24
Jan 2020

First Look: STAR TREK PICARD

Themen: Film, TV & Presse |

Ich kann mich gut erinnern – es muss wohl 1986 gewesen sein, als ich am Hauptbahnhof in Düsseldorf eine englische oder amerikanische Zeitschrift kaufte, in der ein großer Vorabbericht zu STAR TREK: THE NEXT GENERATION zu finden war. Bis dato hatte ich nur Gerüchte gehört, dass man meine Lieblingsserie der 70er wieder auflegen wollte – ich hatte als Knirps bei der Erstausstrahlung im ZDF schon vor der Glotze gesessen.

Der Bericht war… ernüchternd. Kein Kirk? Kein Spock? Ein FRANZOSE als Captain?! Ich las den Namen übrigens damals falsch als “Pritchard”. Und dann das erste Bild der neuen NCC-1701 (Modell D). Das sah mir zu glatt, zu kantenlos aus.

https://youtu.be/AayLwwvn77s

Dennoch rannte ich zu meinem Kumpel Andi, um ihm alles davon zu erzählen. Weil STAR TREK! Und ENTERPRISE! Und wir hatten ja nix! Die späten 80er waren in Sachen Science Fiction eine verdammt tote Zeit.

Als der Pilotfilm 1987 von CIC auf Video veröffentlicht wurde, las ich zuerst in der HÖRZU davon. Ich schwang mich augenblicklich aufs Fahrrad und radelte mit Sol-8 zum örtlichen HUMA-Markt, der eine kleine Video-Verleihecke hatte. Es machte mich fassungslos, dass ich entgegen aller Erwartungen dort eine Kassette vorfand – wie konnte es sein, dass nicht Schlangen von Trekkern sich darum prügelten?!

Ich hatte an dem Abend “Dienst” als Babysitter, aber die kleine Sandra musste um 8 Uhr ins Bett und das Ehepaar, dessen Tochter ich sittete, hatte einen Videorekorder im Wohnzimmer. STAR TREK: THE NEXT GENERATION! Ich war so was von ready.

Das Ergebnis war… ernüchternd. Wie so viele Trek-Serien danach startete TNG ausgesprochen schwach, tat sich schwer mit den neuen Figuren, hatte die Handhabung der Effekte ebenso wenig im Griff wie die Atmosphäre des Roddenberry-Universums. Die Skripte der ersten Staffel waren oftmals lachhaft, Worf sah doof aus und “steif rumstehen” und “popanzig daher reden” schienen die primären Regieanweisungen gewesen zu sein. Who the fuck is Wesley Crusher!?

Ich war mit meiner rotzigen Meinung damals nicht allein:

Ich bin ziemlich sicher, dass ich die Video-Auswertung der ersten Staffel nicht bis zum Ende durchgehalten habe. Wirklich Fan von TNG wurde ich erst mit den späteren Staffeln auf SAT.1. Da lebte ich schon als Journalist in München und galt als ausgewiesener Serienexperte.

Ich kann’s nicht belegen, aber ich will nicht ausschließen, dass es bis heute noch Episoden von TNG gibt, die ich nicht gesehen habe. Das ändert nichts daran, dass ich die Serie um Picard, Data und Riker noch immer für die beste STAR TREK-Serie aller Zeiten halte. Aber da gehen die Meinungen bekanntermaßen auseinander.

30 Jahre ist das nun schon wieder her.

Und siehe da – der olle Glatzkopf, der damals nie und nimmer ein würdiger Nachfolger von James T. “fucking” Kirk hätte werden können, hat sich zur Kultfigur gemausert, zur lebenden Legende, zum Gottvater von Star Trek weit über die Franchise hinaus. Patrick Stewart ist ein Heiliger der Geek-Generation, den es anzubeten gilt, weil er gut und gerecht ist.

“But I’m Sorry I Don’t Pray That Way” (Soft Cell, TAINTED LOVE)

Heiligsprechung ist mir als Atheist ein Übel, besonders weil ich den Menschen dafür bewundere, fehlbar zu sein. Des Mannes Weg ist der Kampf gegen sich selbst. Ich habe Patrick Stewart, und man möge mir das verzeihen, als Arschloch erlebt. Von Angesicht zu Angesicht. In London war das, vor 25 Jahren. Wie bei so vielen Schauspielern ist das Image nicht deckungsgleich mit dem Charakter. Und es mag sein, dass Stewart in toto wirklich ein total super Typ ist, aber ich habe ihn anders kennen gelernt (die Details tun dabei nix zur Sache und er ist mich nicht persönlich angegangen).

Das ist ungefähr der Punkt, an dem ihr alle die Stirn runzelt und denkt “aber was hat das denn nun alles mit STAR TREK PICARD zu tun?! Will der Dewi wieder nur olle Geschichten aufkochen?”

Doch doch, das hängt zusammen. Irgendwie. Vielleicht kriege ich diese Kurve noch. Am Ende des Beitrags.

Also, STAR TREK PICARD. Nach der extrem mauen “Neu-Erfindung” von Star Trek mit DISCOVERY wollte man bei Paramount/CBS für die nächste Serie wohl auf Nummer Sicher gehen und hat sich gedacht “to boldly go… back”. Der tatterige Stewart war ja mittlerweile bei den X-Men raus und auch seine wunderbare Comedy-Serie BLUNT TALK war eingestellt worden. Er war alt und brauchte das Geld.

Nun ist das einerseits Grund zur Freude. Weil PICARD! Aber andererseits sind genau die Leute für die Serie verantwortlich, denen wir schon das Desaster DISCOVERY zu  verdanken haben. Wie groß war da die Chance, dass ein zweiter Aufguss einer Serie, deren Hauptdarsteller demnächst 80 Jahre alt wird, irgendwie das Haus rocken würde? Wie sollte der TNG-Picard in das “new style Trek” passen, in die Kelvin-Timeline und den hyperstilisierten Look von DISCOVERY?

Nach der ersten Episode kann ich sagen: überraschend gut sogar.

Ganz kurz zum Inhalt: Nach eine humanitären Mission, die einerseits erfolgreich war und andererseits desaströse Konsequenzen hatte, lebt Admiral Picard auf dem Weingut seiner Familie in Frankreich. Er hadert mit sich und der Welt, hat seltsame Träume von Data und vom Mars. Als eine junge Frau auftaucht, die er vage zu kennen glaubt, lässt sich der greise Ex-Captain der Enterprise in das vielleicht letzte große Abenteuer seines Lebens locken…

PICARD hat, soviel lässt sich an dieser Stelle bereits sagen, viel aus den Fehlern von DISCOVERY gelernt. Man hat sich den artifiziellen Look verkniffen, sehr viele Sequenzen an echten Locations gedreht, die Erzählgeschwindigkeit dem Alter des Protagonisten angepasst. Das hier versucht nicht, politisch korrekte Action-Unterhaltung im “alles neu!”-Stil zu bieten, sondern erinnert an die besten Zeiten aus STAR TREK TNG, an Episoden wie “Inner Light”, “Family”, und den finalen Zweiteiler “All good things”. Die Effekte, die Action-Choreographie, sie wurden nur so weit verbessert, wie es notwendig ist. Ein Update, keine Rundumerneuerung.

Damit ist PICARD schon mal nicht so atemlos konfus wie die erzählerisch torkelnde DISCOVERY. Und mit Patrick Stewart als zentraler Figur hat die Serie zudem einen Helden, an den wir immer noch problemlos andocken können. Picard ist UNSER Zentrum des Star Trek-Universums, der alte Onkel, dem wir in die Hölle folgen würden. Diesen Sympathiebonus spielt PICARD sehr bewusst aus – und es funktioniert.

Kombiniert mit einer soliden Mystery-Geschichte, ein paar verbliebenen Lücken aus der Zeit zwischen TNG und PICARD sowie ein paar sorgsam gehandhabten Gastauftritten und visuellen Reminiszenzen baut die Serie (Miniserie?) effektiv einen spannenden Einstieg in eine größere Handlung, von der wir erst in zehn Wochen wissen werden, ob sie die massive Laufzeit von über 8 Stunden trägt. Ich selber habe nach diversen Streaming-Serien der letzten Jahre, die dann doch wieder haufenweise Füller enthielten, meine Zweifel, aber zumindest die Vorschau auf die kommenden Episoden am Ende des Pilotfilms wirkt straff und knackig (im Gegensatz zu Patrick Stewart, höhöhö).

Es sei mir allerdings erlaubt, doch noch auf eine grundsätzliche Crux der Serie hinzuweisen, und die bringt uns dann wieder zurück zu meinen Anekdoten oben. Patrick Stewart ist Produzent der Serie, er hat von Anfang an im Writers Room dabei gesessen und die Entwicklung der Story entscheidend beeinflusst. Schaut man sich das Ergebnis an, ist das sicher von Vorteil gewesen – keiner hat Picard so sehr im Blut wie Stewart und keiner kann so gut Sorge tragen, dass Trek-fremde Autoren die Figur und ihr Erbe nicht in Grund und Boden schreiben. Er ist der Gralshüter.

Aber das führt eben auch dazu, dass STAR TREK PICARD teilweise gefährlich nah dran ist, eine Hagiographie zu sein. So sehr Patrick Stewart als Schauspieler von den Fans verehrt wird, so sehr wird die Figur Picard im Trek-Universum verehrt. Ein Übervater, zu dem man aufschaut und der nichts falsch machen kann. Diese übertriebene und auch unangemessene Sentimentalität durchsuppt PICARD an manchen Stellen, überfrachtet die Figur und ihren Darsteller mit Prunk, als wäre es eine Ikone. Je mehr man behauptet, es ginge um Picard als Mensch, desto offensichtlicher ist es, dass es um Picard als Helden geht. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass hier ein sehr eitler Patrick Stewart sich selber ein Denkmal setzen möchte.

Andererseits: Wenn das Ergebnis so unterhaltsam und “classic Trek” ist, will ich das gerne einpreisen und mich freuen, dass sie eben keinen “new style Picard” versucht haben. Hölle, wenn’s nach mir geht, dürfen sie als nächstes ruhig noch mal den greisen Shatner in den Captain’s Chair hieven.

Der 51jährige Torsten ist 2020 vom glatzköpfigen Franzosen Picard nicht halb so enttäuscht, wie es der 19jährige Torsten 1987 gewesen ist. Und wenn man bedenkt, was für ein knarziger Meckeronkel ich bin, ist das echt eine Leistung.

Ich bleibe dran. Mehr noch: ich bin – engaged!

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Thor
Thor
24. Januar, 2020 13:19

Selbst deine Nicht-Kritiken sind super ;9 😀

Dietmar
24. Januar, 2020 18:06

Was man sofort wieder sieht: Die Chemie stimmt einfach! Da sitzen die alten Haudegen im Sattel, wissen, was sie tun und wie sie miteinander umgehen müssen. Routine. Aber gute Routine. So sieht es jedenfalls aus.

jimmy1138
jimmy1138
24. Januar, 2020 18:25

Discovery hat’s ja damals schon in der Pilotdoppelfolge verkackt, wo dann gleich drauf eine effektiv dritte Pilotfolge folgte.
Ich mag mich ja irren – aber ist das die erste Trek Serie seit TOS, die nicht mit einer Doppelfolge beginnt?
Im Endeffekt war’s okay – nicht zu überfrachtet, trotzdem hat man im Wesentlichen mitbekommen, was in der Zwischenzeit alles im Trek-Universum passiert ist.
Und nachdem gerade Trek Serien den Ruf haben, Zeit zu brauchen, um sich zu finden, werde ich der Serie diese Zeit geben.
Was den Input von Stewart angeht – da gibt’s ja Leute, die meinen, daß genau das ein Problem sein könnte, weil Stewart mit seinen Vorstellungen hinsichtlich Picard – “Action (Hero) Picard” – schuld an Insurrection und Nemesis gewesen sei. Generell kann man mMn diskutieren, ob der Picard in den Filmen nicht zu sehr wie Kirk agiert hat – während ja in der TNG Crew eher Riker der Kirk-Typ war.

Luc
Luc
24. Januar, 2020 20:10

Die entscheidende Frage ist aber doch: wie heiß ist Jeri Ryan!? 😉

Dietmar
25. Januar, 2020 07:30
Reply to  Luc

Ich finde sie toll. Die Diskussion gab es hier ja schon. Aber neben ihrer für mich erotischen Ausstrahlung gehört ihre Darstellung des Schiffsarztes, den sie in einem ihrer Systeme aufgenommen hatte, in meinen Augen zum Humorvollsten und zu den schauspielerischen Glanzleistungen der gesamten Serien.

Teleprompter
Teleprompter
25. Januar, 2020 10:45

An die erste VHS Auswertung der NG kann ich mich auch noch erinnern, die Videothek, in der ich die damals ausgeliehen hatte, gibt es sogar noch. Enttäuscht war ich damals auch, das war alles furchtbar statisch, zudem kamen die damals mit einer extrem schnarchigen deutschen Synchro, die man für die TV-Ausstrahlung noch mal komplett neu erstellt hat. Das wurde dann iirc auch irgendwann abgebrochen (die Synchronkartei sagt nach 7 Folgen), insofern konnte man das in der Form gar nicht zu Ende sehen, spätere Veröffentlichungen hatten dann die TV-Synchro.

Den Auftakt von “Picard” fand ich durchaus vielversprechend, auch wenn ich die Lichtjahre Abstand von Discovery nicht ganz so sehe – die horizontale Erzählstruktur und den Verzicht auf die “Föderation” als allumfassender Heilsbringer unter Beibehaltung einer Lichtgestalt als Hauptfigur haben die schon gemeinsam. Verzichtet hat man halt auf die krachende Daueraction und die vielen vorhersehbaren und zT idiotischen Twists, das ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Markus
25. Januar, 2020 10:50

Wenig überraschend, dass ich an der einen oder anderen Stelle hart schlucken musste, aber die grundsätzlich positive Haltung teile ich (und diesmal liege ich sicher nicht so daneben wie beim Start von DISCO): http://www.sitzkartoffel.de/?p=1574

Kaio
Kaio
25. Januar, 2020 11:39

Was mich an der Folge am meisten überrascht hat war dass hier Charaktere einfach mal Informationen die sie haben miteinander austauschen. Bei so vielen modernen Serien werden Konflikte herbeigeschrieben weil jede Figur ihre eigenen kleinen Wissensfetzen verteidigt wie den Einen Ring und andere Charaktere dann erst auf anderem Weg an die gleichen Informationen kommen müssen.

Bei Picard treffen sich mehrfach in der Episode Personen und teilen einfach mit was sie wissen und am Ende sind beide weiter als vorher. Das ist ja fast so als wäre Kommunikation eine effiziente Problemlösungsstrategie! Wie gesagt, ich war geradezu überrascht sowas nochmal zu erleben. Hoffentlich behält die Serie das bei.

plumtree
plumtree
26. Januar, 2020 13:38
Reply to  Kaio

Danke, danke, danke – für diesen Kommentar!
Ich dachte immer, ich wäre der einzige Mensch der Welt, dem das auffällt. Es vergällt mir nahezu alle modernen Serien.
Alle halten permanent entscheidende Informationen zurück – aber so steht’s eben im Drehbuch und so verlangt es der Spannungsbogen.
Offenbar geht’s auch anders, wie man bei “Picard” sieht.

Kleine Frage am Rande. Gibt es unter diesem Aspekt noch andere interessante Serien?

Nicht zu vergessen: Vielen Dank an den Wortvogel für die Erinnerung an die ersten Folgen TNG. Farpoint fand ich noch prima, aber die dann kommenden Episoden der 1. Staffel waren grauenhaft. Mehrmals wäre ich fast abgesprungen, konnte aber zum Glück immer durchhalten. “Picard” fand ich zum Start recht gelungen und es kam, im Gegensatz zu “Discovery” so etwas wie ein Star Trek Gefühl auf.

Marsel
Marsel
30. Januar, 2020 07:41

Zum “Gottvater von Star Trek” wurde Picard irgendwie erst, nachdem die Serie schon gar nicht mehr lief. Ich fand den ewigen Moralprediger ja eher spießieg, grad im Vergleich mit einer Rampensau wie James THE Kirk.

Dietmar
30. Januar, 2020 07:59
Reply to  Marsel

Zum „Gottvater von Star Trek“ wurde Picard irgendwie erst

Du meinst, das wurde er für dich? (Das ist kein Streitversuch von mir.)

Ich habe TNG gesehen, als die Serie auf einem damals freien englischen Sender, vergessen, wie der hieß, lief. Mir hat Picard sofort gefallen als diplomatischer, überlegter, kühler Kapitän.

Marsel
Marsel
30. Januar, 2020 08:29
Reply to  Dietmar

Für mich persönlich wurde er überhaupt nie zur Kultfigur, gerade weil er so “diplomatisch, überlegt und kühl” war. Ich gehöre ganz klar zum Team Kirk. James THE Kirk. Natürlich, in der Realität wäre der Typ Picard der bessere Captain, aber im Film hab ich mehr Freude am Typ Kirk.

Dietmar
30. Januar, 2020 23:26
Reply to  Marsel

Danke!

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
10. Februar, 2020 17:10

Die Diskrepanz zwischen Photoshop-Picard des Amazon-Promo-Bilds und des echten Picards ist schon gewaltig. Wer winkt sowas durch oO*?