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Sep 2019

Fantasy Filmfest 2019 Tag 9, Film 2: The Professor and the Madman

Themen: Fantasy Filmf. 19, Film, TV & Presse, Neues |

Irland 2016/18. Regie: Farhad Safinia. Darsteller: Mel Gibson, Sean Penn, Natalie Dormer, Eddie Marsan, Jennifer Ehle, Jeremy Irvine, David O’Hara

Offizielle Synopsis: Im Zentrum des Films steht die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Sprachwissenschaftler James Murray und dem für geisteskrank erklärten Arzt Chester Minor. Nachdem dieser in paranoidem Wahn einen unschuldigen Mann getötet hat, lebt er weggesperrt in einer Anstalt. Murray, den die Vision eines allumfassenden Wörterbuchs antreibt, entdeckt in dem Geächteten ein Talent, das die letzte Rettung für sein Mammutprojekt sein könnte.

Kritik: Dieser Film kam mit großen Ballast. Zuerst einmal ist es WIEDER kein Genrefilm (die Festivalleitung rang sich sogar eine Teil-Rechtfertigung dafür ab), und große Bilder kann man von einem historischen Drama über die Entstehung eines Wörterbuchs (!) auch kaum erwarten. Obendrein ist THE PROFESSOR AND THE MADMAN wahrlich nicht mehr frisch, denn er hat wegen Streitereien hinter den Kulissen ein paar Jahre auf Eis gelegen. Das hier gezeigte Werk ist 40 Minuten kürzer als die vom Regisseur intendierte Fassung – weshalb er sich hinter einem Pseudonym versteckt und auch Mel Gibson mit dem Film nicht assoziiert werden will. Wer dazu mehr wissen will, kann das bei Mark Tinta nachlesen.

Und genau darum ist es umso verwunderlicher, dass THE PROFESSOR keine Flickschusterei ist, die verschämt über die Streaming-Kanäle verklappt wird, sondern ein kraftvolles, zugleich erschütterndes wie lebensbejahendes Großwerk, das in einer gerechten Welt zu den ganz großen Oscar-Kandidaten gehören würde. Zweimal beste Hauptrolle, zweimal beste Nebenrolle, bester Film und bestes Drehbuch nach Vorlage.

Die Story und die Optik machen es verführerisch leicht, THE PROFESSOR für eine Art aufgeblasenes Biopic zu halten, wie man es im Fernsehen oft genug gesehen hat (ich habe ja selber eins geschrieben). Feine Ausstattung, breite britische Akzente – Männer, die in Bibliotheken stehen.

Aber das greift zu kurz. Weil es hier eben nicht nur um die Entstehung des Oxford Dictionary geht, sondern um das, für was es steht – Aufklärung, Bildung, Orientierung für alle. Ein Standardwerk wie die Luther-Bibel und Grimms Märchen, das Fundament für Generationen und Jahrhunderte. Es geht darum, den Wert des Fortschritts nicht nur sehen zu können, sondern auch sehen zu wollen. Um die Bereitschaft, alles zu opfern und keine Widerstände hinzunehmen.

Darüber hinaus geht es um Freundschaft, die aus inniger intellektueller Verbundenheit entsteht – und Liebe, die wieder mal beweist, dass es keine Grenzen geben kann.

If love – then what? Ich habe angefangen zu heulen.

Wäre all das nicht schon groß und großartig genug, ist THE PROFESSOR obendrein bis in die Nebenrollen mit Darstellern und Darstellungen vollgepackt, die zum Besten gehören, was die Generation zu bieten hat. Sean Penn ist so überzeugend gebrochen, Natalie Dormer so anrührend verwirrt, Eddie Marsan so schweigend charakterstark – jeder gibt hier 100 Prozent. Und niemand mehr als Mel Gibson, der sich zu einem so unfassbar präsenten Charakterdarsteller entwickelt, dass man ihm eine reinhauen möchte, weil er sich mit seinem privaten Scheiß die Chance verbaut hat, die Legende sein zu dürfen, die er tatsächlich ist.

Ja, es gibt Ecken und Kanten, an denen man ahnt, dass dieser Film SO nicht gedacht war. Zu plötzliche Charakterwendungen, zu blasse Erklärungen, ein paar seltsam mangelhaft ausformulierte Ideen. Aber im Gegensatz zu anderen Filmen schmälern sie das Ergebnis nicht merklich.

Wer jetzt meint “ich stehe nicht so auf historische Biopics”, der sollte trotzdem reingehen – und sich eines Besseren belehren lassen.

Fazit: Ein zutiefst menschliches, teilweise tränenrührendes Drama über den Kampf für den Fortschritt und den zu zahlenden Preis. 10 von 10 Punkten.

Philipp sagt: “Sehr eindringlicher Film mit herausragenden Darstellern.”

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lapismont
13. September, 2019 20:05

Stimme Dir da vollkommen zu!

Karsten
14. September, 2019 12:23

Oha, sehr spannend. Kommt auf meine Liste!

Gerrit
Gerrit
14. September, 2019 15:32

Vorgemerkt und für den English film club vorgeschlagen. Danke

Jake
Jake
26. Februar, 2020 15:40

Toller Film, 9/10. Wahrlich eine Schande, dass Gibson in den 2000ern praktisch weg vom Fenster war. Was der in THE PROFESSOR… und in DRAGGED ACROSS CONCRETE abliefert, hat mich schwer beeindruckt. Charakterschauspiel par excellence.

trackback

[…] wieder als alternder Charakterdarsteller neu erfunden und unfassbare Performances u.a. in THE PROFESSOR AND THE MADMAN und DRAGGED ACROSS CONCRETE abgeliefert. Nichtsdestotrotz muss er in B-Ware wie DANGEROUS die […]