02
Sep 2020

Streaming-Kritik: BILL & TED FACE THE MUSIC

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

USA 2020. Regie: Dean Parisot. Darsteller: Keanu Reeves, Alex Winter, Samara Weaving, Brigette Lundy-Paine, Kristen Schaal, William Sadler, Erinn Hayes u.a.

Story: Eigentlich hätten die Teenager Bill und Ted, aka die Wyld Stallyns, mit einem kraftvollen Rocksong die Menschheit, die Erde und die Zukunft retten sollen. Dummerweise sind sie nie dazu gekommen, den Song tatsächlich zu schreiben und nun droht die völlige Auflösung aller Realitäten – in 77 Minuten. Weil für die Arbeit im Studio keine Zeit bleibt, kapern die beiden alt gewordenen Slacker eine Zeitmaschine, um den Song quasi von sich selbst zu klauen. Sehr schnell zeigt sich, dass das eine Schnapsidee ist. Aber Bill und Ted haben noch ein paar Trümpfe in der Hand – nicht zuletzt den Tod selbst und ihre beiden überdrehten Töchter Thea und Billie…

Kritik: Ich hätt’s echt nicht geglaubt. Ich mein, ein neuer BILL & TED wurde seit dem zweiten BILL & TED immer wieder geteasert – seit fast 30 Jahren. Das ist länger, als es vom ersten bis zum zweiten PSYCHO gebraucht hat. Oder von INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG bis zu INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS. Oder von STAR WARS: RETURN OF THE JEDI bis STAR WARS: DIE DUNKLE BEDROHUNG.

Abgesehen davon, dass mehr als ein Generationensprung von Kinofans üblicherweise das Interesse an einer Franchise erlöschen lässt, hatten sich die Karrieren der beiden Hauptdarsteller auch zu weit auseinander entwickelt: Alex Winter ist ein Nobody und Keanu Reeves ein Megastar. Warum sollte der Letztere noch mal in einer depperten Teenie-Komödie mitspielen?

Mehr noch: Man sieht irgendwann ein, dass so ein Projekt zum Scheitern verurteilt ist. Weil die Luft raus ist. Weil Keanu Reeves kaum mehr als zwei Drehtage investieren wird, weil der heutige Humor die gute Laune und die Kraft der Freundschaft, die BILL & TED immer ausgezeichnet hat, vernichten wird. Man mag sich nicht vorstellen, was das moderne Hollywood mit seinen YouTube-Influencern und Instant-Stars aus so einer Franchise macht. Vermutlich mit einem diversen “next generation”-Cast, den kein Mensch will und keiner braucht. Auffressen, durchkauen, ausspucken – und dann noch mal drauf kacken.

Aus der Vorfreude auf den neuen BILL & TED-Film in den 90ern wurde irgendwann der Frust darüber, dass er nicht kam – und dann die Freude, dass man es gar nicht mehr versucht hat. Zwei großartige Filme, die uns in einer schrägen deutschen Synchro Worte wie “Hoschi” geschenkt haben, dazu eine Comedyserie

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UND eine Zeichentrickserie

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Thank you for the music. Danke. Lasst es, wie es ist. Muss reichen. Reicht auch.

All das waren und sind im Grunde richtige Gedanken – und im Ergebnis trotzdem völlig verkehrt, weil BILL & TED FACE THE MUSIC die reine Lehre ist, der heilige Gral, die unberührte Madonna: er ist der perfekte Abschluss der Trilogie, weder in seinem Humor noch in seiner Weltsicht gealtert, getragen von der Vision der Original-Autoren, die alles außen vor lassen, was den Spirit der Wyld Stallyns vergiften könnte.

Das hier ist kein Nostalgie-Produkt für die Netflix-Ära, dessen Existenz nur einer kaufkräftigen Boomer-Schicht zu verdanken ist, denen die Qualität wurscht ist, solange BILL & TED drauf steht. Das hier ist “the real deal”, exakt die Fortsetzung, die man nicht zu erwarten hoffte.

Trotz der bezaubernden Präsenz der Töchter (wobei Samara Weaving deutlich mehr punktet als Brigette Lundy-Paine, die sich zu sehr an den Manierismen von Keanu Reeves versucht) ist das hier ein “echter” BILL & TED-Film, in dem die beiden alt gewordenen Slacker nicht nur die Hauptrollen spielen, sondern gleich mehrere Versionen der Hauptrollen. Keanu Reeves macht genau das, was er für diesen Fall immer versprochen hatte – er gibt 100 Prozent und lässt seinen alten Kumpel Alex Winter nicht im Regen stehen. Das hier ist ein Film, den der aktuelle Star von JOHN WICK und der neuen MATRIX-Fortsetzung niemals hätte drehen dürfen – und es macht ihn umso sympathischer, dass er es trotzdem getan hat.

Und so begeben sich William “Bill” S. Preston Esquire und Theodore “Ted” Logan erneut auf die Reise durch die Zeit, um irgendwie das, was sie versaubeutelt haben, auszubügeln. Alle Gefährten, die noch leben, sind wieder mit dabei, von Teds Vater über das Objekt der Begierde Missy bis hin zum Tod selbst (mittlerweile auf einen Bürojob herabgestuft). So ich das richtig sehe, fehlt nur der verstorbene George Carlin als Rufus und die Prinzessinnen wurden auch neu besetzt.

Das ist wild, witzig, an keiner Stelle ernst zu nehmen und in seiner Botschaft so authentisch wie dem fortgeschrittenen Alter der Helden geschuldet. Man wird nicht unangemessen altersmilde, lässt aber auch die vergangenen 30 Jahre nicht einfach außen vor.

Klar kann man sich über Niggeligkeiten echauffieren. Manchmal verliert der Film ein wenig den Faden und die CGI wirkt teilweise etwas rückständig – wobei ich nicht ausschließen möchte, dass das gewollt ist, um mit den ersten beiden Filmen nicht visuell zu brechen. Außerdem scheint die Balance nicht immer zu stimmen – obwohl es KEIN “next generation”-Film ist, wird ein Subplot der Töchter ausgiebig bedient, als schiele man schon auf das nächste Sequel.

Wir müssen auch mal über Keanu Reeves sprechen. Er sieht… seltsam aus. Das Gesicht sehr starr und maskenhaft, als hätte er eine Straffung hinter sich. Und die Frisur… auch seltsam. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sich die Haare bereits für das MATRIX-Sequel hatte schneiden lassen und nun auf eine Perücke zurück greifen musste.

Aber das ist letztlich wurscht, denn für diesen alten BILL & TED-Fan ist FACE THE MUSIC ein Heidenspaß gewesen, der vielleicht nicht das BILL & TED-Universum neu definiert wie AVENGERS: ENDGAME das MCU, aber einer der sympathischsten Franchises der Filmgeschichte einen würdevollen Abschluss gibt.

Ich habe die Originalversion gesehen. Abzuwarten bleibt natürlich, ob das deutsche Synchronstudio clever genug ist, die in den ersten beiden Filmen etablierten Phrasen erneut abzustauben, Ich möchte es hoffen.

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P.S.: Es gibt auch eine schöne Doku über das BILL & TED-Phänomen:

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comicfreak
comicfreak
2. September, 2020 13:01

yep, Reeves hat mich im Trailer direkt erschreckt

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
2. September, 2020 14:41

Warum hat Alex Winters eigentlich so wenig in den letzten Dekaden gemacht? Keinen Bock gehabt oder schlicht nicht gecastet worden?
Die beiden B&T-Serien kannte ich noch nicht – bin aber auch unschlüssig, ob ich mich da rantrauen sollte 😀
Der Film sieht dem Trailer nach ja wie ein Mash-up aus Teil 1 & 2 aus, was ja im Grunde nicht verkehrt ist und die Kritik liest sich wohlwollend – also ja, hoffen wir auf die hoffentlich granatenstarke und cremige Synchro, Hoschis.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
3. September, 2020 04:33
Reply to  Rudi Ratlos

Die Realserie kannte ich auch nicht, kam vermutlich auch nie nach Deutschland. Die Trickserie kam aber damals im Zug von der sehr ähnlichen Zurück in die Zukunft Serie nach Deutschland. Habe die auch als solche in meiner Erinnerung verbucht, halt Kinderquatsch, der bisschen mehr aus der Welt bietet, aber total vergessenswert.

Seb
Seb
3. September, 2020 09:53
Reply to  Rudi Ratlos

Ich vermute, dass Alex Winter das Pech hatte, dass seine Serie “The Idiot Box” aus Budgetgründen eingestellt wurde und sein Film “Freaked” keine großflächige Kinovermarktung erhielt. Mir gefiel sein Humor damals ziemlich gut.

Heino
Heino
2. September, 2020 15:40

Ich muss hier Kreide fressen, denn ich hatte nie daran geglaubt, dass der Film noch gedreht werden würde und mich dementsprechend über alle, die das behaupteten, stets lustig gemacht. Umso schöner, dass das doch so gekommen ist und Dean Parisot mal wieder einen Film drehen dürfte. Falls der hier ins Kino kommt, werde ich ihn mir auf jeden Fall ansehen

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
7. September, 2020 03:27
Reply to  Heino

In dem Forum, wo ich mich rumtreibe wurde der News und Gerüchtethread 7.9.2010 mit den (ersten?) Gerüchten zu der Fortsetzung eröffnet. Hat also schon BER Ausmaße.

Jake
Jake
2. September, 2020 16:26

Keanu Reeves ist schon ein verdammter Ehrenmann, dass er sich für dieses Projekt stark gemacht hat. Ich bedaure direkt, dass ich nie etwas mit den Bill & Ted-Filmen anfangen konnte. Das hätte sicher einen schönen Nostalgie-Kick gegeben. Dafür erfreue ich mich aktuell unbändig an der COBRA KAI-Serie, die über 30 Jahre nach den KARATE KID-Filmen mit den Original-Darstellern nochmal alten Rivalitäten aufleben lässt.

Thies
Thies
3. September, 2020 19:02

“Volle Kanne, Hoschis!”

Auf den Film freue ich mich wirklich und nach dieser Kritik sogar noch mehr.

marsel
marsel
7. September, 2020 07:11

Der Film lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Die Tatsache, dass er gemacht wurde, finde ich grossartig. Aber: Kann sowas heute noch “funktionieren”? Außer den echten Fans von damals dürfte diese Fortsetzung niemanden umhauen, und auch die haben sich vielleicht weiterentwickelt? Okay, der Roboter war süss, aber sonst ist der Humor schon etwas außer Mode, und die Musik hat auch nicht mehr viel Mit “Rock” zu tun.
Ich wollte den ja wirklich gut finden, aber es fällt mir echt schwer…