03
Jun 2017

Kinorevolution: Digital Age

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Dieser Artikel beschäftigt sich genau genommen mit zwei verschiedenen, aber verwandten Phänomenen. Es geht um die digitale Manipulation von Alterserscheinungen im Hollywood-Kino.

Fangen wir mit den Frauen an. Früher war es durchaus auffällig, dass einige Darstellerinnen, wenn sie ins angeblich “beste Alter” kamen, keine Szene ohne erkennbaren Weichzeichner absolvierten. Das führte zu teilweise krassen Brüchen zwischen kristallklaren, porenscharfen Darstellungen der Männergesichter und träumerisch wolkigen Aufnahmen von Halle Berry, Jennifer Lopez, Jennifer Aniston, Nicole Kidman etc.

Wo der Weichzeichner nicht mehr half oder unangebracht war, griff man zu Botox und Lifting, was allerdings der schauspielerischen Leistung nicht immer zuträglich war.

Seit einigen Jahren gibt es jedoch eine Form der digitalen Retusche, die vom Zuschauer völlig unbemerkt bleibt – und genau deshalb von keiner Schauspielerin offen zugegeben wird. Hier findet ihr einen schönen Beitrag zur sogenannten “beauty work” – dem Prozess, dem sich mittlerweile jeder größere Hollywood-Film unterziehen muss:

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Mit Hilfe der “beauty work” können Schauspielerinnen ihr Haltbarkeitsdatum in der Kategorie “young and hot” locker um 10, 15 Jahre verlängern.

Diese Form der Digitaleffekte finde ich so faszinierend, weil sie dem Zuschauer verborgen bleibt, sogar vorgaukelt, hier sei gar nichts manipuliert. Technisch ist der Prozess mittlerweile sehr simpel, denn er wird als Filter über die entsprechenden Szenen gelegt. Ist einmal programmiert, was an der Schauspielerin “optimiert” werden soll, findet die Software die entsprechenden Stellen von alleine:

Was das über Hollywood, über unser Schönheitsverständnis und unseren Jugendwahn aussagt – das steht auf einem anderen Blatt.

Der zweite Aspekt der Täuschung des digitalen Alterseindrucks ist erheblich auffälliger – und das ist gewollt erkennbar.

Dabei geht es um verschiedene Lebensphasen einer Figur, wenn der Held z.B. mit 35 und mit 60 zu sehen sein muss. Früher gab es dafür zwei Möglichkeiten: zwei ähnlich aussehende Schauspieler aus den entsprechenden Altersklassen casten oder mit aufwändigem Makeup arbeiten. Beides ist in bestem Fall akzeptabel und führt nicht selten zu einem visuellen Bruch, der den Zuschauer aus dem Film reißt.

Aber keine Sorge, die digitale Welt hat auch auf diese Frage eine neue Antwort.

Kümmern wir uns zunächst um zwei Beispiele, die noch etwas außerhalb dieses Bereichs liegen. So konnten wir in “Terminator Genisys” einen beeindruckenden 37jährigen Schwarzenegger-Terminator bewundern, obwohl der Mann selbst mittlerweile fast 70 ist:

Hier wurde allerdings kein Darsteller technisch verjüngt. Es handelt sich um einen rein digitalen Doppelgänger, der nach dem Körpermuster eines australischen Bodybuilders und den Szenen aus “Terminator” von 1984 gestaltet wurde.

Eine ähnliche Methode wurde angewandt, um in “Star Wars: Rogue One” den verstorbenen Peter Cushing zum Leben zu erwecken – es ist “nur” eine digitale Marionette:

Man merkt: Die Technik ist noch nicht soweit. So sehr man sich auch bemüht, der Zuschauer nimmt instinktiv wahr, dass er hier beschummelt wird.

Etwas leichter und überzeugender ist es mittlerweile, lebende Darsteller, die bei den Dreharbeiten auch zur Verfügung stehen, digital zu verjüngen. Und weil diese Vorgehensweise erstaunlich schnell erstaunlich verbessert wurde, können wir uns ihre Entwicklung anhand einiger Beispiele mal ansehen.

Erste Ansätze gab es bereits in Filmen wie “Interview mit einem Vampir”, in dem Veränderungen der Haut und der darunter liegenden Gefäße eben nicht mit Makeup, sondern mit digitaler Retusche erreicht wurden. Das war 1994.

Es sollte aber noch zehn Jahre und bis zum Boom der Superheldenfilme dauern, bis die Technik wirklich “griff”. Das ist kein Wunder, denn gerade Superheldenfilme verlangen massive digitale Manipulationen von Körperform, Bewegung und Aussehen. Aus den großen Verwandlungen auch kleine zu extrahieren, war ein natürlicher Schritt.

So konnten wir in “X-Men: The Last Stand” Patrick Stewart und Ian McKellen in leicht verjüngerter Version sehen, was hier allerdings noch gar nicht funktionierte. Die digital geglättete Haut ist cremig und zu weich gezeichnet, Stewart wirkt eher wie seine eigene Wachsfigur bei Madame Tussaud:

Mich stört an dieser Version vor allem, dass wir WISSEN, wie Patrick Stewart vor 30 Jahren ausgesehen hat – und zwar bestimmt nicht so.

Nicht weniger mangelhaft war das Ergebnis vier Jahre später bei “Tron: Legacy”, in dem Jeff Bridges sich sowohl selbst in einer jüngeren Inkarnation als auch als digitales Alter Ego spielt:

Während man das digitale Alter Ego noch akzeptieren kann, weil es ja eine perfektionierte, seelenlose Abbildung des Originals darstellen soll, sind die Szenen mit dem verjüngten Bridges immer noch auffällig fake. Hier hätte man vielleicht doch noch mal mit Schminke und Perücke arbeiten sollen.

Seither sind die Effekte aber deutlich besser geworden und das haben wir fast komplett der Arbeit von Marvel zu verdanken. Hier wird in Rückblenden mittlerweile recht konsequent zur digitalen Retusche gegriffen – mit teilweise frappierenden Ergebnissen.

So ist im Prolog von “Ant-Man” der um 25 Jahre verjüngerte Michael Douglas zu sehen:

Es ist anzunehmen, dass hier nicht nur mit CGI gearbeitet wurde, sondern dass Douglas bei den Dreharbeiten schon deutlich jünger geschminkt war. Vergleicht man den digitalen Frankenstein mit Michael Douglas in Filmen wie “Enthüllung” von 1994, muss man die Wirkung hier erstmals als absolut überzeugend bezeichnen.

Nicht minder beeindruckend ist die Rekonstruktion eines jungen Robert Downey jr. in einer kurzen Sequenz von “Captain America: Civil War”:

Hier hatte man den Vorteil, dass Downey als Mitglied des “Brat Pack” viele Filme gedreht hatte, die sich als Referenz heranziehen ließen. Dieser “digitale Downey” könnte problemlos in einem Remake von “Less than zero” mitspielen.

Auch “Guardians of the Galaxy” gönnt sich für den Prolog eine Zeitreise mit digitaler Hilfe – diesmal ist es Kurt Russell, der sich in seine 30er zurückversetzen lässt. Da er einen ähnlichen Typen gibt wie Jeff Bridges, ist der Vergleich mit “Tron: Legacy” interessant – leider konnte ich keinen qualitativ hochwertigen Screenshot besorgen:

In der verjüngten Variante könnte Russell locker noch mal nach “Big Trouble in Little China” suchen…

Das aktuellste Beispiel ist “Logan”, der Schwanengesang von Wolverine im X-Men-Universum. Hier wurde der Schwierigkeitsgrad noch mal hochgedreht, weil Hugh Jackman nicht nur deutlich älter wirken muss als üblich (das lässt sich mit normalem Makeup durchaus hinbiegen), sondern als sein Gegner X-24 auch noch deutlich jünger. Es müssen also zwei Extreme von Hugh Jackman gegeneinander antreten. Während X-24 vermutlich um die 20 sein soll, ist Logan mindestens 70 – und Hugh Jackman mit 48 steht genau dazwischen.

Hier wurde mit verschiedenen Techniken gearbeitet, um die Illusion zu perfektionieren. Zuerst einmal wurden komplette CGI-Versionen sowohl der Figur Logan, der Figur X-24, als auch ihrer Gesichter erstellt. So konnten Szenen gedreht werden, in denen z.B. der Stuntfahrer die digitale Maske des alten Logan übergezogen bekam. In Totalen wurde teilweise völlig auf reale Menschen verzichtet. Und wenn Logan und X-24 sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen, ist immer nur einer davon wirklich Jackman, der andere ein digital verwandelter Stuntman. Das nicht nur in der Menge, sondern auch in der Perfektion beeindruckend:

Die nächste digitale Verjüngung steht übrigens auch schon ins Haus, wenn man sich den Trailer von der neuen “Piraten der Karibik”-Fortsetzung mal genau anschaut:

Johnny Depp – demnächst in “Crybaby 2”?

Es ist davon auszugehen, dass die Techniken noch verfeinert werden, dass man in ein paar Jahren gar nicht mehr erkennen kann, wo digital manipuliert wurde. Es wird Flme geben, die diese Technik nicht nur für kurze Rückblenden oder Prologe einsetzen, sondern durchgehend. Dann hilft nur das Wissen, dass der Darsteller dieses Alter oder diese Aktion nicht umsetzen könnte.

Wie seht ihr diese Entwicklung? Saugeil oder Beschiss am Zuschauer?

P.S.: Kleiner launiger Nachtrag zum Thema:

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17 Kommentare
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Kaio
Kaio
3. Juni, 2017 09:48

Stören tut es mich nur wenn es scheiße aussieht. Solange man es nicht als Fremdkörper in der Szene sieht stört es mich nicht mehr oder weniger als Make-Up, Wirework in Martial Arts Szenen oder CGI in Actionszenen.

Die vollständig digitale junge Carrie Fischer in Rogue One ging aber z.B. mal so gar nicht. Das hätte man sich echt nochmal überlegen sollen…

Oibert
Oibert
3. Juni, 2017 11:14

Kommt beimir auch absolut drauf an wie es umgesetzt wurde. Terminator Genesys und alle oben genannten Beispiele auf dem Marvel Universum waren super, Moff Tarkin und Leiah in Rogue One waren grauenhaft…
Da hab ich mich im Kino echt gefragt,wer das durchgewunken hat – “ja, passt schon, wird schon keiner merken” – vor allem weil es eben schon vorher Beispiele gab, die wesentlich besser aussahen.

Martin Däniken
Martin Däniken
3. Juni, 2017 11:47

Was die ganze Sache noch interessant macht wenn man hört wie sich Hugh Jackman die ganze Zeit als Wolverine diätmässig gequält hat –
also wenn die digitale Verfahren so vertrauenswürdig gewesen wären,das man damit duchgänig nen Film gestaltet bekommt hätte sich Mr.Jackman viel Ungemach erspart…
Man sieht ja in den Making ofs-the real Thing,hoffe ich…
Wenn die auch überarbeitet sind…
Was auch nicht ganz ohne ist, wieviele(Digitale-) Rechte hat ein Schauspieler an seinem Körper…was kann ein Darsteller zulassen,was muss er zulassen…
Kann er noch in den Spiegel gucken,
wenn er bestimmte Grenzen der digitalen Verarbeitung zulässt,wie lange kann er sich in die Tasche lügen oder ist man schon so abgefackt das es einen nicht mehr juckt…

G
G
3. Juni, 2017 11:51

Haben die bei Sky Captain and the World of tomorrow nicht auch etwas ähnliches mit Lawrence Olivier gemacht? Oder war das ein anderer Film?

Nummer Neun
3. Juni, 2017 13:47

Schon spannend, was die Technik alles kann. Und die Grenzen, wie man die Technik am Besten einsetzt, sind wahrscheinlich noch lange nicht ausgelotet. Ein neuer Indiana Jones Film mit dem jungen Harrison Ford? Kein Problem!

S-Man
3. Juni, 2017 16:27

Heißt die Reihe im Deutschen nicht immernoch “Fluch der Karibik”? Oder wurde das mal geändert?

Jones
Jones
3. Juni, 2017 17:35

>Moff Tarkin und Leiah in Rogue One waren grauenhaft…
Dem kann ich nur zustimmen zumal Leah sich nicht mal hätte umdrehen müßen weil jeder wußte wer die Person war.

@Thorsten: Der KFC spot ist auch so ein negativ Beispiel weil außer Scotty KEINER echt ausschaut wie das Orginal.

Bluescreen
3. Juni, 2017 18:30

@Nummer Neun:
Doch. Mein Problem wäre, dass ich da nicht den Harrison Ford sehe wie ich ihn (damals) kennengelernt habe sondern eine digitale Kopie. Damit geht für mich der Bezug zur Figur komplett verloren.

Man stelle sich vor, wie die neuen “Star Trek”-Filme aussehen würden wenn man da jüngere Computerfiguren benutzt hätte anstatt ähnliche Schauspieler zu casten.

@Oibert und Jones:
Leia heisst die Frau in den Filmen.

Nein, ich kann mit komplett computergenerierten Figuren über eine ganze Filmlänge nicht viel anfangen. “Beowulf” ging mir damals schon auf den Pin.

Heino
Heino
4. Juni, 2017 18:20

Oh ja, bei Rogue One war das wirklich furchtbar schlecht gemacht. Bei X-Men 3 auch, aber der ist halt auch schon älter. Mit Kurt Russel haben sie das allerdings wirklich gut umgesetzt bekommen, obwohl man immer noch an den Augen erkennen kann, dass das nicht real ist. Insgesamt ist mir das lieber als schlecht gecastete Doppelgänger oder miese Schminke (wie bei Guy Pearce in “Prometheus”), aber es ist schon ein bedenklicher Trend.

Andy
Andy
5. Juni, 2017 01:26

Selbst James Cameron hat schon vor Jahren gesagt das es mit der neuen Technologie kein Problem mehr sein wird einen Schauspieler/in zu verjüngen!
Einen Schauspieler komplett aus dem Rechner zu erschaffen ist schon eine andere Hausnummer und sieht meist noch immer Fake aus. Aber auch da gibt es Fortschritte siehe Terminator Genisys und Rogue One. Ich finde bei Rogue One ist es schon besser gelungen………aber das Hauptproblem meiner Meinung nach sind immer noch die Augen (der Schlüssel zur Seele).
Hmm?? Michael Douglas,Robert Downey jr. sahen durch die Verjüngung schon verdammt gut aus, muss mir jetzt unbedingt bei Galaxy 2 ”Kurt Russel ansehen!
Was mich immer sehr verwundert ist das gerade sehr Junge Menschen oft nicht erkennen das es Fake ist….liegt vielleicht an der Computerspielerei?

invincible warrior
invincible warrior
5. Juni, 2017 05:12

@S-Man: Disney hatte das mit Teil 2 “geloest”. Der hiess hierzulande nicht Dead Man’s Chest (oder besser Des Totenmanns Kiste), sondern: Pirates of the Carribean – Fluch der Karibik 2.

@Kurt Russel/Guardians 2: Ich fand es etwas off, so erinnerte ich mich nicht an Russel in jungen Jahren (aber es lag nicht direkt an den Grafiken). Meine Frau hatte es mir dann (fuer sie unbewusst) bewusst gemacht, indem sie fragte, was denn Val Kilmer da macht. Wenn ich mir so Bilder von damals anschaue, liegts wohl auch daran, dass man Russel in den 80ern normalerweise mit 3 Tage Bart gesehen hat, aber auch sein Kinn war etwas praegnanter.

@Tarkin/Rogue One: Ich fand Tarkin eigentlich gut gemacht, es hatte mir nur andauernd Bauchschmerzen gemacht, weil ich weiss, dass Cushing tot ist und deswegen auch extra drauf geachtet hatte. Meine Frau hat da nix von gemerkt. Mich wuerde mal interessieren wie teuer nur der Effekt ist. Jedenfalls hatte damit Edwards Eier bewiesen, da ich ansonsten hoechstens Cameron zutrauen wuerde, sowas so exzessiv in normalen Szenen einzusetzen.
Bei Leia mag der “miese” Effekt auch dran gelegen haben, weil die Szene vielleicht erst im Nachdreh dazukam und deswegen nicht gross Zeit war um das ordentlich fertig zu machen.

tldr: Wir beschaeftigen uns damit zu viel, daher sehen wir auch die Fehler. Dauert halt noch einige Jahre bis das wirklich bezahlbar renderbar ist.

Thomas Hortian
5. Juni, 2017 09:49

@Guardians/Russell: Als ich mit meinem Bruder im Kino saß und der Prolog lief, dachte ich nur: “Wow, das haben die aber geschmeidig hinbekommen. Nahezu perfekt.”
Und dass er nicht wie in z.B. “Escape from N.Y.” oder “The Thing” aussieht, ist mir auch klar, aber das war, denke ich, auch gar nicht beabsichtigt. Es geht hier eher um eine idealisierte Version von Kurt Russell Anfang 30, nicht um das brummbärige Rauhbein, sondern um Russell, den Verführer, den Womanizer, der er ja vom Image eigentlich nie war. Dieses behauptete jüngere Ich ist für die Handlung des Films zweckmäßiger, und auch im Kontext glaubwürdiger, die fiktive Person wird greifbarer, Russells (damaliges) Image dadurch ein Stück weit abgeschüttelt. Es geht schließlich ja auch um den Charakter, die Rolle, nicht um die reale Person.

S-Man
6. Juni, 2017 09:24

@invincible warrior: Eben, deswegen würde ich es so verstehen, dass die deutsche Übersetzung immernoch “Fluch der Karibik” und nicht “Piraten der Karibik” ist, oder?

S-Man
9. Juni, 2017 17:08

Es ist eine Reihe? *ungläubig guck* Gar nich wahr, es gibt nur einen! *Finger in die Ohren und wegrenn* Lalalalalalala

Daniel Weichert
Daniel Weichert
29. Dezember, 2018 11:52

Wenn es insgesamt zur Geschichte des Films passt ist die Technik sehr gut…..und weil die Filmindustrie Fortsetzungen und Neuauflagen gerne aufgreift sollte das dann auch mit den “gewohnten ” Schauspielern sein.