10
Aug 2017

Kino Kritik: Spider-Man – Homecoming

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

USA 2017. Regie: Jon Watts. Darsteller: Tom Holland, Michael Keaton, Robert Downey Jr., Marisa Tomei, Gwyneth Paltrow, Zendaya u.a.

Offizielle Synopsis: Immer noch euphorisch von dem packenden Kampf mit den Avengers kehrt Peter in seine Heimat zurück, wo er mit seiner Tante May und unter dem wachsamen Auge seines neuen Mentors Tony Stark lebt. Es fällt ihm jedoch nicht leicht, sich im Alltag zurechtzufinden – vielmehr will er beweisen, dass er mehr ist als nur der sympathische Spider-Man aus der Nachbarschaft. Als aber The Vulture als neuer Gegenspieler auftaucht, gerät plötzlich alles, was Peter im Leben wichtig ist, in große Gefahr.

Kritik: Das ist vermutlich das erste Mal, dass ich ins Kino gegangen bin, weil ein Leser mich um einen Review des Films gebeten hat. Ich bin eure Bitch, so sieht’s aus.

Es ist sicher kein gutes Zeichen, dass ich mir soviel Zeit gelassen habe, den neusten Marvel-Film im Kino zu sehen. Auch wenn die Einspielzahlen aktuell sehr gut aussehen, hat der Film zumindest nach meiner Wahrnehmung erstaunlich wenig Hype generiert. Er ist einfach kein “must see”, und ich verstehe das. Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass es diesen Spider-Man-Film ungefähr so dringend gebraucht hat wie den dritten “Fantastic 4” (oder den vierten, je nach Zählweise). Dies ist der SECHSTE Spider-Man-Film in 15 Jahren und der dritte Reboot der Franchise (oder der zweite, je nach Zählweise). Manche reden schon von Superhelden-Müdigkeit, wo es eigentlich um Spider-Man-Müdigkeit geht. Die Netzschwingereien haben einfach nicht mehr den Schauwert der Raimi-Ära. Been there, done that, bought the t-shirt.

Es ist Marvel und Sony allerdings anzurechnen, dass sie sich dieser Tatsache durchaus bewusst sind und “Spider-Man: Homecoming” (ein je nach Ansicht drollig oder platt zweideutiger Titel) mit viel Mühe “anders” gestalten als die bisherigen Abenteuer von Peter Parker.

Die gute Nachricht: keine erneute Origin Story. Kein Onkel Ben. Kein “with great power…”. Keine Mary Jane. Kein Daily Bugle. Kein JJ Jameson. Kein Oscorp. Keine minutenlangen Netzschwingereien durch Manhattan. Keine Wolkenkratzer. Fast alle Spidey-Standards bleiben diesmal außen vor.

Der Spider-Man des Marvel-Universums ist 15, geht zur High School und ist von seinen neu erworbenen Fähigkeiten völlig überfordert. Wenn man wollte, könnte man eine ganze Dissertation über die Parallelen zur pubertären Entdeckung der männlichen Masturbation schreiben. Seine Schüchternheit ist nicht aufgesetzt, sondern Teil seiner Mannwerdung. Dennoch macht sich der Film an keiner Stelle über ihn lustig – im Gegenteil: er solidarisiert sich mit ihm und dadurch mit der Zielgruppe, die sicher vergleichbare Erfahrungen gemacht hat (ohne den Bonus einer radioaktiven Spinne).

Spider-Man zu werden, ist keine Frage der bloßen Akzeptanz von Superkräften wie bei Captain America – Peter Parker muss erst einmal erwachsen werden, um die damit einhergehende Verantwortung schultern zu können. Das Kind als Held ist gefährlich, leichtsinnig, unkontrollierbar – sehr schön, dass der Film mit Tony Stark genau den richtigen Mentor findet, der das erkennt (schließlich ist er selber in gewisser Weise ein Kind mit Spieltrieb geblieben).

In diesen “soften” Erzählansatz passt die Tatsache, dass Michael Keaton als Vulture kein megalomaner Bösewicht mit Weltherrschaftsansprüchen ist. Tatsächlich spiegelt er Peter Parker: ein fleißiger Mann, der sich bemüht, mit der Kälte seiner Umwelt hadert, im Kostüm die gewünschte Macht findet, um seiner Familie zu geben, was sie verdient.

Aus diesem hoch interessanten Ansatz erwächst aber auch das größte Problem von “Spider-Man: Homecoming”. Es wird soviel Fokus auf die Probleme und die Gefahren des Superheldenlebens gelegt, dass die schiere Freude an der Superkraft, dem Heldentum und der Überlebensgröße verloren geht. Genau genommen ist “Spider-Man: Homecoming” trotz vieler gelungener Actionszenen kein Superheldenfilm, sondern ein Superhelden-Problemfilm. Die Adrenlin pumpende patriotische Begeisterung, mit der man aus Filmen wie “Iron Man” und “Captain America: Civil War” kommt, bleibt aus. Als Solo-Abenteuer fehlt ihm der subversive Humor von “Ant-Man”, auch wenn er inhaltlich deutlich mehr zu bieten hat.

Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass die Integration von Spider-Man in das Marvel-Universum unseren geliebten Netzschwinger halt doch deutlich kleiner macht. Es ist gewolltes Thema des Films und zugleich ein Manko, dass sehr deutlich wird, dass die Avengers in einer anderen Liga spielen – was Peter Parkers persönliches Dilemma ist, ist auch ein Dilemma von “Spider-Man: Homecoming”.

So war der Kino-Besuch für mich frustrierend: “Spider-Man: Homecoming” ist genau der richtige Ansatz, die Figur noch mal anders zu erzählen, sie trotz der Marvel-Connection eigenständig zu lassen, und Peter Park auf seine Comic-Wurzeln als Teenager zurück zu führen. Aber der richtige Ansatz führt zu einem Teenager-Superheldenfilm in einer Zeit, in der Superhelden längst auf jeder Ebene erwachsen geworden sind. Ich persönlich brauche keinen Marvel-Film, in dem es einen lustigen fetten Geek-Kumpel gibt, eine Highschool-Schönheit und einen Abschlussball.

Hinzu kommt Kleinkram, der immer wieder die glatte Perfektion der vorangeganenen Marvel-Filme bricht: die CGI wirkt teilweise schwächer als in den Raimi- und Webb-Filmen. Die für zukünftige Abenteuer nur marginal eingeführte neue “MJ” ist so überflüssig wie ein Kropf, gleiches gilt für “Flash”. Die Hightechnisierung des Spidey-Kostüms ist extrem unpassend.

Auf der Haben-Seite: Die erfreuliche Rückkehr von Pepper Potts, das neue Avengers-Hauptquartier, die Einführung von Damage Control. Ferris Bueller. Die großartige Umsetzung einer der legendärsten Szenen aus den Comics.

Was bleibt? Der Eindruck, dass Marvel nach den Webb-Filmen, die eierlos eine zu simplifizierte Variation der Raimi-Trilogie versuchten, den richtigen Weg gegangen ist, um Spider-Man neu zu denken und eine Rechtfertigung für einen weiteren Versuch zu finden. Aber dieser Weg ist steiniger als erwartet.

Fazit: Ein weitgehend gelungener Reboot und eine perfekte Integration Spider-Mans in das Marvel-Universum, dessen größtes Problem die Frage ist, wer wirklich einen Superheldenfilm mit einem 15jährigen Protagonisten sehen will.

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P.S.: “Spider-Man: Homecoming” hat das beschissenste internationale Plakat aller bisherigen Marvel-Filme (gleich danach kommt “Thor: Dark Kingdom”). Es wirkt wie zusammen gestümperte Fan-Art.

P.P.S.: Zwei Nachspannszenen, von denen die letzte (ganz ganz am Ende) entweder hysterisch meta oder eine offene Beleidigung der Fans ist. Your mileage may vary.



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dermax
dermax
10. August, 2017 09:52

Sehr ähnlich zu meinen Eindrücken, auch hier merkt man wieder das Geknarze, eine Bedrohung zu finden, die zwar gefährlich genug für den Helden, aber nicht genug für den Einsatz der Avengers ist, speziell beim finalen Kampf geht da die Logik zum Fenster raus.
Die vielen positiven Dinge wurden genannt, Keaton würde ich auch noch hervorheben, mich hat noch gestört:
– das Spidey-Kostüm als Quasi-Ironman-Rüstung, nur ohne Metall
– hängt der Stark/Potts-Beziehungsstatus jetzt immer von Paltrows Verfügbarkeit ab?
– Aftercredit ist schon seit längerem Publikums-Veräppelung bei Marvel, ich würd ja früher gehen, aber wie in einem abgedunkelten vollbesetzten Kino

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
10. August, 2017 11:17

Launiger Spider-Man-Film, der die unsäglichen Amazing-Filme vergessen lässt und dank frischem Ansatz tatsächlich für zukünftige Fortsetzungen Hoffnung aufkommen lässt. Nur Jon Favreau soll endlich abhauen, seine “lustige” Klopsrolle war schon in Iron Man 2 zum Kotzen…

Markus
10. August, 2017 12:05

Ich bin da einfach nicht objektiv. Spider-Man ist zu Hause. Und ich bin ein glücklicher Zwölfjähriger. Trotzdem demnächst gerne weniger Schule, weniger Tony und Technik, mehr Spider-Man. Und vielleicht schon an der Uni, mit ‘nem Job als Fotograf… Aber Keaton ist großartig.

http://www.sitzkartoffel.de/?p=1086

Marko
10. August, 2017 12:19

Ich fand ihn großartig. Ich fand eigentlich Maguire einen idealen Spiderman und hab die Andrew-Garfield-Filme aus Prinzip schon boykottiert, weil ich gehört habe, dass die nur gemacht wurden, damit die Rechte nicht flöten gehen. Widerliche Praxis, sowas. Der neue Nicht-Maguire-Spiderman als MCU-Puzzleteil fühlt sich aber gut und richtig an, und den Darsteller mag ich auch.

Was die da allerdings bei dem Postermotiv geritten hat, ist mir unerklärlich. Sieht eher aus wie eine Mutprobe von Photoshop-Philipp als wie ein offizielles Plakat.

Eleganteres Motiv:
http://de.web.img3.acsta.net/c_215_290/pictures/17/05/26/14/52/070063.jpg

Smarteres Motiv:comment image

Der_Hanseat
Der_Hanseat
10. August, 2017 17:33

Wow – da frage ich vorsichtig nach den Chancen einer Review, und schwups setzt sich der Wortvogel ins Kino. Ich bin gerührt!

Inhaltlich war ich mit dem Film offensichtlich zufriedener als der Rezensent – allerdings kann ich die Frage, “wer einen Superheldenfilm mit einem 15jährigen Protagonisten sehen will” auch mit einem “gerne ich, warum nicht?” beantworten.

Dass Spider Man im MCU (zunächst) kleiner wird, sehe ich persönlich auch eher als Vorteil. Früher oder später wird es im MCU ja einen Generationenwechsel der Superhelden geben, und ich freue mich darauf, Spider Man “wachsen” zu sehen.

Und da das MCU – zumindest theoretisch – als endloses Projekt angelegt ist, ist es mE nur folgerichtig, wenn sich die Superhelden nicht alle auf dem selben Stand ihrer Entwicklung befinden.

Eine schwächere CGI konnte ich nicht nachvollziehen. Die CGI in den Raimi-Filmen war für die damalige Zeit sicherlich deutlich aufregender – aber wenn ich mir die Szenen aus dem 2002er Film heute auf YouTube angucke, sieht die CGI schon erkennbar älter aus.

Ansonsten kann ich eigentlich mit allen Punkten mitgehen – nur eben nicht mit der Schlussfolgerung 😉

Auf jeden Fall ein großes Danke für den Bericht!

Spider-Man sein Sohn
Spider-Man sein Sohn
10. August, 2017 19:53

Das von Tony Stark gepimpte Spidey-Kostüm stört mich vom Ansatz her nicht. Zum einen liefert es eine Antwort auf die Frage, die ich bei Maguire und Garfield nie ganz ausblenden konnte: woher haben Highschool-Schüler diese Kostüme (selbstgeschneidert sahen die jedenfalls nicht aus)? Und zum anderen wurde Peter Parker ja auch im Comic-Civil War von Tony technisiert und so zu Iron Spider. Von daher passt das schon.
Auch sein selbstgebasteltes Kostüm aus Kapuzenpulli und Jogginghose fand ich ganz sympathisch, allerdings vielleicht sogar doch etwas zu rudimentär.

Für einen weiteren Film würde ich mir allerdings wünschen, vielleicht, wenn er von den Autoren seinen Spinnensinn bekommt, dass er sich auf seine eigenen Stärken besinnt, das Kostüm behält, aber den ganzen Technik-Kram rausschmeißt.

invincible warrior
invincible warrior
11. August, 2017 04:42

Ich mochte den Film wirklich und was mir etwas fehlte in der Review: Der Film wirkt wie ein John Hughes Superheldenfilm – und das sehr überzeugend. Das letzte mal, dass ich so nach einem Film empfand war bei Easy A, der ja auch als Hommage gedreht wurde. Dazu passend wurde auch ein Foto (nicht sicher ob es ein offizielles Poster ist) veröffentlicht:comment image

Ansonsten muss ich noch anmerken, dass ich äußerst positiv vom Twist überrascht wurde. Am Anfang habe ich gedacht: WTF macht Liz eigentlich mit so reichen Eltern auf so ner Schule (was wohl auch als Hughes Witz gelangweilte Lehrer aus der Sicht der Schüler zeigt). Das hatte mich regelrecht gestört während der Party und dann bam. Der wurde ordentlich aufgebaut, allerdings ohne mit dem Gartenzaun zu winken. Das passiert bei mir selten, dass ich überzeugend überrascht werde. Zudem spielt Michael Keaton seine Rolle sehr gut.

Heino
Heino
11. August, 2017 07:13

Ich stimme dir in jedem Punkt zu und stelle mit bedauern fest, dass Filme nach dem Ansatz von John Hughes bei mir leider nicht mehr so gut funktionieren wie früher. Noch ein paar Anmerkungen:

– die Szene mit der Fähre war komplett unnötig, da es sehr ähnliche schon in den ersten beiden von Raimi und auch im ersten von Webb gab

– die Idee, dass Tony der Mentor von Peter wird, klingt auf dem Papier ganz putzig, beraubt Peter Parker aber dessen, was ihn ausmacht. Nämlich, dass er tatsächlich nicht nur ein guter Schüler, sondern ein Genie ist. Das haben auf andere Weise die anderen Filme aber auch gemacht

– schön, dass endlich mal ein Cast mit mehr als 2 Ethnien in einem solchen Film zu sehen ist. Allerdings hat man es hier in meinen Augen schon extrem übertrieben, denn es macht streckenweise fast den Eindruck, als wäre Peter der einzige weiße Schüler an der Highschool und dass er jetzt als weißes Milchbrot von allen dunkelhäutigen Mädchen umschwärmt wird, wirkte schon etwas seltsam auf mich

– MJ ist jetzt also die streetsmarte sarkastische Bitch. Das kann mich eher nicht begeistern

Es bleibt noch festzuhalten, dass Jon Watts wie schon bei “Cop Car” einfach keinen durchgehenden Spannungsbogen hinbekommt und sich im Mittelteil erhebliche Längen eingeschlichen haben

heino
heino
11. August, 2017 19:41

In der Tat, der Quotenbehinderte hat da noch gefehlt. Im nächsten Film sind dann wahrscheinlich alle sexuellen Varianten vertreten, um auch ja jedes potentielle Kundensegment abzudecken und niemandem einen Grund für einen Shitstorm zu liefern……

Und die versuchten Parallelen zu den Hughes-Filmen fand ich ziemlich aufdringlich und wenig gelungen. Der Ferris Bueller-Einspieler war da doch auch der metaphorische Holzhammer, um es auch dem langsamsten Zuschauer nahe zu bringen