Kino Kritik: Yesterday
Themen: Film, TV & Presse |England 2019. Regie: Danny Boyle. Darsteller: Himesh Patel, Lily James, Kate McKinnon, Ed Sheeran, Joel Fry, Robert Carlyle u.a.
Das hier hätte eine sehr einfache romantische Komödie sein können. Junger Singer-Songwriter schafft plötzlich den Durchbruch, verfällt den Verlockungen von Geld und Ruhm und erkennt (fast) zu spät, dass er damit alles aufgegeben hat, was wirklich zählt. Buße, Rückkehr zu den Wurzeln, Happy End, The End.
Aber YESTERDAY stammt aus der Feder von Richard Curtis, einem Mann, dem ich wie keinem Zweiten (außer vielleicht John Cleese) meine Liebe zum britischen Humor verdanke. Der hat BLACKADDER und MISTER BEAN geschrieben, den VICAR OF DIBLEY und sogar DOCTOR WHO. Im Kino hat er die Renaissance der britischen Komödie eingeläutet. Ich liebte schon 1989 DAS LANGE ELEND mit Jeff Goldblum, der Rest der Welt sprang dann spätestens bei VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL und NOTTING HILL auf den Zug auf. TATSÄCHLICH… LIEBE, BRIDGET JONES – man muss diese Form von hemmungslos romantischer und menschelnder Komödie nicht mögen, aber man kann sich ihr nur schlecht entziehen.
Zuletzt habe ich von Curtis den unter Wert verkauften ALLES EINE FRAGE DER ZEIT gesehen – im dafür perfekt geeigneten Electric Cinema in London.
Und in der Tat finden Curtis und Ko-Autor Jack Barth einen Dreh, in YESTERDAY die eigentlich abgenudelte Geschichte vom Aufsteiger, der den moralischen Kompass verliert, durch einen brillanten Kniff zu vergolden: sie fügen ein Fantasy-Element ein, das als perfekter Katalysator fungiert. Will heißen: ein globaler Stromausfall löscht mehrere elementare kulturelle Errungenschaften aus der Geschichte – die Beatles, Coca Cola, Harry Potter. Nur Jack Malik kann sich an alles erinnern. Für den von Erfolglosigkeit geplagten Singer-Songwriter ergibt sich die Chance, den gesamten Beatles-Katalog als sein Werk zu verkaufen und damit zum Megastar zu werden.
Selbst DAS würden die meisten Drehbuchautoren auf eine ganze bestimmte Weise umsetzen: Jack entwickelt sich zum Arschloch, reitet die Welle mit, bis sich heraus stellt, dass er eben doch nicht der Einzige ist, der sich erinnert. Sein Geheimnis wird gefährdet, er muss die Entlarvung als Betrüger fürchten, muss Buße tun.
Aber so arbeitet Curtis nicht, weil er damit Jack (temporär) als Arschloch zeichnen müsste. Dafür mag der Autor seine Figuren zu sehr und er will ja auch, dass wir sie mögen. Und so findet er einen Weg, Jack nicht abrutschen zu lassen, seine große Liebe nicht zu enttäuschen und den Weg zur Wahrheit selber zu finden. Denn letztlich tut er ja etwas Gutes: er schenkt der Welt die (vergessene) Musik der Beatles erneut.
Das ist bezaubernd unanstrengend und leichtfüßig von Danny Boyle inszeniert, der hier wieder mal ein paar Stufen runterschaltet und weitgehend auf inszenatorischen Schnickschnack verzichtet. Die Figuren sind bestenfalls mal fehlgeleitet, selbst Jacks amerikanische Managerin. Am Ende findet sich alles, wie es sein soll.
Kein wichtiger Film, kein Meilenstein. Aber wenn man gerne mal mit der Liebsten ins Kino geht und selig lächelnd "hach" machen will, dann ist man hier genau richtig.
Wer hätte gedacht, dass die Musik der Beatles nach ACROSS THE UNIVERSE zu einem zweiten Film taugt, der sie hemmungslos mythologisiert?
Fazit: Bezaubernde Fantasy-RomCom zur unsterblichen Magie der Beatles-Musik. Für jeden, der (noch) ein Herz hat.
Den habe ich leider verpasst, der läuft hier schon länger nicht mehr:-(
Steht und fällt imo mit dem eigenen Bezug zu den Beatles – wenn man deren Popgeschwurbel als eben das wahrnimmt, funktioniert der Film wahrscheinlich nicht :/
Das tut mir entsetzlich leid: Das war alles andere als "Popgeschwurbel". Das ist vielmehr echte Musikgeschichte.
Na ja, Haggis und Surströmming sind auch echte Nationalgerichte, schmecken mir trotzdem nicht …
Das soll allen Ernstes ein Argument sein? Hier geht es ja zum großen Teil um Film. Also an diesem Beispiel: Über The Beatles als "Popgeschwurbel" zu lästern und mit Essen, das Dir nicht schmeckt (Wie kann es Nationalgericht sein, wenn es denn nicht schmeckt?) zu vergleichen, ist etwa so sinnvoll, wie über Sarah Bernhardt oder Rudolfo Valentino zu lästern, weil sie nicht schauspielerten, wie es heutige Schauspieler tun. Oder über den Wyler-Ben-Hur zu lästern, weil er nicht Action wie "Avengers – Endgame" enthält.
Ihr könnt ja gerne The Beatles doof finden. Mozart auch. Oder Beethoven. Oder Abba. Ändert aber nichts an ihrem musikgeschichtlichen Wert. Besonders ändert das nichts daran, dass diese Musik nicht nur Generationen geprägt hat, sondern die heutige Musikwelt immer noch beeinflusst.
Beispiel: Hier eine Wurzel des Heavy Metal. Von? The Beatles (Paul McCartney)…
Und wo wir gerade dabei sind: Auch mein Neffe (E-Gitarre) macht Outdated Music. Da liegt eben das Problem mit Musik: Sie ist auch eine Zeiterscheinung. Wollte er uptodate sein, müsste er Rappen oder so. Macht er nicht. Er macht Heavy Metal. (Der grandiose Schlagzeuger war übrigens mal mein Akkordeon-Schüler. Wir sind uns aber nicht mehr sympathisch.)
Sehr schön! Ein Film, auf den ich sehr gehofft habe. Noch gelingt es mir nicht so recht, öfter ins Kino oder Theater oder so zu gehen. Aber es entwickelt sich. Also werde ich diesen hier wahrscheinlich im Home-Entertainment sehen.
(Die Beatles waren in der letzten Saison in meinem Orchester Thema und ich habe ein Medley arrangiert. Leider ist aufgrund eines technischen Ausfalls das Solo aus "Penny Lane", das im Klangnebel der Eröffnungsakkorde erklingen soll, eigentlich gar nicht zu hören. Der Rest ist aber ziemlich gelungen. Die Arbeit am Medley begann ich aber, bevor ich vom Film hörte. Also hat Curtis eindeutig bei mir geklaut. Tantiemen bitte! 🙂 )
(Dislike. Schon wieder. Interessant. Vor allem, dass da der Wille fehlt, sich zu erklären. Ich finde diese "Like/Dislike-Kultur" sowieso ätzend.)
Dieses frische Interview passt ja wie Faust aufs Auge (unmittelbare Facebook-Sperre wegen Gewaltaufruf *bibber*).
Alles eine Frage der Zeit ist Mega. Selten mit so wenig Erwartungen ins Kino gegangen und mit soviel Glück wieder herausgekommen. Von daher ist Yesterday jetzt schon Pflicht-Anguck-Programm, sobald ich ihn auf dem heimischen Screen holen kann.
Danke nochmal für diesen Hinweis 🙂
Der Disliker meint offenbar, Du solltest Dich nicht auf diesen Film freuen. Also ich würde mich an Deiner Stelle daran ja orientieren… 🙂
Die Beatles-Songs sind sicherlich gut, aber man mag doch bezweifeln, dass die im heute so einen "Buzz" erzeugen wuerden wie es im Film dargestellt wird. Viele deren Lieder sind eben sehr 60er Jahre und wirken doch etwas altmodisch. Mal ganz von abgesehen, dass sich die Popkultur ohne die British Invasion sehr anders entwickelt haette. tldr: der Film ist zwar nett, aber hat etwas zu viel suspension of disbelief.
PS: Fands schade, dass die den Coke Witz nicht ganz ausgereizt hatten.
Dazu hätte ich ein bisschen anecdotal evidence:
Vor etwa zehn Jahren hatte ein Freund seine Tochter bei mir im Kinderchor. Er erzählte mir geknickt, dass sie ihm, als er mal laut Metallica hörte, sagte, er solle diese Opa-Musik ausmachen.
Vor zwei Wochen hielten in der fünften Klasse zwei Jungen ein Referat über die Gitarre. Ihr Klangbeispiel war der Anfang von "Let There Be Rock" von AC/DC. In der Klasse wurde haltlos gekichert.
Auf der anderen Seite: Es kennen sich immer wieder überraschend viele Jugendliche mit Musik der 70-er bis 90-er Jahre aus. Viele viel besser als ich und finden sie gut. Die Jugendlichen in den Vereinen, für die ich arbeitete, fanden und finden immer zuverlässig Musik von Abba, Beatles, U2 und so weiter gut.
Aufgrund der Diversität der kulturellen Nischen mag es sein, dass der Hype nicht wiederholbar ist. Auch deshalb nicht, weil die Beatles logischerweise eine Reaktion auf die Musik ihrer Zeit sind und in ihrer Zeit verwurzelt. Wenn heute jemand komponieren würde wie Mozart, hätte er auch nicht seinen Erfolg. Musik ist ein zeitgeschichtliches Phänomen und deshalb hast Du vielleicht recht.
Aber nur vielleicht. Denn immer wieder mal wird alte Musik in das Bewusstsein gespült und die Musik aus "Guardians of the Galaxy" und die Nachahmungsversuche anderer Filme zeigen, dass sie durchaus ihre Wirkung haben kann.
Mein Fazit: Vielleicht möglich. In einem fiktiven Universum wie jenem ganz sicher möglich und glaubhaft. Ich meine, es gibt fiktive Erzähl-Universen, in denen blondgemähnte Schönlinge mit rotem Cape durch die Luft fliegen und fremde Planeten besuchen. Sagt ja auch niemand, öööh, das geht aber nicht!
(Die Disliker haben Probleme mit Argumentation. Wie überraschend …)
Jammern über Dislikes oder Downvotes gibt weitere Dislikes oder Downvotes. Altes Internetgesetz
Ich jammere nicht. Ich mache mich über sie lustig. Auch wenn diese Reflex-Idiotie eine Art "Gesetz" ist, ist sie dennoch Reflex-Idiotie.
Es wirkt wie jammern. Letztlich egal. Es scheint dir wichtig zu sein bzw. Du lässt Dich trollen also versuchen die Trolle einen drauf zu setzen und weitere Reaktionen zu provozieren.
Ja, ganz klar: So etwas muss wie Jammern wirken. Aber im Ernst, ich weiß, wie das im Netz mit den Trollen läuft. Es ist mir aber egal, wie viele Dislikes sich da ansammeln. Ich finde das lächerlich und mache mich deshalb darüber lustig. Für mich. Vielleicht auch für andere, die das lustig finden. Aber letztlich ist auch das egal.
Oh nein! Das kann doch nicht wahr sein! Kann doch heutzutage gar nicht mehr funktionieren!
https://www.t-online.de/unterhaltung/musik/id_86571392/beatles-album-abbey-road-nach-50-jahren-zurueck-an-der-spitze-der-charts.html
Oder eben doch.
Ich sag es nur ungern, aber das ander 50 jahre Gedenkalbum war dann schnell auch wieder raus aus den Charts….
https://www.officialcharts.com/search/albums/sgt-pepper%27s-lonely-hearts-club-band/
Chart run (15 weeks / 01.06.2017 – 07.09.2017)
84 1 2 7 8 15 18 23 36 40 59 54 71 77 98
Mag sein. Ist ein anderes Album, warten wir´s ab.
Proof that Dietmar Steinhaus has a heart. 🙂
Ein sehr schöner Film, den ich Sonntag alleine sah, weil meine Familie mit anderen Dingen beschäftigt unterwegs war. Lily James ist bezaubernd, Himesh Patel sympathisch und sehr gut singend. Kate McKinnon finde ich aber sowas von nervend! Meine Güte! Die hat ja nicht eine glaubwürdige Faser im Leib! Entweder war sie irgendwie als lustiger Clown engagiert oder sie wusste nicht, in was für einem Film sie spielt und hielt das für eine überdrehte Romcom.
Naja: Oder ich verzeihe einfach diesen pseudofeministischen "Gostbusters"-Mist nicht.
Sehr schön die Idee mit den anderen "Wissenden" und wie sie verarbeitet wurde.
Ein herrlich unaufgeregter Film.
Dank Wiederholung im Popup-Autokino habe ich den jetzt auch mal gesehen und kann dir nur zustimmen. Nix für die Ewigkeit, aber eine grundsympathische RomCom mit einem interessanten Spin und guter Besetzung (bis auf Kate McKinnon, die mal wieder brutal übertreibt und für mich langsam der weibliche Nicolas Cafe wird, was Overacting betrifft).
Der überdrehte Charakter ist in solchen Filmen ja üblich. Aber die reißt einen wirklich aus dem Film raus und nervt nur.