Fantasy Filmfest 2019 Tag 3, Film 5: Bliss
Themen: Fantasy Filmf. 19, Film, TV & Presse, Neues |USA 2019. Regie: Joe Begos. Darsteller: Dora Madison, Tru Collins, Rhys Wakefield, Jeremy Gardner, Graham Skipper, George Wendt, Abraham Benrubi
Offizielle Synopsis: Malerin Dezzy steckt in der kreativen Krise. Die Leinwand im Atelier bleibt leer, kein Hauch von Inspiration. Als ihr Agent sie fallen lässt, feiert sie erst einmal die Nacht durch – auf der angesagten Designerdroge Bliss. Sex, Exzess, danach ein Kater und endlich die ersten Pinselstriche vom neuen Meisterwerk. Dezzy beschließt, noch etwas länger auf Bliss zu bleiben. Trotz einer kleinen Nebenwirkung, die bald erste Opfer fordert.
Kritik: Es gibt immer Konsens- und Konfliktfilme. Konsensfilme sind die, bei denen sich alle einig sind. HOTEL MUMBAI gut, BLUBBERELLA schlecht. Konfliktfilme sind die, die ihre Zuschauer in radikal getrennte Gruppen teilen. Die Diskussionen auslösen. Die Freundschaften zerstören. WE ARE THE FLESH. ENTER THE VOID. RED STATE.
BLISS ist ein Konfliktfilm, eine anarchische Reise in das Nichts, mit Bildern wie aus dem Maschinengewehr. Eine Fahrt mit der Achterbahn im Herbstgewitter. Bei Nacht. Die größte Menge an “fucks” die ihr je in einem Film hören werdet und die größte Menge an Pulver, das in Nasen gezogen wird. Es gibt nur ficken und Vollgas.
Dezzy ist auf der Suche nach ihrem künstlerischen Urtrieb – und wenn man dem nicht alles andere unterordnet, wem dann? Der Versuch, sich mit immer wahnwitzigeren Mengen an Drogen und Sex in einen auch kreativen Rausch zu versetzen, kann keine Kompromisse ertragen. Wahre Kunst wurde immer schon mit Blut bezahlt.
Was stilistisch nach Gaspar Noe aussieht und vermutlich im Schnitt zehnmal so lange gebraucht hat wie beim Dreh, ist dabei inhaltlich erfreulich straight – Dezzys Abstieg in die Unterwelt bleibt immer nachvollziehbar, und selbst der Vampirismus ist nur eine logische Folge. Viele Regisseure neigen dazu, Drogenrausch als Entschuldigung für erzählerische Beliebigkeit zu nehmen – Begos macht den Fehler nicht.
Und natürlich ist das alles noch eine sehr eindeutige Metapher: Der verweifelte Drang, Kunst zu erschaffen, fordert Blut und macht den Künstler zum egomanen Parasiten, der seine Umwelt aussaugt, zerstört, missbraucht. Der Abstieg in die Hölle wird sehr deutlich dokumentiert: die Droge “Diablo”, der Manager “Dante”, das Bild von der Masse in Lava windender Leiber…
Neben den farbsatten, körnigen Bildern und der disziplinierten Regie muss man vor allem Dora Madison loben, eine Veteranin im TV- und Independent-Geschäft, die sehr genau begriffen hat, was ihr hier geboten wird: ein gnadenloses und exzessives Showcase, Schauspielerei auf 180, totale Entblößung. Und sie wirft sich so furchtlos wie erfolgreich in die Rolle.
Wie ich eingangs schrieb: das wird nicht jedem gefallen. Muss es aber auch nicht. Kino ist nicht IKEA.
Fazit: Ein Bildersturm in Punk-Ästhetik, ein Neo-Vampirfilm als Metapher auf den künstlerischen Schaffensprozess. Den kann man nur scheiße oder geil finden. Ich fand ihn geil. 9 von 10 Punkten.
Philipp sagt: “Ich brauchte lange, um mit dem Film warm zu werden, weil mich die Hauptperson nicht abholt. Aber die Schauwerte stimmen.“