FFF White Nights 2017: The Osiris Child
Themen: FF White Nights 2017, Film, TV & Presse, Neues |Australien 2016. Regie: Shane Abbess. Darsteller: Kellan Lutz, Daniel MacPherson, Isabel Lucas, Luke Ford, Rachel Griffiths, Temuera Morrison, Teagan Croft
Offizielle Synopsis: Deserteur Kane Sommerville kämpft sich Seite an Seite mit Ex-Häftling Sy Lombrok durch unwirtliches Niemandsland. Dicht gefolgt von einer Horde fieser Alien-Monster, die versehentlich freigesetzt nun auf Vernichtungsfeldzug gegen die Menschheit wüten. Der gefährlichste Gegner der beiden Männer ist jedoch die Zeit: In wenigen Stunden soll alles Leben auf dem Planeten ausradiert werden.
Kritik: Ich gehe bekanntermaßen „unbeleckt“ ins Festival-Kino und versuche immer, vorab so wenig wie möglich über die Filme zu lernen, um sowohl unnötig hohe Erwartungen als auch Vorurteile zu vermeiden. Wenn man eine Dauerkarte hat, sind die eh kein Kriterium für die Auswahl. Ich gehe soweit, dass ich die Inhaltsangaben aus dem Programmheft „blind“ in die Review-Vorlagen kopiere und darauf Wert lege, zwar die Trailer zu finden und einzubinden, diese aber nicht anzuschauen. Im Kino frage ich dann oft genug den Doc, wenn das Licht ausgeht: „Wie heißt denn der Streifen, der jetzt kommt?“
Gegen „The Osiris Child“ sprachen allerdings vorab zwei Details – der alberne vollständige Titel „Science Fiction Volume One: The Osiris Child“ und die mir vom Doc unvorsichtigerweise übermittelte Meinung des Lesers „Heino“, der Film sei totaler Kappes. Und „Heino“ ist durchaus jemand, dessen Urteil man ernstnehmen kann.
Ehrlich? Ich verstehe jeden, der an „Osiris Child“ was zu mäkeln findet. Der Film macht Fehler, die nicht sein müssten und die ihn ungebührlich ausbremsen. So fokussiert er sich eigentlich auf die Geschichte von Kane und seiner Tochter, nur um dann die Backstory von Sy in ein paar völlig überflüssigen Rückblenden nachzuholen. Überflüssig deshalb, weil wir keine neuen Informationen bekommen – wir WISSEN, dass es einen Aufstand und einen Ausbruch im Gefängnis gab. Diesen später noch mal ausführlich zu zeigen, ist redundant und nimmt nach spektakulären ersten 20 Minuten gefährlich das Tempo raus.
Überhaupt ist der erste Akt von „Osiris Child“ der stärkste – hier wird straff erzählt und 80 Prozent der Schauwerte kommen zum Einsatz. Es erinnert an „Starship Troopers“ und „Star Trek“, überall gibt es was zu entdecken, die Konflikte werden plakativ gesetzt. Auf der Mars-Oberfläche angekommen, schaltet der eher auf eine Mischung aus „Mad Max: Fury Road“ und „Dune“ um, schwenkt von der Techno-SF zur Survival-Action.
Zu kritisieren ist auch, dass „Osiris Child“ über seine sehr episodische „wir müssen mit A nach B, um C zu finden“-Struktur den eigentlichen Plot sehr unterentwickelt lässt. Die „Raggeds“-Monster sollen indigene Lebensformen auf dem Mars eliminieren – von denen wir keine einzige zu sehen bekommen. Und die Raggeds selbst sind unbewegliche, klopsige Biester, die man kaum als Gefahr für die gesamten Kolonien ernstnehmen kann.
All das ist richtig – und mir dennoch wurscht. Weil „Osiris Child“ entgegen jeder Erwartung etwas darstellt, das ich lange nicht mehr gesehen habe: aufwändige, jugendtaugliche Science Fiction, die Begeisterung für Raumschiffe und Abenteuer auf fremden Welten weckt, die nicht an Zerstörungswut und Massakern interessiert ist, die Herz und Spielfreude mitbringt. Wer mit Filmen wie „Damnation Alley“, „Flash Gordon“, „Space Hunter: Adventures in the Forbidden Zone“ und „Cherry 2000“ aufgewachsen ist, der weiß, was ich meine. Wer Sturgeon gelesen hat und Bradbury, Asimov und Herbert, der weiß, was ich meine. Wer „Zack“ gelesen hat und „Heavy Metal“, der weiß, was ich meine. Und genau in diesem Kontext ist der Langtitel von „Osiris Child“ auch überhaupt nicht prätentiös, denn der Film wird erzählt wie ein großer Abenteuerroman (und ist auch in Kapitel unterteilt).
Abgesehen davon, dass sich Shane Abbess ganz im Stil des 80er-Kinos auf eine klassische Helden-Odyssee konzentriert, fährt er bei den Schauwerten mächtig was auf: „Osiris Child“ ist erstaunlich aufwändig, kombiniert panoramige Locations mit riesigen Sets, gönnt sich durchdachtes Design bei den Kostümen und Requisiten – und was die CGI angeht, wird auch keine Margarine aufs Brot gestrichen. Das ist Oberliga. Highlight ist dabei mit Sicherheit der „dogfight“ von Kane bei der Flucht von der Basis, bei dem sich manche Blockbuster in Sachen Actionchoreographie und Editing ein paar Scheiben abschneiden könnten.
Und schließlich: Auch die Besetzung ist fehlerlos. Daniel MacPherson überzeugt als besorgter Vater, Kellen Lutz gibt den knarzigen Wüsten-Eastwood, Teagan Croft spielt den Kinderpart ohne Peinlichkeit und immer wieder sind australische und neuseeländische Stars wie Temuera Morrison zu sehen. Einzig Isabel Lucas, die ja mal als Nachfolgerin von Megan Fox in den Transformers-Filmen gehandelt wurde, bereitet mir Unbehagen: Das ehemalige Model ist so klapperdürr, dass sie im Alleingang eine Renaissance des „heroin chic“ der 90er einleiten könnte.
There you go. Da mein Herz sowieso mehr für Science Fiction als für Horror und Fantasy schlägt und es außerhalb der Blockbuster-Franchises zu wenig davon gibt, ist es mir unmöglich, „Osiris Child“ trotz der offensichtlichen Schwächen böse zu sein. Stellt euch vor, euer 15jähriges Kind hat beim Schulsportfest den ersten Platz im 100 Meter-Sprint gemacht. Dann sagt man ja auch nicht „Usain Bolt ist schneller“. Man freut sich über die im Kontext erbrachte Leistung, klopft die Schulter, wuschelt die Haare, zieht einen Zwanziger als Belohnung aus der Tasche. Das würde ich mit Shane Abbess auch gerne machen.
Die ideale Vorspeise für „Valerian“.
Fazit: Aufwändige, abenteuerlustige und mit viel Enthusiasmus gebastelte Outback-SF, die noch nicht vergessen hat, was „sense of wonder“ bedeutet. Ein Film, mit dem man befreundet sein möchte. 8 von 10 und Fleißkärtchen. Das findet sogar das „ragged“ im Sitz neben mir:
Shriek of the Yeti:
"Ein Film, der sicher vieles falsch macht, aber das Herz am rechten Fleck hat und von großer Ambition zeugt. Das lässt mich Sympathiepunkte verteilen 7/10."
"Wer mit Filmen wie „Damnation Alley“, „Flash Gordon“, „Space Hunter: Adventures in the Forbidden Zone“ und „Cherry 2000“ aufgewachsen ist, der weiß, was ich meine. Wer Sturgeon gelesen hat und Bradbury, Asimov und Herbert, der weiß, was ich meine. Wer „Zack“ gelesen hat und „Heavy Metal“, der weiß, was ich meine."
Hab ich alles gesehen/gelesen und finde das meiste davon auch gut, aber "Osiris Child" war mMn trotzdem Käse, weil Abbess sein bisschen Story unnötig kompliziert erzählt und bei den Figuren auch nur die billigsten Klischees aufgeboten werden. Klar, für lächerliche 800 000 australische Dollar sieht der Streifen toll aus, aber an mir ist der so dermaßen vorbei gegangen, dass ich auch 2-3mal eingenickt bin.
4/10
@ heino: Wenn der tatsächlich nur 800.000 Dollar gekostet hat, wäre das ein Leistung, die "Monsters" von Gareth Edwards noch übertrifft. Ich hätte den auf mindestens 20 Millionen geschätzt.
@WV:Matthias von Rosebud hatte das gesagt. Ich gehe einfach mal davon aus, dass er bessere Quellen hat als ich:-)
Sieht in der Tat hammermäßig aus, aber bietet dann leider doch nur eine relativ belanglose 08/15-Story, in der 08/15-Schauspieler 08/15-Figuren spielen, 08/15-Plotbeats abarbeiten und 08/15-Dialoge aufsagen, und das alles in einem 08/15-Universum. Und die Aufteilung in gefühlt 08 bis 15 Kapitel (womit dann auch die Punchline für diesen 08/15-Gag angekommen ist. Huzzah.) ne-heeeeervt, vor allem, weil der Film so umständlich erzählt wird und sich andauernd an der eigenen Backstory aufhält.
Aktiv scheiße ist das alles nicht, langweilen wird man sich auch nicht – aber ich garantiere, dass man sich schon eine Woche später nur noch an "da war ein geil gemachter Dogfight zwischen futuristischen Düsenjägern drin" erinnern wird. Mit allen verfügbaren Fleißkärtchen noch knappe 6/10.