09
Aug 2017

“… und damit kommen wir zum Sport …”

Themen: Diet Diary, Neues |

Ich hatte letztes Mal glatt vergessen, einen weiteren erfreulichen Effekt meiner Diät und meines sportlichen Ehrgeizes zu vermelden. In meinem Kleiderschrank hängen zwei “slim fit”-Hemden von Marc O’Polo, die ich mir als “Belohnung” nach der ersten Diät 2013 gekauft hatte und die mir damals prima gepasst haben.

Seit 2014 konnte ich sie nicht mehr tragen, ohne wie eine Presswurst auszusehen. Ähnlich wie mit den Hemden, die mir die LvA zu Weihnachten geschenkt hatte, behielt ich die durchaus schicken Kleidungsstücke in der Hoffnung und als Ansporn, sie irgendwann wieder tragen zu können. Und als ich die Notwendigkeiten für meine Reportagereise in den Norden zusammen suchte, dachte ich so bei mir: “Die beiden Hemden könntest du ja mal wieder vorsichtig antesten.”

Und siehe da: beide passen – und das nicht mal knapp.

Weniger stolz bin ich darauf, dass ich meine Ernährung auf Reportagen immer noch nicht vollständig im Griff habe. Es ist der Stress, es ist die unbekannte Umgebung, es ist der Zeitmangel. Da fährt man halt doch wieder zu McDonald’s und kauft im Supermarkt nicht den gesunden Apfel, sondern den Milchreis. Ideal ist anders.

Den zweiten Lauf nach Eschede musste ich auch ausfallen lassen – schlechtes Wetter führte dazu, dass Produktionen umgelegt werden mussten und ich mich am Samstag nicht an der dänischen Grenze, sondern in Hamburg wiederfand. Und nach 22.00 Uhr hatte ich absolut keinen Bock mehr, auf St. Pauli zu joggen. Also legte ich die Pause ein, die mir diverse Leser sowieso ans Herz gelegt hatten.

Nächster Termin: Montag. Schon besser. Die Produktion konnten wir zeitnah eintüten und unser Hotel befindet sich direkt an der Nordsee. Deichlauf!

Da ich vermute, unter ähnlichen Bedingungen wie auf dem Rheindamm bei Baden-Baden zu laufen, entscheide ich mich für 8 Kilometer – 6 Kilometer als Standard und 2 Kilometer für das ausgefallene Training zwei Tage zuvor.

24.7.2017:

Die Strecke ist in der Tat sehr schön, nur leider muss ich auf der Binnenseite des Deichs laufen, mit Meerblick ist also nix. Dafür jede Menge Schafe, die mir neugierig zugucken. Deshalb auch zusätzliche Konzentration wegen Schafscheiße-Hindernislauf. Aber trotzdem entspannend und angenehm erschöpfend. Ich habe das nach dem Arbeitsstress wirklich gebraucht. Die Zeit ist kein Knaller, aber das liegt auch am Gegenwind auf dem Rückweg. Ich bin zufrieden.

Ich bin ja kein Typ für Selfies, aber falls jemand das vorher/nachher eines solchen Laufs interessiert:

Komisch: ich sehe hinterher deutlich fetter aus.

Die nächsten zwei Tage sind wieder nicht gut für meine Diät. Wenn mein Fotograf mich in ein exzellentes Restaurant einlädt, wo es Linguini mit Trüffel gibt, sage ich nicht nein. Andererseits: ich arbeite hart, bin viel unterwegs, schwitze ständig. Da arbeite ich einiges an Kalorien weg. Wird schon passen.

Nach vier Tagen in Sterdebüll geht es wieder gen Süden, nach Blunk bei Bad Segeberg. Da habe ich 2016 schon mal gewohnt, als es zum Stockseehof ging. Diesmal ist unser Ziel eine Staudengärtnerei. In Bad Segeberg finden wir zum Abend im Neo Kitchen wirklich exzellente Burger und Pizzen zu erstaunlich respektablen Preisen:

Bevor ich zulangen darf, muss erstmal ein wenig Asphalt geklopft werden – in diesem Fall ein Waldweg, der früher die Eisenbahnroute von Kiel nach Bad Segeberg darstellte.

26.7.2017:

Ich will 7 Kilometer laufen, aber die Strecke entpuppt sich als unschön, uneben, matschig und von zu viel Ungeziefer bevölkert. Als nach 3 Kilometern ein Wendehammer kommt, entscheide ich spontan, bei der Standardstrecke von 6 Kilometern zu bleiben. Zur Dokumentation fotografiere ich mich am Ziel neben der Hinweistafel auf die alte Bahnstrecke:

Zweit Tage bin ich danach noch unterwegs, bei meiner staulastigen Rückkehr nach Baden-Baden fühle ich mich physisch wie psychisch ziemlich durch. Ich will am 28.7. wieder laufen, um im Plan zu bleiben, aber es geht nicht. Keine zehn Pferde bekommen mich nach so einer Tour aus dem Sessel.

Also muss der nächste Tag, ein Samstag, für eine Trainingseinheit herhalten. Ich esse bewusst wenig und warte eigentlich nur darauf, dass es zum Abend hin etwas abkühlt, um einen weiteren “beauty run” auf dem Rheindamm zu absolvieren. Als ich den Brustgurt anlege, ist es 20.30 Uhr und die Sonne fast untergegangen. Eine Doppelstrategie soll mich bestrafen und belohnen zugleich – wegen des ausgefallenen Laufs bei der Reportagereise möchte ich soviel Strecke wie möglich nachholen, dafür aber sehr entspannt laufen. Geschwindigkeit ist KEIN Faktor.

29.7.2017:

12 Kilometer in 105 Minuten. Zum Vergleich: In der Zeit hätte ich mir im Kino den Film “Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner” ansehen können, zu dem mein Kumpel Stefan Barth das Drehbuch geschrieben hat. Natürlich hätte ich das – ausgehend von vorherigen Läufen – auch unter 100 schaffen müssen. Andererseits habe ich mit zweimal 6 Kilometern meinen “verpassten” Lauf in der Tat wieder reingeholt. Ich bin sehr zufrieden, zumal der Lauf ein Traum ist: eine Hundertschaft Enten, die schnatternd in V-Formation über den Rhein fliegt, die untergehende Sonne, Grillen zirpen. Der Stress der Reise verfliegt.

Der Dunkelheit und den gelben Laternen an der Staustufe ist es zu verdanken, dass ich aussehe wie der gänzlich unbekannte Superheld Goldman:

Allerdings muss ich mir erneut Gedanken über meine Pulswerte machen. Am grünen Tisch hatte ich befürchtet, immer zu hochtourig zu laufen. Das Gegenteil ist der Fall. Mein Ruhepuls liegt bei gerade mal 50, die ersten zehn Kilometer bleibe ich deutlich unter 130. Am Ende liegt der Durchschnitt bei 129:

Nicht ein einziges Mal in der aeroben Zone. Das ist schon… seltsam. Nicht beunruhigend, nicht besorgniserregend, aber doch… seltsam. Vielleicht sollte ich doch ein Auge darauf haben, statt der Distanz vor allem das Tempo langsam zu steigern.

Andererseits habe ich mal testweise diverse Online-Rechner ausprobiert und bin darauf gestoßen, dass die optimalen Werte offensichtlich sehr flexibel sind – mehr als zwei Drittel der Webratgeber halten 105 aufwärts bereits für meine Fettverbrennungszone. Bei denen beginnt die aerobe Zone angesichts meines Alters teilweise bei 122 – und in der wäre ich statt 0% dann 100% gewesen. Hier ein Beispiel:

Demnach bin ich bereits ein Spitzensportler auf dem Weg zum Bikini Body. Ein weiterer Grund, mal einen Arzt aufzusuchen und das checken zu lassen.

Die Wühlerei in meinen Runtastic-Daten enthüllt mir, dass ich noch nie exakt 2, 5, 7 oder 9 Kilometer gelaufen bin. Ich denke, ich habe meine Distanzen für die nächsten vier Läufe gefunden…

München. Endlich mal wieder München. Drei Tage in der Hauptstadt meines Herzens. Gleich am ersten Tag steige ich im Motel One Olympic Gate am Olympiapark ab – eine Herausforderung, eine Aufforderung. Auch wenn es zu warm ist, auch wenn ich eine zu stressige Fahrt hatte – raus geht’s!

31.7.2017:

Insgesamt ein wunderschöner Lauf. In München gibt es haufenweise Jogger, die meisten deutlich besser trainiert als ich. Im Park wird ein Zirkus aufgebaut, an anderer Stelle eine Kirmes. Eine große Open Air-Leinwand am See zeigt die Doku “Expedition Happiness”, auf einem Court wird zum Sonnenuntergang Basketball gespielt. Ich wundere mich, dass ein Großteil des Fernsehturms mit einem Netz abgehängt ist.

Es ist anstrengender als gedacht. Der Olympiapark hat im Gegensatz zu meinen anderen Strecken einen Haufen Steigungen und Gefälle. Insgesamt geht es fast 70 Meter aufwärts, das entspricht dem Wasserparadies in Baden-Baden. Mein Puls läuft auch angesichts der Hitze deutlich hochtouriger (Durchschnitt 140) und nach 5 Kilometern betrachte ich das Pensum als erreicht. 7 wären besser gewesen. Dafür spaziere ich die zwei Kilometer zum Hotel zurück.

Schon seltsam – wären wir hier geblieben, hätte das eine meiner bevorzugten Strecken sein können. So bleibt es eine exotische Ausnahme.

Danach ist für den Rest der Woche Pause. Es ist einfach zu unerträglich heiß und nach harten Reportagen habe ich keine Lust auf Jogging, nur auf Waterboarding:

Das ist übrigens eins der Marc O’Polo-Hemden…

Trotz der Bullenhitze von teilweise 37 Grad sehe ich auf der Straße immer wieder Jogger – und halte sie für verrückt. Das Lauftraining ist Sport, Ehrgeiz, Mittel zum Zweck – aber kein Ausdruck von Selbsthass oder der manische Drang, meinen Körper zu quälen.

Erst zum Wochenende daheim wird es wieder etwas kühler, bei 26 Grad am Sonntag bin ich bereit, das Risiko einzugehen und wieder am Rhein zu laufen. Die Strecken 2, 7 und 9 Kilometer stehen ja noch aus. Ich plane mit 9, stelle die Distanz sogar bei Runtastic ein. Aber nach einem Kilometer habe ich einen Schweißausbruch – in der immer noch prallen Nachmittagssonne ist es heißer als die offiziellen 26 Grad. Nach 3 Kilometern weiß ich: 9 Kilometer wären unvernünftig.

6.8.2017:

Immerhin: Mit 7 Kilometern ein weiterer Baustein geschafft. Tatsächlich habe ich aber widersprüchliche Gefühle. Hätte ich von vorne herein 7 Kilometer angestrebt, wäre ich zufrieden – stattdessen fühle ich mich frustriert. Und auch lustlos. Das hat so gar keinen Spaß gemacht. Ich habe nach drei Monaten erstmals das Gefühl, dass ein wenig die Luft raus ist. Kann das schon alles gewesen sein?

Erst im Laufe des Abends wird mir klar, wie stressig das letzte halbe Jahr war, welche Kraft die letzten Monate gekostet haben, vor allem beruflich. Die Reportagen der letzten zwei Wochen obendrauf. Ich bin einfach sehr, sehr müde.

Es hilft, dass ich in einer Woche nach Ibiza fliegen werde, Laufschuhe im Gepäck.

Das erste Mal seit drei Wochen bin ich wieder mit meiner Frau und der Trainerin im Aumatt-Stadion. Das Wetter ist endlich etwas milder und ich überlege, welche der noch ausstehenden Distanzen von 2 oder 9 Kilometern ich laufen soll. Es wird eine pragmatische Entscheidung: 9 Kilometer schaffe ich in der veranschlagten Stunde sicher nicht. Also 2 Kilometer. Dafür schneller als üblich. Ich entschließe mich, die psychologischen Tricks zu lassen und mir über Runtastic diesmal keine Vorgabe zu geben. Einfach 2 Kilometer laufen und mich selber motivieren, dabei nicht zu hudeln.

8.8.2017:

Sauber. 10,5 Stundenkilometer, der zweite Kilometer schneller als der erste, schnellster Kilometer und schnellste Meile bisher. Dass ich unter 12 Minuten bleibe, ohne dabei von meinem virtuellen Zuchtmeister voran gepeitscht zu werden, macht mich ein wenig stolz. Auch meine Trainerin ist sehr zufrieden. Die Pulswerte sind natürlich nicht mit den “beauty runs” vergleichbar und ich bin hinterher auch ziemlich durch, regeneriere aber auch erfreulich schnell.

So ein kurzer, schneller Lauf hat einige Vorteile, vor allem diesen: er ist schnell rum. Die zwangsläufige Langeweile, die sich bei 90+ Minuten einstellt, fällt hier weg. Rauf auf die Bahn, ranhalten, runter von der Bahn. Kehrseite der Medaille: ein drastisch geringerer Kalorienverbrauch. Und der Kalorienverbrauch ist mir ja durchaus wichtig. Die abgelaufenen 200 Kalorien gleichen ja nicht mal ein kleines Eis aus.

Der Gedanke, künftig vielleicht jeden dritten oder vierten Lauf als “Temporunde” zu drehen, gefällt mir. 2 oder 3 Kilometer mit höherer Geschwindigkeit, auch um die Muskulatur etwas mehr zu fordern. Und weil ich darüber auch noch nie gesprochen habe: ich sehe mittlerweile erstmals eine deutliche Definition meiner Waden.

Nächste Etappe: 9 Kilometer. Kneifen gilt nicht.

Lauflust und Lauffrust – sie liegen offensichtlich nahe beieinander.



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bullion
9. August, 2017 08:40

Wie hoch war denn dein Puls beim schnellen Lauf auf der Bahn?

Wenn ich mich richtig anstrenge bzw. bewusst darauf achte, schaffe ich vielleicht mal einen Lauf mit 160 bpm, doch normalerweise liege ich immer drüber. Wenn ich richtig schnell laufe (z.B. für einen Wettkampf) liegt er auch mal bei 180 bpm im Durchschnitt. Ich glaube ich sollte da auch mal zum Arzt, um meinen Maximalpuls ermitteln zu lassen (mein Pulsgurt spuckt da schonmal Werte um die 212 bpm aus).

Ein spannendes Thema…

Jake
Jake
9. August, 2017 10:34

Ich bin da jetzt auch kein Experte, aber mir kommt der von Runtastic für Dich vorgegebene aerobe Pulsbereich zu hoch vor. Je nachdem, welche Formel man zur Berechnung Deiner maximalen Herzfrequenz verwendet, müsste dieser (zuverlässig kann den natürlich nur ein Arzt bestimmen) zwischen 172 und 179 liegen. Die aerobe Zone liegt bei ca. 70-80% HFmax.

Bei HFmax 172 würde Deine aerobe Zone also bei 120 – 137 liegen, bei HFmax 179 zwischen 125 – 143. Fazit: Deine aerobe Zone müsste sich so ca. zwischen 120 und 143 bewegen. Bei Runtastic beginnt Deine aerobe Zone jedoch erst bei 145. Das kommt mir schon ein bisserl seltsam vor.

comicfreak
9. August, 2017 11:33

..du siehst nach dem Lauf dicker aus, weil du das Shirt in die Hose gestopft hast 😉
Vorher ging es drüber und hat den Übergang kaschiert 😉

PS: Superleistung!

gerrit
gerrit
11. August, 2017 01:03

Formeln sind Quark. Hf max ermittelt man in der Praxis (nicht notwendigerweise der eines Arztes). Einlaufen, anstrengen bis zur Kotzgrenze, auslaufen.