Watching (5): The Night Manager
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Es ist bekannt, dass ich britischen Serien erheblich mehr zugeneigt bin als amerikanischen. Ich mag die Ernsthaftigkeit, das Drama, den Verzicht auf die ewigen Superlative. Wenn man sich vorstellt, was für ein schnarchiges, farbloses "Vergnügen" die Serien von der Insel bis in die 90er waren, wird die radikale Wende deutlich, die britische Sender und Produzenten geschafft haben, gerade im Bereich Krimi: "Luther", "Happy Valley", "Broadchurch", "Thorne", "Fortitude", "Sherlock", Singlehanded", "Ripper Street", "Good cop", etc. pp.
Ich mag auch die Tatsache, dass die Briten immer noch gerne das Miniserien-Format bedienen und Handlungsbögen oft nach sechs Folgen abschließen. Das ist stemmbarer als die 22er-Staffeln aus den USA.
Über die gelungene Umsetzung von "And then there were none" hatte ich neulich schon geschrieben. Die LvA hat sich in den letzten Wochen von der spektakulären Neuverfilmung von "Krieg & Frieden" begeistern lassen:
Mit "The Night Manager" zeigt die BBC (in Zusammenarbeit mit dem US-Sender AMC) mal wieder, wo aktuell der Hammer hängt. Eine John le Carré-Verfilmung mit Starbesetzung, gedreht mit großem Aufwand an spektakulären Schauplätzen, getragen von Charisma und inszenatorischem Fingerspitzengefühl. Premium-Fernsehen – und jetzt schon für Prime-User auf deutsch bei Amazon.
Müsste ich was kritisieren, es wäre dies: Die Miniserie schafft in den Folgen 2-6 nicht mehr die atmosphärische Dichte der ersten Episode, und letztlich (John le Carré halt) sind die erzählten Strukturen doch sehr bekannt und hausbacken: Der Bösewicht, der eingeschmuggelte Agent mit schwankender Loyalität, das Gangsterliebchen, der misstrauische Handlanger, der Geheimdienst-Chef im Hintergrund. Oft gesehene Standards, aber selten so üppig und hochwertig umgesetzt.
Es würde mich freuen, wenn in dieser neuen TV-Ära wieder mehr Romane verfilmt würden, wenn die goldene Zeit der "based on the novel"-Adaptionen Ende der 70er, Anfang der 80er wieder aufgenommen würde. Ich hätte nichts gegen ein Remake von "Noble House" oder "Shogun", aufwändige Umsetzungen von "Der Zauberberg" und "Faust". Anyone?
Das einzige, was mich im Trailer etwas nervt, ist dass die Kamera so auf den Gesichtern klebt. Ein Schauspieler besteht doch nicht nur aus seiner Visage. Ich hoffe, das ziehen sie so nicht die ganze Zeit durch. Gerade in Zeiten von HD und riesigen Fernsehen kann man doch wieder etwas weiter zurücktreten und die Körpersprache und Kulissen wirken lassen. Zumal sie ja anscheinend gute Drehorte haben.
@ Donalbain: Es ist Fernsehen – Fernsehen ist nicht Kino. Und da nicht mal 50 Prozent der Leute HD-Fernsehen nutzen (von 4k ganz zu schweigen), würde ich auch dringlich davon abraten, die Erzählmittel des Fernsehens aufzugeben. Und das heißt: näher ran. Aber generell ist "The Night Manager" auch durchaus mit großen Bildern und Totalen nicht geizig.
Ist mir gerade bei der letzten Folge der neuen Akte X aufgefallen, als die Kamera für eine HD-Produktion eigentlich viel zu nah an Scully und ihrem Jung-Klon ("Agent Einstein") dran war, da sah man bei beiden echt jede Hautunreinheit, trotz (?) massig Schminke.
Zum Hauptthema: Ob eine Remake- und Neuverfilmungswelle wirklich so viel Sinn macht? Shogun etwa ist doch eigentlich damals sauber auserzählt, was soll da Neues kommen, außer ein paar CGI-Samurai-Armeen oder künstlich aussehende Schiffszenen wie jetzt gerade im neuen Ben-Hur-Trailer. Oder vielleicht ein ganz klein bisschen mehr nackte Haut beim "Kopfkissen-Teilen".
Andererseits: Auf die neue Version von "Poldark" etwa freue ich mich dann irgendwie doch, war eine ganz nette Kindheitserinnerung.
@ Teleprompter: Man kann einer Verfilmung wie "Shogun" nicht hinzu fügen, so lange man nur die alte Version kennt. Aber wie bei "True Grit" geht es eben doch – zumal man die Titelfigur von "Shogun" noch deutlich ambivalenter erzählen kann.
Das Remark von "Poldark" war auch bemerkenswert gelungen.
Ich muss dringend mal gucken, ob ich über meinen Receiver BBC bekommen kann. Ich bin auf Graham Norton gestoßen und finde ihn großartig, die Dokumentationen sind phantastisch und die Serien beeindruckend. Da scheint mir, dass das deutsche Fernsehen erheblich hinterher hinkt.
@ Dietmar: BBC ist hierzulande schwierig – mit Norton bin ich nie so warm geworden. Vielleicht sollte ich da mal wieder rein schauen.
Bei amazon Prime? Bei mir steht:
"Aus lizenzrechtlichen Gründen kann Episode 1 derzeit weder geliehen noch gekauft werden."
Weis jemand was da los ist?
Ich hatte mich so auf die Serie gefreut und jetzt macht die Zeit nicht mit. 😀 Game of Thrones – Season 5 kam letzte Woche an und verlangt meine Aufmerksamkeit (und meine Güte, die Staffel macht mal wieder richtig Laune). Dann kam letzte Woche Doctor Who – Staffel 9 und Orphan Black – Staffel 3 an. Da muss sich Daredevil kurzfristig mit dem vierten Platz begnügen und sich in Geduld üben. Und ich ebenso.
@Dietmar: Ich fürchte, du brauchst dann eine echt große Schüssel…
http://satellitenempfang.info/britische_sender.html
http://www.sueddeutsche.de/medien/neue-amazon-serie-einsamer-spitzel-1.2924400
Und jetzt auch bei der FAZ
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-agentenserie-the-night-manager-zeigt-woran-es-james-bond-filmen-fehlt-14217349.html
Und demnächst (Ende August) im ZDF:
http://www.dwdl.de/nachrichten/56825/zdf_zeigt_the_night_manager_im_montagskino/