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Sep 2020

Kommt rein! Essen ist fertig!

Themen: Neues |

Ist schon komisch: da schmeißt man ein bisschen Butter zu einem Häufchen Zucker, haut ein Ei rein, pudert es mit Mehl – und nach einem Trip in den Backofen hat man einen Kuchen oder Kekse wie aus dem Supermarkt. Nur besser. Und billiger. Das war mir eigentlich klar, aber nie wirklich KLAR. Ich habe Kochen und Backen immer für komplizierter gehalten, dabei kann man mit ein paar Zutaten und “warten bis der Backofen pingt” als primäre Aktion Dutzende, gar Hunderte von Leckereien zubereiten. Wenn ich’s doch sage!

Es ist ja auch mehr als nur die Herstellung von Nahrungsmitteln zur Lebenserhaltung. Der Ablauf, so er sich nicht zieht oder in die Irre führt, hat etwas sehr Meditatives. Man investiert in das Essen, was eine Art Balance zur Speisung darstellt. Und man hat die totale Kontrolle nicht nur über die Zutaten, sondern auch über ihre Qualität. Man übernimmt Verantwortung – und lernt, mit Misserfolgen zu leben und aus ihnen zu lernen. Eine Lasagne selber zu machen ist das Gegenteil von eine LIDL-Pizza in den Ofen schieben.

Peinlich genug, dass ich über 50 werden musste, um die Ruhe und die Neugier zu entwickeln, das zu verinnerlichen. Es liegt aber natürlich auch an der LvA, die mir mit ihrer kulinarischen Expertise immer zur Seite steht und u.a. den Job der Vorkosterin inne hat. Wer kocht schon gerne (für sich) allein?

Seit meinem letzten Bericht ist auch schon fast wieder ein Monat vergangen und es ist u.a. einer mehrtätigen Reportagereise zu verdanken, dass ich mich meinen kulinarischen Experimenten nicht ganz so ausführlich widmen konnte. Generell gilt die Faustregel: ich möchte an jedem Wochenende irgendwas zaubern, sei es auf dem Herd oder dem Backofen.

Nach den ersten Erfolgen wollte ich mich etwas fordern, z.B. mit einem Teig, den ich bisher noch nie versucht hatte. Da bot sich Brandteig an, aus dem Windbeutel und Eclairs hergestellt werden. Der wird erstmal im Kochtopf zubereitet, lässt sich prima füllen und zeigt sich notorisch zickig. In unserem Patisserie-Buch fand ich ein Rezept, das mich ungeheuer ansprach (also spontan hungrig machte):

Windbeutel mit Pistaziencreme-Füllung und einer Craquelin-Schicht (Zuckerteig, der im Ofen eine schöne  Knusper-Kruste bildet). Noch dazu verziert – “pipe work” ist für mich ja auch neu. Ich bin üblicherweise nicht der Mann am Spritzbeutel. Die LvA riet denn auch ab – das hier sei vielleicht eine Nummer zu groß für mich. Ich hielt dagegen, dass die zwei Seiten Rezept im Patisserie-Buch jetzt nicht nach sooo viel Aufwand aussahen.

Das Problem: ich übersah, dass dieses Rezept bei allen größeren Vorhaben auf andere Rezepte im Buch verweist, z.B. mit “stellen Sie einen Brandteig her (S.50)”. Brandteig, Konditorcreme, Craquelin – das kam alles auf der Doppelseite nicht vor und musste mit ständigem Umblättern mühsam erarbeitet werden.

Nun ist Sturheit keine meiner sympathischeren, dafür aber eine meiner verlässlicheren Eigenschaften. Wie der Brite sagt: in for a penny, in for a pound.

Und siehe: Die Götter von Butter & Backform, von Schürze & Schlagsahne waren mir gewogen. Die Windbeutel gingen auf wie Tennisbälle, die Konditorcreme kam mit der genau richtigen Konsistenz aus der Kitchen Aid und der Craquelin-Teig war sowieso ein Kinderspiel.

Lediglich das Pistazienmus musste ich zweimal machen, weil ich unterschätzt hatte, wie heiß die Kerne beim elektrischen zerhacken werden. Beim ersten Versuch kam eine nutellafarbene Paste dabei heraus, die total verbrannt stank. Wir lernen: immer in kleinen Stößen zerhacken und zwischendurch abkühlen lassen. Geduld ist der Schlüssel.

Es zeigte sich, dass ich ziemlich gut am Spritzbeutel bin und von 20 Windbeuteln platzte nur einer bei der Füllung mit der Pistazien-Konditorcreme. Am Schluss noch die Deko, eine “Bodenplatte” aus weißer Kuvertüre und eine einzelne Pistazie als Angeberhäubchen obendrauf – ich will mich ja nicht selbst loben, aber damit wäre ich beim GREAT BRITISH BAKE OFF Starbaker der Woche geworden:

Der Geschmack: zum nie-der-knien. Dekadente kleine Scheißerchen. Und weil auch die Inhalte zählen (wie bei meinem Blog, genau genommen):

Is there anything Wortvogel CAN’T do?!

Den Rest des Brandteigs drückte ich übrigens in Keksform platt und legte “Murmeln” aus  Craquelin-Teig in die Mitte – einmal durchgebacken war das noch mal eine Portion sehr leckerer süßerer Häppchen zum Kaffee.

Gerade, weil ich mich an dieser Herausforderung zu meiner eigenen Überraschung nicht überhoben hatte, beschloss ich, es mit den “Götterspeisen” nicht zu weit zu treiben. Am nächsten Wochenende standen “basics” auf dem Plan, außerdem was Herzhaftes. Ich wechsle das gerne ab, so wie ich vor dem Fernseher Schokolade und Chips abwechsle.

Oft ist es eine spontane Inspiration, die mich antreibt – wie z.B. die erste Folge der BBC-Reihe “Mary Berry’s Simple Comforts”:

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Mary ist die Queen, so sakrosankt und unsterblich wie die echte Queen. Was sie sagt, wird gemacht. Und in der ersten Folge hat sie gleich mal “Croque Monsieur” zubereitet, was für Laien sehr nach einem Schinken/Käse-Sandwich aussieht. Aber es ist weit mehr: eine französische Nationalspeise, verfeinert mit Dijon-Senf, hausgemachter Bechamel-Sauce und gleich zwei Schichten Gruyère. Das Sandwich wird auch nicht getoastet, sondern im Ofen gegrillt. Nicht gerade kalorienarm, lässt dafür aber alle Sorgen der Welt vergessen.

Gut, das schien mir “doable”, wie man so sagt – und üppig genug, um auch mal ein größeres Abendessen zu ersetzen. Also gab ich mich ran, mit der fleißigen Unterstützung der LvA, die sich der Bechamel-Sauce annahm. Wie sich herausstellt, ist Bechamel nämlich auch nicht ganz so einfach, wie die kurze Zutatenliste vermuten lässt. Eine Diva.

Den Abend verbrachten wir auf der Terrasse mit diesen knusprigen Krachern:

Legga, legga, legga – aber der Senf war etwas zu dominant und wird beim zweiten Durchlauf ein wenig zurückgenommen. Das ist sowieso wichtig: drauf achten, was verbessert werden kann, und das irgendwo notieren. Man will die Fehler ja nicht ad infinitum wiederholen.

Nach herzhaft folgt was? Süß, klare Sache. Aus einem mir nicht mehr nachvollziehbaren Grund kam ich auf die Idee, mir nach den schwierigen Windbeuteln für die einfacheren Shortbread-Kekse ein Zeitlimit zu setzen, um die Herausforderung zu erhöhen. Das Zeitlimit war (vom Zusammensuchen der Zutaten bis zum abgekühlten Gebäck) 90 Minuten – genau die Zeit, die meine Gattin einmal in der Woche beim Training weilt.

Ihr ahnt es: ich wollte sie überraschen.

Kaum, dass die Haustür zu fiel, stand ich auch schon in der Küche und rührte Zucker, Mehl und Butter zusammen, nach einem Original-BBC-Rezept. Ist wirklich kinderleicht – womit ich euch ans Herz legen will, die Dinger auch mal mit euren Kindern zu backen. Ich entschied mich gegen die übliche “Barrenform” und stach runde Kekse aus. Kaum leicht abgekühlt, machte ich mich an die Deko: in Haselnuss-Glasur tunken (schmeckt der LvA besser als Schokolade) und mit ein wenig Goldpuder bestreuen. Luxus pur:

Beim nächsten Mal würde ich sie allerdings zwei Minuten früher aus dem Backofen nehmen, weil Shortbread nicht diesen goldbraunen Ton braucht, sondern etwas heller bleiben kann.

Ich habe mich entschieden, dass wir künftig keine Kekse mehr im Supermarkt kaufen werden. Das hier ist so einfach und geht auch auf Vorrat – alternativlos.

Soll übrigens keiner sagen, die LvA wisse die Mühen nicht zu schätzen: Zum Fantasy Filmfest backte sei mir ein Dutzend Cupcakes mit einem Stück Kinderschokolade als Füllung. Sie liebt mich eben – warum auch immer.

Als das Festival rum war, wollte ich mich revanchieren – mit super fluffig aussehenden Milchbrötchen, wie Mick Briem sie auf Facebook präsentiert hatte:

Was für ein Start ins Wochenende!

Die Tatsache, dass einige Hobbyköche in Kommentaren zum Video bereits moniert hatten, dass gerade die Menge des Mehls etwas schwer nachvollziehbar sei, hätte mich stutzig machen können, aber bei Mick und Silke hatte ja alles geklappt.

Bei mir klappte gar nichts.

Der Teig blieb super klebrig, und weil ich vom Rezept nicht abweichen wollte, fing ich das auch nicht mit extra Mehl auf. Weil die Hefe nun zu wenig zu “fressen” hatte, ging der Teig auch nicht im gewünschten Maße auf. Die sechs “buns”, in die ich ihn unterteilte, flossen sofort wieder zu einer Masse zusammen, was dazu führte, dass die Frischkäse-Sauce sich nicht zwischen den Teigstücken verteilen konnte, sondern obenauf schwamm.

Weiß man allerdings nicht, wie das Ergebnis aussehen soll, dann mag man sich von dem, was ich aus dem Ofen zog, durchaus täuschen lassen:

Kein Geschmackserlebnis: auch nach doppelter Backzeit von 40 Minuten wirkte der Teig fast roh, die “Sauce” bildete eine geschmacklich eher maue Kruste und insgesamt konnte das nicht überzeugen. Die LvA winkte dankend ab, ich selber bestritt damit ein Frühstück, um nicht völlig ergebnisfrei gearbeitet zu haben. Und wenn sich Tisch und Balken biegen, wir werden das Zeug schon runterkriegen…

Angesichts dieses Debakels entschied ich, am nächsten Tag noch mal ausgiebig zu kochen – und zwar etwas, das ich konnte: die Spinat-Lasagne der Pasta Granny Maria. Das Ziel war dabei weniger, eine gute Lasagne zu produzieren. Gut war die erste Lasagne vor ein paar Wochen auch schon gewesen. Aber wenn ihr euch erinnert: meine Pasta-Blätter waren zu dick und ungleich gewesen, ich hatte sie nicht in Form geschnitten und damit wurde das Ergebnis insgesamt unansehnlich. Dieses Mal sollte die Lasagne perfekter werden und präsentabel aussehen.

Zu diesem Zweck holte ich unsere Pasta-Kurbelmaschine aus dem Schrank und berechnete, dass ich damit jeweils zwei kleinere (14x18cm), dünne Scheiben pro Lage Pasta produzieren musste, die ich mit dem Küchenmesser zuschneiden und Scheibe für Scheibe in kochendem Salzwasser vorkochen würde. Keine Abkürzungen, keine Experimente.

Wichtig war mir außerdem die Qualität der Zutaten, denn gerade die kann man bei fertig gekauften Varianten so gar nicht einschätzen. Also diesmal nur bestes Bio-Hackfleisch, frischer Spinat, Bio-Milch, Bio-Eier, frischer Knoblauch, Tomatenpaste vom italienischen Feinkosthändler.

Und siehe da – die Pasta-Blätter wurden unter der Beihilfe der LvA echte Prachtstücke:

Sechs Lagen später – mein Meisterwerk:

Es fällt allerdings auf, dass die Pasta mit Spinat im Backofen deutlich mehr Farbe verliert als die Pasta mit Rucola. Bei der dritten Lasagne werden wir außerdem den Bechamel-Anteil noch mal leicht erhöhen.

Generell gilt: Schmeckt auch am nächsten Tag aufgewärmt noch super. Und aus dem Rest Pasta haben wir Linguini geschnitten, die gibt es dann morgen zu einer Käse/Sahne-Sauce.

Soviel zu Vergangenheit und Gegenwart. Was bringt die Zukunft? Erstmal wieder eine Süßspeise, inspiriert vom britischen Fernsehen (siehe 0:04):

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Oder ich versuche mich an einem Battenberg, denn da ist die Konstruktion des Kuchens die große Herausforderung. Außerdem: Marzipan. Wollte ich auch immer mal selber machen.

Was es wird? Ich lasse es euch zeitnah wissen.



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Kaio
Kaio
28. September, 2020 11:13

Sehr schön.

“…und nach einem Trip in den Backofen hat man einen Kuchen oder Kekse wie aus dem Supermarkt.” Nicht ganz. Im Gegensatz zum äquivalent aus dem Supermarkt oder der Bäckerei-Franchise-Kette ist die selbst gemachte Backware nicht mit Frischhaltechemie durchtränkt.

Ich bin wahrlich niemand der Foodblogs abklappert und den Freundeskreis passiv aggressiv damit shamed wie vegan, gesund und mit wie wenig Kalorien ich jeden Tag koche. Als ich es noch konnte (mein Darm ist jetzt leider schwer krank) habe ich täglich Fertigessen und Süßigkeiten verzehrt. Aber beim Thema Industrie Backwaren wünschte ich mir echt dass die Bevölkerung besser aufgeklärt wäre. Es ist gruselig was man da verkauft bekommt und es ist echt eine Schande dass die örtlichen Bäcker mittlerweile alle durch Franchises ersetzt wurden.

Kaio
Kaio
28. September, 2020 11:46
Reply to  Torsten Dewi

Ich wollte einfach nur nochmal unterstreichen, nicht widersprechen. Von daher die Verkürzung. War wohl zu viel verkürzt, sorry.

Gerrit
Gerrit
28. September, 2020 15:37

Man wird gut in etwas, was man gerne tut. Ob es spezifisch männlich ist, Dinge zwar zu wissen, aber dieses Wissen zu ignorieren, bis die Liebste mal trainiert….

Gilbert
Gilbert
28. September, 2020 21:00

Beim Wort Battenberg habe ich einen Pavlovschen Speichelreflex. 🙂 Würde ich einen Post dazu gut finden weil ich einen sehe? Oder schlecht weil ich selber keinen habe? Oder würde es mich motivieren selber einen zu machen? Who knows…

Dietmar
29. September, 2020 18:54

Klasse! Ich koche gerne, manche sagen sogar ziemlich gut. Aber Backen ist nicht meins. Überlasse meiner in jeder Hinsicht besseren Hälfte.

comicfreak
comicfreak
30. September, 2020 11:29

Ich hab die Buns noch mal mit etwas mehr Zucker und einem Hauch Zimt für die Umzugshelfer der Nichte gemacht, mit je 2 Stück Schokolade im Bun.
Wurden sehr dankbar angenommen.

Ehe jemand sagt, der Hunger hätte es rein getrieben: vorher gab es Chili, Baguette und Pizza.