07
Okt 2020

OK Boomer: Weiß, cis, hetero, vernagelt, selbsthassend, egoistisch

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Es scheint, als würde ich momentan primär “Wortvogel gegen die Welt”-Beiträge veröffentlichen, die mich wie einen frühzeitig vergreisten Menschenfeind aussehen lassen. Falls sich jemand Sorgen macht: das täuscht. Mir geht es gut. Meine Laune ist intakt. Ich verspreche, dieser Tage auch mal was Nettes zu schreiben.

Aber nicht heute.

Heute nehme ich mir den dritten “OK Boomer”-Beitrag von meedia vor.

Der Titel:

Weiß, cis, hetero, ungenügend – ein Plädoyer für mehr Diversität im Journalismus

Wie… überraschend. Eine weiße Jungjournalistin bezeichnet die eigenen Privilegien als ungenügend. Was vermutlich aber nicht dazu führen wird, dass sie ihren eigenen Platz in der Journalistenschule für eine KoC (Kollegin of Color) aufgeben wird. Da ist einem die Bluse doch näher als der Hosenrock. Wichtiger ist es, stattdessen flammende Plädoyers zu verfassen, was alle ANDEREN tun sollen. Dieser auffällige Widerspruch – Taten fordern, ohne selbst zu handeln – durchzieht übrigens alle diese Beiträge. Nicht zufällig.

Die Journalisten von gestern und heute haben versagt, mehr als nur ihre eigene Filterblasen-Realität abzubilden.

Grüße aus der Blase an die Blase. Die Fähigkeit, den eigenen begrenzten Horizont nicht zu erkennen, aber allen anderen einen Tellerrand vorzuwerfen, ist wirklich erstaunlich. Wenn die Journalisten auch heute “versagt” haben, dann müsste sich Berit Dießelkämper konsequenterweise dazu rechnen. Nun ist es eine Sache, einer ganzen, in toto sehr respektierten und wichtigen Institution pauschales Versagen vorzuwerfen. Ganz schön große Klappe. Aber richtig erheiternd wird das erst dadurch, dass diese Holzhammerkritik aus einer Szene kommt, die wie kaum eine andere nicht in einer Filterblase, sondern in einer Filterfestung lebt. Die keinerlei Kritik zulässt oder gar an sich selbst übt. Die entschieden hat, was richtig ist und nur noch überlegt, wie die das auf breiter Front erzwingen kann.

Jeder Beitrag dieser Reihe ist der Beweis, dass Leute wie Berit Dießelkämper unbewusst die eigenen Defizite nach außen projizieren. Null Introspektion.

Ich werde nie wissen, wie es ist, Teil einer Minderheit zu sein, denn ich bin weiß, cis, hetero und westdeutsch.

Sie sollte sich schämen. Oder anmalen. Oder lesbisch werden. Als Kind so ziemlich aller Privilegien, die unsere Gesellschaft zu bieten hat, stehen ihr alle Möglichkeiten offen – außer der, einfach mal nix zu sagen. Die Mehrheiten dieses Landes beschweren sich mehr über die Mehrheiten dieses Landes, als es die Minderheiten tun. Diese Art Wohlstands-Selbsthass ist mir unverständlich.

Bei mir laufen alle Privilegien einer politischen Realität zusammen, und ich werde niemals allein sein. So wie ich auch in meiner Klasse nicht allein bin, denn dort sitzen 14 weitere weiße, cis, hetero Journalistinnen und Journalisten aus Westdeutschland.

Und darum ist es wichtig, WICHTIG, dass nicht etwa ein paar von euch Plätze freimachen für Behinderte, PoC oder sonstige marginalisierte Minderheiten, sondern dass ihr flammende Plädoyers schreibt, die euch gut aussehen lassen, ohne euren Platz an den Fleischtöpfen zu gefährden. Respekt – ihr habt verstanden, wie der Hase läuft.

Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: mit diesem Absatz hat sich die gesamte Klasse der Journalistenschule disqualifiziert. Die sitzen alle im Elfenbeinturm, schauen raus und schluchzen krokodilstränig: “Wie schade, dass keiner von den anderen hier rein kommt – wie ungerecht!”

So lange keiner von denen freiwillig zugunsten einer Minderheit zurücktritt, so lange nehme ich keinen der Beiträge mehr ernst.

Wir könnten jetzt unbekümmert darüber hinwegsehen, dass das (allein statistisch) absolut unrepräsentativ ist, und uns darauf berufen, dass wir nicht dafür verantwortlich sind. Aber dann wären wir ja wie Ihr, die älteren Journalistinnen und Journalisten.

Nein, liebe Berit Dießelkämper, “ihr” unterscheidet euch von “uns” erst dann, wenn ihr tatsächlich was ändert. Bei euch.

Wir werden in eine Branche hinein ausgebildet, die kaum divers ist, marginalisierte Gruppen nur abbildet, wenn es ein Problem gibt und sie ansonsten ignoriert.

Ganz genau. So wie die Mehrheit ignoriert wird, wenn es kein Problem gibt. Weil: Problem, das ist die Story. Drama, das ist die Story. Veränderung, das ist die Story. “Weißer Ehemann meuchelt Gattin mit Kuchengabel”, das ist die Story. “Schwarzer Ehemann reicht Gattin die Kuchengabel”, das ist nicht die Story.

Es ist eine Branche, die Ihr entworfen habt. Und Ihr habt Euch (als Teil einer totalen Mehrheit) auch nie die Mühe gemacht, etwas daran zu ändern.

Wenn das wahr wäre, wäre es nachvollziehbar. Warum sollte man die Branche, die man sich passgenau entworfen hat, ändern wollen? Aber es ist nicht mal wahr. “Die Branche” wurde nicht von “uns” entworfen. Abgesehen davon, dass man dafür erstmal “die Branche” definieren müsste, gibt es den Journalismus seit mehreren hundert Jahren. Der Vorwurf geht also bestenfalls an Leute, die seit mehreren hundert Jahren tot sind. Ich habe die Branche nicht entworfen, Rudolf Augstein auch nicht (auch wenn der manchmal so getan hat), Alice Schwarzer nicht und William Randolph Hurst nicht.

Der Vorwurf, “wir” hätten uns nie die Mühe gemacht, daran etwas zu ändern, läuft ebenso ins Leere. Das haben pauschale Angriffe so an sich. Die Branche hat sich immer ge- und verändert, hat sich immer dem Zeitgeist angepasst. Der STERN ist nicht der STÜRMER, der STERN von 2020 ist nicht mal der STERN von 1980. In den meisten Verlagen mit einem großen Titel-Mix sind Frauen die primären Textlieferanten und der GONG hatte unter seinen Redakteurinnen Anfang der 90er (!) eine Lesbenquote von deutlich über 50 Prozent im Programmteil. Ich habe damals selber keine Praktikanten ausgebildet – mit einer Ausnahme: eine schwer geistig und körperlich Behinderte junge Frau im Rollstuhl. Weil ich es wichtig fand. Vor 30 Jahren schon.

Nur weil das nicht für politische Propaganda ausgeschlachtet wurde und Ihnen deshalb entgangen ist, ist “die Branche” oder “der Journalismus” kein monolithischer Block von geifernden und gierigen weißen Hetero-Männern, die ihre Pfründe wie Gollum den Ring hüten. Es wäre – um der Diskussion und um die Zukunft der Branche willen – angebracht, mal die Scheuklappen abzunehmen und sich die Branche anzusehen, wie sie ist, statt kindische Feindbilder zu pflegen.

Das schadet dem Journalismus, das schadet dem Produkt und der Gesellschaft sowieso.

Die einfach Erwiderung: solche “Plädoyers” – ja. Etwas ausführlicher: Wer mit der argumentativen Kettensäge kommt, darf sich nicht wundern, wenn der/die Gegenüber keinen respektvollen Plausch vor dem Kamin erwartet. Wer “dem Produkt” und “der Gesellschaft” noch keinerlei Dienst erwiesen hat, sollte vielleicht erstmal zuhören und zuschauen lernen.

Nun müssen wir nicht nur sehr viel länger als Ihr mit den Konsequenzen eures Handelns leben, wir sind auch dafür verantwortlich, dass es nicht so bleibt.

Da bin ich ja mal gespannt, ob dieses Plädoyer am Ende tatsächlich nach Eigenverantwortung ruft.

Dass Ihr es nicht hinbekommen habt, ist die eine Sache.

Was unbewiesen wäre, wenn es nicht bewiesen falsch wäre.

Die andere ist, dass mit unserer Ausbildung dieses Ungleichgewicht noch verstärkt wird.

Gerne nochmal: treten Sie ab, Berit Dießelkämper! Überlassen Sie Ihren Platz in der Journalistenschule einer PoC, einer Behinderten oder einer sonstwie Marginalisierten. Setzen Sie ein tatsächlich heroisches Zeichen! Beweisen Sie, dass Sie die Opfer, die Sie verlangen, auch selber zu bringen bereit sind!

Nein? Eher nicht? Ach so. Warum dachte ich mir das schon?

Wenn wir also in zehn Monaten die Journalistenschule verlassen, müssen wir uns fragen, wie wir es hinbekommen, den Journalismus diverser zu machen, ohne in irgendeiner Art selbst divers zu sein.

Wenn Sie sich das fragen, dann haben Sie den falschen Beruf ergriffen. “Diversität” ist für sich genommen wertlos, weil wertfrei. Eine “diverse” Person ist weder per se ein besserer Mensch, noch ein besserer Journalist. Eine “diverse” Person, die über “diverse” Themen berichtet, hat weder einen besseren Einblick noch eine tiefere Wahrheit zu bieten. All das ist Schall und Rauch, weil die Qualität des Journalismus in seiner Qualität liegt, so redundant das klingt. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Eine enthüllte Wahrheit ist wichtig, Aufklärung, Ausgewogenheit und Fairness.

Ob Sie es glauben oder nicht, Berit Dießelkämper, der Journalismus hat das in den letzten 400 Jahren (die Sie mal studieren sollten) ganz gut hinbekommen. Weiße CIS-Männer haben flammende (tatsächliche) Plädoyers gegen die Sklaverei geschrieben, jeden Antisemitismus, für Frauen- und Schwulenrechte. Weil für den Journalismus genau so gilt wie für Hollywood: man muss nicht mit seinem Thema eins sein. Daniel Day Lewis war nicht behindert, als er in MEIN LINKER FUSS einen Behinderten spielte. Dustin Hoffman musste kein Crossdresser sein, um in TOOTSIE zu überzeugen. Und meines Wissens nach ist Tom Hanks so wenig schwul (PHILADELPHIA) wie Meryl Streep lesbisch (THE HOURS).

Was diese Branche braucht, sind nicht “diverse” Journalisten. Sie braucht gute Journalisten. Mutige, hartnäckige, wütende und clevere Journalisten. Und dabei muss es egal sein, wo sie herkommen, welche Hautfarbe sie haben, und mit wem sie nachts in die Kiste steigen. Wissen Sie, was das ist? Gleichberechtigung.

Wir müssen uns fragen: Was bedeutet unsere Identität für unsere journalistische Arbeit? Wie bilden wir auch andere Perspektiven als unsere eigene ab, ohne sie uns anzueignen?

In dem man lernt, sich nicht immer selbst in den Mittelpunkt zu stellen, die eigene Perspektive als die einzig mögliche zu sehen – genau das, was in IHRER Generation gerade ganz schief zu laufen scheint, denn ich sehe vom Nachwuchs primär weinerliche Essays über die eigene Befindlichkeit. Das ist kein Journalismus – das Thema allein macht noch nicht die Story.

Und braucht es uns überhaupt? All die Fragen, die Ihr Euch niemals gestellt habt.

Nochmal: wenn es “uns” nicht braucht, gehen Sie. Niemand hält sie. Niemand hat sie gerufen. Setzen Sie ein Zeichen für mehr Diversität. Aber hören Sie endlich mit so albernen Unterstellungen auf wie der, dass wir uns die “Fragen” nie gestellt haben. Ja, in der Tat habe ich mich nie gefragt, ob der Journalismus mich “braucht”. Weil er es nicht tut. Er käme prima ohne mich klar. Ich aber nicht ohne ihn. Darum ist das ein Non-Thema.

Habe ich mich gefragt, wie ich andere Perspektiven als meine eigene abbilde? Im Gegensatz zu Ihnen schon. Bei jeder Story, die ich schreibe. Die Frage, was wahr ist und was wichtig, ist bei guten Autoren systemimmanent. Einzige Ausnahme: dieser Blog. Denn der ist exklusiv für meine Perspektive da.

Vermutlich auch, weil man dann unweigerlich zu der Erkenntnis kommt, dass man nur deswegen dort ist, wo man ist, weil andere verarscht werden.

Das ist der Punkt, an dem ich bei einer Cocktail-Party abgewunken hätte mit den Worten: “Okay, das wird mir hier langsam zu dämlich. Suchen Sie sich einen anderen Sandkasten”. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: SIE, Berit Dießelkämper, sind aktuell dort, wo sie sind, weil andere verarscht werden. Wenn IHRE Journalistenschule 2020 eine komplette Klasse weißen Mittelstands-Nachwuchses zusammen stellt, dann haben Sie das Problem vor der eigenen Tür. Sie müssten halt nur mal fegen.

Das Wort Heuchler*in sagt Ihnen etwas?

Weil andere ihre Kraft in Kämpfe (gegen Marginalisierung, gegen Diskriminierung) stecken, die wir niemals werden führen müssen. Und dass sie deshalb nicht an unserer Seite oder viel eher an unserer Stelle sind, obwohl sie es verdienten. Das ist mindestens unangenehm, eigentlich eher beschämend.

Sie verwechseln Journalisten und Aktivisten. Wofür ich dankbar bin, weil Sie das Problem Ihrer Sorte “Journalistennachwuchs” auf den Punkt bringen. Sie glauben, dass es andere Kollegen für andere Perspektiven braucht, weil Sie selber die Perspektive nicht mal einen Millimeter wechseln können.

Wir kommen da nur raus, indem wir Euch und Euren Journalismus hinterfragen.

Ahhh, ich dachte es mir schon. Von dem “wir müssen uns die Frage stellen” von weiter oben wird schnell das “wir müssen euch hinterfragen”. Beziehungsweise: anklagen. Es ist die alte Leier, aber immer noch frisch: “Klar haben WIR auch Fehler – aber über die möchte ich nun hier wirklich nicht diskutieren.”

Um es ganz einfach auszudrücken: Nicht WIR sind euer Problem. IHR seid euer Problem. Wenn ihr den Journalismus ändern wollt (ohne genau zu sagen, woran er eigentlich krankt), dann könnt ihr jeden Tag aufs Neue damit anfangen und so lange weitermachen, bis WIR in Rente sind. Aber das würde ja bedeuten, dass IHR ran müsst. Und womöglich würdet ihr feststellen, dass das gar nicht so einfach ist. Dass nicht alles falsch ist, was WIR gemacht haben. Dass pauschale Kritik von außen hässlich ist und weh tut.

Ihr wisst Dinge, die wir noch lernen müssen,

Das ist sicher richtig. Natürlich werden Sie keine nennen, weil Sie damit zugeben müssten, dass wir Ihnen vielleicht etwas voraus haben, und seien es nur Jahre.

aber wir haben Dinge gelernt, die Ihr niemals verstehen werdet

Werden Sie auch nur eine dieser Dinge nennen? Nein? Überraschend. Nicht.

– hauptsächlich, weil Ihr sie nicht verstehen wollt.

Langsam bekommt dieses “Plädoyer” etwas Pubertäres: “Ihr versteht uns einfach nicht! Ihr WOLLT uns nicht verstehen! Wir hassen euch!”

Ihr habt Euch in Euren Redaktionen und Privilegien eingemauert (Festanstellung, Zeit absitzen) und dabei die Welt um Euch herum vergessen

Festanstellung ist ein Privileg?! Das ist mir neu. Und ich bin sicher, dass Berit Dießelkämper eine solche als Privileg ablehnen würde. Eingemauert? Zeit absitzen? Dafür habe ich zu viele Jahre als Journalist “draußen” verbracht. Ich behaupte, dass ich Deutschland und seine Befindlichkeiten besser kenne als Berit Dießelkämper – weil ich es bereist habe, statt nur Twitter und Instagram zu lesen. Ich habe allein in den letzten 12 Jahren mehr als 200 deutsche Orte besucht, von Kuhkäffern bis Metropolen, habe mich mit ihren Geschichten und ihren Menschen auseinander gesetzt. Die Tatsache, dass Berit Dießelkämper ihre Digitalsphäre mit der Welt verwechselt, ist nicht mein Problem.

Ihr sagt: Journalistinnen und Journalisten können und müssen über alles schreiben.

Mir ist nicht ganz klar, ob man das anders sehen kann, ohne sich lächerlich zu machen.

Wir haben begriffen: Es ist nicht immer richtig, über alles zu schreiben, weil jemand anderes (um dessen Realität es nämlich geht) es besser könnte.

Stimmt: man kann das nicht anders sehen, ohne sich lächerlich zu machen. Alter Falter. Schon die grundlegenden Implikationen dieser Idee sind absurd. Ich stelle mir gerade eine Situation in einer Redaktion vor:

Weißer CIS-Redakteur:

Herhören, Leute! Ich bin da seit ein paar Monaten einer ganz großen Sache auf der Spur – junge Frauen aus Libyen werden in Münchner Bordellen gegen ihren Willen an Freier verkauft. 

Chefred:

Gib die Story mal lieber dem Ronny – der ist doch schwarz, der kennt sich da besser aus. Das entspricht seiner “experience”.

Ronny:

Hey!

Chefred:

Nur wegen der Hautfarbe natürlich. Unterdrückung und so. Schreiben wir auch in einem Infokasten dazu.

Redaktionsleiterin:

Da möchte ich mein Veto einlegen – was soll denn die Männer-Perspektive? Cora ist eine Frau, die ist am Thema viel näher dran. Fast schon betroffen.

Weißer CIS-Redakteur:

Wenn ihr mir die Geschichte schon weg nehmt, dann schlage ich Sybille vor – die ist ein billiges Flittchen und hat damit genug Erfahrung in Sachen schneller Sex.

Vor allem aber, Berit Dießelkämper, ist das Argument natürlich ein Bumerang: Wären Sie nicht die Erste, die dieses ganze Thema den Marginalisierten überlassen müsste?! Wissen PoC-Kollegen, Behinderte und LGBTQ-Journalisten nicht viel besser, was es bedeutet, im Journalismus nicht angemessen mitspielen zu dürfen? Was haben SIE denn ernsthaft beizutragen? Aber nein nein, ich verstehe schon: IHRE Meinung ist richtig, wichtig und sollte gehört werden. Weil das irgendwie was anderes ist als ein weißerer Hetero-Redakteur von über 50, der sich für Minoritäten einsetzt und einfach mal die Klappe halten sollte.

Ihr sagt: Alle anderen seien „mitgemeint“. Wir haben begriffen: Menschen und Perspektiven werden ausgeschlossen, wenn man sie nicht explizit benennt und zu Wort kommen lässt.

Was das “explizit benennen” angeht – das verstehe ich nicht. Genau genommen verstehe ich den ganzen Absatz nicht. Was heißt “zu Wort kommen lassen”? Im Sinne von “von der Story Betroffene”? Oder ist der Journalist selber gemeint? Hatte ich nicht oben schon erklärt, dass die pure Tatsache, dass ein Schreiber zur betroffenen Minderheit gehört, als Wertmaßstab sinnlos ist?

Ich gehe einen Schritt weiter: oft genug sind Betroffene genau die falschen Autoren ihrer eigenen “experience”. Eine Geschichte wird nicht wahrer oder besser, weil sie subjektiver wird. Oft genug stimmt das Gegenteil. Ich wähle mal bewusst ein sehr hässliches Beispiel: Wenn das Gerücht aufkommt, ein prominenter Moderator verhaue regelmäßig seine Gattin, dann tue ich als Chefred gut daran, nicht genau die Redakteurin auf den Fall anzusetzen, von der ich weiß, dass sie ebenfalls dauernd daheim verdroschen wird. Ihre Perspektive mag “näher dran” sein – aber eben nur an der Erfahrung, nicht an der Wahrheit.

Wir müssen also zuhören, aber wir müssen aufpassen, wem wir zuhören.

Eine so banale wie wahre Erkenntnis. Ich würde noch hinzufügen, dass es ein Prozess ist, deshalb hätte mich der Satz in dieser Form mehr beeindruckt:

Wir müssen also zuhören lernen, aber wir müssen aufpassen, wem wir zuhören.

Es war zu befürchten, dass auf diese richtige Idee eine gänzlich falsche folgt:

Und wir müssen manchmal schweigen und gleichzeitig aufpassen, dass nicht einfach ein anderer Mensch zu sprechen beginnt, der ebenso weiß, cis und hetero ist wie wir.

Für jemanden, der so flammend gegen alle Ungerechtigkeiten ins Feld zieht, tun Sie sich erstaunlich schwer mit dem Schweigen, Dießelkämper. Ich wollte solche Pauschalismen vermeiden, aber es geht endgültig nicht mehr: wer meint, ein Mensch habe weniger Rederecht, weil er zur Mehrheit in irgendeiner Form gehört (Geschlecht, Hautfarbe, Sexualität), fördert nicht nur konkrete Unterdrückung (weil nein, eben nicht nur Minderheiten unterdrückt werden können), sondern er legt sich mit den Falschen an. Und zeigt obendrein, dass ihm/ihr an einem tatsächlichen Diskurs nichts liegt.

Das Gute ist, dass sehr viele Journalistinnen und Journalisten sich bereits um mehr Diversität bemühen und ihr Bemühen auch erfolgreich ist. Und andere, die die Notwendigkeit zumindest erkannt haben, dann aber kurz hinter dem Wollen steckenbleiben.

Ich denke mal, dass Dießelkämper sich selber zu den “sehr vielen” zählt, auch wenn wir hier schon aufgezeigt haben, dass persönliche Opfer nicht ihr Ding zu sein scheinen.

Damit sich etwas ändert, schreiben wir diese Kolumne.

Grundgütiger, jetzt schreiben schon “wir”. Weil sich ja anscheinend alle einig sind, wer die Guten und wer die Bösen sind. Wenn das so ist, sehe ich schwarz (huch!).

Schreiben, dass Ihr bis hierhin versagt habt, wenn es um Diversität in Redaktionen geht (unter anderem, dazu dann mehr in späteren Ausgaben).

Ganz genau: WIR haben versagt. Die Generation um Dießelkämper – die wird’s schon richten. Problem erkannt, Problem gebannt. Und in 20 Jahren sprechen wir uns wieder.

Aber auch, dass wir das jetzt gerne gemeinsam geradebiegen können. Das wird keine Freude, aber da müssen wir durch.

Oh, wie großzügig. Der Nachwuchs ist bereit, uns zu helfen. Unser Versagen auszubügeln. Und wundert sich, warum er von den “Etablierten” so wenig ernst genommen wird. Man scheint in den Journalistenschulen mittlerweile weniger Realität und dafür mehr Wunschdenken zu lehren. Blasenbau für Anfänger und Fortgeschrittene?

Nur, damit du es mal schwarz (huch!) auf weiß (huch!) hast, lieber Nachwuchs: Ihr müsst mit mir nix “geradebiegen”. Ich will von euch nichts lernen. Ihr werdet mich nicht ändern. Mein Leben IST Veränderung, ist ein ständiger Lernprozess. Den befördert aber nicht ihr, sondern das Alter, die Erfahrung, die Neugier, die Teilhabe. Nichts von euren Vorwürfen trifft mich – und ihr habt nichts, was ich brauchen könnte. Klugscheißer und Weltenretter war ich schon. Lange her. Hat sich rausgewachsen. Und ich kann nur hoffen, dass es euch auch so geht.

Ihr könnt das jetzt auch alles scheißarrogant finden, aber glaubt uns: Wir tun das für uns, aber auch für Euch.

Ihr habt Recht: Ich finde das scheißarrogant. Aber auch irgendwie lustig.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

35 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Franz
Franz
7. Oktober, 2020 12:52

Ihr sagt: Alle anderen seien „mitgemeint“. Wir haben begriffen: Menschen und Perspektiven werden ausgeschlossen, wenn man sie nicht explizit benennt und zu Wort kommen lässt.

Du hast geschrieben, dass du den Absatz nicht verstehst. Ich denke, der ist im gleichen Kontext wie das Gendern zu sehen. Also: Man schreibt eine Geschichte über die Ausbeutung von Frauen in Münchner Bordellen, weil man aber nicht explizit lybische Frauen erwähnt, schließt man sie aus der Geschichte aus. Da kann ich mich aber auch irren.

Der Absatz ist aber auch ein bisschen ein Mikrokosmos dessen, wie ich die drei von dir zerlegten “Artikel” wahrnehme. Alle drei pochen darauf eine Wahrheit zu erzählen und alle drei biegen sich die wenigen greifbare Argumente so zusammen, dass sie in diese Wahrheit passen. Im Prinzip ist es umgekehrte Recherche. Ich habe eine Story, jetzt muss ich irgendwoher die “Fakten” bekommen. Die Story hier: Andere Perspektiven werden ausgeschlossen. Das “Fakt”: Alle anderen sind mitgemeint ist eine Lüge.

Um bei den Münchner Bordellen zu bleiben, wäre die Vorgehensweise etwas anders als in deinem Beispiel. Der Ausgangspunkt wäre, dass man eine Geschichte über lybische Frauen schreiben will, die in München zu Dingen gezwungen werden, die sie nicht wollen. Danach besucht man so lange Münchner Bordelle, bis man eine lybische Frau gefunden hat. Dass man auf der Suche ukrainische Frauen gesehen hat, die vor den eigenen Augen verprügelt wurde, weil der Freier sich beschwert hat, spielt keine Rolle, das ist nicht die Geschichte, die man erzählen will. Außerdem ist sie weiß und damit privilegiert.

Hat man nun die gewünschte Lybierin gefunden wird sie solange mit geladenen Fragen bombardiert bis man ein oder zwei Zitate hat, wo sie sagt, dass sie auch schon Sachen gemacht hat, die sie nicht so gern gemacht hat und fertig ist die Geschichte.

Fakten recherchieren, um eine Geschichte draus zu machen? Nah, das ist das, was alte weiße Cissen machen. Geschichten schreiben und dann die passenden Fakten suchen? That’s the new way, baby.

DISCLAIMER: Ja, das ist sehr polemisch, aber ich habe bei der Lektüre der drei Meedia-Artikel wieder mal ein wenig Glauben an die Menschheit verloren. Nein, ganz so schlimm, wie ich geschrieben habe, wirds nicht sein. Nein, ich glaube nicht, dass das der Standard ist, den man von Journalismus heute erwarten darf. Zumindest hoffe ich es.

Franz
Franz
7. Oktober, 2020 13:17
Reply to  Torsten Dewi

Ich habe nicht behauptet, dass das ganze in sich geschlossen logisch oder gar konsistent ist. Ist es ja beim Gendern auch nicht, du hast da ja selbst die Vergewaltiger*in ins Spiel gebracht.

Wie gesagt, der Absatz wirkt ein wenig wirr, das ist halt das, was ich da mitgenommen habe.

Tim
Tim
7. Oktober, 2020 14:30
Reply to  Franz

Der Haupteinwand gegen die Intersektionalitäts-Ansätze ist ja, dass es eine Art Benachteiligungaolympiade ist, die derjenige gewinnt, der möglichst viele Attribute vermeintlich benachteiligter Minderheiten auf sich vereint. Das klassische Gegenargument gegen diesen Einwand ist immer „Du hast es einfach nicht verstanden“.

Galaktika
Galaktika
7. Oktober, 2020 14:20

Ich dachte, deine letzte Replik wäre so in etwa der Gipfel der geharnischten Demontage. Ich habe mich geirrt. Du wusstest es zu steigern.

Du sprichst viel Wahres aus. Manches davon ist so wahr, dass es wehtut.

Aber spätestens bei “Als Kind so ziemlich aller Privilegien, die unsere Gesellschaft zu bieten hat, stehen ihr alle Möglichkeiten offen – außer der, einfach mal nix zu sagen” war es bei mir mit dem Lesen erstmal vorbei, so sehr musste ich lachen. Danke dafür!

Tim
Tim
7. Oktober, 2020 14:28

Mich stelle mir bei solchen Texten immer Leute vor, die Angst vor der heiligen Inquisition haben und Virtue Signaling betreiben, damit sie vielleicht verschont bleiben, wenn sie denn mal kommt. „Ich war doch auch immer für eure Sache, aber von irgendwas muss ich doch mein Brot kaufen“. Ich glaube, das ging historisch noch nie gut aus.

PabloD
PabloD
7. Oktober, 2020 14:35

CIS musste ich erstmal googeln, ich wusste gar nicht dass ich das (auch) bin.
Wenigstens bleibt mir noch der Ossi-Trumpf, um im Minderheiten-Quartett zu stechen…

Dietmar
7. Oktober, 2020 17:47
Reply to  PabloD

Habe ich nie gegoogelt. Und als alter weißer Mann weigere ich mich auch zu lernen, was das heißen könnte 🙂

Galaktika
Galaktika
8. Oktober, 2020 12:41
Reply to  Dietmar

Wobei der Begriff als solcher ja durchaus sinnvoll ist.

Wenn man etwas Neues gesellschaftlich akzeptieren will, dann wird das Alte, das bis dahin die “Norm” war, eben zu einer Variante unter mehreren.

Es ist weithin akzeptiert, dass es Homosexuelle gibt. Die anderen, grob vereinfach, sind demnacht Heterosexuelle – und nicht mehr einfach nur die “Normalen”. Das ist sinnvoll, weil es Varianten als gleichwertig hinstellt, die gleichwertig sind. Wenn wir, was wir hoffentlich tun, Transgender akzeptieren, dann ist analog eben jeder andere Cisgender.

Ich wüsste nicht, warum man sich weitern sollte, so einen sinnvollen Begriff zu lernen?

Das “Gendern” von Texten abzulehnen, ist das eine: Das tue ich auch. Aber Begriffe, die dazu beitragen, den Dualismus von “normal”/”unnormal” in bezug auf real existierende, wertfrei zu akzeptierende Phänomene aufzulösen. abzulehnen: Das finde ich falsch.

bartdude
bartdude
8. Oktober, 2020 15:04
Reply to  Galaktika

Grundsätzlich stimme ich dem zu. Bei dem Ausdruck Cis sollte man aber zwei Dinge berücksichtigen:

  • der ist noch relativ neu, und viele können sich darunter noch nichts vorstellen (siehe die beiden Kommentare über Dir – zumindest einem glaube ich tatsächlich, dass er den noch nicht kannte, und das nicht gespielt ist). Das Vergleichsbeispiel, heterosexuell, hatte da schon ein wenig mehr Vorlauf bisher, und kann zwischenzeitlich als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.
  • “cis” wird von der PoMo-Bubble oft in herabsetzender Weise verwendet, gerne auch im Zusammenspiel mit alt, weiß und/oder männlich. Und ein dahingeschnoddertes “Du kannst da ja gar nicht mitreden, nicht betroffener cis-dude” hilft einer Diskussion halt auch nicht weiter…
Hans
Hans
8. Oktober, 2020 15:11
Reply to  Galaktika

Das Problem ist doch eher, dass der Begriff “normal” (teilweise bewußt) missverstanden wird als ein wertender Begriff. Normal heißt erstmal nichts anderes als “üblich, meistens der Fall”, und nicht “besser”.

Galaktika
Galaktika
8. Oktober, 2020 16:45
Reply to  Hans

@Hans

Wird denn “normal” nur als wertender Begriff missverstanden, oder ist es ein wertender Begriff. In meiner Sprachwahrnehmung ist es ein wertender Begriff. “Das ist nicht normal.” ist keine neutrale Aussage.

@bartdude

Die herabsetzende Verwendung war mir nicht bekannt. Das ist aber generell schwer vermeidbar, dass irgendwer irgendeinen an sich sinnvollen Begriff abwertend verwendet und damit seine Konnation zu verändert versucht. Rechte z.B. tun das sehr oft.

Bei Dietmar hat mich gar nicht gestört, dass er den Begriff nicht kannte. Ich selbst kannte ihn auch erst seit kurzem. Gestört hat mich auch nicht, dass er ihn nicht gegoogelt hat. Gestört hat mich nur, dass er jedem meinte mitteilen zu müssen, dass er so etwas nicht zu googeln gedenkt. Das ist in meinen Augen in der Tat diese ablehnende Haltung gegenüber neuen Sichtweisen, die andere seiner Generation allzuoft (und allzuoft unberechtigterweise) vorwerfen.

Dietmar
8. Oktober, 2020 16:59
Reply to  Galaktika

Im gleichen Sinn wäre “Das ist schwul!”, was ich im Schulbetrieb täglich höre, auch nicht “neutral” sondern wertend. Ist also der Begriff “schwul” falsch?

Dietmar
8. Oktober, 2020 17:04
Reply to  Galaktika

“Cis” heißt “diesseits”. “Trans” heißt “jenseits”. Wie lange meinst Du können wir warten, bis jemand kommt und sagt, das sei diskriminierend?

Galaktika
Galaktika
8. Oktober, 2020 18:03
Reply to  Dietmar

@Dietmar

Du enttäuschst mich. Du machst auf mich hier den Eindruck eines gebildeten, weltoffenen Menschen. Derartige Wortklaubereien hast du nicht nötig – dachte ich zumindest.

JEDES Wort kann als Schimpfwort verwendet werden. “Gutmensch” ist da ein beliebtes Beispiel. Mit genug sprachlicher Perfidie dreht man alles so, wie man es gedreht haben möchte.

“Normal” ist aber klar definiert: der Norm entsprechend. Und bestimmte Dinge sind eben, auch wenn sie der häufigere Fall sind, nicht die Norm. Sondern gleichwertigere Varianten neben anderen, die eben auch nicht “unnormal” sind.

Die Gefahr, immer spitzfindiger zu werden, was gerade noch o.k. und was schon diskriminierend ist, sehe ich auch. Allerdings halte ich zukünftig mögliche Angriffe auf Begriffe nicht für einen hinreichenden Grund, diese von Beginn an abzulehnen.

Ich bin Cisgender. Das macht mir nichts, ich bin eh schon so viel, bin ich halt eins mehr. Es macht mir aber klar, dass es neben meinem Fall andere gibt, wo biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität eben nicht übereinstimmen. Es lässt mich empfinden, dass es eine gute Sache wäre, diesen Menschen mit Respekt zu begegnen und diese ja keineswegs immer leichte Lebensituation so leicht wie möglich zu machen.

Das alles ist ein heikles Thema und ich erkenne auch, worauf du hinauswillst. Auch mir wäre lieber, all diese Kategorien wären egal und man würde sich ganz allgemein auf den Begriff “Mensch” einigen. Bis dahin werden aber noch viele Auseinandersetzungen zu derartigen Themen nötig sein und denen tun Begriffspaare wie “homosexuell/heterosexuell” und eben auch “cisgender/transgender” gut – besser auf jeden Fall als alles, wo “normal” drin vorkommt.

Dietmar
8. Oktober, 2020 22:41
Reply to  Galaktika

Also finde ich mich wieder in einer Diskussion wieder, die ich nicht gesucht habe und in der von vornherein feststeht, dass ich mich nicht auf dem moral highground befinde. Enervierend.

Halten wir fest: Ich habe einen Scherz versucht. Kommt hier doch öfter mal vor. Humor ist Geschmackssache, schon klar, aber ich habe eben nur gescherzt! Deine Kritik war humorlos und ernst. Ich nahm sie dementsprechend ernst und habe daraufhin klar gestellt, dass das vor allem ein, wie ich finde erkennbarer, Scherz war. Ich habe auch klar gemacht, dass ich durchaus verstehe, was hinter diesen Begriffen steht. Und es ist keinesfalls eine Wortklauberei, dass durchaus möglich ist, dass irgendwann irgendjemand vehement vertritt, dass “Transgender” diskriminierend wäre. So wie “Schwarzer” von einigen als rassistisch aufgefasst wird (was ich durchaus auch so sehe) oder “Behinderung” als diskriminierend (was ich nicht so sehe).

Es gibt hormonelle und physisch bedingte Abweichungen in der Sexualität und den Geschlechtern. Dies ist, wie etwa die Hautfarbe, ein Merkmalsgefälle und nicht mehr. Es bedeutet schlichtweg nichts. Vor allem nicht hinsichtlich des “Menschseins” an sich. Anders als bei der Hautfarbe gibt es die klaren Pole männlich und weiblich, dazwischen ein Kontinuum in allen möglichen Abstufungen. An den Polen findet sich der weit größte Teil der Menschheit wieder. Das dürfte ein Grund für unsere enorme Zahl an Individuen sein. Der weit kleinere Teil befindet sich in Abstufungen zwischen diesen Polen. Diese Tatsache hat keinerlei Bedeutung hinsichtlich der Menschen- oder sonstigen Rechte dieser Personen. Das ist in etwa mein Standpunkt.

Ich arbeite seit Jahrzehnten in der Bildung und unterrichte immer Menschen unterschiedlichster Herkunft, sexueller Neigung, Veranlagung und was auch immer. Vor meiner Betriebsaufgabe unterrichtete ich kostenlos Kinder aus sozial schwachen Familien und unter anderem Flüchtlingskinder aus Nigeria, die vor Boko Haram geflohen sind. Mir ist die Hautfarbe egal, mir ist die Sprache egal, mir ist die Religion egal, mir ist eine etwaige Behinderung egal, mir ist die sexuelle Orientierung oder Ausprägung egal. Mir geht es immer um den Menschen.

Ich hoffe, mein Standpunkt ist jetzt klar. Wenn Du aber weiter versuchen möchtest, mir irgendwie nachzuweisen, dass ich nicht weltoffen oder gebildet genug für Dich bin, bekämpfst Du einen Strohmann, den Du auf einen Scherz von mir gepflanzt hast.

Insofern kannst Du Dir gerne ausmalen, wohin Du Dir Deine Enttäuschung über mich stecken kannst.

Last edited 3 Jahre zuvor by Dietmar
Galaktika
Galaktika
9. Oktober, 2020 08:12
Reply to  Dietmar

@Dietmar

Lies doch einfach noch mal durch, was ich schreibe und vor allem wie, in welchem Tonfall, ich es schreibe. Und dann überleg dir, ob deine Antwort, und darin insbesondere der letzte Satz, diesem Tonfall gerecht werden.

Oder überleg’s dir nicht. Mir sind Online-Diskussionen bei weitem nicht so wichtig, wie sie dir nach häufigerem eigenen Bekunden zu sein scheinen.

Schade, dass da diese Schärfe reingekommen ist. Ich habe sie nicht reingebracht. Vor allem ist es deshalb schade, weil die Werte, die du hast, wohl auch meine sind.

Sollte ich bei dir aus Versehen irgendwelche Hebel betätigt haben, die ich nicht hätte betätigen sollen, dann war das nicht meine Absicht.

Deinen Scherz rund um den Begriff “Cisgender” habe ich tatsächlich nicht als solchen empfunden – oder aber als einen schlechten. Ich kann gerne darlegen, warum: Diese Argumentation: “Aber das dürfen wir dann auch ja auch irgendwann nicht mehr sagen!” kenn ich halt überwiegend aus Scherz aus einem bestimmten Lager, demselben Lager, wo man sich über Begriffe für (schreckliche Formulierung, in meinen Augen) “People of Colour” lustig macht – und durchblicken lässt, dass man am liebsten das sagen würde, was man immer gesagt hat. Natürlich stört das immer weitere fortschreitende Hinbiegen von Sprache, natürlich sind die Ergebnisse oft wenig überzeugend. Aber ich bin trotzdem recht froh, dass man nicht beim “Neger” stehengeblieben ist, auch wenn die ersten Alternativen mittlerweile auch längst missbilligt werden. Ja, es mag sein, dass auch Cisgender und Transgender irgendwann derartige MIssbilligung erfahren, und es kann sein, dass ich das dann lächerlich finde. Aber deshalb gar nicht erst versuchen, bessere Begriffe zu finden? Das genau impliziert dein Scherz.

Ich hab aber eigentlich keine Lust, mit jemandem wegen eines entweder schlechten oder in den falschen Hals bekommenen Scherzes zu streiten. Echt nicht. Frieden?

Dietmar
9. Oktober, 2020 15:46
Reply to  Galaktika

“Du enttäuschst mich. Du machst auf mich hier den Eindruck eines gebildeten, weltoffenen Menschen. Derartige Wortklaubereien hast du nicht nötig – dachte ich zumindest.” -><- “Schade, dass da diese Schärfe reingekommen ist. Ich habe sie nicht reingebracht.”

Genau. Das war ich. Wer sonst? Und ich lese ausschließlich nur noch diesen Blog, weil? Mir im Gegensatz zu Dir nach meinem eigenen mehrfachen Bekunden Online-Diskussionen wichtig sind. Genau. Nur deshalb lese ich seit mittlerweile Jahren keinen Blog mehr, habe Facebook quittiert, bin quasi nirgends in den sozialen Medien anders als als Konsument unterwegs. Macht man als Internet-Streithansel so.

Ich mache auch nur deshalb Scherze, damit mir jemand erklärt, wie unangebracht, ungebildet und wenig weltoffen sie sind und ich bin, damit sich daraus ein Streit entspinnt. Ehrlich auf Kritik gehe ich auch nur ein, damit der Streit noch mehr Feuer bekommt. Ich bin für diese Hinterhältigkeit berüchtigt.

Und weil meine Aggressivität nicht reicht, bin ich auch noch passiv-aggressiv.

Ja, echt schlimm. Mannmannmann…

Dietmar
9. Oktober, 2020 20:00
Reply to  Torsten Dewi

Habe ich das je? Mache ich nie.

Dietmar
8. Oktober, 2020 16:57
Reply to  Galaktika

Und dabei dachte ich, “alter weißer Mann” und der Smiley hätte genügend darauf hingewiesen, dass das nicht vollkommen ernst gemeint war…

Ich wollte ursprünglich einen Scherz darüber generieren, dass mir als Musiker das Cis nur als Alteration des C bekannt ist; schien mir aber zu umständlich.

Ernsthaft zum Thema: “Cisirgendwas” ist ein Label. Und wie man im Artikel sieht, eines, unter dem man, wie bei Labeln üblich, gerne Vorurteile oder Anklagen subsummiert. Mir ist schon lange, etwa seit dem Sexualkunde-Unterricht in der Hauptschule, bekannt, dass es Menschen gibt, deren Geschlecht nicht eindeutig ist. Wieso benötige ich dann einen eigenen Begriff für diejenigen, bei denen das der Fall ist? Außer eben: Man braucht einen Kampfbegriff. Und exakt so wird er gebraucht.

Last edited 3 Jahre zuvor by Dietmar
Galaktika
Galaktika
9. Oktober, 2020 12:09
Reply to  Torsten Dewi

Ja, so sehe ich das auch. Von meiner Seite aus sehr gerne.

Für den Teil an Schärfe, den ich verschuldet habe, bitte ich um Verzeihung.

Dietmar
7. Oktober, 2020 17:36

Interessant: Dießelkämper ärgert sich und wundert sich darüber, dass Menschen aus Minderheiten nicht zahlreich in ihrem Beruf sind. Ob sie den Fehler dieser Grundüberlegung je finden wird?

Last edited 3 Jahre zuvor by Dietmar
takeshi
takeshi
8. Oktober, 2020 11:56

Kleine Korrektur.
Der Zeitungsmogul, der das Vorbild für Citizen Kane abgab, hieß nicht Hurst, sondern Hearst.
Und es sollte sicher heißen: gegen Antisemitismus, statt: jeden Antisemitismus.
Abgesehen davon wieder eine erstklassiger Analyse des meedia-Geschreibsels.
Kudos.

Last edited 3 Jahre zuvor by takeshi
Mencken
Mencken
8. Oktober, 2020 19:32

Ich bin in erster Linie bei allen Artikeln über die mangelhafte inhaltliche und sprachliche Qualität entsetzt.
Die vertreten Absichten sind sicherlich auch problematisch, aber ich hätte doch erwartet, dass diese zumindest einigermaßen professionell präsentiert werden.

DSFARGEG
DSFARGEG
9. Oktober, 2020 10:40

Offen gestanden sind diese Zerrupfungen nur halb so unterhaltsam, wenn sich die Gegenspiele_innen dann nicht in den Kommentaren melden. Ich bin bei diesen drei öffentlichen Exekutionen aber auch nicht davon ausgegangen. Die drei Autor_innen sind durch ihren Status als Journalistenschüler_innen nominell in der richtigen Gewichtsklasse (diese hier durfte sogar, Ich hab mal gegoogelt, bislang zwei Artikel für Zeit.de schreiben), aber nach drei Sätzen merkt man dann, dass sich da ein paar Hänflinge mit aufgemalten Muskeln in den Ring geschmuggelt haben. Das ist dann entsprechend auch kein awesomes Wrestlingmatch, sondern so was wie eine Putzaktion. Nötig, aber auch wenig mitreißend.

DSFARGEG
DSFARGEG
9. Oktober, 2020 11:27
Reply to  Torsten Dewi

Fairerweise sollte man hinzufügen, dass die drei dafür von der Existenz dieser Artikel wissen müssten. Allerdings wäre ich überrascht, wenn die sich nicht jeden Morgen noch vor dem ersten Kaffee selbst googelten.

Galaktika
Galaktika
9. Oktober, 2020 12:17
Reply to  DSFARGEG

Ich denke, die wissen von der Existenz dieser Artikel. Aber die offene Auseinandersetzung mit Kritik von anderen an der eigenen Person stand vermutlich noch nicht auf dem Lehrplan. Oder wird von vornherein abgelehnt, wenn diese von weißen Männern kommt, die älter sind als sie selbst.

takeshi
takeshi
9. Oktober, 2020 16:47
Reply to  Galaktika

Vermutlich überwiegt da der Selbsterhaltungstrieb gegenüber der Arroganz.
Wenn sie auch nur noch ein wenig zur Introspektion fähig sind, dürfte ihnen klar geworden sein, dass sie sich hier mangels eigenem vorurteilsfreiem Blick und der Unfähigkeit zu einer ebensolchen Diskussion komplett zum Obst machen würden.

DSFARGEG
DSFARGEG
9. Oktober, 2020 23:11
Reply to  takeshi

Was auch noch sein kann: die drei finden Wortvogel.de halt nicht so relevant, als dass sie es für nötig befänden, sich hier zu Wort zu melden. Ich antworte auch nicht auf jede Reaktion, die etwas von mir Verfasstes im Netz nach sich zieht (allerdings habe ich, das kann ich mit Sicherheit sagen, selbst als ich so alt wie diese drei Autor_innen war, nie einen derartigen Stuss verzapft).