Campylobacter: Der Feind in meinem Körper
Themen: Neues |Moin, da bin ich wieder. Wie neulich schon mal erwähnt (und auf Facebook auch halbwegs chronologisch dokumentiert), habe ich in den letzten Wochen an einer Campylobacter–Enteritis gelitten, einer eher unschönen Magen/Darm-Infektion mit lauter schmerzhaften und sich gegenseitig befruchtenden Symptomen. Und da ich ja immer wieder mal von meinen Krankheitsgeschichten erzähle, sollt ihr auch in diesem Fall was davon haben.
Es begann vor ca. vier Wochen spektakulär bei einem eher banalen Vorgang: Ich wurde des nachts wach und wollte etwas trinken. Also hievte ich die Beine aus dem Bett und stand auf. Üblicherweise schlurfe ich dann gen Küche. In dieser Nacht blieb ich allerdings wie angewurzelt stehen, weil a) sich alles um mich drehte und b) mein ganzer Körper sich im Schüttelfrost verkrampfte. What the…?!
Ich schaffte es in die Küche, danach ins Bad – gerade so. Um die LvA nicht zu ängstigen, bog ich auf dem Rückweg allerdings in mein Arbeitszimmer ab, wo mein “Schnarchbett” steht. Kaum wieder auf der Matratze, begann ich zu zittern wie ein Junkie auf Entzug. Ich schwitzte, aber meine Zehenspitzen und meine Kniescheiben (?!) waren eiskalt.
Keine Frage: Da saß etwas GANZ schief im “System Torsten”.
Als mich die LvA am Morgen weckte und fragte, wie es mir ginge, antwortete ich zu ihrer Überraschung “beschissen”. Natürlich machte sie sich sofort Sorgen, wollte mich zum Arzt schicken, Symptome googeln, etc. Papperlapapp! Was ein richtiger Kerl ist, der schleppt sich zum Arbeitssessel und beschließt, so einen Zwischenfall auszusitzen.
Dachte ich.
Dann kam das, was man im medizinischen Sektor “explosive diarrhö” nennt – genauer wollt ihr das nicht wissen. Dieses sehr schmerzhafte Symptom zieht eine Sackladung weiterer Unannehmlichkeiten nach sich: Pavian-Arsch, Wundschmerzen, Dehydrierung, Kopfschmerzen, Übelkeit, etc. Statt also das “was auch immer” auszusitzen, ging es mir im Verlauf des Tages immer schlechter.
Ihr wisst, dass ich (wie viele Geschlechtsgenossen) sehr uneinsichtig bin, was den Umgang mit Krankheiten angeht. Ich bin aber auch nicht doof oder verantwortungslos. Wir leben im Jahr der Pandemie und ich möchte im Zweifelsfall niemanden anstecken. Also machte ich mich doch mal schlau und googelte schlapp meine Symptome. Erwartungsgemäß war Corona unwahrscheinlich, denn ich hatte weder Husten noch Nasenbeschwerden. Allerdings hatte ich am Vorabend zwei Bio-Eier gegessen, deren Schale schon angedetscht gewesen war. Das ließ auf Salmonellen schließen. Unschön – und ansteckend.
Die LvA ließ sich meine Laien-Diagnosen noch eine Nacht gefallen, dann packte sie mich (schwach protestierend) in den Wagen und fuhr mich zu meinem Hausarzt, wo ich mit derart heftigen und potenziell übertragbaren Symptomen gar nicht erst reingelassen wurde. Dafür bekam ich ein paar Teströhrchen, um von einem externen Labor mal in die Körpersäfte schauen zu lassen.
Ich wurde für 10 Tage krank geschrieben. Wisst ihr, wann ich das letzte Mal krank geschrieben wurde? NOCH NIE! Der Wortvogel ist tot oder er arbeitet. Eine bizarre Erfahrung, wenn man jenseits der 50 eigentlich schon die Rente im Blick hat.
Am nächsten Tag das erste Ergebnis: kein Corona. Ich hätte mich mehr gefreut, wenn es mir nicht so elend gegangen wäre. Mittlerweile konnte ich nichts mehr essen, kam kaum aus dem Sessel hoch und verbrachte den Tag in einer Art Dämmerzustand. Die Medikamente, die mein Arzt mir verschrieben hatte, halfen allenfalls gegen die allgemeine Übelkeit und ein paar Elektrolyt-Brausetabletten mühten sich vergeblich, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Ein befreundeter Arzt bot an, mit einem Infusionsbeutel vorbeizukommen und mir anderthalb Liter in die Armbeuge zu jagen. Als Trypanophobiker lehnte ich dankend ab, auch wenn der Wortvogel am Infusionsbeutel sicher ein tolles Bild für diesen Beitrag abgegeben hätte.
Besonders schlimm waren weiterhin die Nächte: immer wieder Schüttelfrost, immer wieder Toilette, durchgeschwitzte Laken und T-Shirts. Wie schlecht es mir ging? So schlecht, dass ich nicht mal Videos schauen oder Blogbeiträge schreiben wollte. Ich dämmerte nur noch vor mich hin.
Am Samstag dann das nächste Labor-Ergebnis: keine Salmonellen. Dafür Campylobacter. Auch nicht schlecht, zudem ansteckend. Erfreulicherweise hatten die LvA und ich schon beim Ausbruch der Infektion die Badezimmer untereinander aufgeteilt. Erneute Suche nach der Ursache – vermutlich eine Hühnerbrust, die vor dem nachmittäglichen Grillen zu lange in der Küche gelegen hatte. Kann passieren. Ich war froh, dass es wenigstens nur mich erwischt hatte.
Campylobacter-Enteritis ist etwas, mit dem ein gesunder Körper normalerweise gut umgehen kann und in der Tat ließen die Symptome am Samstag und Sonntag deutlich nach. Ich konnte Haferbrei essen, die Übelkeit klang ab und die unschönen anderen Symptome auch. Nach vier Tagen schien das Schlimmste überstanden. Montag ging es mir so gut, dass ich mir sogar einen Einkauf zutraute und eine Fahrt nach IKEA, um dort das Klubbsporre-Kissen abzuholen (eine Investition, die ich wahrlich nicht bereut habe).
Auf dem Weg der Besserung nennt man das wohl. Und dieser Weg endete Dienstag in einer Sackgasse an einer Betonmauer.
Ich wachte auf… nein, das ist der falsche Begriff. Ich erlangte irgendwann Dienstag Morgen mein Bewusstsein wieder. Ein mühsamer Blick auf den Wecker. 7 Uhr. Das war so ziemlich die einzige Bewegung bis 10 Uhr. Ich kam nicht hoch. Keine Energie. Null. Ein Körper wie Blei, Muskeln wie Gummi und ein Geist wie Graupensuppe. Aufzustehen und zum Arbeitssessel zu wanken war vergleichbar mit der Ersteigung des Nanga Parbat. Kaum saß ich, dämmerte ich auch schon wieder weg.
Es fühlte sich… anders an. Nicht wie die Infektion der letzten Woche. Weniger separate Symptome, nur eine totale Energielosigkeit. Nicht mal mehr Impulsantrieb. Dead in Space.
Anruf beim befreundeten Arzt. Vielleicht eine Huckepack-Infektion, die mein geschwächtes Immunsystem ausgenutzt hatte. War bisher die Hoffnung gewesen, meinen Selbstheilungskräften medikamentös zur Seite zu stehen, mussten nun schwerere Geschütze aufgefahren werden. Der gute Freund riet: “Ruf deinen Arzt an, der soll dir Antibiotika verschreiben.”
Antibiotika. Kann mich nicht erinnern, so etwas jemals genommen zu haben. Aber nun gut, Teufel, Not, Fliegen, etc. Mein Arzt stimmte der Diagnose aus dem Bekanntenkreis auch gleich zu und faxte das Rezept an die Apotheke. Am Mittwoch Abend nahm ich die erste Dosis.
Nächster Morgen: Alles fit. Keine Schmerzen, keine Müdigkeit, kein Schüttelfrost. Es fühlte sich an, als hätten die Antibiotika wie eine Art medikamentöse GSG9-Einheit in meinem Körper aufgeräumt. Die Stille nach dem Schuss. Rambo in Tablettenform. Keine Gefangenen. Nur eine tote Bakterie ist eine gute Bakterie.
Man darf sich natürlich keinen Illusionen hingeben. Die Tatsache, dass man sich besser fühlt, bedeutet nicht, dass man gesund ist – oder nicht mehr ansteckend. Es gibt einen Grund, warum Campylobacter meldepflichtig ist. Und richtig: so seltsam es klingt – ich konnte die Infektion trotz der deutlichen Verbesserung meines Gesundheitszustands noch in mir spüren. Sie hockte da drin und wollte nicht aufgeben. Aus diesem Grund musste ich auch das erste Mal seit 2013 meine Dauerkarte für die Fantasy Filmfest Nights verfallen lassen. Ein Wochenende im Kino wäre verantwortungslos gewesen.
Und so ließ ich eine weitere Woche ins Land gehen, bevor ich zu irgendeiner Form von Alltag zurück kehren konnte, vermied jeden Kontakt mit Menschen außerhalb der Wohnung und ernährte mich untypisch vernünftig. Außerdem trank ich wie ein Kamel – der Körper holte sich die verlorene Flüssigkeit mit Gier zurück.
Vorgestern kam dann das neue Laborergebnis: kein Campylobacter mehr nachweisbar. Ich bin nicht mehr ansteckend. Die Antibiotika sind aufgebraucht. Back to normal.
Es gilt wie immer in solchen Fällen: so etwas brauche ich nicht noch mal.
Jo, du machst eben alles gründlich, auch das krank sein.
Bleib gesund
OMG! Das war aber gar nicht gut; hatte das auch mal, war aber nicht halb so schlimm und dauert auch nicht annähernd so lange. Bei mir wars wohl auch marinierte Hühnchenbrust für den Grill. Seitdem grill ich die aber sowas von durch, daß die fast zu Straub zerfällt; d.h. eigentlich kaufe ich die gar nicht mehr.
Vielleicht ja mal ein Warnschuss zur rechten Zeit? Dein Sportprogramm scheint ja der Vergangenheit anzugehören, mit deiner ungesunden Ernährung kokettierst du auch ständig…
Ich hatte genau dasselbe – aber längst nicht so schwer. Das mag eine Sache des Immunsystems sein.
“Zurück zu Tagesordnung” wäre für mich da eher der falsche Weg.
Das ist aber auch komplett mein Bier.
Was für ein ekelhafter Unsinn hier irgendeine Schuld zu insinuieren. So ein Infekt kann einen 23-jährigen Zehnkämpfer umhauen. Gehst du demnächst auf die Kinderkrebsstation und erklärst denen, was sie falsch gemacht haben?
Lass gut sein. Nicht provozieren lassen.
Das liest sich extrem unschön. Freut mich, dass Du wieder auf dem Damm bist.
Ich musste mal wegen einer chronischen Borreliose innerhalb eines Jahres drei ausgedehnte Antibiotika-Therapien über mich ergehen lassen. Einmal 20 Tage intravenös und dann nochmal 2 x 30 Tage in Tablettenform. Für meine Darmflora war das logischerweise pures Gift. “Gute” Bakterien gingen drauf, während sich irgendwelche Pilze über Gebühr vermehrten. Hat Ewigkeiten gedauert, bis da wieder alles im Lot war. Aber manchmal hilft halt, wie bei Dir, nur die grobe Keule…
Oha! Pilze sing fies! Wenn die erst einmal das Regiment im Körper übernommen haben, kann das ganz übel werden.
Fein, dass es dir wieder gut geht. So etwas braucht man nicht einmal zum ersten Mal.
Auch fein, dass du Unbeteiligte weitestgehen da rausgehalten/nicht angesteckt hast.
Muss ja nicht Corona sein. Jede andere ansteckende Krankheit tut es auch.
Gut.
Danke. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich froh oder sauer sein soll, am Zeitgeist Corona vorbei geschlittert zu sein. Ich fühle mich so… falsch.
Danke fürs Teilen dieser düsteren Stunden.
So schlimm es dir auch ergangen ist, schaffst du es trotzdem, die hier dauerhaft Anwesenden gut zu unterhalten. Nicht zuletzt weil ich – wie so oft – den Links in deinen Artikeln folge und wie beim Wikipedia-Hopping von dieser Krankengeschichte hier gleich zu “Eine Woche, zu voll, zu heiss, zu krank” weiterwechselte, von wo aus ich dann beim “Messebesuch” landete, von dem ich mich wiederum nicht erinnern konnte, ihn früher schon gelesen zu haben.
Für letztgenannten Artikel auch nochmal ein extra fettes Danke. You made my day.
Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Daher auch von mir: Weiterhin gute Besserung und ich bin dir sehr dankbar, dass du den Eintrag nicht mit explizitem Bildmaterial versehen hast.
Das ist eine üble, üble Geschichte, und wir hier sind froh, dass Du sie überstanden und niemanden angesteckt hast! Vernunft ist eben ein scharfes Schwert.
Meine Güte … da können wir ja von Glück reden, dass Du uns erhalten bliebst!
Nicht nochmal machen, bitte!
(… und wie sich eiskalte Kniescheiben anfühlen, will ich gar nicht weiter wissen …)