25
Jul 2017

Here’s what happened: Diesel ist Super – oder eben nicht

Themen: Neues |

Mein erster Roller war ein Sym (auch Sanyang) Flash 50. So ein Baumarkt-Scooter in knallrot und Plastik, der eigentlich zu klein für einen erwachsenen Mann war und an der Ampel keine 16jährige beeindrucken konnte. Mir war das egal, weil ich den Roller 1997 nur deswegen gekauft hatte, um mal anzutesten, ob so ein Gefährt zu mir passt. 899 Deutschmark bei der Metro, wenn ich mich recht erinnere.

Häme bin ich grundsätzlich mit dem Hinweis entgegen getreten, dass man sich seiner Männlichkeit SEHR sicher sein muss, um so einen Plastikschrabbel zu fahren. Der Kleine machte ja auch, was er sollte, knatterte mich zuverlässig für fünf Jahre durch München, bevor er gegen einen Aprilia Habana Custom ausgetauscht wurde. Seinen Lebensabend hat der Sym in Belgien verbracht.

Eine Sache habe ich mit dem Sym allerdings erlebt, die mir im Rahmen dieser Anekdoten berichtenswert erscheint. Eine Weile lang besaß ich neben dem Roller nämlich noch einen VW Lupo 3L, das Auto mit dem niedrigsten Verbrauch der Welt (was man momentanen Enthüllungen nach vermutlich auch nicht mehr glauben sollte). Der Lupo wurde mit Diesel betankt, der Sym mit Super.

So etwas sollte man nicht verwechseln.

Ihr ahnt, was jetzt kommt.

Es war ein langer Abend im Büro, ich stellte fest, dass der Rollertank fast leer war, fuhr an die Tanke gegenüber. Es ist seltsam, wie das Gehirn manchmal arbeitet: an der Kasse fiel mir unterbewusst durchaus auf, dass ich erstaunlich wenig bezahlen musste. Es hatte nur keine Konsequenz, die sich aggressiv ins Blickfeld schob.

Nach zweihundert, dreihundert Metern fing der Roller an zu stottern, der Auspuff hustete unnatürlich dunklen Rauch, in Höhe des Stachus versagte der Motor des Dienst. Ein Blick auf die Tankquittung in der Brieftasche bestätigte meinen Verdacht: Ich hatte Diesel getankt.

Was tun, sprach der Scheich?!

Ich gebe zu, dass ich völlig überfordert war. Meine Mechaniker-Expertise ging gegen Null, in meinem Bekanntenkreis befand sich kein Schrauber – und ob sich der ADAC mit so etwas rumschlagen würde, durfte bezweifelt werden. Klar hätte ich den Roller zur Tanke zurück schieben können. Aber was dann?!

So trabte ich zu einer ANDEREN Tankstelle (es war mir peinlich), kaufte einen Kanister und fünf Liter Super. Den Roller schob ich in eine Seitenstraße. Dann tat ich etwas, das so verrückt wie illegal und umweltschädlich war: Ich wuchtete den Roller herum, drehte ihn auf den Kopf und platzierte ihn direkt über einem Gully.

Ja genau: Ich schüttete den gesamten Roller in einen Gully aus.

Ich bin nicht stolz darauf.

Abgesehen von der völligen Spackigkeit der Aktion muss das auch noch sehr seltsam ausgesehen haben: ein kompletter Roller mit den Reifen nach oben, an dem ein Typ rüttelt, damit auch noch der letzte Tropfen Diesel raus kommt.

Damit war zumindest im Tank kein falscher Treibstoff mehr. Ich stellte den Sym 50 wieder richtig hin und füllte das Super ein. Mir war bewusst, dass ich damit mein Problem noch nicht gelöst hatte: Der Diesel war immer noch im Motor. Und es war durchaus nicht unwahrscheinlich, dass der Plastikkoreaner damit geschrottet war. Aber ich wollte es wenigstens versuchen. Also drückte ich den elektrischen Anlasser. Der Motor jammerte ein wenig, sprang aber nicht an. Ich wiederholte den Versuch zehn oder zwölfmal, bis die schlappe Batterie die Mitarbeit verweigerte.

Dann trat ich auf den Kickstarter. Der Motor spuckte. Nichts. Nochmal. Sprött sprött. Nichts. Aber ich wollte, ich konnte nicht aufgeben. Aufgeben hätte bedeutet, den Roller zu einem Stück Schrott zu erklären. Dazu war ich nicht bereit.

Ich muss mindestens eine Viertelstunde getreten haben, immer und immer wieder. Manchmal merkte ich, wie der Motor kurz davor war, anzuspringen, dann aber doch wieder absoff. Meine Waden taten weh, meine Jeans war längst versaut. Egal. Weiter treten, weiter hoffen.

Plötzlich: brrrr…….UMMMM!!! Brumm, wrumm, pfrmmm….!!!

Er lief wieder!

Hinten kam schwarzer Rauch in einer Menge aus dem Auspuff, die vermutlich alleine schon Smogalarm in der Münchner Innenstadt hätte auslösen können. Wenn Krebs ein Gesicht hat, dann konnte ich ihn in diesem Moment in den Nachthimmel wölken sehen.

Nächste Gewissensfrage: was nun? Laufen lassen, bis der Rauch sich normalisiert hatte? Fahren, um den Motor in Schwung zu bringen und durch Verbrauch das Super in alle Schläuche und Kammern zu zwingen?

Ich entschied mich für Letzteres. Ich wollte ja auch heim. Endlich heim. Und so setzte ich den Helm auf, den ich jetzt beruhigend anonymisierend fand, und knatterte mit einer spektakulär gruseligen Rauchfahne am Auspuff in Richtung Schwabing. Die Befürchtung, irgendeiner Polizeistreife über den Weg zu fahren, hielt mein Herz fest umklammert. Aber zumindest in dieser Beziehung sollte ich heute Abend Glück haben.

Es dauerte mehrere Kilometer, bis der schwarze Rauch erst weiß wurde, und dann immer dünner. Kurz vor der heimischen Haustüre hatten Abgase und Fahrverhalten wieder ihr normales Niveau erreicht.

Zu meiner Überraschung hat der Sym 50 sein Diesel-Abenteuer ohne dauerhafte Schäden überstanden. Mein schlechtes Gewissen, fünf Liter Diesel in die Münchner Kanalisation geschüttet zu haben, bin ich allerdings nie wieder los geworden.

Und es gibt peinlicherweise einen aktuellen Anlass, warum ich euch gerade heute diese Geschichte erzählt habe. Aber davon ein andermal…



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Markus
Markus
25. Juli, 2017 17:01

Ein peinlicher Cliffhänger covfefe

sergej
sergej
25. Juli, 2017 17:38

Spielt in der neuen Geschichte ein Mietwagen eine unfreiwilliger Rolle?

invincible warrior
invincible warrior
26. Juli, 2017 04:48

Hatte ich auch mal fast geschafft beim A6 meines Vaters, war noch jung und, obwohl ich das schon mehrmals gemacht hatte, bin ich da irgendwie gedankenverloren gewesen (kann sein, dass ich da erst den Benzinkanister fuer den Rasenmaeher aufgetankt hatte) und hatte dann Benzin reinpumpen lassen. Gluecklicherweise war das aber bei unser Stammtanke und da hat der Tankwart, als er mich da sah, direkt wieder Pumpe ausgestellt. So kam da nur 1 Liter oder so in den Riesentank, der dann einfach mit dem Diesel verwaessert wurde. Haben zum Glueck nix gemerkt.
Wie ich so lese, ist Diesel im Benziner dagegen viel weniger schaedlich, das kann man wirklich auspumpen und zerstoert nicht gleich die ganze Anlage. Da kann man dann einfach mit deiner Methode arbeiten. Aber soll wohl eh eher ausgeschlossen sein, da die Zapfhaene nicht reinpassen. Falls das stimmt, kann man sich aber gleich fragen, wieso es nicht umgekehrt ist, wenn Diesel in Benziner viel unschaedlicher ist.

Peroy
Peroy
26. Juli, 2017 14:23

Treibstoff innen Gully kippen, aber in selbstgerechtem Zorn anderer Leute Zigarettenkippen zurück ins Auto schnippen… find’ ich gut…

hilti
hilti
27. Juli, 2017 00:00

Bei der Vorstellung wie der Wortvogel den Roller kopfüber übern Gulli entleert hab ich schallend gelacht. Weiß nicht ob ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre.

Martin Däniken
Martin Däniken
27. Juli, 2017 01:08

Ob der Wortvogel diese Geschichte auch zum Besten geben könnte,wenn er dem ersten Impuls nachgebend mit nem Streichholz brennenderweise nachgeschaut hätte 😉 !

Marcus
Marcus
27. Juli, 2017 17:09

@Martin: kann er machen, Diesel kann man nicht so leicht entzünden. (Nicht, dass ich es freiwillig ausprobieren würde… 😉 )