Bavaria: Scene of the Crimes
Themen: Film, TV & Presse |Wer meine ollen Geschichten gelesen hat, der weiß, dass ich viele Monate auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios verbracht habe. Meine Telenovela LOTTA IN LOVE wurde dort gedreht, Teile meines Zweiteilers DR. HOPE auch. Ich habe hier 1991 (?) meinen ersten Drehbuch-Lehrgang besucht und eins meiner unproduzierten Skripts spielt teilweise auf dem Gelände. Ich kenne die Wege zwischen den Studiohallen wie meine Westentasche.
Bei einem kurzen Abstecher nach München kamen die LvA und ich auf die Idee, dem Areal noch mal einen Besuch abzustatten, um die vielen Anekdoten auch für die Gattin mit etwas mehr Leben zu füllen. Außerdem wollte ich sehen, was sich vor Ort so alles geändert hat.
Nun hätte ich locker durch den Geschäftseingang fahren können, denn die Security ist lax und "man kennt mich". Aber es war Sonntag und ich wollte niemanden in Schwierigkeiten bringen. Also ganz brav Eintritt für die "Bavaria Filmstadt", den öffentlichen Entertainment-Bereich, lösen.
Das erwies sich als leichter gesagt als getan. Obwohl nur drei oder vier Kleinstgruppen (Paare, Familien) vor uns waren, dauerte es eine Viertelstunde, bis wir bei brütender Mittagshitze an einer der zwei Kassen um Eintritt bitten konnten. Der Ablauf ist so schlecht automatisiert, dass jeder Besucher eine Beratung braucht, was er machen kann und welche Tickets er dafür erwerben muss. Wie in der Steinzeit am Bahnhof.
Nun kann man wohl in die Ateliers, man kann an Führungen teilnehmen, etc. – fand ich alles doof. Ich wollte der LvA ja nur die Stätten meines Wirkens zeigen. Also fragte ich freundlich, was denn der Eintritt "nur für mal stromern" kosten sollte. Ich wurde beschieden, dass DAS nicht geht – Führung sei das Mindeste. Okay, sehe ich bis zu einem gewissen Grad ein: die Bavaria ist ein aktives Filmstudio, da kann nicht jeder rumlatschen, wie er will. Also Führung.
Man kommt auf einen Vorplatz mit einem McDonalds, dem 11 Meter großen Modell aus DAS BOOT und ein paar Pappkameraden, mit denen man sich fotografieren kann:
Der mangelnde Respekt meinerseits ist der Tatsache geschuldet, dass ich für die ROSENHEIM COPS vor zehn Jahren mal schreiben sollte – kein schönes Erlebnis.
Hier steht noch eine Statue von vermutlich (!) Alfred Hitchcock, denn der drehte in seinen jungen Stummfilmjahren auch mal auf dem Bavaria-Gelände:
Das Chaos an der Kasse ging nun nahtlos ins Chaos bei der Führung über. Man hatte nämlich diverse deutschsprachige Besucher für die englische Tour gebucht und umgekehrt. Es musste alles erneut von Hand sortiert werden. Dabei lernte ich auch einen prima Bavaria-Hack, den ich nun an euch weitergebe: Macht die englische Tour. Die versteht man genau so gut und dafür sind ERHEBLICH weniger Besucher dabei (in unserem Fall zehn statt fünfzig).
Ebenfalls keine schlechte Idee: vorab die Apps Filmstadt Atelier und Hearonymous auf das Handy laden. Da bekommt man einen schönen Mehrwert auf der Tour.
Es ging schließlich und endlich in eine kleine Bimmelbahn. Seltsam genug. Statt die Besucher damit über das ganze Gelände zu karren, geht die Fahrt keine drei Minuten, führt an langweiligen Bürogebäuden vorbei und endet kaum 200 Meter Luftlinie vom Startpunkt vor der STURM DER LIEBE-Halle. Die tatsächliche Tour wird zu Fuß bestritten und die Bahnfahrt ist komplett überflüssig.
Die STURM DER LIEBE-Halle, die bei der Führung nicht betreten werden kann, ist übrigens die ehemalige LOTTA IN LOVE-Halle. Also kann ich euch einen Einblick aus meinem Privatarchiv gewähren:
Ich freute mich schon, dass es als nächstes in die halbrunde Halle daneben gehen sollte. Die kannte ich gut, denn dort stand die Raumstation aus ENEMY MINE, in der wir für LOTTA IN LOVE einen Videoclip gedreht hatten. Außerdem konnte man dort auf Fuchur reiten, dem Drachen aus DIE UNENDLICHE GESCHICHTE.
Pustekuchen.
Wie ich feststellen musste, hat man diese legendären Sets abgebaut, um Platz für das Privatzimmer des Königs Ludwig II zu schaffen, dessen Bio-Pic 2012 massiv an den deutschen Kinokassen versagte und nicht mal unter die Top 100 kam. Unfassbar! Hätten die mich nicht wenigstens mal fragen können? Ich wäre mit dem Laster gekommen, um mir ein paar Set-Teile von ENEMY MINE zu krallen!
Ob das leer geräumte Büro des bayerischen Königs nun den Schauwert von Raumstation und Drachen besitzt, kann ich nicht beurteilen. Ich find’s schade. Drollig ist allerdings, dass das Büro direkt in eine Höhle führt:
Der nächste Raum beherbergt nämlich Sets und Props aus JIM KNOPF. Den Drachen Nepomuk hat bekanntermaßen Michael "Bully" Herbig gesprochen:
Überhaupt Bully. Muss man mal drüber reden. Seine Dominanz auf dem Sektor des Unterhaltungskinos ist in der Bavaria überall spürbar. JIM KNOPF, WICKIE, eigene Büros auf dem Gelände – auch in der Führung fällt sein Name ständig. Ist das bewundernswert, weil es seine Schaffenskraft zeigt, oder eher peinlich, weil es die mangelnde Schaffenskraft des restlichen Entertainment-Sektors beweist?
Nach JIM KNOPF ging es zu ein paar Überresten eines Actionfilms mit Samuel L. Jackson, von dem ihr vermutlich noch nie gehört habt. Im Kino war BIG GAME nämlich ein Totalausfall, startete in den USA gerade mal in 11 Kinos und im Rest der Welt auf Sekundärmedien. Keine 25.000 Dollar am Boxoffice. Aber wenigstens bekam ich so mal die Gelegenheit, in der Präsidentenmaschine zu sitzen (sorry for quality):
Wir kamen nun auch langsam zu den interaktiven Teilen der Führung – so konnten die Besucher hier vor einer Greenscreen selber Teil einer Actionszene werden (Video vom Ergebnis folgt am Ende des Beitrags):
Das Wegfallen der Raumstation aus ENEMY MINE und des Drachen aus der UNENDLICHEN GESCHICHTE bedeutet leider, dass man auf der Tour nur noch die Kulissen eines echten Klassikers von Wolfgang Petersen zu sehen bekommt:
Jawoll. DAS BOOT. Es werden sich einige Leser erinnern, dass ich im Innern der Röhre der U96 mal einen Vampirfilm inszenieren wollte. Das Ding wirkt immer noch so verteufelt authentisch, dass man sich sofort im sturmtosenden Atlantik wähnt:
Anmerkung an die Führerin der Tour: Jürgen Prochnow, nicht Wolfgang Prochnow.
Danach ging es in die Bauten des ersten Asterix-Kinofilms. Es sollte der Ehrlichkeit halber aber erwähnt sein, dass viele der Kulissen nicht auf und für die Bavaria erbaut, sondern erst nach Ende der Dreharbeiten hierher verschifft wurden.
Anmerkung an die Führerin der Tour: Gottfried John, nicht Peter John.
Vom antiken Gallien in die moderne Bildungsmisere: Tatsächlich ist im Bavario Studio das Klassenzimmer aus FACK JU GÖHTE aufgebaut, bzw. die Version aus dem dritten Film, der aus zeitlichen Gründen nicht in der echten Schule fertig gestellt werden konnte. Auch hier wurde eine Teilnahme am Film simuliert, die ihr im Clip am Ende des Beitrags sehen könnt.
Nach der deutschen Kino-Komödie ging es wieder direkt zum Drama – die bekannte "Münchner Straße" war schon Kulisse Dutzender Produktionen. Gebaut wurde die Vorgänger-Version für Bergmanns SCHLANGENEI, danach drehte Fassbinder seinen BERLIN ALEXANDERPLATZ. Wann immer es urban historisch werden muss, kann man hier preiswert und ungestört kurbeln – besonders relevant, wenn Nazi-Aufmärsche im Drehbuch stehen, die in echten Straßen gerne mal für Verwirrung sorgen.
Danach noch ein paar Bauten aus WICKIE gucken und lernen, wie man auch bei warmem Wetter mit Schaum akzeptabel Schnee simuliert:
Den Abschluss bildete eine weitere interaktive Sequenz im LoTech-Stil – ein Eisenbahn-Abteil wird nur mit Hilfe der Kamera in Bewegung versetzt (Clip ganz unten):
Dieses stressige Erlebnis führte direkt in den Shop der Bavaria Filmstadt und schon waren die 90 Minuten rum.
Hat es sich denn nun gelohnt? Jein. Mit 14 Euro ist es nicht sehr teuer. Man bekommt einen groben Einblick in die Welt des Films, auch wenn das im Vergleich z.B. zur Universal Studio Tour in Los Angeles unfassbar provinziell ist und teilweise nur sehr holperig präsentiert wird. Man hat immer das Gefühl, dass der Filmpark-Teil den Filmstudio-Teil ja nicht stören soll und deshalb nur auf halber Flamme gefahren wird.
Aber für die LvA und mich gab es ja den massiven Mehrwert, dass ich diese Stätte meines Wirkens wie meine Westentasche kannte und die Führung durch Details aus meiner eigenen Historie ergänzen konnte. Es war schon kurios, nochmal an dem Gebäude vorbei zu laufen, in dem ich sechs Monate lang das Autorenteam "meiner" Serie geleitet habe. Direkt nebenan war RTL2, schräg dahinter der Requisiten-Fundus.
Es bleibt aber festzuhalten, dass der Abbau der ENEMY MINE und NEVERENDING STORY-Sets in meinen Augen ein unfassbares Sakrileg darstellt.
Und ja, das hier ist der Wagen aus dem Vorspann von FORMEL EINS:
Zum Vergleich:
Ich hatte euch zum Ende hin Clips versprochen, und ich liefere Clips. Wenn man sich zum Affen machen kann, ist der Wortvogel ja bekanntlich immer ganz vorne mit dabei:
Die Bahnfahrt muss neu sein, die gab’s letztes Jahr noch nicht, wir mussten noch zum Startpunkt der Tour laufen…
Und das Bullyversum hast du links liegen gelassen? Buuuh! Ich hätte dich zu gern gesehen, wie du die Transporterraumszene aus Traumschiff Surprise nachspielst…
Momentchen, Herr Doktor,
das Bullyversum wurde m. W. dicht gemacht. Dafür ist da jetzt eine Sonderausstellung mit allerlei Kostümen, Konzeptzeugs, Kulissen (-teilen) etc. pp. zum Hundertjährigen drin. Die müsste seit April geöffnet sein. Jedenfalls haben sie da auf der 100-Jahre-Gala im Januar massiv für geworben…
Echt? Da hab ich ja noch mal "Glück" gehabt, dass ich das noch sehen durfte 😛
Wirklich schade. Vor zwei Jahren war wenigstens noch Fuchur unweit der Astrix-Kulissen ausgestellt, und man musste sich beinahe schon prügeln, um mal drauf sitzen zu können.
@Torsten: Ich glaube, die Figur, die du für Alfred Hitchcock gehalten hast, stammt aus dem Bully-Animationsfilm "Lissi und der wilde Kaiser". Dort trug sie aber, wenn ich mich richtig erinnere, eine Brille. Ist aber auch schon Jahre her, dass ich den Film gesehen habe.
P.S.: Habe gerade nochmal gegoogelt: Die Figur heißt Erwin Falthauser und trägt tatsächlich ’ne Brille.
Deswegen schrieb ich "vermutlich". Vielen Dank für den Hinweis.
"Big Game" lief hierzulande übrigens auch offiziell im Kino – zwar nur für ein oder zwei Wochen, aber ich hab ihn tatsächlich auf großer Leinwand gesehen 😀
Ich war vor 10 Jahren mal dort, und es scheint sich wenig geändert zu haben. Der müde Vorplatz mit McDonalds, die witzlose Wegebahnfahrt an zwei Hallen vorbei, die Kulissen, die immer mit "also im Original war das größer" anmoderiert wurden, da sie beim Umzug in deutlich kleinere Hallen verfrachtet wurden, die Mitmachelemente – und wirklich interessante Sachen wie die Münchner Straße durften nur sehr kurz angeschaut werden, dabei gibt es da sicher viele interessante Blickwinkel zu entdecken. Die Stuntshow in der Halle die jetzt das Bullyversum enthält war noch ganz ordentlich gemacht und glatt der Höhepunkt des Programms. Dass inzwischen die halbe Tour und das ganze restliche Angebot auf Bully fokusiert ist wirkt auf mich unglaublich angestaubt – dessen Kassenschlagerzeit ist vorbei und das Ganze wirkt heute wie ein Blick ins Museum.
Und wo ich gerade das eingebettete Video angeschaut habe: Das ist ein Filmstudio von Weltruf, und die bekommen es nicht hin ihre Mitmachaktionen so auszuleuchten, dass sie mit dem vorgefertigten Material zusammenpassen? Ist das Lustlosigkeit oder fehlendes Können?
Frevel, das abzubauen! Aber was will man machen, Film ist kein Museum.