SNES Classic Mini: Zieleinlauf
Themen: Neues |Ich hatte nicht vor, noch einen weiteren Beitrag über meine Abenteuer mit dem SNES Classic Mini zu machen. Vor allem deshalb, weil es mittlerweile Dutzende YouTube-Videos gibt, die alle Aspekte der ausbaufähigen Mini-Konsole beleuchten.
Aber es ist meine Erfahrung, dass einige Leser eben doch einen sehr subjektiven Erlebnisbericht schätzen, der meine Anfängerfehler dokumentiert – auf dass sie sie nicht nachmachen. Manchmal ist es nämlich gar nicht ideal, wenn ein YT-Profi alles richtig macht, weil man selber dann bei einem Fehler wie der Ochs vor dem Berg steht.
Wir erinnern uns – ich hatte den Kernel der Konsole gehackt, ein modifiziertes Kernel aufgespielt und dann die Palette an SNES-Spielen massiv erweitert. Über den Daumen gepeilt passen ca. die Hälfte aller jemals erschienen Super Nintendo-Spiele in den 512Mb-Speicher.
Ich wollte es damit gut sein lassen, ehrlich. Ist schon doll genug, dass die kleine Kiste eine individualisierte Sammlung an Lieblingsspielen aus den frühen 90ern bequem auf den HD-Fernseher bringt. Und das legendäre Pad ist neben dem Competition Pro-Joystick des C64 der beste jemals gebaute Controller für Grobmotoriker wie mich.
Aber es wird euch nicht wundern: Die Aussicht, mit dem SNES Classic Mini auch Spielautomaten und andere Konsolen daddeln zu können, hat mich nicht losgelassen. Es geht nicht um das warum. Ich will gar nicht stundenlang spielen. Es geht um das “because I can”. Proof of concept. Hardware-Fummelei.
Also gebe ich mich am Wochenende noch einmal ran. Um nicht wieder meinen Kumpel Steffen damit zu langweilen, spiele ich ein olles Windows 7 über Parallels auf mein noch olleres Macbook von 2011. Das reicht, um die Software Hakchi zu betreiben, die meine Schnittstelle zum SNES Classic Mini darstellt.
Zuerst einmal wird aufgeräumt. Ich lerne anhand einiger Videos, wie man ordentlich Ordner auf der Konsole anlegt, die zugehörigen Icons mit Bildern der verfügbaren Systeme belegt und die Verpackungen der Spiele zur Illustration beifügt.
Die Spiele-Artwork kann man per Hand aus dem Internet suchen und einfügen, das ist die sauberste, aber langsamste Lösung. Man kann auch alle Spiele markieren und den Vorgang per Google automatisieren, dann schleichen sich aber gerne ein paar Fehler ein. Es ist angeraten, sich die Mühe zu machen – auf dem Fernseher nur graue Standard-Icons zu sehen, macht keinen Spaß. Ein bisschen Sorgfalt muss sein.
Die Auswahl der Ordner-Icons zeigt, wie vielfältig sich das Classic Mini bespielen lässt:
Jahaaa, da finden wir das Atari VCS von 1977 ebenso wie den Gameboy von 1989 und das Neo Geo-System von 1990. Außerdem einen Arcade-Modus für so ziemlich alles, was jemals in Daddelhallen gestanden hat.
Theoretisch geht also das hier
genauso wie das hier
und wie das hier:
Das will ich sehen, zumal die YouTube-Videos versprechen, dass es nicht nur relativ einfach ist, sondern auch gefahrlos: einem Fachmann in diesen Dingen ist es selbst mit größter Anstrengung nicht gelungen, die Konsole durch unsachgemäße Bedienung zu schrotten. Sorgen muss man sich also nicht machen.
Kurz zum Prinzip: Man muss die Hakchi-Software um ein paar Module erweitern, die aus Emulatoren für die verschiedenen Systeme bestehen und auf die die Konsole zugreifen kann, wenn ein Spiel unbekannter Herkunft gestartet werden soll. Bei den Automaten-Spielen sind das die Emulatoren Final Burn Alpha und Mame2014, bei dem Atari VCS der altbewährte Stella, etc. Man installiert diese (im Netz als Retro Arch with Cores leicht zu findenden) Module über das entsprechende Dropdown-Menü in Hakchi. Dann wird das Kernel noch einmal überspielt, damit die Emulatoren auch auf der Konsole landen, wo sie hingehören.
Und hier kommt ein Punkt, der sehr wichtig ist und den die meisten Erklärvideos leider weglassen, was bei mir für einige Frustration sorgte. Man muss der Konsole natürlich “sagen”, welchen Emulator sie für welches Spiel verwenden soll. Bei SNES-Spielen kann alles bleiben, wie es ist, die werden automatisch erkennt. Bei einem Atari-Spiel oder einem Automaten muss man bei den Eigenschaften des Spiels in der Kommandozeile das “zip ” (inkl. Leerzeichen) durch den Emulatornamen (inkl. Leerzeichen) ersetzen.
In diesem Beispiel wurde “md ” für den Megadrive-Emu eingefügt:
Ein weiterer Haken, den man setzen sollte, ist die individuelle Erstellung der Ordner. Über sie kann man die Spiele der einzelne Systeme in eigene Folder packen und diese beschriften. Dadurch vermeidet man Chaos auf der Konsole. Gerade weil verschiedene Systeme verschiedene Befehle benötigen, ist es ratsam, nicht zu huddeln. Und um die Übersicht noch mehr zu optimieren, kann es helfen, die Spiele mit einem Präfix vor dem Namen zu kennzeichnen: ARC für Arcade, NEO für NeoGeo, VCS für Atari, etc.
Ein kleiner Einschub zur Vorsicht: Die Spiele haben SEHR unterschiedliche Größen. Kommen die Games für das Atari VCS noch mit 2, 4 oder 8 Kilobyte aus, brauchen die Cartridges für das SNES schon zwischen 512 Kilobyte und 3 Megabyte. Beim NeoGeo, das original Arcade-Software verwendet, kann man auch schon mal 70 Megabyte Speicherplatz verballern, Spielautomaten des neuen Jahrtausends sprengen auch diese Grenze locker. Damit hat man die ca. 300 Megabyte freien Speicher, die das SNES Classic Mini mitbringt, ratzfatz voll. Trial & error ist die Devise, um die beste Balance aus Auswahl und Speicherbelegung zu finden. Erweitern lässt sich die Konsole nämlich nach aktuellem Kenntnisstand nicht.
Es gibt aber einen brauchbaren Workaround für das Problem: Man kann ALLE Spiele, die man haben und spielen will, in Hakchi einladen. Was davon dann auf die Konsole hochgeladen wird, legt man ja mit dem Häkchen neben jedem Titel fest. Ich würde für die ganz großen Brocken einen Präfix namens BIG verwenden, damit sie in der Liste gebündelt sind und nur an- oder abgewählt werden müssen. So kann man schnell zwischen einer Runde Street Fighter III Third Strike und Metal Slug 5 wechseln – die übrigens alle klaglos von der Konsole gespielt werden.
Hat man dann endlich die Spiele verschiedener Systeme in Hakchi eingepflegt, sortiert, mit Artwork versehen und den korrekten Emulatoren zugewiesen, kann man den “synchronisieren”-Button drücken und die Konsole hernach an den Fernseher anschließen. Los geht’s!
Läuft!
Na ja, halbwegs. Nach einem ersten Test mit Atari VCS, NeoGeo und Automatenspielen stelle ich folgende Probleme fest:
– Einige NeoGeo-Spiele wollen sich nicht starten lassen, auch wenn ich das original Bios der Konsole beipacke. So bleibt mir z.B. der Ballerkracher “Pulstar” verwehrt.
– Einige Automatenspiele laufen sehr hakelig und mit kaputter Musik – das grandiose “Splatter House” ist de facto unspielbar, bei “Outrun” versagt die Steuerung, “Space Panic” bleibt völlig stumm, “Cruisin’ World” verlangt eine Kalibrierung der Steuerung, die mit dem Pad nicht zu leisten ist.
– Was mit dem Controller nicht zu spielen ist, ist nicht zu spielen. Spiele mit Light Gun, Trackball oder mehr als sechs Knöpfen kann man also von vorneherein knicken.
– Diverse Automatenspiele verwenden spezielle Platinen und Chips, für die man wiederum eigene Emulatoren heranziehen muss.
Einiges lässt sich mit ein wenig Mühe beheben – so ist es ratsam, für Spielautomaten zwei Emulatoren bereit zu halten und beide zu testen: Final Burn Alpha und Mame2014. Oft genug kann Mame die ganz ollen Klassiker wie “Asteroids” verarbeiten, während Final Burn Alpha deutliche Vorteile bei den aktuelleren Spielen zeigt.
Am Ende geht nicht alles, was aber wahrlich kein Drama ist – geschätzt kann man hier über alle Plattformen hinweg mehr als 10.000 Spiele installieren, da kann man mit ein paar Aussetzern prima leben.
Es hilft auch bei Automatenspielen, den “CRT-Modus” einzuschalten, um ein zwar weniger knackiges, aber deutlich harmonischeres Bild zu bekommen.
Irgendwo ist dann aber eine natürliche Grenze der Fähigkeiten des SNES Classic Mini – ab der Jahrtausendwende kamen Spielautomaten auf den Markt, deren 30.000 Euro-Hardware unsere 99 Euro-Daddelkiste nicht mehr emulieren kann. Aber es geht ja auch nicht um die neusten und edelsten Spiele. Wer das will, kauft sich eine Playstation 4. Hier geht es um Klassiker, Legenden, Erinnerungen an eine verschwendete Jugend am Bahnhofskiosk und in Spielhallen.
Ich hatte es bereits erwähnt: Ich will nicht den Rest meines Lebens mit Videospielen verbringen. Ich wollte einfach nur sehen, ob ich das hinbekomme. Trotzdem lässt sich nicht bestreiten, dass es mir einen Heidenspaß macht, ein paar Klassiker meiner Jugend noch mal anzudaddeln. Das krude “Space Panic” (siehe oben) hat in der “Katzbachquelle” in Düsseldorf-Lierenfeld so manche Mark geschluckt. Am Hauptbahnhof stand “Turbo”, dessen Grafik 1981 als spektatulär galt:
Und die schiere Playability von “1943” hat mich auch sofort wieder gepackt:
Und ja, es ist einfach ein Hammer, dass man alle diese Spiele mit einer handtellergroßen Konsole spielen kann, die eigentlich nur dafür gedacht ist, das SNES zu emulieren. Zumal die Hardware idiotensicher eingerichtet ist und man sich im Gegensatz zur Spielerei mit Raspberry pi nicht sorgen muss, etwas kaputt zu machen. Stabil, aber flexibel – diese Qualitäten gibt es heute viel zu selten.
Quo vadis, SNES Classic Mini?
Ich gebe zu, dass mich die ganzen anderen Konsolen, die man emulieren könnte, nicht reizen. Die meisten Spiele von Mega Drive, NES und Gameboy sind grafisch und spieltechnisch den Automaten und dem NeoGeo und sogar dem SNES unterlegen, das hat keinen Mehrwert. Konsolen wie die N64 machen erhebliche Probleme, da ist die Emulation noch nicht ausgereift genug. Es gibt Hinweise, dass in absehbarer Zeit auch Vectrex, Coleco und andere Systeme aufgespielt werden können, aber auch das wäre nur noch “mehr”, nicht “besser”.
Und so lasse ich es jetzt gut sein. Eine sauber kuratierte Sammlung von SNES-Klassikern, Automatenspielen und Frühwerken des Atari VCS bilden meine eigene Videospiel-Sozialisation über 20 Jahre hinweg (von 1980 bis 2000) sehr gut ab. Ich habe erheblich mehr mit dem SNES Classic Mini bekommen, als ich bezahlt habe.
Das ist MEIN Gamer-Paradies. Was wäre eures?
Ich zocke an der Dialyse sehr viel SNES-Spiele über einen Emulator auf dem Laptop, natürlich mittels Joypad.
Die Spiele unterhalten damals wie heute und haben von ihrer Faszination nichts verloren.
Und auch beim vierten oder fünften mal sind Spiele wie Secret of Mana, Terranigma, Illusion of Time, Probotector oder Secret of Evermore einfach ein großer Spaß.
Die alten Konsolen haben ihren Reiz – sind aber nicht Teil meiner Vergangenheit. Bis zur PS1 waren C64 und Amiga meine Heimat – damit kann ich deutlich mehr verbinden.
Daher freue ich mich auf den C64-Mini der im kommenden Jahr kommt und dann die Spiele meiner Jugend wieder auf den heimischen TV bringt.
..ich finde keine Worte für meine Bewunderung deiner Ausdauer und Hartnäckgkeit bei sowas..
Es war gar nicht so schwer. Und man kann auch nix kaputt machen.
Gerade Ataric VCS, C64 oder Atari XL -Games dürften heutzutage dann doch eher Ernüchterung auslösen. Bei aller Nostalgie: Diese 8-Pixel Sprites auf UHD-Fernsehern können eigentlich nicht mehr Nährwert haben als ein Besuch im Computerspielemuseum.
Atari ST (“Dungeon Master” und mein Lieblingsspiel dieser Zeit “Time Bandits”) oder Amiga fände ich interessanter, wenn die Emulatoren das vernünftig hinbekommen, gerade der Amiga hatte ja reichlich Spezialchips.
Mein persönliche Sozialisation begann übrigens mit dem Mattel Intellivision; einige der Spiele kann man sich für die XB1 herunterladen, aber gerade die besonders reizvollen 2-Spieler Games (Utopia und vor allem das zeit- und fingermordende Sea Battle) scheitern in der Regel am Controller, der eine komplette Nummerntastatur hatte.
Das siehst du falsch. Die alten Spiele “funktionieren” nicht wegen der tatsächlichen, sondern der nostalgischen Qualität. Und die hängt von der Sozialisation ab. Klar hatte der Amiga eine bessere Grafik als der C64 – aber mit dem Argument kann ich auch darauf verweisen, dass die Playstation 4 eine bessere Grafik als der Amiga hat.
C64 gibt mir wegen schlechter Kollisionsabfragen und generell mauem Spieldesign meist auch nix mehr. Aber Atari VCS ist immer noch launig, gerade weil es so rudimentär ist. Die besten Spiele für den kurzen Kick sind erwartungsgemäß die Automatenspiele – die wurden ja auf Playability getrimmt.
Mag sein, dass man so ein (ich denke mal kurzes) Nostalgiefeeling beim Spielen eines VCS-Games bekommt. Aber ehrlich: Ich hatte das Gerät schon damals nicht auf der Wunschliste (und auf das Mattel gewartet), weil ich einfach das Gefühl hatte, dass das grafisch irgendiwe nicht alles sein kann, was man da sieht. Weniger in den unverwüstlichen abstrakten Spielen wie Pac-Man, Breakout etc (für die man heute nicht unbedingt einen Emulator braucht) sondern dann, wenn die versucht haben, was Reales oder Filmisches darzustellen und doch nur 3 oder vier unterschiedlich große Vierecke zu sehen waren. “Tarzan” etwa, Indy oder E.T., der dann so legendär mies ausfiel, dass er fast die ganze Branche in den Abgrund riss.
Dass mit den Automatenspielen kann ich durchaus nachvollziehen. Auch wenn ich (und vermutlich damals die meisten) nicht das Geld hatten, die dauernd zu füttern, waren die eigentlich immer eine nette Vorschau, was dann die nächste Konsolengeneration können würde.
“Die alten Spiele „funktionieren“ nicht wegen der tatsächlichen, sondern der nostalgischen Qualität. Und die hängt von der Sozialisation ab.”
Sagt der Mann, der nicht spielt…
Mein Gamer-Paradies? Ich wäre froh, wenn der normale Hack bei mir funktionieren würde. Aber so habe ich auch zwischendurch Spaß mit den 21 vorinstallierten Spielen.
Höhö… er hat “Einlauf” gesagt… 😀
Danke für beide Posts bezüglich des SNES Mini. Ich habe nun auch eins und dank Hakchi und RetroArch meine Kindheit wiederbelebt. Was mich sehr glücklich macht.