Fantasy Filmfest 2019 Tag 3, Film 1: Dreamland
Themen: Fantasy Filmf. 19, Film, TV & Presse, Neues |Kanada/Belgien/Luxemburg 2019. Regie: Bruce McDonald. Darsteller: Stephen McHattie, Henry Rollins, Juliette Lewis, Lisa Houle, Tómas Lemarquis
Offizielle Synopsis: In letzter Zeit plagen den weltmüden Hitman Johnny immer öfters blutige Visionen. Bei dem sonst so verlässlichen Auftragskiller macht sich ein moralisches Gewissen breit. Es erreicht sein Crescendo, als Boss Hercules bekannt gibt, dass fortan der Handel mit minderjährigen Mädchen zur Angebotspalette gehört. Unter den Kandidatinnen ist ein Nachbarskind von Johnny, der prompt die Arbeit verweigert. Dabei legt er sich an mit Hercules und – einem Vampirgrafen, der mit dem Mädchen Hochzeit feiern will.
Kritik: Bruce McDonald ist eine Ausnahmeerscheinung auf dem FFF. Während die meisten Regisseure hier ihre Erstlingswerke vorstellen oder selbst als Kultkurbler eher der Jugend verpflichtet sind, ist McDonald ein Veteran, der schon seit den frühen 80ern Fernsehserien dreht und sein Geld sehr gut mit Glotzen-Genres verdient: Herzschmerz, Highschool, Krimi, Science Fiction. Alle paar Jahre gönnt er sich einen Ausflug auf die große Leinwand – wir kennen ihn von PONTYPOOL mit Stephen McHattie.
McHattie ist auch diesmal wieder mit dabei, sogar in einer Doppelrolle – als zweifelnder Killer und als heroinabhängiger Trompeter. Wer jetzt denkt, das würde im Film irgendwann thematisiert oder wenigstens erwähnt: Fehlanzeige. Stellenweise wirkt es, als habe McHattie kurzfristig den Platz einen ausgefallenen Kollegen auch noch eingenommen – because he can. Die Perücke tut ihm allerdings dabei keinen Gefallen.
Überhaupt ist DREAMLAND ein gar seltsam Ding: in diesem Luxemburg (wo McDonald gleich luxemburgische UND belgische Förderung einstreichen konnte) gibt es eine europäisch-dekadente Unterwelt, die Stadt ist ein Drehkreuz der internationalen Luxus-Pädophilen, die sich treffen, als wäre es die EU. Eine Comtessa zieht die Strippen, ihr Bruder ist ein Vampir (oder nicht), und wenn es hart auf hart kommt, kann sich Gangster Hercules auf sein Netzwerk aus Killern verlassen – allesamt Zehnjährige in gut sitzenden Maßanzügen. Eine “normale” Welt mit Polizei oder gar Eltern für die Kinder gibt es hier nicht. Dieses Luxemburg ist so real wie Hogwarts.
Das ist immer hübsch anzuschauen, lebt von einem lakonischen Humor, dem gemächlichen Tempo und der Freude, Kultschauspieler in einem schrägen Kleindrama zu sehen: McHattie, Rollins, Lewis, Lemarquis. Aber es addiert sich am Ende zu wenig, die Verweigerung jeder Form von Realität oder Empathie für die Figuren sorgt dafür, dass man als Zuschauer nie wirklich andockt. Man schaut den Film, aber man erlebt ihn nicht. Die Leinwand bleibt eine Glasmauer zwischen Film und Kinosaal.
Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass DREAMLAND sehr augenscheinlich auf europäische Fördertöpfe zugeschnitten wurde, als wäre hier die Finanzierung vor dem Skript entstanden. Schwer vorstellbar, dass der Film außerhalb der Gremien und Festivals irgendwen interessieren könnte.
Wow, Juliette Lewis – ein weiter Weg von NATURAL BORN KILLER nach unten.
Fazit: Eine bizarre Gangster-Groteske aus einem durchseuchten Parallelwelt-Luxemburg. Hübsch anzusehen, aber letztlich nur ein Showcase für Stephen McHattie in einer überflüssigen Doppelrolle. 6 von 10 Punkten.
Philipp sagt: “Wenn der Vampir glaubwürdiger ist als die Jugendlichen, dann ist irgendwas schiefgelaufen.”
Hamburg, Tag 2, Film 2
Der erste WTF-Moment des Festivals. Das wirkte so, als hätte der Regisseur mit ein paar Freunden ein Wochenende drauf gemacht und am Ende kam dann nebenbei ein Film dabei raus. Und für jeden gelungenen Moment oder Gag muss man sich als Zuschauer durch prätentiöses Kunsthandwerk – die mit Blut bespritzten Mädchen im Nebel – oder hemmungsloses Herumalbern – jeder Auftritt von Juliette Lewis – durchbeißen.