28
Jun 2017

Konzert Kritik: Pet Shop Boys

Themen: Neues |

Ich war nie ein Mega-Fan von PSB, aber immer ein Verehrer ihrer großen Hits und ein Bewunderer ihres großen Einflusses in Sachen Elektropop. Darum scheute ich mich auch 1992 (?) nicht, sie mir in der Olympiahalle in München anzuschauen. Es war ein fetter Event mit Dutzenden von Sets, Kostümen und Tänzern – als Versuch, den doch relativ mauen Schauwert der Herren Tennant & Lowe auszugleichen. Hinterher gab es Presseberichte, dass dabei Millionen verbraten wurden.

2011 sah ich sie im Olympiastadion wieder – als Vorgruppe von Take That. Sound mies, Tennant gelangweilt. Insgesamt eine sehr ernüchternde Angelegenheit. Es gilt noch, was ich damals schrieb: “In einer gerechten Welt wären Take That die Vorgruppe von Pet Shop Boys.”

2012 ein Zufallstreffen – die Band trat gerade auf dem Trafalgar Square auf, als wir in London ankamen. Abgefahren.

Und vorgestern war es mal wieder soweit – die “Super”-Tour brachte die Pet Shop Boys erstmals nach Baden-Baden. Der Wortvogel war in Reihe 18, Platz 2, zu finden.

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Dass die Band heute keine Stadien mehr füllt und auch den Aufwand von Justin Timberlake meidet, ließ die Frage aufkommen, wie PSB 2017 genug Schauwerte für ein solide gealtertes Publikum mit überdurchschnittlicher “gay attendance” liefern wollte.

Die Antwort: Ein Multimedia-Laser-Spektakel zwischen Kunst, Ibiza Mega-Disco und Daft Punk, die Zuschauer mit Licht und Bass beschießend, laut und bunt und schnell.

Vom ersten Moment an geht es druckvoll los, nach dem Intro folgt “Opportunities”, viele Songs gehen nahtlos ineinander über. Binnen Minuten stehen und hüpfen die Zuschauer, die Energie steckt an, gefeuert wird auf allen Zylindern. Die gesamte Wand hinter Tennant & Lowe, wohl an die 200 Quadratmeter, ist Projektionsfläche mal für geometrische Figuren, dann wieder für trippige SF-Animationen oder Tanz-Clips.

Abgesehen von ein paar neuen Nummern wird primär auf Bewährtes gesetzt, einige Klassiker sind aber immerhin funky neu abgemischt. Es ist ein sehr homogener “flow”, in dem “West End Girls” immer noch zu “New York City Boy” und “It’s a Sin” passt. An keiner Stelle gehen die Zuschauer verloren – da ist es nur konsequent, dass die Pet Shop Boys auch keinen Bruch durch eine Pause erlauben. Zwei Stunden Licht und Beat und Schweiß am Stück. Und für zwei Zugaben darf’s auch ein bisschen mehr sein.

Es fällt auf, dass Tennants sowieso nicht kräftige Stimme eher wie ein roter Faden durch das “best of” führt, hinter der Musik manchmal fast verschwindet. Angesichts der stampfenden Lebensfreude dieser Hitparade ist das aber verzeihlich. Ebenso, dass Tennant sich zwar mehr bewegt als 1992, aber seine Körpersprache immer noch auf dem Niveau von Roland Kaiser liegt. Wenigstens wirkt er gut gelaunt und entspannt.

Meine einzige echte Kritik: Es fehlt ein Song. So wie Bryan Ferry aus unerfindlichen Gründen “Oh yeah (on the radio)” für auslassbar hielt, verkneifen sich die Pet Shop Boys unfassbarerweise ihren in meinen Augen besten Song:

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Das ist unverzeihlich, wirklich. Auch deshalb, weil ich es in meiner Bryan Ferry-Kritik vorausgesehen hatte:

“Das ist ungefähr so, als würden die Pet Shop Boys „Suburbia“ weglassen oder die Stones „Satisfaction“.”

Trotzdem alles in allem ein knackiges Knallerkonzert für Elektropop-Fans, die mit dem modernen Disco-Gestampfe nix anfangen können und bunte Lichter auf der Bühne mögen. Verlernt haben die Pet Shop Boys nix – was sollte das auch sein?

P.S.: An die dumme Kuh in Reihe 16, die das ganze Konzert mit ihrem Drecks-5 Zoll-Handy aufgenommen hat und die Pausen zwischen den Songs nur brauchte, um fünf mal pro Minute ihr Whatsapp zu checken und die nicht ein einziges Mal mit eigenen Augen zur Bühne schaute: Ich find dich scheiße. So richtig scheiße. So richtig sch-sch-sch-sch-sch-sch-scheiße.



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Jake
Jake
28. Juni, 2017 08:59

“So richtig sch-sch-sch-sch-sch-scheiße.”

Da fehlt ein “sch”! 😉

gerrit
gerrit
28. Juni, 2017 10:14

Meh. Ich liebe die psb, aber ‘suburbia’ ist ja bei weitem nicht ihr stärkster Song. Dreaming of the queen, red letter day, Gin + Jag, That’s my impression, Love is a bourgeois construct, The theatre, indefinite leave to remain, the way it used to be. Suburbia hingegen musste man häufig hören, ohne es sich auszusuchen, da hab ich mich dran sattgehört.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
28. Juni, 2017 10:50

If Handy/Tablet länger als 5 Minuten am Filmen then Becher an Kopp (alternativ: Ordner einen Hinweis geben)

Schmand2001
29. Juni, 2017 01:52

Die stehen auch noch auf meiner zu schauen Liste.
Mein Fave- Song war aber immer “Paninaro” (den aber anscheinend kaum einer kennt)
Das mit den Handy/ Tablet Leuten ist immer scheisse. Glenn Danzig hat ja mal einen von denen während nem Konzert niederknüppeln lassen. Ob das so sinnvol ist mag ich aber bezweifen.
Hatten die nicht mal vor ein paar Monaten irgendwas über Bühnenscheinwerfer geschrieben, die dafür sorgen sollen, das Film/ Fotoaufnahmen auf Konzerten nicht anschaubar werden (Finde es jetzt gerade nicht)? Auf der einen Seite würde das natürlich die blöde handyhochhalterei beenden, andererseits ist ja gegen ein, zwei oder gar 3 Photos nichts einzuwenden, wenn es dabei bleibt.
Ist mir eh unverständlich wie man eine nicht gerade kleine Summe (schätze mal, das PSB- Karten nicht unter 50€ zu haben waren) bezahlt und dann auf einen kleinen Bildschirm starrt.

gerrit
gerrit
29. Juni, 2017 14:41

Für manche sind 100 € halt nicht viel. Oder sie haben die Karte bei nem Radioquiz gewonnen.

Ingo
Ingo
29. Juni, 2017 22:37

Being Boring ! Best PSB song ever!!

Synthesaurus
4. Juli, 2017 12:50

Da hier einige PSB-Experten versammelt sind, möchte ich eine Frage in die Runde werfen, bei der es um den PSB-Film It Couldn’t Happen Here geht https://vimeo.com/93065049 Die Frage beschäftigt mich schon seit ich den Film das erste Mal gesehen habe in den 80ern und auf die ich bis heute auch nicht den Hauch einer Antwort habe. Die Frage lautet: WTF???

Stuckimann
Stuckimann
5. Juli, 2017 22:28

@ Torsten Dewi: In Köln haben sie enttäuschenderweise Being Boring nicht gespielt. War das in BB auch so? Sorry, aber ohne den Song ist für mich ein PSB-Konzert unvollständig.

Thies
Thies
10. März, 2021 22:24

Wieder ein Fall von, beim Herumstreifen drauf gestoßen und ich wundere mich , dass ich es damals nicht kommentiert hatte. Ich hatte die Tour bei ihrem Halt in Hamburg gesehen und es war bereits mein drittes PSB-Konzert. Ihre erste Tour kenne ich nur von Mitschnitten. In einem damals erschienenen Buch hatten sie ihre ambitionierten Pläne (Kostüme, Tänzer, Film-Einspielungen von Derek Jarman) ausgeführt – das wahr wohl mehr Performance-Art als Konzert.

Mein erstes Konzert war die “Nightlife”-Tour im Jahr 2000. Das Konzept wurde offensichtlich etwas ausgedünnt um Kosten zu sparen, aber es gab von allem etwas: Dusty Springfield wurde per Videoleinwand wiederbelebt, schwarze Tänzer in Matrosenanzügen hüpften zu “New York City Boy” und dazu noch eine Unplugged-Einlage: sowas nenne ich eine volle Packung.

Die “Release”-Tour wenige Jahre später war dann ihr Versuch auf allen Pomp zu verzichten. Keinerlei Film- oder Show-Elemente, alle Musiker sichtbar auf der Bühne und obwohl nicht auf die Hits verzichtet wurde, wirkte alles mehrere Nummern kleiner. Kein Wunder, es war die Zeit als sie anstelle eines Videos nur Aufnahmen von herumwuselnden Mäusen veröffentlichten:
https://www.youtube.com/watch?v=ossii9Ipiv4

Meine Eindrücke der “Super”-Tour decken sich weitgehend mit Dir, aber auch mir fehlte “Suburbia” nicht sonderlich, weil so vieles andere vorhanden war. Denn im Gegensatz zu “Depeche Mode” scheinen PSB daran interessiert zu sein ihre Playlist lebendig zu halten. Bei DM ist es seit 20 Jahren Standard nur 3-4 Alibi-Songs vom neuen Album zu spielen und danach eine Zusammenstellung der Singles bis 1998 in scheinbar willkürlicher Reihenfolge. Bei PSB kann dagegen auch mal ein uralter Album-Track wie “Young Offender” oder eine B-Seite wie “Shameless” auftauchen. Und die jüngeren Alben verschwinden auch nicht einfach komplett im Ausguss. Das Konzert habe ich immer noch als schönen Abend in Erinnerung behalten.

Das bringt uns zur Gegenwart die ohne Corona eigentlich bereits Vergangenheit sein sollte. Denn letztes Jahr erschien ein neues Album – durchaus hörbar – und dazu wurde eine “Best of”-Tour angekündigt, für die ich sofort eine Karte erstand. Und dann kam der Lockdown. Der Termin wurde inzwischen für ein weiteres Jahr verschoben und ich hoffe, dass das Warten aufs Konzert nicht zu einem Warten auf Godot wird.