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Jun 2016

Das kleine Arschloch: Ein Plädoyer für und wider den Comic-Salon Erlangen (2)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Disclaimer: Dieser Beitrag ist polemisch und gehässig. Er basiert außerdem ausschließlich auf empirischen Einzelerfahrungen, die er zum Anlass für unangemessene Verallgemeinerungen nutzt. Der Autor dieses Beitrages hat mit Sicherheit vieles missverstanden und relevante Fakten unterschlagen, Außerdem ist er ein ganz doofer Spielverderber und Stinkstiefel.

Ich war ca. 2000 zuletzt auf dem Comic-Salon, da sah ich noch so aus:

cserll

Jung, schlank, mit brauner Wildlederjacke und hehren Ansprüchen an das Leben. Das sollte dokumentiert werden, auch wenn ich mir den Hinweis nicht verkneifen konnte, dass Wonder Woman eigentlich kein Cape trägt.

Der Typ vor mir wollte sich nicht NEBEN Wonder Woman fotografieren lassen. Er bat darum, sich auf den Boden legen zu dürfen, damit das Model ihm mit ihren Plateaustiefeln auf den Kopf trete. DAS wollte er abgelichtet haben. Mein Glaube an die Menschheit – er starb ein wenig an diesem Tag.

Erst 2016 hatte ich meine Traumata ausreichend verarbeitet, um wieder zum Comic-Salon zu fahren. Und so sehr mich das Beisammensein mit Freunden, Bekannten und sonstigen Like-Klickern freute, so ungut kroch doch immer mehr der Sarkasmus in meine Stimmung. Im Verlauf des Tages begann ich, eigentlich jeden und alles abfällig zu kommentieren, sehr zum Vergnügen von Doc Acula. Es wurde ein Sport, der Szene mit genau der Herablassung zu begegnen, die sonst den etablierten Qualitätsmedien vorbehalten ist.

Es stellte sich heraus, dass Boshaftigkeit ein deutlich besserer Energiespender ist als Gutmütigkeit.

Leichteste Zielscheibe: die Cosplayer.

BisonOfCourse

Das Konzept war mir nicht neu, ich war in den 90ern schon ausreichend mit dicken Mädchen konfrontiert worden, die als klingonische Kriegerinnen auftraten – und pickeligen 50 Kilo-Nerds, die He-Man spielten. Cosplay, das war in Deutschland immer eine eher tragisch anzusehende Angelegenheit, die weniger trendigen als therapeutischen Notwendigkeiten folgte.

Aber wow – die Verkleiderei des zeigefreudigen Nachwuchses hat mächtig zugenommen. Und einige der Mädchen haben abgenommen. Satte 10 Prozent der Cosplayer würde ich als “zum dargestellten Charakter passend” bezeichnen, auch wenn schlechte Perücken und an Hintern miserabel vernähte Lederflicken immer noch den Gesamteindruck trüben. Eine (für sich genommen auch schon wieder wenig spannende) Perfektion wie bei den internationalen Cons ist hierzulande wohl nicht zu erwarten:

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Dazu gehört auch, dass viele Cosplayer eben nicht cosplayen, sondern nur gelangweilt in ihren Kostümen rumhängen, auf Betontreppen rauchen und dabei Kaffee aus Pappbechern trinken. Ein bisschen mehr Einsatz, ein bisschen mehr Performance, bitteschön!

Es wäre sicher nicht unkomisch gewesen, zu einer der Gruppen hinzugehen, einem beliebigen Mädchen mit einem bespuckten Taschentuch das Makeup aus dem Gesicht zu schmieren und dabei zu poltern: “Jetzt habe ich aber genug, Susanne – du kommst SOFORT mit nach Hause, verstanden!?”

Nicht überraschend, aber irgendwie doch Igittigitt war die Tatsache, dass viele der ansehnlicheren Cosplayerinnen (gerne in bestrapsten Manga-Outfits mit Spitzöhrchen und High Heels) permanent von Herren Mitte 50 fotografiert wurden, für die sie sich auch kawaii kichernd in Pose warfen.

Zwei Möglichkeiten zur dramatischen Aufladung der Situation drängten sich mir auf:

  • Zu den Mädchen gehen und im Vorbeigehen flüstern: “Dir ist schon klar, dass der sich auf das Bild von dir heute Abend einen von der Palme wedelt, oder? Sugoi!”
  • Sich hinter die Männer stellen und murmeln: “Von der habe ich auch schon ein paar geile Aufnahmen gemacht – wollen wir tauschen?”

Da ich nicht vorhabe, diese (womöglich minderjährigen) Halbstarken dem Gespött ihrer Klassenkameraden auszusetzen, beschränke ich mich an dieser Stelle auf ein Bild von Lucky Luke, wie er am Ehapa-Stand dutzendfach herum lief:

2016-05-28 16.27.00

He’s a poor lonesome Cowboy…

Andere Cosplayer musste ich eher wegen mangelnder Authentizität kritisieren – nichts gegen diese X-Men Classic-Outfits:

2016-05-28 15.57.48

Aber Rogue hätte ohne Handschuhe niemals ihre Kollegen anfassen können! #dasweissmandoch

SCHWERMETALL046 Auch in den hehren Hallen des Comic-Salons gab es viel Absonderliches von der schweinkramigen Sorte zu bestaunen. So wurde ich an einigen Altcomic-Ständen daran erinnert, warum ich mir mit 15 immer die Schwermetall-Comics von meinem Freund Reiner geliehen habe. Die hatten tolle Storys, super Science Fiction und voll die realistische Darstellung von… Technik. Genau, Technik. That’s my story and I’m sticking to it…

Von Doc Acula habe ich übrigens diese Faustformel zur Feststellung des konfliktfreien Damenalters gelernt: “Alles ab halbes eigenes Alter plus sieben Jahre aufwärts.”

“Adult Erotica” ist auch heute noch ein großes Thema, ein größeres als zu meinen Kinderzeiten, finde ich. So scheinen sich erstaunlich viele deutsche Zeichner (und auch Zeichnerinnen) auf Anime-Erotik zu spezialisieren, idealisierte, oft androgyne Jungs posen hier in romantisch-pornografischen Szenarien ebenso wie anatomisch überschätzte asiatische Schulmädchen. Konnte ich (teilweise) die zeichnerische Qualität durchaus schätzen, erschlossen sich mir Motive und Zielgruppe nicht wirklich. So fühlte ich mich bemüßigt, einen der Zeichner direkt drauf anzusprechen: “Sind dir manche der Leute, die deine Bilder kaufen, eigentlich unangenehm?”. Er stockte, etwas unsicher, seufzte aber dann und nickte: “Manche schon.”

Es gibt aber durchaus auch wertige, westlich orientierte Erotik, besonders gern im (vom Kunst-Kanon abgesegneten) Pinup-Stil:

2016-05-28 17.20.30

Es wäre fast die Mühe wert gewesen, Doc Acula die Kamera in die Hand zu drücken und mich dabei filmen zu lassen, wie ich mit mächtigen Armbewegungen die Tische leer fege und dabei unheilvoll brülle: “Schmutz und Schund! SCHMUTZ und SCHUND!!! HINFORT!!!”

Alternative: Einen kleinen Jungen (ca. 5 Jahre) ausleihen, mich mit indigniertem Blick zusammen mit ihm vor einen solchen Stand stellen, ihm die Augen zuhalten und empört schimpfen: “Das ist ja wirklich unerhört! Hier sind schließlich Kinder anwesend! SCHÄMEN Sie sich denn kein bisschen?!”

Umgekehrt kann es auch nicht verkehrt sein, an die semi-jugendfreien Stände zu schlendern und sehr entspannt zu fragen: “Ich suche nach Masturbationsvorlagen – haben Sie da was?”

Oder wie wäre es damit? Man geht zu einer der Zeichnerinnen und liest halblaut eine der Preislisten am Tisch vor: “10 Euro für ein Plakat, 20 für eins mit Signatur – was machste denn so für 50, mhhh?”

Der Geist des Wortvogels, er ist ein dunkler, schmutziger Ort mitunter.

Um sich bei den etablierten Publishern wie Carlsen ins Gespräch zu bringen, wäre es vermutlich nützlich, sich an einen der Stände zu stellen und beim Blättern der neuen Premium-Comicbände vernehmlich zu murmeln: “Könnte ich auch… mit links… Kinderkram… im Schlaf… hat keiner von denen was Ordentliches gelernt?”

strichmann

Leute vor den Kopf stoßen geht übrigens nicht nur bei Fremden, das kann man auch prima mit Freunden. Als ich mir bei Dirk vom Buddelfisch seinen “Strichmann”-Sammelband anschaute, kommentierte ich das Kaufangebot mit der Frage: “Kommt darauf an, ob du nicht besser als das hier zeichnen WILLST oder KANNST – wenn du es besser kannst, die Krakeleien aber Konzept sind, akzeptiere ich es als Kunst. Wenn das hier das Limit deiner zeichnerischen Fähigkeiten darstellt, sollte man dir das Hardcover tüchtig auf den Kopf hauen.”

Dabei will ich gar nicht behaupten, dass man nur sexistische oder gemeine Sachen hätte loswerden können. Humor ist schließlich was für die ganze Familie. Hätte ich eine – ich hätte meine Söhne mit Plastiktüten an die Stände der großen Verlage wie Panini und Carlsen geschickt, damit sie kräftig singen können: “Hier wohnt ein reicher Mann, der uns vieles geben kann, vieles soll er geben, lange soll er leben”. Die schamroten Gesichter wären es wert gewesen…

Aber genug von den kleinen Rachephantasien eines ungeliebten Bloggers. Gehen wir die Sache zum Ende noch mal mit ein wenig mehr Ernst an. Ernst ist ein alter Kumpel aus Schulzeiten, der…

Made myself laugh, that’s half the battle.

Egal. Es hat mich überrascht, dass es auch einige Stände gab, deren Existenz auf einem Comic-Salon ein rauchiges Fragezeichen über meinen Kopf zauberte. So kann ich verstehen, dass man neben Comics, Büchern über Comics, Artwork und Merchandising auch Zeichnerbedarf kaufen kann (Buntstifte, nicht Red Bull). Gehören aber SCHWERTER in diese Sphäre?

2016-05-28 16.30.52

Schon klar, das sind unscharfe (im wahrsten Sinne des Wortes) Klingen für Fantasy-Enthusiasten, gerne den Waffen aus Videospielen und Comics nachempfunden. Aber trotzdem: Schwerter – auf einem Comic-Salon? Ich fand es bezeichnend, dass sich für meine Aufnahme primär zwei 10jährige Steppke für das Thema begeistern konnten…

Müsste ich eine Sache wirklich kritisieren, wäre es nicht der Comic-Salon selbst, sondern die Entwicklung der Branche, so wie ich sie wahrnehme. Es gab mal eine Zeit, da waren Comics billige Wegwerfprodukte primär für Kinder. Gesammelt wurde allenfalls für den kleinen Bruder, der noch nicht im richtigen Alter war. Für jede Generation, die zu Büchern aufstieg, wuchs eine andere nach. Das ist nicht mehr so. Ich habe das deutliche Gefühl, dass Comics heute eine schwer relevante Sache für Erwachsene sind, dass die heute 40jährigen vergessen haben, aus ihnen heraus zu wachsen. Beim Comic-Salon waren erschreckend wenig Jugendliche zu sehen, dafür tonnenweise Mittfünfziger mit Jutetaschen und Notizbüchern, in denen sie ihre Heft-Indexe notiert hatten.

Dieser “shift” (beziehungsweise non-shift, es ist ja etwas stehen geblieben, nicht fortgeschritten) hat einige Auswirkungen, die mir Bauchgrimmen bereiten. Zuerst einmal werden Comics immer aufwändiger und teurer. Nicht inhaltlich, sondern in der Aufmachung. 50, 60, 100 Euro für einen Band mit Hardcover, Lesebändchen und Goldschnitt? Kein Problem. Prachtedition für hohe dreistellige Summen? Sicher doch. Selbst Sekundärliteratur, z.B. zu den deutschen Piccolo-Heftchen, sieht aus wie die private Bibel des Papstes. Die kann man nicht kaufen, die muss man sich anschaffen – wie ein Auto. Niemand bezahlt diese Preise aus Spaß, da geht nur noch Fanatismus.

“Gibt halt teure und billige Comics”, könnte man mir entgegen halten. Nur: Die  Billigen konnte ich nicht finden. So sehr ich z.B. den Cross Cult-Verlag schätze, so sehr empört mich die Preispolitik z.B. bei den Sammelbänden zu “Walking Dead”, die alle Merkmale von preiswerten Massenmarkt-Produktionen haben: schwarzweiß, Taschenbuch-Format, einfacher Druck, Softcover. So ein Brikett sollte den Gelegenheitsleser 15, 20 oder 25 Euro kosten, damit er keine dreistelligen Summen investieren muss, um sich eine komplette Sammlung zu zu legen.

Stattdessen: 50 Euro. Oder wie ich gerne laut fluche: Das sind ja 100 Mark!

Mit diesen Kategorien in Sachen Preis und Ausstattung haben sich Comics endgültig in eine tödliche Spirale begeben. Ständig plärrt die Branche, zum Nischengeschäft zu verkümmern – und sorgt mit der Preispolitik dafür, dass es auch so bleibt. Comics haben den Nimbus des Mitnahme-Produkts – so scheint es mir zumindest – völlig verloren.

Dieses Problem wird durch eine zweite Politik gefördert, die ebenfalls nicht geeignet ist, eine neue Lesergeneration heran zu ziehen: Die horizontale Erzählweise. Aktuell massiv hip bei TV-Serien, gab es horizontale Erzählstränge bei Comics schon immer. Aber sie haben die Hefte nie soweit verzahnt, dass man als Gelegenheitsleser nicht ein Heft lesen und dann weglegen konnte.

Heute? Heute verlangen viele Franchises und Lizenzen nicht nur, dass man sklavisch alle Ausgaben liest – man muss auch die Spinoffs, Prequels, Sequels, Graphic Novels und Reboots kennen, um das dargestellte “Universum” zu verstehen. Weil es nicht mehr bloß um Heldengeschichten geht, sondern immer gleich um ganze Universen.

Versiertere Leser werden mich sicher schelten, dass es NATÜRLICH noch Reihen für Kinder gibt und Serien, die episodisch aufgebaut auch für Gelegenheitsleser geeignet sind – ich war allerdings nicht in der Lage, diese im Wust der Produktionen ausfindig zu machen. Es herrscht Chaos, auch weil die Verlage immer schneller umbauen und rebooten. Ich habe den Sammelband der “New 52” noch nicht komplett gelesen – schon schmeißt DC das gesamte Universum erneut zum Fenster raus. Wer soll denn da mithalten?

Und schließlich: Ich könnte bis zu einem gewissen Grad mit dem Sex-Fetisch, der Comics seit der Image-Welle der 90er durchdringt, leben. Aber die Brutalität und der Nihilismus aktueller Superheldenserien, die strikt erwachsenen Themen, das geht für mich an der ursprünglichen Zielgruppe – dem Nachwuchs – vorbei. Die Comics sind seit den 80ern mit den Geeks gealtert, richten sich an eine Dauer-Zielgruppe, statt konsequent alle vier bis fünf Jahre die nächste Generation anzusprechen. Man mag das heute für komplexer, für anspruchsvoller, für intellektueller halten – aber mir ist das verloren gegangen, was Comics ausmacht. Die Tatsache, dass mir vieles sehr gut gefällt, ist eigentlich ein Warnsignal – ich sollte längst “aus dem Alter raus ein” (um ein Klischee zu bedienen). Und so sehr ich die Branche beglückwünsche, dass es ihr gelungen ist, Fans teilweise 30, 40 Jahre zu binden – dabei hat sie die nächsten Generationen verloren.

Andererseits – heute gucken die Kids ja auch sowas:

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Während ich mit sowas aufgewachsen bin:

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Kurzum: Ich will den Schund wiederhaben, die Bildheftchen, die Klolektüre, das Infantile!

Mir blieb da nur die Nostalgie und die Freude, dass man ältere Heftchen, sofern sie keinen Sammlerwert besitzen, immer noch recht preiswert als Altpapier kaufen kann und das teilweise im wahrsten Sinne des Wortes: An einem Stand gab es “1 Kilo alte Comics für 10 Euro”. So wurden in den 70er Jahren noch “skandinavische Hefte” unter dem Ladentisch verkauft.

Und damit schließt sich die Klammer zum Schweinkram. Das passt.

P.S.: Dem ersten Teil sei noch nachzutragen, dass ich mittlerweile das neue CAMP durchgelesen habe und meine Leseempfehlung noch einmal dringlich wiederholen muss. Eine fantastische Sammlung von Essays und Reportagen zu vielen interessanten, weil nicht abgenudelten Themen wie:

  • Bruce Pennington, einer der besten und bekanntesten britischen Science Fiction-Illustratoren erzählt aus seinem Leben
  • Der italienische Zeichner Alberto Giolitti ist der Schöpfer der Turok-Serie
  • Der amerikanische Kolumnist Jeet Heer deckt Erstaunliches über die »Farben« von George Herrimans Serie Krazy Kat auf
  • Die Peanuts und der Jazz von Vince Guaraldi handelt von der idealen Kombination aus Comic und Musik
  • Arbeiten der llustratorin Ilse Wende-Lungershausen haben wir alle schon mal gesehen. Aber: Wer war das nochmal?
  • Federico Fellini und die Fumetti. In einem hierzulande bislang unbekannten Interview erfahren wir, wieso der Meisterregisseur Comics toll gefunden hat
  • Außerdem: Pippi Langstrumpf, Weird Western, Theodore Sturgeon und exklusive Comics von André Franquin, Paul Cuvelier und Patrick McDonnell.

Kaufen, sag’ ich, kaufen!



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DMJ
DMJ
1. Juni, 2016 10:04

Wen meine Antwort auf die mir gestellte Frage interessiert:
“Ich könnte wohl zumindest geringfügig besser zeichnen, aber um da nicht an meine Grenzen zu stoßen, habe ich die Flucht nach vorn angetreten und bewusst auf Perspektiven und Proportionen verzichtet.” 😉

Meine wichtigsten zeichnerischen Erkenntnisse waren: Durch Crumb, dass man kein Lineal braucht und durch Schlogger, dass Figuren keine Gelenke, sondern Gummigliedmaßen brauchen.

P.S.: Die Befremdlichkeit des Schwert-Standes fiel auch dem Kollegen Wederhake auf, dessen famosen Artikel ich hier mal empfehlen möchte:

http://comicgate.de/berichte-interviews/dem-dativ-comicsalon-tagebuch-2016-zweiter-tag/

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
1. Juni, 2016 10:07

“Heute? Heute verlangen viele Franchises und Lizenzen nicht nur, dass man sklavisch alle Ausgaben liest – man muss auch die Spinoffs, Prequels, Sequels, Graphic Novels und Reboots kennen, um das dargestellte “Universum” zu verstehen. Weil es nicht mehr bloß um Heldengeschichten geht, sondern immer gleich um ganze Universen.”

Mh, so neu ist das gar nicht – selbst zu meiner “großen” DC/Marvel-Lesezeit Ende der 90er/Anfang der 00er-Jahre gab es bereits zig Verweise auf Parallelserien und weitere Hefte, auf die sich Dialoge oder ganzen Handlungsstränge bezogen. War für mich dann auch der Grund auszusteigen, weil es einfach zu teuer wurde.

Dietmar
Dietmar
1. Juni, 2016 10:20

Ich will den Schund wiederhaben

Dann darf man sich über “Batman v. Superman” nicht beklagen. 🙂

Aber es ist klar, was Du meinst und Du hast recht: Der einzige Comic, den mein Junge liest, ist “Asterix”. In anderem hat er maximal mal geblättert, ist ihm aber zu düster.

Wortvogel
Wortvogel
1. Juni, 2016 10:22

@ DMJ: Exzellenter Artikel – mein Favorit: “Eine Diskussion, die inzwischen alt genug ist, um Bier kaufen zu dürfen und bald Autofahren kann.”

@ Rudi Ratlos: Genau – das ging in den 80ern los und verbreitete sich wie Seuche in den 90ern.

Kastanie
Kastanie
1. Juni, 2016 11:39

@Rudi Ratlos: so habe ich das auch erlebt. Ich bin wahrlich kein Comic-Enthusiast. Meine Erfahrung beschränkt sich auf ein paar Asterix-Comics, Fix & Foxi und Entenhausen.
Anfang der 2000er habe ich mal aus Neugier angefangen, eine gerade neu gestartete Spider-Man-Comicserie anzufangen. Sozusagen als Einstieg in die tolle Superhelden-Comicwelt. Vier Bände später war ich raus – aus dem einfachen Grund, dass zeitgleich eine zweite Spider-Man-Serie publiziert wurde, die einen anderen Namen trug, aber die Geschichte fortsetzte bzw. ergänzte. Soll heißen, wenn man die nicht auch gekauft hatte, fehlte dir inhaltlich was. Du musstest also beide Serien kaufen, die sowieso nur eine Geschichte war. Interessantes Konzept, aber verwirrend, zumindest für mich Comic-Noob. Das wurde mir als Teenie und Nicht-Nerd einfach zu teuer. Und seitdem habe ich es nie wieder versucht.
Sehr schade eigentlich, kaum angefangen, schon die Nase voll. Insofern stimme ich dem Wortvogel zu, wenn er sagt, dass nachfolgenden Generationen Steine in den Weg gelegt werden – mit solchen Spiränzchen torpediert man das ja sozusagen.

HERDIR
HERDIR
1. Juni, 2016 13:32

@ Rudi Ratlos
Genau das war auch der Grund das ich das Sammeln und kontinuierliche Lesen bei DC und Marvel Deutschland eingestellt habe … und bei den Parallelserien (siehe Spiderman) war ich dann nicht nur ernüchtert sondern sauer …

derzeit “fülle” ich nur noch Altbestände (Williams, Condor) per günstigen ebayeinkauf auf …

Uli
Uli
1. Juni, 2016 16:57

“So sehr ich z.B. den Cross Cult-Verlag schätze, so sehr empört mich die Preispolitik z.B. bei den Sammelbänden zu “Walking Dead””

Geht mir ganz genauso, ich wollte bei der Comicserie auch mal einsteigen, nachdem sie ja überall in den Himmel gelobt wird. Aber die Preise sind für mich jenseits von Gut und Böse, da kaufe ich mir lieber zwei DVD Boxen oder fünf Bücher.

Mencken
Mencken
1. Juni, 2016 22:44

Die “verlorene Generation” findet man ja auch bei vielen anderen Dingen, etwa Spielzeugen, Hörspielen, Zeichentrickserien usw.
Fällt mir als Vater extrem stark auf, wobei ich die ganzen Internet-Pornoversionen naheliegenderweise noch am lästigsten finde.

sergej
sergej
2. Juni, 2016 00:11

Bericht vom BR “Südlicht”, beim zappen aus Zufall drauf gestoßen und ein paar Minuten geschaut. Vielleicht interessiert es.

http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/suedlicht/suedlicht-comic-salon-100.html

Flossensauger
2. Juni, 2016 01:24

Vielen Dank für diesen Zustandsbericht. Selber lese ich keine Comics ausser altem Ralph König, aber ich habe leider noch so zwei drei Abhängige zu betreuen. Seufz.

HERDIR
HERDIR
2. Juni, 2016 11:55

@ Flossensauger

Von was abhängig?

Jake
Jake
2. Juni, 2016 16:23

50 EUR für die “The Walking Dead”-Kompendien gehen ja noch. Die beinhalten immerhin 48 Ausgaben der Heftserie und umfassen jeweils über 1.000 Seiten.

Ich hatte mir bis vor drei Jahren regelmäßig die Hardcover-Bücher gekauft, da die etwas wertiger sind, eine optimale Dicke haben und sich schön im Regal machen. Die umfassen nur 12 Ausgaben und kosten mittlerweile, wie ich gerade mit Erschrecken feststellen musste, satte 33 EUR, wenn man sie bei Amazon Deutschland bestellt. Trotz Hardcover ist das eine Frechheit. Über den Marketplace kriegt man die Teile zwar immer noch für ca. 25 EUR, aber selbst diesen Betrag fand ich damals schon amtlich (was dann auch der Grund war, warum ich mir irgendwann keine weiteren Bände mehr gekauft habe).

Jake
Jake
2. Juni, 2016 16:34

EDIT: Wobei 50 EUR für die TWD-Kompendien natürlich trotzdem zu viel ist. Mit “das geht ja noch” meinte ich im direkten Vergleich zu den Hardcover-Büchern.

Magnus
Magnus
3. Juni, 2016 10:47

Das ist so eine Sache mit den Kindern und Jugendlichen als LeserInnen. Ich würde sagen, dass viele davon heute eher Manga als westliche Comics lesen, weil die eher in der Lage sind, die passenden Themen in der passenden Verpackung zu bieten. Bei westlichen Comics würde ich sagen, dass es sie Branche nicht geschafft hat, denen, die den lustigen Taschenbüchern entwachsen, ein attraktives Anschlussangebot zu machen. Wobei man beachten muss, dass Jugendliche ab ca. 12 ohnehin ein sehr schwieriges Publikum für Verlage sind. In dem Alter hören viele Jungs ganz auf zu lesen, und auch bei den Mädchen sinkt der Anteil, wenn auch nicht so stark. Aber das sollte alles keine Entschuldigung sein! Bei den größeren Verlagen ist es dennoch schwierig, einen solchen radikalen Sategiewechsel durchzusetzen, denn viele der Verantwortlichen gehen lieber auf Nummr sicher und bleiben bei dem, was vermeintlich sicheren Umsatz beschwert. Zudem finden sich in den Entscheidungsetagen eigentlich gar keine Comicfans, die bereit wären, für “ihr” Medium ein Risiko einzugehen.

Wortvogel
Wortvogel
3. Juni, 2016 12:35

@ Magnus: Ich beziehe mich auf die Generation, die mit Comics aufwachsen soll – also die Kids ab 4. In dem Alter habe ich angefangen und in dem Alter haben auch meine Patenkinder erstmals in den rum liegenden Lucky Lukes geschmökert. Wer sie in dem Alter nicht erwischt, hat schon verloren. Und für dieses Alter eignen sich Mangas nicht.

“Zudem finden sich in den Entscheidungsetagen eigentlich gar keine Comicfans, die bereit wären, für “ihr” Medium ein Risiko einzugehen.” – das ist schlicht nicht wahr. Ich würde sogar sagen, das Gegenteil ist wahr – heute sitzen in den Etagen der Verlage Altnerds, die eher den eigenen Geschmack bedienen als den der notwendigen nächsten Generation. Die publishen, was SIE lesen wollen.