Rant: Geektum > Gewissen? (starring Chuck Norris)
Themen: Film, TV & Presse |Normalerweise beginne ich meinen Artikel erst, wenn ich meine Meinung beisammen habe. Heute ist das allerdings anders. Es schwirrt in meinem Kopf. Weil ich auf andere Leute sauer bin und mich gleichzeitig frage, warum ich nicht sauer auf mich selbst bin.
Jetzt müsst ihr mir weiterhelfen.
Der Anlass ist vergleichsweise banal:
Und einige meiner guten und besseren Freunde bei Facebook so: yay!
Und ich so: echt?
Klar war ich ein Fan des Filmstars Chuck Norris. “Octagon” war meine Eintrittskarte in die Welt von Martial Arts und Ninjas. “McQuade der Wolf” ist der beste Chuck Norris-Film, “Cusack der Schweigsame” der beste Film mit Chuck Norris. Auch wenn er Respekt für Ruhm verkauft hat, als er sich bei Cannon unter Vertrag nehmen ließ – der Mann war “the real deal”. Sonst hätte ich mich dieses Jahr nicht in Island vor dem “Chuck Norris Grill” dergestalt fotografieren lassen:
Aber Chuck Norris ist eben mehr als ein ehemaliger Actionstar, der nach Deutschland kommt, um für teuer Geld Fotos zu signieren und sich mit Fans ablichten zu lassen. Chuck Norris ist auch ein homophober, rechtsgerichteter, ausländerfeindlicher, waffengeiler und fundamentalchristlicher Verteidiger und Unterstützer ebensolcher Politiker und Politiken. Im Wahlkampf 2016 hat er Trump aktiv unterstützt.
Wer jetzt sagt, man müsse den Menschen und sein Werk trennen, man gehe schließlich als Filmfan zur Con und nicht als Wähler, dann muss ich dagegen halten: es kommt nicht Cusack oder McQuade, es kommt Norris. The man, not the myth. Und wenn man das trennen muss, um dem Geektum ohne schlechtes Gewissen treu bleiben zu können – wo zieht man dann die Grenze? Wäre auch ein Mörder Chuck Norris okay oder ein Vergewaltiger Chuck Norris, weil man ja eigentlich nicht ihn, sondern Braddock sehen kommt? Kann man ernsthaft gegen Trump, die Republikaner, die Rednecks und das konservative Establishment protestieren, wenn man sich debil grinsend mit ihren Handlangern und Enablern fotografieren lässt und dafür auch noch einen Haufen Geld zahlt? Ist das Gewissen wirklich dem Geektum untergeordnet?
Klingt, als hätte ich meinen Standpunkt damit glasklar und moralisch überlegen dargelegt. Dem ist aber leider nicht so. Weil ich durchaus nicht frei von Ambivalenzen bin. Ich würde mich sofort mit Kelsey Grammer fotografieren lassen, denn er war und ist “Frasier” – aber auch ein knallharter “Hollywood conservative”. Ich habe in den letzten Jahren oft genug Leute wie Roman Polanski und Woody Allen verteidigt. Träfe ich sie in einer Bar – ich würde mich von ihnen auf ein Bier einladen lassen.
Und TROTZDEM kann ich das bei Chuck Norris nicht nachvollziehen. Der ist doch nur noch ein Arsch und dreht nicht mal mehr gute Filme. Ist seine politische Drecksackigkeit nicht ausreichend, um auch mal Stellung zu beziehen und Con-Veranstaltern ganz klar zu signalisieren “nö, DER nicht”? Ist das Fandom eine krankhaft apolitische Blase, obwohl Leute wie George Takei diese massiv instrumentalisieren?
Markus Nowak, den ich wahrlich schätze, dessen Geektum aber schon lange sein Hirn weichgekocht hat, verteidigt die Begeisterung für Norris mit dem Hinweis, nach moralischen Maßstäben hätte er ja dann schon den konservativen, christlichen und schlicht dumpfbackigen Ex-“Hercules” Kevin Sorbo auslassen müssen. Meine Meinung dazu? Genau. Hätte man müssen. Ein Fandom, das sich Diversität und Toleranz auf die Fahne schreibt, muss sich auch fragen lassen, warum es diese augenblicklich in den Wind schlägt, wenn angesichts eines Hollywood-Haudraufs das Höschen feucht wird.
Wäre es nicht geradezu großartig und ein Zeichen von echtem Einsatz, wenn Fans hier eine rote Linie ziehen würden? Wenn die Halle mit Chuck Norris demonstrativ leer bliebe? Wenn das deutsche Geektum nein sagen würde zu allem, wofür er steht?
Das alles sind keine rhetorischen Fragen. Es sind Fragen. Helft mir mit den Antworten.
Puh. Ein schwieriges Thema, dass aufgrund der Fülle an zu Tage kommenden Vorwürfen gegenüber berühmten Persönlichkeiten zuletzt auch zunehmend mich beschäftigt. Aus meiner Sicht kann es darauf aber keine allgemeine Antwort geben, Und damit meine ich nicht nur, dass jeder von uns individuell entscheiden muss, wie er damit umgeht, sondern auch, dass das auch jeder Fall/Vorwurf individuell behandelt und beurteilt werden muss. Wo ziehe ich die Grenze? Bei Vergewaltigung? Bei sexueller Belästigung? Handle ich erst nach einer Verurteilung, brauche ich handfeste Beweise, oder eine gewisse Anzahl an “Beschuldigern”, oder reicht bereits der kleinste Verdacht? Oder gehe ich nach politischer Gesinnung, und “bestrafe” einen Star schon für seine Meinung? Oder erst dann, wenn sich diese in (für mich) indiskutablem Verhalten oder Spenden an fragwürdige Organisationen ausdrückt?
Und wenn jemand auf meiner Blacklist handelt, was bedeutet das? Gebe ich nur kein Geld mehr für Autogramme/Fotos aus, oder kaufe auch keine DVDs/Blu-Rays/Kinokarten mehr, wenn besagte Person involviert ist? Was ist mit alten Filmen, die ich schon in meiner Sammlung habe oder die gratis im Fernsehen laufen, “darf” ich mir die noch anschauen?
Ich glaube nicht, dass es darauf je eine allgemeingültige Antwort geben kann, die das gesamte Geektum umfasst.
Sorry, da bist du im falschen Territorium – ich meine nicht Stars, die angeblich irgendwen betatscht haben. Norris ist stolz auf seine politische Einstellung – möchte man sich mit dem wirklich ablichten lassen? Hier geht es ja nicht um Verdächtigungen.
Für mich gehört auch das zum Themenkreis “Wie gehen wir mit fragwürdigen Stars um” dazu (und die Bespiele Vergewaltigung oder gar Mord hast du in deiner Fragestellung ja selbst angebracht und es somit nicht nur auf die politische Gesinnung reduziert). “WIll ich mich mit dem Ablichten lassen?” – die Frage könnte man auch bei Leuten stellen, die bekanntermaßen Arschlöcher sind, ganz unabhängig von ihrer politischen Gesinnung. Oder bei einem Tom Cruise, angesichts seiner Verbindungen zu Scientology.
Aber wenn du es nun wirklich nur für diesen einen spezifischen Fall besprechen willst, meine ich auch hier, dass dies jeder individuell für sich entscheiden muss, wie sehr ihn das stört, und es keine Antwort des gesamten Geektums geben kann (zumal du für eine solche davon ausgehen würdest, dass dieses ausschließlich linksliberal geprägt ist). Zumal es auch davon abhängt, wie wichtig mir ein Star ist. Bei jemanden, dessen Arbeit (!) ich seit Ewigkeiten verehre, und jetzt die Chance habe, ihn mal persönlich zu treffen und mir ein Autogramm/Foto zu holen, wird es schwieriger sein, die eigenen Prinzipien voranzustellen, als bei jemandem, der mir vergleichsweise egal ist. Und auch das ist nun mal nicht fürs gesamte Geektum zu beantworten ;).
Spannender finde ich da schon die Frage aus Veranstalterseite: Ist es richtig, ihn einzuladen?
Den Veranstaltern geht es AUSSCHLIESSLICH darum, Tickets zu verkaufen. Das kann ich absolut verstehen.
“zumal du für eine solche davon ausgehen würdest, dass dieses ausschließlich linksliberal geprägt ist” – vielleicht hätte ich das präzisieren sollen. Ja, ich spreche von Leuten, die sich üblicherweise als linksliberal gerieren, aber nun bei Norris “kreisch!” machen. Und das Fandom ist tendenziell eher links, vor allem aber (angeblich) liberal und tolerant, siehe die Einstellungen in Sachen LGBT.
Mit der Tendenz hast du zweifellos recht.
Bei der Veranstalter-Frage haben wir hingegen konträre Ansichten. Klar will der Tickets verkaufen, aber dort finde ich die Frage, wie weit man dafür geht bzw. welches Verhalten man akzeptiert/unterstützt, um Geld zu verdienen, eigentlich spannender als bei den Fans, die dieses ausgeben, um eine Erinnerung zu erhalten. Für mich ist es jedenfalls wesentlich fragwürdiger, durch Chuck Norris finanziell zu profitieren, als sich als riesiger Fan mit einem gemeinsamen Foto einen Lebenstraum zu erfüllen. Für letzteres habe ich eher/mehr Verständnis.
Ob bzw. wie man es schafft, die private Person auszublenden und auf dem Foto dann auch wirklich nur den Helden der Kindheit zu sehen, und nicht den homophoben Ultrakonservativen, ist natürlich eine andere Frage. Aber da sind wir dann wieder beim Individuum ;-).
Na ja, aber nach den Reaktionen auf Facebook können die Veranstalter legitim sagen: “Die Fans WOLLEN Chuck Norris – und wir machen eine Con für Fans, und nicht für unsere politischen Einstellungen.”
Hmm. Ich gebe dir recht und sitze ebenso zwischen den Stühlen. Ich selber bin nicht mal ansatzweise ein Nerd oder Fan und bin somit nicht drin in der Szene. Meinung habe ich trotzdem und man verzeihe mir, wenn sie falsch sein sollte.
Also: ich denke, das Geektum liebt seine Helden. Was diese in den Filmen darstellen. Die Person bzw. deren Charakter mitsamt den Ansichten werden verdrängt oder ist den Nerds einfach Wumpe. Es geht um ihren Filmhelden, sie wollen ein Foto mit ihm. Nicht mit der Privatperson. Die kämen gar nicht auf die Idee, das zu hinterfragen. So weit denkt der durchschnittliche Geek nicht.
“So weit denkt der durchschnittliche Geek nicht.” – das kann ich z.B. für Markus Nowak oder Oliver Naujoks ausschließen. Das sind Leute, die ihre politischen Ansichten durchaus mit Stolz und durchdacht leben.
Das bezweifel ich nicht. Ich halte aber z.B. Markus nicht für den Durchschnittsgeek, eher für einen besonderen, vorbildlichen Geek.
Ja, ich glaube, da kann ich helfen mit den Antworten. Wenn Du die Geek-Welt einteilst in nach Deiner Ansicht gute und aufrechte Linke, böse Trump-Fans (mal verkürzt jetzt) und apolitische Fans, übersiehst Du einfach ein paar Schattierungen.
Nichts davon ist eine Antwort oder eine Erklärung zu dem, was ich oben geschrieben habe. Ist Norris NICHT das, was ich beschrieben habe? Ist es demnach EGAL, wenn er es ist – solange er dir ein Autogramm gibt?
Bei mir ist einfach das Aufreger- und Rotes Tuch(tm)-Potential viel geringer als bei Dir. Wir sind uns zwar bei Trump völlig einig, und wären es auch bei Ausländerfeindlichkeit (was ich bei Norris schlicht nicht mitbekommen habe – was kein Bestreiten ist), für mich stellen aber Republikaner, fundamentale Christen und das “konservative Establishment” keine hassenswerten Feindbilder dar, gegen die ich aufbegehren muss. Das ist schon eine Antwort auf Deine Frage. Deswegen könnte ich Norris genauso ohne Schaum vor dem Mund begegnen, wie ich es auch ausgewiesenen Linken wie Oliver Stone gegenüber könnte, die gerne sympathisierende Dokus über Mörder und Unterdrücker drehen. Stone soll jetzt nur mal als anschauliches Beispiel dienen, ich mag die politische Argumentation “die andere Seite ist auch doof” eigentlich nicht und möchte deshalb dieses nicht so als “Gegengewicht” verstanden wissen.
Du versuchst die Diskussion zu eskalieren – “hassenswerte Feindbilder”, “Schaum vor dem Mund”, etc. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass man sich schwerlich einerseits zum supidupi-liberalen Fandom zählen kann, das nach 50 Jahren noch den “first interracial kiss” von “Star Trek” feiert und John Barrowman im Frauenkleid auf der Bühne feiert, gleichzeitig aber einem Mann huldigt, der genau das aus tiefster Seele ablehnt. Ich sehe da einen unüberbrückbaren Disconnect – entweder stehe ich für etwas oder eben nicht.
Wäre mir neu, dass Norris gemischtrassige Beziehungen oder Transvestiten aus tiefster Seele ablehnt. Eventuell sind wir da einfach nur nicht auf dem gleichen Informationsstand und wissen gar nicht, wie extrem seine Ansichten wirklich sind. In diesem Fall wären ein paar Belege vielleicht ganz hilfreich.
Ich hätte Norris z.B. immer nur einfach als Konservativen eingeordnet (spezifisch amerikanischer Ausprägung), was ich dann deutlich unproblematischer finde als Leute wie Polanski oder Allen. Würde schon anders aussehen, wenn z.B.oben genannte Vorwürfe tatsächlich zutreffen würden.
Du bist sprachlich kompetent genug, um zu erkennen, dass meine Aussage nicht explizit meint, dass Norris eine spezielle Trek-Episode oder einen Darsteller von Dr. Who ablehnt. Nicht albern werden.
Nein, behaupte ich ja auch nicht. Ging mir ja gerade darum, dass mir für weiterreichende Ablehnung keinerlei Anhaltspunkte bekannt sind.
Wo tut er das?
Ich ziehe die Grenze da, wo jemanden nicht nur ein Nebel aus Vermutungen und Verdächtigungen umwabert (Metapher dem heutigen Wetter hier entliehen), sondern wo ich klare Sicht auf die Taten und/oder Ansichten eines Menschen habe.
Auch wenn #metoo hier nicht das Thema ist: Dass irgendjemand “Me too!” schreit über einen Star, den ich mag, reicht mir noch nicht, so sehr erahne ich hinter dieser Kampagne (nicht nur, aber auch) die Profilierungssucht einzelner, den Drang, seinen Namen irgendwie irgendwo in die Welt zu bekommen, und sei es auf eine Liste von Opfern, und sei es auf Kosten von Verleumdungen und falschen Beschuldigungen.
Wenn dieser Star nun aber durch sein Handeln und seine Worte sehr deutlich macht, dass an ihm so einiges ist, was ihn für mich disqualifiziert, dann bin ich auch nicht mehr sein Fan.
Letztlich sind Stars Menschen. Und Fan von einem Star kann ich nur sein, wenn ich ihn ihm noch einen Menschen vermuten darf, den ich auch ohne Star-Status gerne in meiner Nähe haben würde. Vielleicht einen des Antatschens vor Dekaden Bezichtigter, sicher kein konservativer Hardliner.
Sehe ich genauso. Als Kind habe ich seine Filme geliebt, aber so einem rechten Arschloch möchte ich sicher nicht die Hand schütteln. Wenn ich nicht weiß, wie einer drauf ist, okay. Ich würde da ich nicht bei jedem nachrecherchieren. Doch bei Chuck Norris weiß ich es, der dreht ja Videos, in denen er sein verqueren Ansichten verkündet. Ich liebe z. B. Bud Spencer für seine Filme, aber im echten Leben möchte ich dem nicht begegnet sein. Von manchen Helden der Kindheit behalte ich mir lieber die Illusion, die durch ihre Filme entstanden ist. Muss allerdings dazu sagen, dass ich mir generell nichts aus Autogrammen und Fotos mit Stars mache. Da bin ich nicht Geek genug.
Um Himmels Willen, was hat Bud Spencer denn ausgefressen? Ich dachte, ich kenne seine Biographie einigermaßen, was habe ich denn da nicht mitbekommen aus seinem Leben?
Zumindest vor zehn oder so Jahren kam er mir in seinem politischen Auftreten doch sehr unsympathisch vor (als er bei Regionalwahlen für die Rechtspopulisten der Lega Nord angetreten ist). Nicht so, wie Chuck Norris, aber eben so, dass ich zum Schluss gekommen bin, dass er zu jenen Helden der Kindheit gehört, bei denen ich lieber nicht herausfinden möchte, wie sie im richtigen Leben drauf sind. In den letzten Jahren seines Lebens wirkte er auf mich aber wieder etwas gemäßigter und gelassener (“Scheiß drauf”).
Seine Filme sehe ich mir aber trotzdem noch gerne an und trage auch regelmäßig ein T-Shirt, auf dem er und Terrence Hill abgebildet sind.
Ich bin gerade unschlüssig, ob ich hier bringen soll, aber für mich ist es nahe genug dran am Thema. Auszug aus einem aktuellen Interview mit Campino. Es geht darum, wie er zu Liedern steht, deren Interpreten er nicht leiden kann – analog zu Schauspieler-Film:
“Wenn ich ein zugegeben gutes Lied von einem Interpreten höre, den ich aus irgendeinem Grund nicht mehr leiden kann, steht auch das Lied für mich nicht mehr zur Debatte.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Campino Gary Glitter. Seine Songs ‘Leader Of The Gang’ und ‘Rock ‘n’ Roll’ waren tolle Lieder. Ich höre seine Musik aber nicht mehr, seitdem bekannt ist, dass der pädophil ist. Sobald ich heute auch nur den Ton seiner Stimme höre, bringe ich das sofort damit in Verbindung, dass er Minderjährige missbraucht hat.”
Während ich das als Argument nicht akzeptieren würde, kann ich es als emotionale Reaktion voll verstehen.
Stark von “Campino”. Das gleiche Phänomen hab ich, wenn ich einen Ton der “Toten Hosen” höre, und die müssen dazu noch nicht mal pädophil sein.
Erstmal: Ich finde es nicht richtig, Norris in einem Atemzug mit Polanski zu nennen – letzerer ist ein verurteilter Straftäter, und zwar in einem Bereich, wo man auch kein Verständnis mehr haben darf wie vielleicht für ein paar Kröten hinterzogenen Steuern. Norris mag Ansichten haben, die man nicht teilen muss oder sollte, aber er hat – bis zum Beweis des Gegenteils – niemanden geschädigt.
Und bei aller Kritik und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Serie in den meisten Bereichen ziemlicher Mist war, sollte man auch mal erwähnen, dass “Walker Texas Ranger” eine ganze Reihe positiver Akzente gesetzt hat – für Indianer, für eine “vernünftige” Jugenderzieheung, die konservativ geprägt sein mag, aber eben auch ein paar gescheite Werte vermittelt.
Und deshalb würde ich (wenn ich überhaupt auf solche Cons ginge) keinen Bogen um Norris machen. Wäre ich mit ihm in der Bar, würde ich auch das Bier nicht ablehnen. Und (wenn man denn keine Angst vor seinem legendären RH-Kick hat) sollte man ihm dann sagen, dass die Figuren, die in den USA aktuell die Politik bestimmen, in der besagten Walker-Serie vermutlich nur als Bösewichte getaugt hätten
Es ist natürlich auch für mich eine moralische Grauzone – politisch-gesellschaftlich kann ich mich mit Chuck sicher nicht identifizieren, aber man muss halt auch sagen: nichts, was Chuck tat oder sagt, ist in irgendeiner Form illegal. Man muss es nicht mögen und ich tu’s auch nicht, aber es ist halt die Krux, dass wir, die wir Dinge wie Meinungsfreiheit, Toleranz, LGBT+-Support etc. auf die Fahnen geschrieben haben, damit automatisch auch damit leben müssen, dass auch homo- und xenophobe Ansichten zulässig sind, solange niemandem aktiv geschadet wird (man verlangt ja auch bei uns, dass man AfD-Wählern zuhören, sie akzeptieren, tolerieren müsse. Und der Vogel war in der selben Talkshow wie der Meuthen! Kreisch!! 😉 ).
Ich weiß nicht, ob ich mit Chuck ein Bier trinken und über Politik plaudern möchte – muss ich aber auch nicht, genauso wenig, wie ich mit Polanski über das “age of consent” diskutieren muss oder Clint Eastwood fragen muss, warum er mit leeren Stühlen redet. Aber für einen kurzen Moment neben ihm stehen, ‘ne DVD signieren lassen oder so, das kann ich mit meinem Gewissen vereinbaren.
“aber es ist halt die Krux, dass wir, die wir Dinge wie Meinungsfreiheit, Toleranz, LGBT+-Support etc. auf die Fahnen geschrieben haben, damit automatisch auch damit leben müssen, dass auch homo- und xenophobe Ansichten zulässig sind, solange niemandem aktiv geschadet wird” – das ist klar und unbestritten. Aber die Frage ist doch, ob man solche Leute unterstützen und ehren will. Und das tut man, wenn man sich stundenlang anstellt, um sich mit ihnen fotografieren zu lassen.
Ich weiß, das ist schwierig.
Ich *für mich* sehe das, wenn ich’s als “Ehrung” betrachten will, nicht als eine dafür, dass Chuck so’n knorke Typ ist, dessen Meinungen ich teile, sondern als “danke, dass ich mit deinen Filmen viel Spaß hatte”.
Aber ich verstehe auch jeden, für den das eine Stufe zu weit geht.
(Um mal einen Vergleich zu ziehen – ich würde mir kein Autogramm von/Foto mit O.J. Simpson holen. Oder Phil Spector).
Phil Spector ist tot. Wenn du dir von dem ein Autogramm holst, verbrenn’ ich dich.
Noch nie was von einer Seance gehört? 😀
Fangen wir mal damit an, dass Spector gar nicht tot ist.
Ich dachte auch, dass ich davon gehört hätte haben sollte…
… … … ich hätte jeden Eid geschworen, dass der tot ist. Ich bin ernsthaft geschockt… :/
Vielen Dank dafür, dass Du Dir über das Thema Gedanken machst.
“Ist das Gewissen wirklich dem Geektum untergeordnet?”
Nein, nie. Finde ich. Wo man die eigene Grenze zu ziehen gewillt ist, ist natürlich Privatsache, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass eine Entscheidung für das Geektum nie ein Persilschein für den jeweiligen “Star” ist, sondern nur was über die eigene Integrität aussagt, und darüber, was für einen selbst akzeptables menschliches Verhalten ist. Die Welt ist überreich an Kunstwerken, da macht es mir zumindest nichts aus, auf ein paar – selbst auf sensationell gute, wo wir schon bei Polanski sind – zu verzichten, wenn ich die wesentlichen Köpfe dahinter für menschliche Vollkatastrophen halte.
Oh, und: natürlich sollte man Norris und Polanski (und Allen, den ich jetzt mal außen vor gelassen habe) nicht über einen Kamm scheren. Der eine ist ein verurteilter Straftäter, der andere einfach nur ein Idiot. Aber Norris hat nun mal ein Millionenpublikum und fungiert vor diesem als Multiplikator für den ganzen rechten Bullshit. Und da sehe ich mich durchaus in der Verantwortung: Da schwafelt jemand eklatant gegen meine Überzeugungen daher, und es dreht sich nicht darum, ob nun Superman oder Batman der Coolere ist, sondern um gottverdammte Grundrechte, von denen abhängt, wie glücklich eine Biographie verlaufen kann, wenn man zufällig nicht weiß und/oder nicht heterosexuell ist. Man sollte schon so viel Solidarität übrig haben, um den Quatsch nicht mitzutragen.
Interessanterweise sehe ich den Vergleich Polanski/Norris gänzlich anders. Polanski hat in einem Jahrzehnt, das junge Mädchen extrem sexualisiert hat (siehe David Hamilton und die Tatsache, dass Katja Bienert bei den Dreharbeiten zu “Schulmädchen vom Treffpunkt Zoo” gerade mal 12 war), GV mit einer jungen Frau gehabt. Er wurde nach amerikanischem Recht verurteilt – NICHT wegen Vergewaltigung. Weder wurde das verheimlicht noch ist er “davon gekommen”. Aus der Wikipedia:
Damit habe ich weniger Probleme als mit einem Mann, der gegen Schwule und Mexikaner ist, alle Probleme mit Waffengewalt lösen will und bei dem wir froh sein dürfen, dass er nicht das Sagen hat. Polanski war nur eine Gefahr für sein direktes Umfeld, Norris wäre eins für die ganze Gesellschaft.
Das “nur” stört mich – für sein direktes Umfeld war er ja in der Tat eine Gefahr (heute, hoffe ich zumindest, nicht mehr). Das sehr, sehr volle Polanski-Fass möchte ich aber eigentlich gar nicht aufmachen und Dir lieber Recht geben in Bezug auf Norris. Wer sich da für Autogramme in die Schlange einreiht, sollte sich selbst zumindest mal ein paar unangenehme Fragen stellen.
Ich versuche Polanski auch nicht zu relativieren – aber Kontext ist immer wichtig und die Aussage, er sei ein verurteilter Vergewaltiger, ist eben schlicht falsch.
Verstehe ich, aber eben weil das Thema Polanski vielschichtig ist und sich nicht in zwei Sätzen abhandeln lässt, wollte ich hier keinen Nebenschauplatz aufmachen, der von der meines Erachtens nach grade aktuelleren und relevanteren Norris-Geschichte ablenkt.
(Eine Formsache, aber: ich hab Polanski nicht als verurteilten Vergewaltiger bezeichnet.)
DANKE!
Genau DA verläuft für mich die Grenze. Ich könnte auch einem Mörder Achtung für seine Arbeit zollen, aber bei jemandem mit richtig großem Einfluss in die falsche Richtung ist Ende.
Laut dem von dir verlinkten Wiki-Artikel war die “junge Frau” aber erst 13. Galt das damals in den USA wirklich schon als mündig genug, um mit Erwachsenen Sex zu haben? Wenn nicht, wäre es zwar keine Vergewaltigung, aber immer noch Verführung Minderjähriger
Natürlich nicht und das unter Drogen setzen und Vergewaltigen von 13-jährigen war auch in den 70ern keineswegs akzeptabel. Polanski hat einfach Glück gehabt, dass man dem Mädchen nicht auch noch eine öffentliche Verhandlung zumuten wollte.
Für mich ist Polanksi deutlich schlimmer als Norris. Chuck ist ein rassistischer, homophober Arsch, aber wie der Doc bereits sagte, hat er keine Straftat begangen, weswegen sein Verhalten bei aller Fragwürdigkeit unter freie Meinungsäußerung fällt. Polanski wurde – Kontext hin oder her – für eine eindeutige Straftat rechtskräftig verurteilt und hat sich der Vollstreckung entzogen, obwohl er noch glimpflich davon gekommen ist. Den kann man wirklich nicht guten Gewissens verteidigen oder unterstützen.
Ich kann nur noch mal auf den Wikipedia-Eintrag verweisen – Polanski wurde nicht wegen Vergewaltigung verurteilt, sondern wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen (ein Straftatbestand, den es in vielen Ländern gar nicht gibt). Und ich habe auch schon den historischen Kontext ausgeführt. “Davon gekommen” finde ich zynisch – der Mann kann seit 40 Jahren nicht mehr frei reisen und leben, weil der Richter ihn wider die Absprachen in den Knast schmeißen will. OBWOHL selbst das “Opfer” meint, das sei nicht angemessen.
Naja…
Wikipedia sagt:
“Im Oktober 2010 äußerte sich das vormalige Opfer gegenüber dem Nachrichtensender CNN erstmals zu Polańskis Inhaftierung in der Schweiz. Sie zeigte sich erleichtert darüber, dass Polański nicht ausgeliefert wurde; sie betrachte ihn als ausreichend bestraft. Durch den Medienrummel und den Umgang mit einem in ihren Augen korrupten Justizapparat fühle sie sich mehr geschädigt als durch Polańskis Missbrauch vor 32 Jahren. Sie wünschte ausdrücklich, dass die Klage fallen gelassen wird”
Das klingt jetzt auch nicht so nach “vergessen-verziehen”, sondern mehr nach “ich will den Scheiß endlich hinter mir lassen”.
Und, wie Mencken auch sagt – die Reduzierung des Tatvorwurfs es war ein “plea bargain”, um dem Opfer die öffentliche Aussage zu ersparen, keine Entlastung des Täters.
“Das klingt jetzt” – damit sind wir endgültig bei der Kaffeesatzleserei. Ich lese das gänzlich anders. Also halten wir uns besser einfach an das, was da steht. Und das finde ich ziemlich eindeutig.
Das habe ich schon verstanden und auch so geschrieben, Torsten. Aber Sex mit einer 13jährigen, die man vorher unter Drogen gesetzt hat, ist für mich definitiv schlimmer als die Ansichten, die Norris hat und auf die er auch stolz sein mag. Ob der zuständige Richter sich nicht an die Vereinbarung halten will, hat keinen Einfluss auf meine Meinung dazu. Was Polanski gemacht hat, ist nach obiger Schilderung in meinen Augen Vergewaltigung eines Kindes, daher kann ich im auch keine Absolution erteilen-
“ist nach obiger Schilderung in meinen Augen Vergewaltigung eines Kindes” – das ist eine legitime Meinung. Die ich nicht vollumfänglich teile.
Schwierige Frage. Grundsätzlich neige ich nicht zur kulthaften Verehrung von Darstellern oder Musikern und würde mich zwar als Geek bezeichnen, bin aber weder an Cons noch an Autogrammen interessiert. Gleichwohl ist die Frage, ob das Verhalten von Norris so schlimm ist, dass es zu einem Boykotteichen würde, nicht leicht zu beantworten. Um mal bei Cruise als Beispiel zu bleiben:fast jeder hat das “Reichsparteitag”-Video mit seiner Scientology-Ansprache gesehen und niemand mit klarem Verstand würde bestreiten, dass er da eine widerliche Organisation aktiv unterstützt, die vielen Leuten nachhaltig schädigt (ganz von seinem Verhalten gegenüber seinen Ex-Frauen zu schweigen). Trotzdem haben die meisten von uns – du ja auch – seine Filme an der Kinokasse unterstützt, obwohl uns bewusst ist, dass er nicht nur seine Gage z.T. an Scientology weiterreicht, sondern auch als Produzent massiv am Set Werbung für den Laden macht (das war z.B. bei seinen Spielberg-Filmen der Fall). Wir haben da wohl alle unsere Blind Spots.
Alles soweit richtig – aber bei Cruise reden wir von seinem Werk, nicht seiner Person. Ich sage ja nicht, dass niemand auf der Comic-Con eine Norris-DVD kaufen soll. Die Frage ist aber, ob man der Person huldigen will – und genau darum geht es, wenn man sich neben sie stellt und viel Geld bezahlt, um ein gemeinsames Foto zu bekommen.
Bleibt die Frage, ob Chuck wirklich diesen großen Einfluss auf seine Fans hat. In den USA vielleicht, aber da sind seine Ansichten ja in weiten Kreisen gesellschaftlicher Mainstream, aber in Europa, mit seinem doch deutlich liberaler aufgestellten Fandom? Lassen sich da die Fans wirklich von Dummfug beeindrucken?
Ted Nugent z.B. oder Kid Rock werden ja ob ihrer Einstellungen hierzulande auch eher mitleidig betrachtet, aber (soweit man bei Kid Rock davon reden kann), künstlerisch zumindest respektiert.
(Ich will hier auch gar nicht den großen Norris-Verteidiger markieren. Wie gesagt, ich halte seine politischen und gesellschaftlichen Ansichten für Quark ohne Soße. Spannendes Thema, allerdings).
Das kann ich durchaus nachvollziehen. Und genau darum ging es mir ja auch – um die Diskussion.
Wenn ich alle Menschen, die meinen Ansprüchen nicht genügen, mit Ignoranz strafen würde, könnte ich mich mit niemandem mehr unterhalten… vielleicht wär’s mal einen Versuch wert…? :/
Machen. Die ganze Welt könnte nur gewinnen.
Tatsächlich denke ich, dass das nicht universell zu beantworten ist und es jeder mit sich selbst ausmachen muss. Das “der dreht ja nicht mal mehr gute Filme” zieht, finde ich, nicht, denn gerade das Geektum räumt alten Helden häufig einen fest zementierten Platz, ähnlich des “Walk of Fame”, ein, zumal seine “Legende” durch die Memes, oder eher Internetphänomen, der letzten Jahre wieder an Aktualität gewonnen hat. Wer dahin geht, um seinen alten Helden zu treffen und für teuer Geld ein Autogramm zu erstehen, dann sei ihm das nicht nachgetragen, wem das widerstrebt, kann ich nachvollziehen, ich tendiere zu selbiger Einstellung. Und wer dahin geht, um ihn für seinen politischen Aktivismus zu feiern, der kann sich gerne mal ins Knie ficken…
Die rote Linie musst jeder selber ziehen. Wenn die Fanmeile leer bleibt, würde das wenig an seiner Einstellung ändern. Klar mochte ich seine Filme auch, aber jetzt schaue ich sie nicht mehr, eben weil er so tickt.
Der vergleich mit Polanski hinkt hier ein wenig. Der Mensch ist ein verurteilter Pädophiler, der sich seit Jahrzehnten den US Behörden entzieht und es doch immer noch Menschen gibt die ihn in Schutz nehmen. Mögen seine Filme noch so Weltklasse sein, aber der gehört hinter Gittern.
Was Tom Cruise anbetrifft, so steht er nur (meiner Meinung nach) für seine verquerte Religion ein und tut sonst keinem was.
Lies bitte noch mal den Wikipedia-Eintrag – “Der Mensch ist ein verurteilter Pädophiler, der sich seit Jahrzehnten den US Behörden entzieht” ist einfach nicht wahr.
Was ist denn daran falsch? Verurteilt wurde er (wenn auch für einen anderen Tatbestand) und den US-Behörden entzieht er sich seit Jahrzehnten. Über den Pädophilen könnte man streiten, aber da hat er mit seinen eigenen Aussagen in den Jahren danach auch genug für dieses Image getan (und wenn man das nicht als Bewertungsgrundlage gelten lässt, sollte das auch für die Aussagen von Norris gelten).
Falsch daran ist die geschickt in der Klammer versteckte Erkenntnis “(wenn auch für einen anderen Tatbestand)”.
“Ein verurteiler Pädophiler” klänge, selbst wenn es wahr wäre, so, als sei Pädophilie etwas, weswegen man verurteilt werden kann. Kindesmissbrauch ist etwas, weswegen man verurteilt werden kann. Die wenigstens Pädophilen missbrauchen Kinder, die wenigsten Fälle von Kindesmissbrauch geschehen durch Pädophile.
Ganz schön wenig Ahnung bei so viel Meinung.
Habe die Fragestellung zuerst nicht verstanden. Wenn du Geld zuviel hast, mach doch. Wenn nicht, lass es besser. Allerdings hätte ich von Island garantiert kein Foto mit Bezug zu diesem Widerling mit heimgebracht…
“Wenn du Geld zu viel hast, mach doch.” – das hat in deinen Augen also NICHTS mit politischer Einstellung zu tun, Zeichen setzen, Flagge zeigen, etc.? Gut zu wissen.
Ich glaub’, der Dewi muss einfach mehr Metal hören, dann rührt er nicht mehr so in der Scheisse…
“Ein Fandom, das sich Diversität und Toleranz auf die Fahne schreibt”
Du weisst schon, dass Toleranz auch die Meinungen beinhaltet, die mir im Zweifel sogar weh tun, solange sie sich innerhalb der Gesetze befinden?
Ganz genau. Und darum wird das hier diskutiert.