Kino Kritik: BLOODSHOT
Themen: Film, TV & Presse |USA 2020. Regie: Dave Wilson. Darsteller: Vin Diesel, Guy Pearce, Eiza González, Sam Heughan, Talulah Riley, Toby Kebbell, Lamorne Morris u.a.
Story: Ray Garrison ist ein verdienter Spezialsoldat, der erfolgreich Missionen in Krisengebieten meistert und sich ansonsten die Zeit mit seiner scharfen Freundin vertreibt. Zumindest glaubt er das. Als er bei einem Einsatz ums Leben kommt und als Nanobot-Superfighter einer zwielichtigen Hightech-Firma erwacht, stellen sich nicht nur die Fragen nach gut oder böse neu…
Kritik: Vin Diesel ist einer dieser Schauspieler, die besser in Franchises funktionieren als in Einzelfilmen, weil er halt am besten “Vin Diesel” spielen kann und sein “shtick” darin besteht, wie eine angepisste Mischung aus Schweinehälfte und Homer Simpson auszusehen und Leute zu verhauen. Man kann diesen Mangel an darstellerischer Bandbreite kritisieren, aber ehrlich – John Wayne hat auch immer nur John Wayne gespielt und selbst Cary Grant hat nie wirkliche Herausforderungen gesucht. “spielt sich selbst” ist manchmal völlig ausreichend.
BLOODSHOT ist der sehr auffällige Versuch von Diesel, auf den Superhelden-Zug aufzuspringen, aber den Look & Feel seiner bisherigen Franchises FAST & FURIOUS und xXx beizubehalten. Er ist der Fels, schweigsam überlegen, coole Sprüche parat, klassisch männlich, gegen den alle anderen Typen wie Würstchen wirken. Beiden Geschlechtern schlottern in seiner Anwesenheit die Knie, aus gänzlich verschiedenen Gründen.
He gets shit done.
Abgesehen davon, dass das mittlerweile sehr ermüdend und generisch ist, reicht es nicht für einen Superhelden-Film anno 2020. Mit seinen überdrehten, aber wenig einfallsreichen Actionszenen, den blassen Figuren, dem endlosen Technobabble und den sehr auffällig nur für den Trailer gedrehten szenischen Highlights gehört BLOODSHOT eher zur “Zwischengeneration” der Comic-Adaptionen von vor 15 Jahren, zu DAREDEVIL (mit Affleck), GHOST RIDER (mit Cage) und PUNISHER (mit Jane). Es ist ein Film, der sich nie traut, seine Comicvorlage von Valiant konsequent zu visualisieren, er möchte mehr Tech-Thriller sein als Heldensaga. Die kindische Marvel-Freude am Kostüm, an der Übermenschlichkeit, am bunten Irrwitz geht BLOODSHOT völlig ab. In seiner tumben Haudrauf-Mentalität erinnert er eher an die (relativ) besseren Filme von Statham, Adkins und van Damme. Das ist zu wenig.
Selbst wenn man BLOODSHOT nicht mit dem Marvel- oder dem DC-Maßstab misst, ist hier Schmalhans Küchenmeister: Der strunzdumme 0815-Plot wird zwar nach einer halben Stunde als cleverer Taschenspieler-Trick entlarvt, aber danach wird der Film eben auch nicht besser. Was der Bösewicht will, was die Schergen motiviert, in welchem Kontext das alles steht – dafür ist in dem A/B/C-Plot leider kein Platz. Stattdessen tausend Mal gesehene Schlägereien, tausend Mal gehörte Dialoge.
Der übermäßige Gebrauch von CGI, der den Actionszenen jeden Impact raubt, ist sicher dem überschaubaren Budget geschuldet – und dennoch ein deutlicher Malus. Splitternde Pixel bieten halt nicht annähernd so viel Entertainment wie splitternde Knochen. Man hätte den Regiestuhl keinem Mann aus der Videospiel/Visual FX-Branche überlassen sollen, der augenscheinlich mehr an Storyboards als an der Story interessiert ist.
Es ist erschreckend, wie schnell und folgenlos man den Film als Action-B-Ware abhaken und vergessen kann. Seine Wirkung endet, wenn das Licht im Kinosaal wieder angeht. Seine wahre Bestimmung ist der gesichtslose Stream im breiten Angebot eines Anbieter-Abos an einem langweiligen Freitagabend.
Damit könnte man diesen Review auch schon zumachen, denn nichts an BLOODSHOT ist bemerkenswert oder überraschend. Zwei Punkte liegen mir aber noch am Herzen, weil sie zeigen, wo sich die Spreu vom Weizen trennt.
Wie schon Ewan McGregor in BIRDS OF PREY und Will Smith in SUICIDE SQUAD darf Vin Diesel natürlich nicht die komplette Laufzeit wie die tatsächliche Figur Bloodshot aussehen. Vin Diesel muss wie Vin Diesel aussehen. Statt den Darsteller der Figur zu unterwerfen, wird die Figur dem Darsteller angepasst. Und das ist eigentlich IMMER unbefriedigend. Wie in BIRDS OF PREY und SUICIDE SQUAD wird der Comic-Look auf ein paar Sekunden eingedampft, um eine Szene für den Trailer und ein Foto für die Pressemappe zu haben. Den Rest der Laufzeit ist Vin Diesel halt Vin Diesel, weil Vin Diesel überzeugt ist, dass nichts besser Vin Diesel verkauft als Vin Diesel.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Frauenbild. Hinkt BLOODSHOT schon in Sachen Plot 15 Jahre hinter dem Status Quo hinterher, so ist sein Frauenbild in der frühen Michael Bay-Ära verankert. Die beiden relevanten (using the term loosely) weiblichen Rollen lassen sich binär vereigenschaften; blond und schwarzhaarig, Kaukasierin und Latina, Unterwäsche und Sport-BH, Hintern und Brüste. Ihre einzige tatsächliche Funktion ist die Anbetung von Vin Diesel und ihre Präsentation orientiert sich an Layouts von (selbst schon überlebten) Magazinen wie FHM und MAXIM. Und wenn ein erwiesener Chauvi wie ich so was sagt, muss was dran sein.
Meine Prognose: Fehlstart, Flop, Versenkung. Das Valiant Cinematic Universe (denn dieses sollte BLOODSHOT eröffnen) stirbt hier einen schnellen, langweiligen Tod.
Ich hab’s im Kino dem Peter Osteried zugeflüstert, ich sag’s gerne noch mal: “Ist halt Vin Diesel, nicht Vin Super.”
Fazit: Ein dünner und dummer B-Kracher, der als Superheldenfilm völlig versagt und selbst als Vin Diesel-Vehikel unteres Mittelmaß darstellt.
Hm. Schade irgendwie. Vin Diesel lässt mich ziemlich kalt, aber irgendwie dachte ich, vielleicht ist dieser Film interessant. Der Trailer war nett.
“eine angepisste Mischung aus Schweinehälfte und Homer Simpson”
Chapeau, Du übertriffst Dich selbst. Allein für die Entstehung dieses Zitats hat dieser Film schon eine Existenzberechtigung.
Amazon-Prime-Sonntagsfilm (wie auch “The Last Witchhunter” mit just dem gleichen Darsteller)