Hand hat.