12
Jul 2017

Abandoned: Sony Playstation Fitness Machine

Themen: Abandoned |

Ich merke es auch gerade beim Sport wieder: Mein Gehirn braucht mehr Bewegung als meine Beine. Ich kann nicht einfach “an nichts denken” oder “die Umwelt auf mich wirken lassen”. In der Badewanne, im Bett, an der Bushaltestelle, im Sprechzimmer des Zahnarztes – IRGENDWAS muss mich ablenken. Ich bin nicht gut auf “Standby”.

Natürlich ist auch DAS mal bei Dilbert angemessen illustriert worden:

Deshalb besaß ich früher viele Reclam-Heftchen und hatte den SPIEGEL abonniert. Heute übernimmt das mein Tablet, im Notfall mein Smartphone.

Es wird niemanden überraschen, dass ich auch im Fitnessstudio vor 20 Jahren weniger über mein (weitgehend erfolgloses) Training nachgedacht habe als über die Möglichkeiten, das Training etwas interessanter zu gestalten. Die Muckibude ist schließlich eine ganz besondere Form von Folter, weil man dröge Eisen stemmt, aber nebenher kein Taschenbuch halten kann. Allenfalls hing damals an der Decke ein Fernseher mit MTV oder CNN, was beides nicht prickelnd war.

Auf einem Trainingsrad strampelnd kam mir irgendwann die Idee, dass man Sport & Spaß doch eigentlich gewinnbringend kombinieren könne. Binnen weniger Minuten stoppelte ich mir ein Geschäftsmodell zusammen, das ich nun mit euch teilen möchte.

Ausgangspunkt meiner Gedanken war die Tatsache, dass Rudermaschine, Laufband und Trainingsrad im Grunde genommen “outdoor” simulieren, ohne die visuellen Reize dazu zu bieten. Man müht sich, ohne je anzukommen. Start und Ziel sind gleich – die Muckibude bewegt sich keinen Millimeter. Radfahren und Laufen wird degradiert zu einem mechanischen Bewegungsablauf ohne Mehrwert. Das frustriert.

Warum nicht eine zumindest grobe Simulation des tatsächlichen Vorgangs liefern? Erst vor kurzem hatte ich in einer Düsseldorfer Spielhalle diesen Automaten gesehen, der die richtigen Ansätze lieferte:

Propcycle war ein aufwändiger Arcade-Automat, bei dem man die Figur durch kräftiges Radeln vorantrieb und mit dem Lenker steuerte. Dabei ging es durch eine pfiffige dreidimensionale Fantasywelt:

https://www.youtube.com/watch?v=QiAI3McfRag&t=38s

Das war eigentlich perfekt für das Fitness-Studio, denn es lenkte von der Mühsal der Maschine ab und führte mit der Punktevergabe ein kompetetives Element ein.

Allerdings war die Maschine in DIESER Form zu komplex, zu teuer, und zu unflexibel.

Zuerst einmal warf ich die Fantasywelten über Bord. Ich war überzeugt davon, dass eine Sportmaschine den realen Ablauf simulieren müsse. Das Eindenken in eine Spielwelt würde die meisten Besucher des Studios sicher überfordern und/oder verunsichern. Niedrige Einstiegshürden waren wichtig.

Also simulierte Kurse in einer “realen” Welt. Für das Laufband Strecken am Meer, durch den Wald, durch die Stadt, vielleicht auch bei Tag oder bei Nacht. Für die Rudermaschine Ausflüge auf den Rhein, aber auch in Wildwasserflüsse und Vulkanseen. Die Radfahrer unter den Studio-Kunden sollten die Auswahl zwischen Berg- und Straßenstrecken haben, zwischen denen sie an ganz normalen Gabelungen würden wählen können.

Dann überlegte ich, wie sich das System günstiger gestalten lassen würde. Der Namco-Automat kostete eine lässige fünfstellige Summe – zuviel, um jede Muckibude damit auszustatten. Auch für die Betreiber galt: Einstiegshürden niedrig setzen.

Ich malte mir eine Kombination von “off the shelf”-TV-Geräten (damals noch Röhre) mit einer einfachen Sony Playstation und einem Kettler Rad/Rudergerät/Laufband aus, verbunden durch eine lackierte Sperrholzkonstruktion, die das technische Innere verbarg und schützte. Nach meinen groben Berechnungen sollte der reine Einkaufspreis der Komponenten keine 1500 Mark überschreiten. Fertig montiert fand ich 3000-4500 Euro je nach Ausführung realistisch. Natürlich würde es auch limitierte, wertigere Editionen und Sondermodelle für Großabnehmer geben.

Das System war so geplant, dass das Rad oder Rudergerät als Controller fungiert und die Daten von Pedalen/Rudern und evtl. Lenkrad sowie der Bremse an die Playstation weitergibt, die ihre auf dem Fernseher dargestellte Strecke entsprechend anpasst. Es sollte Level geben, Highscores, aber auch simple “fun runs” für Leute, denen es nicht um Punkte ging. Das Laufband wiederum würde die Geschwindigkeiten vorgeben und weniger Feedback zur Maschine liefern.

Technisch herausfordernd, aber allemal mit vorhandenen Mitteln machbar.

Nicht unwichtig ist bei so einem Projekt auch die dauerhafte Generierung von Umsatz. Man will ja nicht nur einmal mit der Maschine Geld verdienen, sondern dauerhaft. Ich plante daher so etwas wie ein “Content-Abo”: Die Betreiber der Fitnessstudios würden von meiner Firma monatlich mit neuen Strecken beliefert, entweder auf CD oder (damals noch sehr rudimentär) übers Internet.

Während dieses Abends in der Muckibude nahm die Sony Playstation Fitness Machine (Arbeitstitel) immer konkretere Formen an. Ich dachte darüber nach, wie man verschiedene Stationen vernetzen könne, um echte Wettbewerbe zu ermöglichen. Ein bundesweites Highscore-System. Teamsports. Dass man mit einem Münzeinwurf die Studios mitverdienen lassen könnte.

Die Eckdaten waren durchaus stimmig: Damals gab es schon über 5000 Fitnessstudios, mittlerweile sind es über 8000. Würde man nur ein Drittel davon mit ein paar Fitness Machines ausstatten (gerne in exklusiver Zusammenarbeit mit den großen Ketten) und diese über die Update-Verträge an sich binden, war eine saubere Gewinnmarge zu erwarten. Die Studios selbst hätten mit den neuen Supermaschinen werben können, die ein völlig neues Trainingserlebnis versprachen. Virtual Sports Worlds!

Nach der erfolgreichen Markteinführung wären Heimgeräte der nächste logische Schritt gewesen. Und Lizenzen. Und Meisterschaften. Und. Und. Und.

Aber natürlich wurde nichts draus. Ich bin kein Unternehmer, niemand, der physische Produkte herstellen möchte. Es war nur ein Gedankenspiel. Allerdings eines, das über die Jahre immer zwingender wurde und dessen Umsetzung 2017 DEUTLICH einfacher wäre als 1997 – sowohl von den Kosten der Hardware als auch vom Platzbedarf und der verfügbaren Software. Meine Sony Playstation Fitness Machine könnte heute 500 Euro kosten und die gefahrenen Rennen per Bluetooth auf meinem Handy auswerten.

So simpel könnte das aussehen:

Und gerade WEIL es so einfach wäre und mir der Gedanke so zwingend erscheint, verstehe ich nicht, dass es bis auf Nischengeräte nie probiert wurde, so etwas umzusetzen. Auch bei der Nintendo Wii wurde versäumt, die sportlichen Möglichkeiten aus dem Wohnzimmer heraus zu holen und in die Sporthallen und die Fitnessstudios zu verlagern. Mit professioneller Software und ebensolcher Anleitung hätten sich viele Couch Potatoes zum Training motivieren lassen, davon bin ich überzeugt.

WIE einfach solche Systeme funktionieren können, habe ich vor zwei Wochen im “Haus der Natur” am Feldberg gesehen, wo eine vereinfachte Version der Idee installiert ist:

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Wegen dieser Version bin ich überhaupt drauf gekommen, euch endlich mal von der Idee meiner Sony Playstation Fitness Machine zu erzählen.

Habt ihr eine Meinung dazu? Verpasste Chance oder Hirnfurz? Würde euch so etwas interessieren? Oder muss Sport frustrierend und öde sein?



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22 Kommentare
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Feivel
Feivel
12. Juli, 2017 16:41

Gibt es soetwas nicht schon längst marktreif, zum Beispiel von der Firma Tomahawk? Nennen tut sich der Spaß Indoor Cycling Simulator.
(z.B. https://www.youtube.com/watch?v=FqjQVGVgk6c)

Sehr cool finde ich persönlich die skandinavische Umsetzung(sskizze):
http://www.activetainment.com/#ebove

Feivel
Feivel
12. Juli, 2017 16:58

Dann gibt es nicht nur von Dilbert, sondern auch von Munroe einen Comic für dich 🙂
https://xkcd.com/827/

Ich persönlich bin da so ziemlich auf deiner Linie und habe in meiner Fitness-Center-Zeit die Leute auf den Spinning-Rädern immer argwöhnisch interessiert beobachtet – wie vermag man Teil dieses elitären Clubs zu werden, die einfach mal zwei Stunden auf der Stelle pedalieren?
Wobei es neben dem klassischen Hörbuch, dass man sich dabei reinzieht, auch damals schon die Profis gab, die nebenbei ein Buch oder ein Magazin lesen konnten..

Warum es die Dinger nicht überall gibt? Weil es Ende doch nur eine Kopie ist. Das Original gibts nur draußen.

Uli
Uli
12. Juli, 2017 16:59

Ende der 90er gab es in meinem damaligen Fitnessstudio auch so einen Fahrradautomat wie oben, aber kleiner und ohne Punktesytem. Im Spiel konnte man “nur” auf einer Insel 2-3 Strecken abfahren oder frei Schnauze, sogar unter Wasser. Leider fällt mit der Name beim besten Willen nicht mehr ein.

Auch wenn ich Fitnessstudios inzwischen meide, finde ich die Idee immer noch cool. Ich glaube aber auch, dass viele Menschen tatsächlich Sport als etwas ernstes ansehen, bei dem man bitte keinen Spaß haben darf. Oder die wie erwähnt “abschalten” und gar keine zusätzlichen Stimuli wollen.

heino
heino
12. Juli, 2017 17:20

In dem von mir genutzten Fitness-Studio haben die Laufbänder einen Bildschirm, über den man jede Menge Apps (u.a. Netflix, Facebook, Instagram, Youtube) nutzen kann. Allerdings trifft das auf keines der anderen Geräte zu. Ich benutze auf dem Laufband, dem Crosstrainer oder dem Fahrrad immer meinen Ebook-Reader, das reicht mir vollkommen. MP3-Player macht keinen Sinn, weil die Musik im Studio sehr laut ist und ich mir nicht die Ohren vollends ruinieren will.

Ich sehe das Problem bei deiner Idee eher darin, dass es dazu führen könnte, dass die Teile wegen des Spassfaktors ständig von den selben Leuten besetzt sein könnten.

“Oder muss Sport frustrierend und öde sein?”

Ich glaube nicht, dass der typische Fitness Center-Kunde das so empfindet. Und ich sehe immer mehr Leute, die in den kurzen Pausen zwischen den Einheiten ständig auf ihr Smartphone starren. Von den Honks, die sich so geil finden, dass sie beim Stemmen der Gewichte Selfies machen und sofort posten, mal ganz abgesehen.

Jake
Jake
12. Juli, 2017 17:51

Das ist jetzt zwar nicht das, was Torsten sich vorstellt, aber für den Heimgebrauch scheint unter Radsportlern die Onlineplattform “Zwift” schon ‘ne große Nummer und dem Nischendasein entwachsen zu sein. Im aktuellen SPIEGEL gibt’s einen Artikel dazu. Demnach nutzen weltweit mehr als 120.000 Amateure und Profis “Zwift”. Es geht in dem Artikel darum, dass ein deutsches Frauen-Profi-Radteam erstmals eine Fahrerin mittels einen mehrwöchigen virtuellen Wettkampfs über “Zwift” rekrutierte. Zitat aus dem Artikel:

“Dort können Radfahrer über das Internet allein, zusammen oder gegeneinander in einer virtuellen Welt fahren – zu jeder Zeit, an jedem Ort der Welt, für zehn Dollar im Monatsabo. Dazu stellen die User das Hinterrad ihres Bikes in einen Rollentrainer, verbinden das Gerät über Funk mit der Zwift-App auf dem Laptop und treten los. […] Den Widerstand bei Anstiegen überträgt die App auf eine Bremse im Rollentrainer. Auf dem Computer sieht der Sportler seinen Avatar strampeln, dazu Live-Daten wie Geschwindigkeit, Wattwerte, Herzfrequenz.”

https://www.speed-ville.de/zwift-anleitung-tipps-tricks/

Karsten Scholz
12. Juli, 2017 19:41

Ablenkung beim Radeln, da kam mir aus irgendeinem Grund die zweite Folge von Black Mirror in den Sinn 😀

https://www.youtube.com/watch?v=Q5DM9vq-iV8

S-Man
S-Man
12. Juli, 2017 21:07

Das allererste Fitnessstudio, dass ich je betrat, hatte eine Rudermaschine mit einem kleinen angeschlossenen Röhrenmonitor. Darauf ein Spiel, Look and Feel wie die damaligen Winter/Summer Games. Ein ein einfacher Ruderwettkampf in Pixeloptik. Eingabegerät war natürlich die Rudermaschine.

Habe ich danach nie wieder gesehen. Bin bis heute von jedem Fitnessstudio enttäuscht, dass das nicht hat.

Jake
Jake
12. Juli, 2017 22:47

@S-Man: Jetzt wo Du’s erwähnst – daran kann ich mich auch erinnern! Muss so ca. Ende der Achtziger gewesen sein. Mein Dad hat mich damals manchmal ins Fitnessstudio mitgenommen und ich bin dann wegen dem Spiel immer die meiste Zeit auf dem Ruderergometer gehockt. Ich meine mich zu erinnern, dass es da noch einen Spielmodus gab, bei dem man von einem Hai verfolgt wurde. Das war tatsächlich sehr amüsant.

invincible warrior
invincible warrior
13. Juli, 2017 04:40

Mhhh, ich bevorzuge doch klar meine eigene Aufnahmensammlung oder Netflix, wenn ich auf dem Trimrad etc bin. Wenn ich Natur sehen will, dann geh ich auf ein richtiges Rad. 🙂
Kann aber auch verstehen, dass sich das nie durchgesetzt hat. Vielen Kunden ist es glaube ich herzlich egal als Feature und dazu kostet es dann doch zu viel und vor allem nimmt es zu viel Platz weg. Ich kann mir aber sehr wohl vorstellen, dass sowas abgeht, sobald die VR Brillen nicht mehr so schwer und klobig sind. Dann steckt man sich seine VR Brille ins Smartphone, startet die passende App und ab gehts. Die Smartphones sollten das heute eigentlich schon theoretisch koennen mit all den Fitnessfeatures.

Das ganze gibt es uebrigens schon seit dem Super Nintendo: https://www.youtube.com/watch?v=s6qtGq-vqds

comicfreak
13. Juli, 2017 13:11

..hab den Göttergatten gefragt:
“Dafür ist Sport da, dass du was für deine Gesundheit tust und das Gehirn so lange abschaltest!”

Umpf. Ich brauche immer was für den Kopf und die Hände. Aquajogging nur mit redseliger Freundin oder Hörbuch. Ich finde es schon tödlich, dass ich beim Bügeln zwar zur Ablenkung was hören kann, aber nicht gleichzeitig malen oder Korbflechten..

gerrit
gerrit
13. Juli, 2017 16:43

Beim Genussradeln im Studio spiele ich gerne Quizduell bzw. wordfeud.
@Feivel: Einfach mal machen! Als Faustregel: pro angefangene Stunde 1,5 Liter Wasser mitnehmen und währenddessen trinken. Ein guter Trainer wird auf den Neuling in dir Rücksicht nehmen.

Sigur Ros
Sigur Ros
13. Juli, 2017 21:44

Ich finde die Idee prinzipiell auch genial – das sind so Ideen, auf die ich selbst nie gekommen wäre, die aber doch so simpel und naheliegend sind, dass man sich wundert, dass sie sich nicht schon längst durchgesetzt haben. Ich denke, ein Grund dafür ist aber sicher auch, dass ein Fitness-Studio keine Spielhalle ist – wer in die Muckibude geht, dem geht es wohl eher weniger darum, Spaß beim Sport zu haben, sondern eher um persönlichen Ehrgeiz und darum, abnehmen zu wollen/müssen. In Spielhallen und Vergnügungsparks sehe ich wesentlich eher Potenzial für sowas, denn dort erreicht man Leute, die eher nicht ins Fitnessstudio gehen.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
14. Juli, 2017 09:36

“In der Spielhalle will sich aber niemand körperlich anstrengen.”

Geh mal in eine japanische Spielhalle und schau dir ein beliebiges Tanz- oder Trommelspiel an – da strengen sich die Spieler mehr an als manch einer hier im Fitnessstudio 😉

Kai
Kai
16. Juli, 2017 12:14

Ich laufe ganz gerne mal mit dem hier: https://www.runtastic.com/de/storyrunning

Das ist ganz nett gemacht, lenkt ein bisschen ab und motiviert sogar.

Früher hier als Vizemeister bekannt

VirZOOM Arcade: https://www.virzoom.com/
Sport treiben, in VR Welten abtauchen. Ich fands mit der PSVR nicht so dolle, aber da muss wohl wirklich das Bike noch dazu um das ganze richtig zu erleben.

Dann war vor ein paar Jahren während ner Tour de France auch permanent eine Werbung auf Eurosport für einen Radelsimulator, weiß aber nicht mehr wie der hieß. Die Idee lebt also.

Andreas
25. Juli, 2017 11:39

Ich hatte auch schon mal mit Zwift geliebäugelt, auch wenn das natürlich nur was für den passionierten Radfahrer ist und “Menchen, die auf Laubänder starren” nicht wirklich hilft. Vorteil: Anschaffungskosten sind recht gering, als Bildschirm kann ein vorhandenes Tablet oder Fernseher eingesetzt werden. Und wer mag, kann sogar sein normales Rad für dieses Indoor-Training nutzen.

Spätestens zum Herbst hin muss ich mir das noch mal genauer anschauen.