28
Okt 2017

Buchtipp in eigener Sache: It came from the video aisle!

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Insgesamt 14 Jahre, mehr als 150 Interviews, über 250 Filme, einige tausend Fotos und circa 5000 Emails zwischen den Autoren finden heute Ergebnis und Abschluss:

Ihr erinnert euch vielleicht an Band 1, “Empire of the B’s”. Ich habe ja oft genug drüber geschrieben. Hier ist nun Band 2 der großen kritischen Rückschau auf das Werk von Charles Band, einem der großen B-Movie-Produzenten der letzten 40 Jahre. Insgesamt 480 Seiten, durchgehend vierfarbig, vollgepackt mit seltenen Behind the Scenes-Bildern, Artwork und Produktionsskizzen. Seit heute offiziell bei Amazon.

Man kann zu Charles Band stehen, wie man will. Man kann auch seine Filme weitgehend scheiße finden. Aber was er geleistet hat, ist unbestreitbar und sichert ihm den Platz neben Roger Corman, neben Samuel Arkoff und Golan/Globus.

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Er schenkte uns Trancers, Ghoulies, den Puppet Master und den Re-Animator, er lud uns ein in eine exotisch-erotische Zeitmaschine und machte Lebkuchenmännchen so gruselig wie den Killerclown Killjoy. Er zog Barbara Crampton aus und Sherilyn Fenn, ließ seine Filme von William Shatner präsentieren und “erfand” das integrierte Multimedia-Universum lange vor Marvel. Wo “Captain America” und “Iron Man” und “Thor” die Vorarbeit für “Avengers” leisteten, zogen bei Charles Band der “Mandroid”, “Doctor Mordrid” und “Invisible (Man)” gegen das Böse zu Felde, um schließlich als “Legion of Doom” gemeinsam anzutreten (was aus verschiedenen Gründen dann doch nicht passierte). Charles Band führte seine Firma als echtes Filmstudio, nachdem es schon lange keine Filmstudios mehr gab. Er entwarf Merchandising auch für schrabbelige B-Movies und erfand DVD-Extras vor der Erfindung der DVDs. Seit einigen Jahren hat er die Zeichen der Zeit erkannt und produziert für sein eigenes Streaming-Portal. Einen deutschen Amazon-Kanal hat er auch.

Ich gebe gerne zu, dass beide Bücher ungleich mehr Arbeit gekostet haben, als jemals geplant war. Wäre es nach mir gegangen, hätte ein launiger Bildband mit Anekdoten, Zitaten und Filmpostern völlig ausgereicht. Aber ich hatte das Glück/Pech, auf Ko-Autoren zu stoßen, die ungleich zäher und investigativer eingestellt waren als ich.

Es ist auch kein Geheimnis, dass der Wechsel des Verlages die Fertigstellung von Band 2 ein wenig verzögert hat. Der Hintergrund dazu? Wir waren mit diversen Entscheidungen des Verlages nicht glücklich, die Marketing und den globalen Vertrieb erschwerten. In einigen Schlüsselmärkten (Asien, USA, Deutschland) war das Buch fast nicht auf normalem Wege zu bekommen. Charles Band selbst importierte mehrere Hundert Exemplare, signierte sie und verkaufte sie mit einem satten Aufpreis.

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Trotzdem wurde “Empire of the B’s” das zweiterfolgreichste Buch in der Verlagsgeschichte und man schob sogar eine limitierte Hardcover-Edition nach.

Nun ist es so, dass man sich meistens vertraglich verpflichtet, Nachfolgebände mit dem bisherigen Verleger zu verwirklichen. Das ist eine “first option”-Nummer: Hemlock hatte das Recht, Band 2 zu verlegen, aber auch, diesen abzulehnen. Wollten wir also ein neues Buch auf den Markt bringen, waren wir wieder an den englischen Verlag gebunden. Das war sehr frustrierend und darum gestaltete sich die erste Arbeit an “It came from the video aisle!” auch ebenso schleppend wie die Kommunikation mit dem Verlag. Eines Tages fragten wir deshalb vorsichtig nach, ob es nicht in beiderseitigem Interesse sei, die Zusammenarbeit zu beenden.

Es geschah, womit wir nicht gerechnet hatten – Hemlock stimmte zu. Eine weitere Rückfrage per Email später hatten wir das auch schriftlich und wasserdicht. Wir waren frei! Und begannen sofort mit der Suche nach einem neuen Verlag. Die Vorgabe: in den USA residierend und international vertreibend. Außerdem wollten wir sicherstellen, dass diesmal etwas Farbe ins Buch kam und der Preis im Rahmen blieb.

Tatsächlich gab es mehrere Interessenten und nach kurzen Verhandlungen entschieden wir uns für Schiffer Publishing. Eine Entscheidung, die wir nicht bereuen sollten – welcher Verlag schickt schon allen Autoren auf zwei Kontinenten Vorabexemplare mit einem persönlichen Dankesbrief und einer Flasche Rotwein?

Auch in Sachen Struktur gab es Änderungen. “Empire of the B’s” war strikt nach der Chronologie der Filme ausgerichtet gewesen, hatte die Geschichte von Empire Pictures immer vor dem Hintergrund der ausführlichen Reviews erzählt. Das ist sehr enzyklopädisch, verhindert aber einen roten Faden und verstellt den Blick auf die großen Zusammenhänge. Dieser Ansatz war für Band 2 allein deshalb nicht haltbar, weil Charles Band seit 1989 mehr als 200 Filme produziert hat.

Ich machte Dave Jay den Vorschlag, es diesmal journalistischer anzugehen. Die einzelnen Label, Franchises und Phasen von Band sollten eigene, geschlossene Kapitel bekommen. Die Partnerschaft mit Paramount, später mit Kushner-Locke, die Zusammenarbeit mit Tempe, aber auch die Blöcke von Puppet Master- und Subspecies-Filmen – alles wurde geordnet und dann den Autoren zugeteilt. Da ich wegen meiner Arbeit an der Liebes Land stark anderweitig gebunden war, erklärte ich mich bereit, zusätzlich zur Beschaffung von Material nur das Kapitel über die Label Torchlight und Surrender Cinema zu übernehmen.

Warum Torchlight und Surrender? Nicht wegen der nackten Tatsachen, die in Charles Bands Softsex-Labels wahrlich genug vorhanden waren. Ich fand es vielmehr spannend, dass Band für die erotischen Stoffe ein eigenes Mini-Studio geschaffen hatte, das zwar Ressourcen und Crew seiner B-Movies nutzte, aber völlig abgekoppelt und teilweise auch die Herkunft verschleiernd arbeitete. So tauchte der Name Band in vielen Produktionen gar nicht auf und ein Großteil der Mitarbeiter versteckte sich hinter Pseudonymen. Es reizte mich, die bisher völlig unerzählte Geschichte von Surrender zu knacken, die Beteiligten ans Licht zu zerren und das große Geheimnis zu lüften – wer steckte hinter “Cybil Richards”, der fleißigsten Regisseuse des Studios?

Nun ist es eine Sache, gestandene Horror-Regisseure und Darsteller zu interviewen. Die sind auf Facebook, die kann man anschreiben, die reden gerne über sich und ihre Filme. Die in den frühen 2000ern untergegangene Softsex-Ära hingeben hat wenig Nostalgie hinterlassen und die meisten Beteiligten hüllen sich nicht nur in Schweigen, sondern bestreiten oft auch die Mitarbeit an Titeln wie “Femalien” und “Zorrita: Passion’s Avenger”. Mit viel Mühe gelang es mir, mit Brad Bartram einen der Darsteller, mit John R. Ellis einen der Tricktechniker und mit Pat Siciliano schließlich sogar den extrem öffentlichkeitsscheuen Chef von Surrender zu interviewen. Am Ende ergab sich ein homogenes Bild einer sehr spannenden Zeit eines Erotikfilm-Studios, bei dem die Identifizierung von Cybil Richards nur noch reine Puzzle-Arbeit war – auch wenn Pat Siciliano gar nicht glücklich ist, dass ich seine “Star-Regisseurin” demaskiert habe.

Ich bin aber nur einer, und nicht mal ein besonders wichtiger Autor dieses Buches. Da Vorwort stammt von Drehbuchautor und Regisseur Courtney Joyner, der sehr viel für Band gearbeitet hat. Der multitalentiert Nathan Shumate hat die Tempe-Ära beleuchtet, Thomas Sueyres verdanken wir die Einsichten über die Jack Kirby/Charles Band-Connection. Von den Genre-Experten Dave Wain und Matty Budrewicz stammt das Kapitel über die neueren Franchises Evil Bong, Killjoy und den Gingerdead Man.

Der wichtigste Neuzugang in der Autorenriege ist allerdings zweifellos der “original video junkie” William Wilson. Eigentlich hatte ich ihn vor ein paar Jahren nur angeschrieben, weil ich seine Reviews mochte und weil er Zugriff auf viel altes Promo-Material aus Full Moon-Zeiten hatte. Es stellte sich schnell heraus, dass William eine echte Schreib-Maschine und noch dazu in Horrorkreisen perfekt verdrahtet ist. Er hat uns nicht nur Material, sondern Interviewpartner gleich im Dutzend besorgt. Und so stieg sein Anteil am Buch immer weiter, bis wir nicht umhin kamen, ihn auch auf das Cover zu nehmen. Diesen Credit teile ich sehr gerne.

In meinen Augen – aber ich bin da natürlich parteiisch – ist “It came from the video aisle!” ein unglaublich dichtes, faktenstarkes und gut recherchiertes Buch, das man nicht mal so nebenher liest, sondern in das man sich einschmökern muss. Keine leichte Kost mit vielen großen, bunten Bildern, sondern echte Analyse, Kritik, Retrospektive. Und auch das, was uns einige Leser von Band 1 vorgeworfen haben, wird hier explizit nicht zurück genommen: wir nennen Ross und Reiter, versuchen gar nicht erst, viele der schrottigeren Full Moon-Filme durch die rosarote Geekbrille zu sehen. Was Mist ist, wird auch Mist genannt. Und bei Band muss man oft durch viel Mist schaufeln, um einen Trüffel zu finden. Das gehört dazu, alles andere wäre unehrlich. Sogar Charles Band scheint das einzusehen – auch das zweite Buch hat er offiziell abgesegnet. Diese Woche hat er es in seinem Video-Blog denn auch vorgestellt:

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Und hier sind wir nun. Circa 1990 hatte ich die Idee für ein Charles Band-Buch, 2003 begann ich mit Dave Jay ernsthaft an den Vorarbeiten, und mit dem Stichtag 28.10.2017 sind wir fertig. In jeder Beziehung. Wir haben dem Projekt gegeben, was wir konnten. Hätte man Dinge besser machen können? Sicher. Hat man heute Informationen, die man vor fünf Jahren hätte brauchen können? Natürlich. Filmgeschichte ist im Fluss, die Zeiten und die Medien ändern sich. Charles Band-Streifen, die ich vor 15 Jahren mühsam über Ebay in Hongkong auf VHS bestellen musste, kann ich heute per Knopfdruck streamen. Den ersten Band JETZT zu schreiben, wäre ungleich einfacher. Aber es gehört dazu, dass man als Geek nicht nur Zeit, sondern auch Herzblut und Geld investiert. Dass man Dinge angeht, nicht um an ihnen zu verdienen, sondern einfach weil es sonst niemand tut. Ich schreibe Bücher, die ich selber gerne lesen würde. Und eine Bio/Filmographie von Charles Band hat bisher einfach gefehlt.

Selbstverständlich werde ich drei Exemplare verlosen, wenn das Paket von Schiffer ankommt. Und ja, wir haben diesmal auch eine Facebook-Seite als kleines Marketing-Werkzeug. Die ersten Kritiken sind hervorragend, auch die gefürchtete Riege der Internet-Genrekritiker (John Charles, Tim Lucas, Scott Foy) ist sehr angetan. Ich würde mich freuen, wenn ein paar meiner deutschen Leser das Buch bestellen und in den heimischen Bücherschrank aufnehmen würden. Ich bin jederzeit bereit, mir unter die Nase gehaltene Exemplare zu signieren.

What a long, strange trip it’s been…



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2 Kommentare
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Thomas+Liesner
Thomas+Liesner
28. Oktober, 2017 15:34

Gekauft – per amazon.co.uk immerhin 5 Euro sparen können, bin schon gespannt…

Sebastian+Felzmann
Sebastian+Felzmann
28. Oktober, 2017 22:54

Was eine wahnsinns-tolle Arbeit! Kann man das auch direkt mir Widmung und Autogramm bei dir bestellen?

Herzliche Grüße,
Sebastian