Wortvogel vs. Handwerker: WTF just happened?!
Themen: Neues |Ihr seid Geier. Ihr wartet nur darauf, dass sich wieder mal jemand mit mir anlegt, damit für euch eine lustige Geschichte dabei rum kommt. Der Dewi gegen die Welt – großes Entertainment.
Und ich geb’s zu: raue Konflikte kann ich. Um es mit Sting zu sagen:
Takes more than combat gear to make a man
Takes more than a license for a gun
Confront your enemies, avoid them when you can
A gentleman will walk but never run
That’s me. Never start a fight – but always finish it.
Es gibt aber doch immer wieder Situationen, die auch mich noch überraschen können. In denen man absolut nicht darauf eingestellt ist, dass es ausgerechnet hier und jetzt knallt.
Ich hatte heute Mittag einen Krach… nein, Streit trifft es eher…. nicht mal das, es war kaum ein Konflikt. Was zur Hölle war es? Ich erzähl’s euch. Vielleicht versteht ihr es.
Seit unserem Umzug haben wir relativ viele Handwerker im Haus gehabt. Wir haben ja komplett umgestylt und im Gegensatz zu früher müssen die Wände auch nicht mehr weiß sein. Farbe ist Leben. Dementsprechend viel wurde bei uns gemalert, gesägt, geschraubt und gebohrt. Von Lohnarbeitern. Der Wortvogel nimmt keine Bohrmaschine in die Hand.
Weil unser regulärer Allround-Handwerker gerade keine Termine frei hat, habe ich eine Alternative gesucht. Meine Massivholz-Kommode soll nun doch noch mal aus dem Keller ins Arbeitszimmer geräumt werden, wo sie dann auch einen neuen, modernen Anstrich bekommt – und coole neue Knöpfe.
Das Problem: Wir haben die Kommode im Februar in den Keller stellen und danach Schwerlastregale einbauen lassen. Im Ergebnis bedeutet das, dass wir die Kommode nur noch hochkant aus dem Keller bekommen. 210cm Kommode gegen 210cm Türsturz. Und 210cm Aufzug. Nach langem Hin- und Herdenken scheint mir die einzige Lösung zu sein: der Rand der Deckplatte der Kommode muss an beiden Seiten zwei bis drei Millimeter abgeschliffen werden. Ist wurscht, weil ja eh neu lackiert wird.
Ich kontaktiere also diverse Allround-Handwerker auf der Suche nach jemandem, der die Kommode im Keller frei räumt, den Rand schleift, und sie dann mit mir nach oben verfrachtet, wo sie nächste Woche neu lackiert werden soll. Das entpuppt sich als gar nicht so einfach, denn die meisten Handwerker haben trotz Corona das, was man so gerne "gefüllte Auftragsbücher" nennt. Das macht sie nicht nur teuer, sondern auch schwer verfügbar.
Ich finde schließlich einen jungen, laut Whatsapp-Bild netten Handwerker, der nach Rücksprache versichert, er könne den Job zuverlässig erledigen und habe auch eine entsprechende Menge an elektrischen Helfern dabei, falls sich eine andere Option ergeben sollte als die Schleifmaschine. Ich frage um einen Termin nach und bekomme gleich den nächsten Samstag genannt. Finde ich gut, dürfte ja auch in zwei, drei Stunden erledigt sein. Ich bestelle gleich bei Amazon noch vier kleinere Bad-Leuchten, die in dem Aufwasch mit installiert werden können. Und in der Tiefgarage liegt noch die Rückwand der Einbauküche aus Sicherheitsglas, die irgendwie zerkleinert werden muss und sich so sehr dagegen wehrt, dass ich sogar einen Keil unterlegen und auf ihr rumspringen kann.
Große Klasse – ein weiterer Schritt zur perfekt eingerichteten Wohnung.
Zwei Tage vor dem Samstag bekomme ich eine Nachricht vom Handwerker, dass der Samstag nun doch nicht ginge. Aber Dienstag könne er. Um 10.00 Uhr. Ich bin geschmeidig, weil sowieso zu Hause – also Dienstag um 10.00.
Der Dienstag kommt und gestaltet sich folgendermaßen:
Wir halten also fest: er hat von Samstag auf Dienstag verschoben, dann von 10.00 Uhr auf 12.00 Uhr – und ist trotzdem noch eine Stunde zu spät gekommen. Und ich? Bin ruhig und freundlich geblieben. Ist ja nicht schlimm. Wir haben ja – ganz unsarkastisch – nichts Besseres zu tun.
Weil ich von der Terrasse aus sehe, dass der junge Mann einen beachtlichen Rollwagen mit Gerätschaften vor sich her schiebt, entscheide ich, dass wir erstmal besprechen, was exakt zu tun ist. Damit er sich für eine Reihenfolge entscheiden kann. Wenn er mit der Kommode anfangen will, muss er mit seinem Equipment in den Keller. Also begrüße ich ihn an der Tür sehr freundlich und sage:
"Ihre Maschinen können Sie gleich hier im Flur lassen, kommen Sie erstmal rein."
Er sieht mich an und reißt die Augen auf, als schwane ihm ihn diesem Moment, dass ich der legendäre Wortvogel bin – und er Marc Vorlander. Er schüttelt den Kopf:
"Die sind locker drei, viertausend Euro wert. Die lasse ich nicht hier draußen stehen."
Ich lächle weiter:
"Wir sind nur fünf Parteien im Haus, da passiert nix. Aber wie Sie wollen: ich wollte nur, dass sie nicht doppelt schieben müssen, falls wir gleich damit in den Keller gehen."
Er lockert sich nicht, bleibt unsicher stehen. Ich ahne, dass die Schwingungen nicht stimmen. Schlechtes Karma. Irgendwas läuft gerade ganz schief. Ich hake nach:
"Stimmt etwas nicht? Sie schauen ein wenig komisch."
Er schüttelt wieder den Kopf, sein Tonfall wird überraschend scharf:
"Mit MIR ist alles in Ordnung. Was ist mit IHNEN?! Sind Sie irgendwie sauer?"
Ich spule im Kopf die letzten zehn Sekunden zurück – nein, da war nix. Trotz seiner mehrfachen Verschiebung des Termins und der Verspätung bin ich absolut Zucker gewesen. Meine Aussagen waren auch kaum in den falschen Hals zu bekommen. Ich bin total zen.
"Jetzt mal langsam. Hier liegt ein falscher Ton in der Luft. Bei mir ist alles in Ordnung. Ich bin gut drauf und freue mich, dass wir anfangen können."
Reicht das zur Deeskalation? Leider nein. Er verzieht das Gesicht:
"Manche Leute hören sich ja selber nicht reden."
Ich atme ruhig ein. Während ich zum nächsten Satz anhebe, dreht er seinen Maschinenpark schon wieder in Richtung Aufzug:
"Ich weiß nicht, was hier gerade abläuft, aber wenn Sie heute bei uns nicht arbeiten möchten, dann können Sie gerne wieder gehen."
Ohne ein weiteres Wort trollt er sich. Und ich fühle mich getrollt.
Ich drehe mich um und gehe zu meiner Gattin ins Büro, die den Austausch auf halbem Ohr mitgehört hat. Sie schüttelt nur den Kopf:
"Der wollte hier nicht arbeiten und hat einen Grund gesucht, wieder abzuhauen."
Ich bin nicht sauer. Ich bin baff. Und ich verstehe es nicht. Es ist kein lautes, kein herablassendes, kein negatives Wort gefallen. Dem Handwerker hätte es in jeder Sekunde freigestanden, den Termin abzusagen. Er hätte seine Gerätschaften nicht aus dem Wagen hier herauf rollen brauchen, wenn er einen scheiß Tag hatte oder der nächste Termin schon wieder drückte. Ich bin selbst da tolerant. Shit happens.
Aber aus einer freundlichen Begrüßung so eine passiv-aggressive Nummer zu konstruieren und dann beleidigt abzudackeln? DAS ist mir auch noch nicht passiert – und ich konnte es mir bisher auch nicht vorstellen, dass mir so etwas passiert. Ich pflege üblicherweise ein extrem gutes Verhältnis zu meinen Helfershelfern.
Manche Leute…
Eine Stunde später habe ich einen anderen Handwerker gebucht, der kommt nächste Woche. Dann kann ich diese unschöne Episode gleich wieder abhaken.
Ich hatte gestern den Schlüsseldienst hier und ihn freundlich darauf hingewiesen, dass auf seiner Webseite andere Preise stehen.
Er : "das kann gar nicht sein, ich kenne meine Preise, und DIE stehen SO ganz bestimmt nicht auf der Seite."
Hallo? Wir sind hier auf dem Dorf. Ist nicht so, dass hier zigtausend Kunden sind, die einander nicht kennen
Ich würde da nicht lange dran rumanalysieren. Handwerker sind halt meist Handwerker, weil sie mit den Händen gut umgehen können.
"Dann kann ich diese unschöne Episode gleich wieder abhaken."
Das wird sich noch zeigen ;D
Ich freu mich schon auf das Staffelfinale, wenn der Wortvogel den Handwerker im Baumarkt trifft und sich herausstellt, dass er das falsche Pronomen benutzt hat.
Das klingt wie eine Folge von Pastewka!
"- und er Marc Vorlander." Ich habe gezuckt. Ehrlich. Da bin ich echt gestolpert.
Schöne, kleine Geschichte!
Ich bin irgendwie wie Columbo: Ich brauche mindestens zwei Anläufe.
Also, wenn jemand Konversation kann, dann Du. Von inhaltlich engagiert bis unverfänglich freundlich an der Oberfläche smalltalkend. Wer das missversteht, der will (!) das missverstehen.
Musste ja mal gesagt werden.
Vielleicht doch mal der Versuch einer Analyse. Kommunikation kann auf so vielen Ebenen scheitern, vor allem dann, wenn sie vorbelastet beginnt.
Die Vorbelastung war klar: Er hat der Termin mehrmals verschoben, er war zu spät. Vielleicht hatte er auf diesen Auftrag auch gar keine wirklich Lust (und hatte ihn deshalb verschoben und war deshalb zu spät). Er hat vermutlich mit ein paar Worten von dir dazu gerechnet – vielleicht wäre ihm das angenehmer gewesen als dein Schweigen dazu.
Vielleicht war auch auf einen Vorwand aus, den Auftrag nicht auszuführen. Auf jeden Fall aber war er darauf aus, sein Verhalten dir gegenüber, das nicht in Ordnung war, vor sich selbst zu rechtfertigen. Das geht am besten, wenn er dir etwas anheftet, das ihn vor sicht selbst entschuldigt. Dein "Affront" gegen seine Werkzeuge war da genau das Richtige: Du, als Nicht-Handwerker eh nicht ganz ernst zu nehmen (häufige Beobachtung bei Handwerkern), stellst ja letztlich den Wert seiner Werkzeuge in Frage.
Er wollte, zumindest unbewusst, diesen Konflikt.
Wobei…
… in meinen Augen auch nicht der klassische Weg ist, eine Situation unter Fremden zu deeskalieren.
"Stimmt etwas nicht? Sie schauen ein wenig komisch." – das war eine ehrlich gemeinte Frage, als es noch gar nicht um Deeskalation ging. Der guckte mich an, als hätte ich seinen Hund getreten. Abgesehen davon glaube ich auch, dass der mit der Faust in der Tasche kam, weil er mit Ärger rechnete. Darum hat er sich das ausgelegt, wie es in seine psychische Disposition passte.
Ich glaube dir, dass das eine ehrlich gemeinte Frage war.
Aber lass uns mal allerlei Differenzierungen beiseite: Handwerker sind oftmals eher einfachere Menschen. Männer. Mit Männlichkeitsanspruch. Da kann schon ein Satz, der nur ein wenig in Richtung Gefühlswelt zielt (Interpretation des Blicks, Vermutung über Gefühle, die dann auch noch zutrifft), als Angriff auf die Männlichkeit wahrgenommen werden.
Hinzu kommt das Kernproblem bei jeder Kommunikation Handwerker gegenüber Nicht-Handwerker(-Mann): Du kannst etwas nicht, dass er kann, kannst dir aber trotzdem, dank nicht-handwerklicher und daher oft als nicht ernstgenommener Arbeit, leisten, ihn kommen zu lassen. Das macht die Sache schwierig.
Ich laviere durch derartige Situationen immer mir einer mir selbst peinlichen Mischung aus Jovialität und teils echtem, teils gespieltem Respekt für die handwerklichen Fähigkeiten dadurch. Aber dazu kam es ja bei dir schon gar nicht mehr.
Glaube das trifft den Nagel auf den Kopf. Wahrscheinlich hat er das Verhältnis "Aufwand vs Entschädigung" als unzureichend betrachtet und sich lieber dem nächsten Termin in seinem "gefüllten Auftragsbuch" gewidmet.
Channele mal deinen inneren Werner und versetzt dich in seine Gedankenwelt. Wie sieht es darin aus? Vielleicht ja so:
Du bist spät dran weil du (vermutlich) schon den ganzen morgen hart geackert hast, hetzt ohne Pause von Termin zu Termin und das erste, was dir dieser feine Fatzke, der ohne Anleitung vermutlich keinen Nagel in die Wand kriegt, an den Kopf haut, ist wie du deinen Job zu erledigen hast. Hallo? Es geht um dein WERKZEUG, deinen Lebensunterhalt, davon versteht dieser arrogante Schlipsträger sowieso nix! Und dann macht er dir auch noch Vorwürfe, von wegen dass du unfreundlich bist! Weisse was? LMAA, das hast du nicht nötig. Erstmal Pause, ne Kippe und ein Käffchen, dann der nächste Termin.
Oder er hatte einfach einen schlechten Tag, wer weiss?
@moepinat0r: Bin selber Handwerker und kann genau so ein Verhalten bei vielen Kollegen beobachten. Das sind die Kollegen die in einer Firma niemals mit Kundenkontakt beauftragt werden.
Man hätte das Missverständnis (sofern es eines war) mit einigen freundlichen Worten beilegen können.
Was leider wahr ist, trotz Corona können wir uns vor Arbeit nicht retten. Ein Großkunde von uns hat uns genau deswegen über 200 Aufträge mit Priorität reingegeben, die innerhalb von 2 Wochen von 35 Technikern in ganz Deutschland erledigt werden müssen. Die Großkunden haben wegen spezieller Verträge Vorrang. Kleinere Aufträge müssen dann verschoben werden, das wird den Kunden aber freundlichen und verständlich vermittelt. Verhindert aber nicht das sich die "kleineren" Auftraggeber hin und wieder vor den Kopf gestoßen fühlen.
Da alle Techniker eigenständig Deutschlandweit arbeiten, ist es wichtig das diese freundlich, verständlich und deeskalierend mit dem Kunden kommunizieren können. Leider ist das nicht allen gegeben und führt das eine oder andere mal zu Diskrepanzen.
Zum vorliegenden Fall: Ich finde das verhalten des Handwerkers unpassend und man hätte mit einigen freundlichen Worten viel gewonnen. Terminverschiebungen sind im Handwerk heute leider sehr häufig.
Man sollte das aber immer rechtzeitig den Kunden kommunizieren (höhere Gewalt, Unfall etc. ausgenommen).
Das wurde zwar versucht, man sollte aber nur feste Zeiten angeben wenn man diese einhalten kann. Ansonsten gebe ich Zeitfenster an oder wenn ich unsicher bin verschiebe ich den Termin auf einen dem Kunden passenden Zeitpunkt.
Das geht jetzt deutlich zu sehr in die Mutmaßungen. Mein Handwerker war selbstständig, ein 1-Mann-Betrieb. Ich bin in der gesamten Situation extrem freundlich gewesen. Da ihr nicht dabei wart, ist so eine Kaffeesatzleserei hinfällig.