Watching (7): Maigret stellt eine Falle
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Es war eine ziemlicher Casting Coup, als ITV verkünden konnte, für neue Adaptionen der Maigret-Romane von Georges Simenon ausgerechnet "Mr. Bean" Rowan Atkinson engagiert zu haben. Der gummigesichtige, schlaksige Komiker, als Schauspieler gerne unterschätzt, hat so gar nichts von dem bulligen Pariser Polizisten, wie er bisher oft porträtiert wurde. Aber schon das erste PR-Bild zum ersten TV-Film "Maigret stellt eine Falle" machte deutlich, dass Atkinson bereit ist, sich der Figur zu unterwerfen:
"Maigret stellt eine Falle" ist der 48. Roman in der lang laufenden Reihe und stammt von 1955. Ähnlich wie Edgar Wallace war Simenon ein notorischer Vielschreiber und die Maigret-Geschichten sind klassische Krimis ohne große Überraschungen. Solide, aber nicht auf dem aktuellen Stand, was das psychologische Interesse an den Figuren angeht, der Konstruktion des Protagonisten oder den Anspruch an die Komplexität der Dramaturgie.
ITV hat sich offensichtlich entschlossen, die Stoffe nicht zu modernisieren, sondern sie bestmöglich zu illustrieren. Es sind in Leder gebundene Prachtbände mit Goldschnitt und Lesebändchen, eine verfilmte Sammleredition, die man in Filzpantoffeln und Morgenmantel genießen sollte.
Rowan Atkinson ist großartig, sein Maigret schweigsam, in sich gekehrt, fast schon depressiv. Ihn treibt die Pflicht, nicht die Egomanie, nicht das Trauma. Die Pfeife – sein Markenzeichen – ist nicht nur eine Denkhilfe, sie ist auch sein Anker, eine Beschäftigung seiner Hände, wenn er hilflos auf den nächsten Mord warten muss.
Wie schon erwähnt, sind die Maigret-Geschichten nicht ansatzweise so komplex wie "Sherlock" oder "Luther", ihnen fehlt die psychologische Tiefe von "Singlehanded" oder der regionale Charme von "Death in Paradise". Deshalb war die Entscheidung, die eigentlich knappen Storys in Spielfilmlänge umzusetzen, vermutlich eher der Vermarktung und der größeren Zahl der Werbepausen geschuldet. Alles, was hier in 90 Minuten erzählt wird, hätte auch genau so entspannt in 60 erzählt werden können.
Und trotzdem kann man sich nicht losreißen, denn bei "Maigret" wird in Sachen Ausstattung, Locations, Kostümen und Requisiten in einem Maße aufgefahren, dass man sich an den Bildern besaufen kann. Da stimmt jedes Detail bis hin zu den Aschenbechern, den Werbeplakaten und Bilderrahmen.
Hier lohnt der HD-Fernseher, denn man möchte jede einzelne Aufnahme stoppen, studieren, ausdrucken und rahmen lassen. Und weil das so ist, lasse ich einfach mal die Bilder sprechen:
Ist es inhaltlich ein Kind des neuen "golden age of television"? Nein. Aber es ist technisch – auch dank glorreicher, kristallklarer Nachtaufnahmen – ein Musterbeispiel für die Überlegenheit des modernen Fernsehens, das zehn Jahre nach seinem angekündigten Tod eine neue Blütezeit erlebt. Nicht in Deutschland, natürlich, aber wenigstens anderswo.
Wer es bei Krimis also in jedem und im besten Sinne klassisch mag, ist bei "Maigret stellt eine Falle" genau richtig.
Seit ich Rowan Atkinson in Top Gear gesehen habe, wo er mit seiner Miene die Lage der Nation dargestellt hat, glaube ich er kann jede Rolle spielen. 🙂
Das ist was für mich!
Der vorhergesagte Tod des Fernsehens bezieht sich auf die Form der Ausstrahlung, nicht die Inhalte…
…mal wieder etwas Besonderes, ein toller Film, danke für deinen Tip, du hattest recht, sowohl Kamera, Licht und Szenenbild Extraklasse !!!
Das sich anzuschauen macht Spass und Lust auf mehr !!
mal schauen, wenn er es denn mal nach Deutschland schafft. Aber für mich ist immer noch Jean Gabin der Maigret 😉
Herrlich unspektakulär! Tolle Inszenierung, die aber tatsächlich etwas zu gestreckt ist. Aber endlich mal eine realistisch wirkende Geschichte ohne die üblichen Klischees. In modernen Krimis scheint es fast immer nur zwei verschiedene Detektive zu geben: entweder ist er psychologisch angeschlagen mit privaten Problemen (wie bringt der Held nur Familie und Beruf unter ein Dach?) oder er ist ein Supercop, der anhand eines winzigen Details sofort siegessicher den Fall löst. "Luther" oder "Sherlock" sind auch tolle Serien, aber Maigret ist eine gern gesehene Abwechslung von der Hektik.
Interessant hier war auch, dass der Zuschauer genauso wie Maigret selbst sich nicht immer sicher sein konnte, ob man jetzt den richtigen Verdächtigen hatte.
Danke für den Tipp. Was für eine unglaubliche atmosphärische Dichte. Deine Beschreibung hat nicht zu viel versprochen. Rowan Atkinson überzeugt als sehr nachdenklicher, pflichtbewusster, keinesfalls einfach gestrickter oder auftrumpfender Maigret. Die 92er-Version ist dagegen ein starker Kontrast und wirkt auf mich zu holzschnittartig und mit einem zu polterigen, zu sehr von sich selbst überzeugten Maigret.
Schön, Rowan Atkinson mal wieder in einer neuen Rolle zu sehen. Ich finde auch, dass dieser schauspielerisch absolut unterschätzt ist. In Deutschland und zahlreichen anderen Ländern wird er halt immer noch auf Mr. Bean reduziert (weil das eben seine bekannteste Rolle ist), dabei hat er doch schon vor Jahrzehnten in Blackadder, The Thin Blue Line oder Four Weddings and a Funeral bewiesen, dass er wesentlich mehr kann als nur den Slapstick-Grimassenclown und tatsächlich ein toller, vielseitiger, subtiler Charakterdarsteller ist.
Also ich schwöre ja nach wie vor auf die Serie der Franzosen mit Bruno Cremer als Maigret aus den 1990ern. Teilweise gedreht von namhaften Filmemachern; mit einem exzellenten Gespür fürs Zeitkolorit und die Figur des Maigret; es gab mal einige Folgen bei VOX. Leider gibts DVDs aber nur in der OF ohne Untertitel.
@ Vollidiot: Nein. Es ging auch um die gewachsenen Formate, deren Länge, Struktur, Genres, etc.