Kino Kritik: Mindhorn
Themen: Film, TV & Presse, Neues |England 2016. Regie: Sean Foley. Darsteller: Julian Barratt, Simon Farnaby, Essie Davis, Russell Tovey, Steve Coogan, Andrea Riseborough, Kenneth Branagh, Simon Callow u.a.
Story: Richard Thorncroft war Ende der 80er als Detektiv "Mindhorn" in England für kurze Zeit so etwas wie ein Star. Aber der Erfolg stieg ihm zu Kopf, er scheiterte in Hollywood und ausgerechnet sein gedemütigter Sidekick wurde mit dem Spinoff "Windjammer" zum Dauerbrenner auf britischen Bildschirmen. Thorncroft, reduziert auf peinliche Werbespots und magere Gastauftritte, sieht die Bitte des Polizeipräsidiums der Isle of Man, ihnen bei der Jagd nach einem Killer mit Mindhorn-Fetisch zu helfen, als zweite Chance. Dass er sich dabei in Nullkommanichts wieder als egomaner Vollpfosten outet, wundert nicht einmal seine ehemalige Geliebte und Serienpartnerin Patricia, die nun mit seinem Ex-Stuntdouble zusammen lebt. Aber vielleicht kann "Mindhorn" doch noch mal die Kurve kriegen…
Kritik: "Mindhorn" ist eine Komödie, die genau genommen nur für diese Generation funktionieren kann, weil sie ein recht präzises Wissen um die Klischees und die Produktionsmethoden von TV-Serien der 80er voraussetzt, einen gewissen Insight in den Wahnsinn der Prominenz und Pseudo-Prominenz. Sie baut außerdem auf die Prinzipien der "cringe comedy" auf, wie sie maßgeblich von "The Office" 2001 entwickelt wurden. Von da aus lässt sich schließlich eine vergleichsweise gerade Linie ziehen zu Serien, die von Serienstars handeln: "Extras", "Entourage", "Garth Marenghi’s Dark Place", "Curb your enthusiasm", "Toast of London" und neulich erst "The Grinder". Es sind Serien, die im Versagen ihren Humor suchen, in den Fehlbarkeiten der Figuren, ihrer Ignoranz, aber auch ihrer liebenswürdigen Sturheit.
Und so ist Richard Thorncroft natürlich jemand, der nur von sich selbst als Held und Star gesehen wird – alle anderen erkennen sofort den abgehalfterten Loser, der immer noch glaubt, zwei oder drei Staffeln vor 30 Jahren hätten Ruhm für die Ewigkeit garantiert. Und es ist durchaus bezeichnend, dass nur ein (scheinbar) gestörter Killer die Begeisterung für den depperten "Mindhorn" teilt.
Das alles ist mit viel Kenntnis über die Mechanismen der TV-Branche geschrieben, von Comedians, die teilweise seit Jahren durch genau diese Industrie touren. Viele Witze auf Kosten von Thorncroft sind mit Sicherheit schmerzhafte Erinnerungen der Autoren. Jeder kennt einen Thorncroft – jeder könnte einer werden.
Alle Beteiligten haben sichtlich Spaß an der Sache, auch Gaststars wie Steve Coogan und Kenneth Branagh. Falls sich der eine oder andere Zuschauer übrigens fragt, woher er "Patricia" schon kennt – Essie Davis war die beeindruckende Hauptdarstellerin in "Babadook".
Es ehrt den Film, dass er über die Klamotte hinaus auch noch versucht, tatsächlich einen halbwegs brauchbaren Krimiplot zu konstruieren, statt sich nur auf Kosten der Figuren zu amüsieren. Langsam, schleichend baut die Komödie Richard Thorncroft nämlich zu einem fast echten Detektiv auf, einer zugleich abstrakten und doch plausiblen Karikatur seiner eigenen TV-Figur, die in der Wirklichkeit da funktioniert, wo sie eigentlich scheitern müsste.
Hübsch ist die Liebe zum Detail – die Macher des Films haben das in der Handlung nur erwähnte Musikstück von Richard Thorncroft samt Video im Stil der 80er produziert:
Wer also ein Faible für schräge britische Komödien mit viel Insider-Gags hat, der ist hier genau richtig.
Was mir noch erwähnenswert scheint, ist die Tatsache, dass Netflix mal wieder als Retter des Midbudget-Films auftritt. In letzter Zeit sind erstaunlich viele Filme einer Preisklasse, die für Kino zu klein und für DVD zu groß ist, von dem Streaming-Dienst für die exklusive internationale Vermarktung aufgegriffen worden. Ich begrüße das ausdrücklich, ist der Kinomarkt doch mittlerweile fast ausschließlich Blockbustern und ein paar regionalen Produktionen offen, während der Scheiben-Release etwas von einer Sondermüll-Verklappung ohne Promotion-Effekt hat. Netflix übernimmt damit als Vertrieb das Modell kleinerer Verleiher und Kinos der 80er. Ohne den Streaming-Dienst wäre "Mindhorn" außerhalb des Königreichs sonst sicher völlig untergegangen.
Es ist übrigens eine sympathische Fußnote der TV-Geschichte, dass der gerade verstorbene Adam West Anfang der 90er mit "Lookwell!" praktisch das gleiche Konzept schon einmal versucht hatte – die Pilotepisode gibt’s hier:
Fazit: Eine sarkastische, sympathische Krimikomödie für TV-Junkies, der nach der ersten halben Stunde ein wenig der Saft ausgeht, die aber mit schierer Eierschaukelei noch sicher ins Ziel kommt.
"Falls sich der eine oder andere Zuschauer übrigens fragt, woher er „Patricia“ schon kennt – Essie Davis war die beeindruckende Hauptdarstellerin in „Babadook“."
Danke, aber als Fan der australischen Serie "Miss Fisher’s Murder Mysteries" frage ich mich das nicht. 😉
Also ein Film für genau mich. Ist notiert, danke.
Bin kein allzu großer Komödien-Freund, aber dieser sympathische, kurzweilige Streifen hat auch mich gut über die 90 Minuten gebracht.
I’M THE BRINGER OF THE GINGA!