16
Okt 2015

Klingeling! Erinnerungen an die Telefon-Steinzeit

Themen: Neues |

Ich habe mich gestern ein wenig darüber geärgert, dass mein Smartphone satte 270 Mb für ein Systemupdate laden musste. Und darüber, dass ich bei meinem Festnetz-Telefon die zu speichernden Nummern und Namen händisch wie bei einer SMS anno 1999 eingeben muss.  Leben wir denn in der technologischen Steinzeit?!

Dann erinnerte ich mich an die technologische Steinzeit. Und ich nahm meine Telefone, entschuldigte mich und drückte sie ganz fest.

Weil ich davon ausgehe, dass es Leser unter der 30 Jahre-Schallgrenze gibt, möchte ich davon künden, wie es war, als die Post noch das Monopol hatte und Telefone zwar allgegenwärtig, aber auch gleichgeschaltet wie Minions waren.

Zuerst einmal – in den 70ern hatte man dieses Telefon:

grauFür alle Noobs: Das ist ein Wählscheibentelefon. Da steckte man den Finger in das Loch der Nummer, die man wählen wollte, und RATSCH – drehte man die Scheibe gegen alle Widerstände im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag. Finger raus, und die Wählscheibe ging ratternd in den Ausgangszustand. Nächste Nummer. Bis zum bitteren Ende.

Der technische Hintergrund dieser Mechanik war das Impulswahlverfahren. Eine Nummer wurde nicht per Ton übertragen, sondern durch eine Reihe von Impulsen. Je höher die Nummer, desto mehr Impulse. Mehr müsst ihr dazu nicht wissen. Es führte dazu, dass es ein echtes Elend war, eine lange Nummer zu wählen, besonders wenn man es eilig hatte.

Zusätzlich frustrierend war die Wählerei wegen des Mangels einer Wahlwiederholung. War bei jemandem, den man dringend erreichen wollte, besetzt, dann musste man den monotonen Vorgang mehrfach wiederholen. Anklopf-Funktion? Ha! Es waren die 70er! Wir sind noch aufgestanden, um den Fernseher umzuschalten!

Aber verdammich – es war ein so verdammt geiles Gefühl. Die Wählscheibe ist ein sinnliches Erlebnis, eine klare mechanische Ansage. Wie Bakelit-Lichtschalter und schwere Lautstärkeregler an alten Stereoanlagen. Satte Geräusche, klackernde Schaltungen. You can hear the wheels turning.

Ich kannte damals nur Leute, die das graue Telefon hatten.

Natürlich gab es Alternativen. Für Geld. Man muss nämlich wissen, dass man Telefone damals nicht kaufte, sondern von der Post mietete. Die wurden als Grundgebühren abgerechnet. Wer so versessen auf modernen Schnickschnack war, dass er ein Telefon in orange oder froschgrün wollte, der musste draufzahlen. Besonders teuer war es, ein aus US-Fernsehserien bekanntes Tastentelefon haben zu wollen:

froschgrün

Ein Macker mit froschgrünem Tastentelefon zu sein verdoppelte locker mal die Telefonrechnung.

Und so klangen die damals – alle:

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Wer sich mit dem Grau(en) des Standard-Apparats nicht anfreunden konnte, aber der Post auch kein Geld für die Premium-Geräte in den Rachen werfen wollte, der hatte die Möglichkeit, wie heute beim iPhone neue Cover zu kaufen. Dann sah das heimische Telefon meistens so aus:

brokat

Lacht nicht! Wer jetzt abwinkt und meint, so eine Brokat-Monstrosität habe doch keiner ernsthaft zu Hause stehen gehabt, der sollte mal ein paar alte “Derrick”-Folgen anschauen.

Die Brokathaube war nicht das Ende des Telefon-Pimpings. Wer für so etwas Geld ausgab, kaufte meist auch ein Register für häufig benötigte Telefonnummern. Man konnte ja nix einspeichern. Viele der analogen Register wurden direkt unter dem Telefon platziert, quasi als Basis:

orange

Oder man holte sich eine edlere Variante wie diese, bei der man den gewünschten Buchstaben einstellte, bevor die Klappe aufsprang und hektisch gekritzelte Bleistift-Notizen freigab:

register1

Ich greife nicht vor, wenn ich sage, dass in den 80ern dann eher diese simpleren Varianten populär wurden:

register2Brauchte man über das Bekannte hinaus Auskunft, rief man die Auskunft an. Da saßen nette junge Damen, die einem Nummern raussuchten, die meistens außerhalb des eigenen Ortes lagen. Ein Unterfangen nicht ohne Tücke: “Ich suche diesen Dings, den Schmidt aus Karlsruhe. Ne, wartense mal, könnte auch Kaiserslautern sein. Vorname? Hab ich nicht. Fing aber mit E an.”

Die Service-Center der Post konnte übrigens mehr als nur Auskunft erteilen. Man konnte Weckrufe bestellen, bei denen EINE ECHTE PERSON zur gewünschten Zeit anrief: “Guten Morgen, Sie hatten um einen Weckruf gebeten”. Und es gab die Zeitansage:

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Wer glaubt, das sei doch ein alberner Non-Service für Leute, die zu doof sind, auf den Wecker zu gucken, liegt spektakulär daneben – Wikipedia:

“Von den 1960er bis in die 1980er Jahre hatte die Zeitansage die Rufnummer 119 und war mit 600.000 Anrufen täglich die meistgewählte Telefonnummer in Deutschland. Sie bescherte der Post Einnahmen von etwa 50.000.000 DM jährlich. Bis 2005 war die Zeitansage unter der Rufnummer 01191 zu erreichen.”

Außerdem gab es noch diverse Service-Nummer mit Kinozeiten und Börsenkursen.

Was innerhalb der Stadtmauern gebraucht wurde, fand man mehr oder weniger gut im Telefonbuch und seinem Business-Pendant, den Gelben Seiten. Man könnte, möchte aber nicht berechnen, wie viele Millionen Tonnen Papier für Telefonbücher draufgingen. Für jede Stadt, jeden Kreis, jeden Teilnehmer. Jedes Jahr wieder.

Telefonbücher waren damals so unverzichtbar wie heute Wikipedia und wurden in den späten 90ern für kurze Zeit von den Telefonbuch-CDs abgelöst, deren Datenbestand von chinesischen Hilfsarbeitern im Akkord abgetippt worden war und deren Preis schnell von 20 DM auf 3 DM fiel, bevor das Internet die händische Suche endgültig überflüssig machte.

Hier habe ich einen wunderbaren Vergleichstest zweier Telefonbuch-CDs von 1999 gefunden. Aber das nur am Rande.

Was die Post an Auswahl verweigerte, machte sie durch Robustheit wett: Das bundesdeutsche Netz der 70er war stabil, die Apparate selbst mit Vorsatz kaum zu brechen. Alternativen? Waren verboten, das Monopol der Post war absolut. Es war tatsächlich strafbar, sich Telefone aus anderen Ländern zu besorgen und daheim anzuschließen (was technisch ein Klacks war). Nichtsdestotrotz ließen sich viele mutige Bundesbürger nicht davon abhalten, im Import/Export-Laden am Hauptbahnhof einen Apparat asiatischer Produktion zu kaufen. Das war wie mit dem Joint und dem Fahren ohne Gurt: Man durfte sich halt nur nicht erwischen lassen.

Solche Leute hatten dann solche coolen Teile bei sich im Partykeller:

micky

Ich selbst habe in meiner ersten Wohnung ebenfalls ein illegales Telefon zum Einsatz gebracht. Schlappe 5 Mark kostete das knallrote Handset mit den elementaren Vorteilen: Hörer und Gerät in einem Gehäuse (vergleichbar den heute normalen schnurlosen Telefonen), Wahlwiederholung, Kurzwahlspeicher. Die Sprachqualität hatte nicht Post-Standard, war für mich aber ausreichend. Ich war ein Rebell.

Der Markt der 70er und 80er war ansonsten geprägt von einer piefigen Überschaubarkeit. Monopolist Post stellte Geräte, Infrastruktur, Montage – und legte nach eigenem Gusto die Preise fest.

Heute kaum vorstellbar: Telefonate innerhalb Deutschlands wurden sorgsam geplant, denn nur “innerorts” war es vergleichsweise günstig, zum Hörer zu greifen. Alles jenseits der Stadtgrenze war ein berüchtigtes “Ferngespräch”. Das führte man besser zum preiswerteren “Mondscheintarif“, denn eine unglücklich in den Jungen aus dem Ferienlager verliebte pubertierende Tochter konnte mit Telefonaten von Düsseldorf nach München die ganze Familie ruinieren.

Schlimmer noch die Auslandsgespräche, die seinerzeit nötig wurden, wenn der Sohn auf Schüleraustausch war oder man die ausgewanderte Tante in Kanada zum Geburtstag anrufen musste. Das war nicht teuer – das war ein schwarzes Loch, das Gehaltsschecks, Lohntüten und die Rentenvorsorge fraß. Man erinnert sich mit wohligem Schauer an das fast sekündliche “klack-klack-klack”, mit dem die analoge Leitung von der Abrechnung einer weiteren Gebühreneinheit kündete.

Ich weiß noch, dass unsere Telefonrechnung immer so 80 Mark betrug (nach heutige Maßstab sicher um die 100 Euro), aber im Falle einer notwendigen Auslandsverbindung schnell mal auf 150 Mark hochschoss. Flatrates? Ein süßes Wort aus fremder Welt.

“Fasse dich kurz!” stand damals auf den Telefonzellen – und das war nicht nur ein freundlicher Hinweis. Der Respekt vor dieser Warnung war Selbstverteidigung.

Und damit sind wir auch schon bei den Telefonzellen und ihrer ganz eigenen Subkultur. Als ich aufwuchs, sahen die so aus (dieses Exemplar steht echt in einem Freilichtmuseum):

telefonzelle

Die Geräte, die für Ortsgespräche erst 20, später 30 Pfennig schluckten, waren metallene Monster, gebaut aus Panzerstahl, unzerstörbar und für die Ewigkeit, denn dem deutschen Randalen war nicht zu trauen. Und vielleicht reizte genau das den Zerstörungstrieb des halbstarken Streunertums, diese zu selbstsicher zur Schau getragene Wuchtigkeit. Jedenfalls waren viele (die meisten?) Telefone in den Zellen permanent kaputt.

Der Klassiker: Kabel zwischen Hörer und Apparat durchtrennt. Oder Münzeinwurf mit Zigarettenkippen verstopft. Überhaupt waren die Zellen übersät mit Brandabdrücken, weil pornoschnauzbärtige Polyesterhemdträger der 70er mit ihren Fluppen die Kabinen vollqualmen und diese dann auf den wenigen Plastikteilen (z.B. des Telefonbuchhalters) ausdrücken mussten.

Die Telefonbücher in den Zellen waren übrigens entweder gestohlen oder mindestens um die Hälfte der Seiten erleichtert. Wenn man eine Nummer gefunden hatte, die man brauchen konnte, riss man sich halt die Seite raus. War damals so.

Ein funktionierender Apparat und ausreichend Kleingeld waren damals übrigens immer noch keine Garantie für ein entspanntes Telefonat. Eigentlich zwingend war die Zelle bereits besetzt von einem albanischen Gastarbeiter, der laustark auf ausländisch mit der Familie parlierte und entschlossen war, sich den Spaß auch was kosten zu lassen – gut ersichtlich an den auf dem Gerät gestapelten Markstücken, die im Minutentakt eingeworfen wurden.

Entnervtes Klopfen an die Tür machte in so einem Fall keinen Sinn, es führte nur zum typischen, nicht minder entnervten Wegdrehen des Dauertelefonierers.

Nun musste die Telefonzelle alten Zuschnitts oft genug gar nicht funktionieren, weil ihre Konstruktion und ihr Standort sie für andere Aufgaben prädestinierten: Bei Regen diente sie als Trockenkabine, im Winter als Kälteschutz, am Abend als Stehimbiss und auf weniger frequentierten Straßen als Fummelbude. Hier ließ sich prima auf den Bus warten und nach der Schule konnte man den Klassenidioten darin einsperren.

Selbst Filme wurden in Telefonzellen gedreht:

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Und dennoch: Die Telefonzelle hatte einen miesen Leumund und den zu Recht. Denn selbst wenn man eine technisch funktionsfähige Kabine fand, war diese meistens kaum benutzbar. Wenn sie nicht nach Pisse roch, roch sie nach Kotze. Wenn sie nicht nach Kotze roch, stank der Schimmel eines vor Wochen in die Ecke getretenen Pausenbrotes. Ameisenbefall, Hundekacke oder auch einfach mal ein über dem Apparat verschütteter Joghurt – es gab immer ausreichend Gründe, eine Telefonzelle nicht betreten zu können/wollen. Die Post kam mit der Wartung nicht nach und es wundert nicht.

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In den 90ern wurde der Markt dann liberalisiert. Er wurde komplizierter, mit so vielen Tarifen und so vielen Anbietern, aber die Angebote wurden auch deutlich preiswerter und individueller. Nachdem der Monopolist die Kunden nicht mehr über eine Kamm scheren konnte, brachen alle Dämme.

Das Internet machte das Telefonbuch überflüssig, das Handy die Telefonzelle. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt ein Wählscheibentelefon benutzt habe. Kabel sind out – weder vom Hörer zum Gerät noch vom Gerät zum Netz. Die große Freiheit. Ortsgespräche kosten mich heute gar nichts mehr, Ferngespräche sind auch pauschal abgedeckt. Muss ich mal bei meinen Eltern in Belgien anrufen, sind das negierbare Kosten, es gibt keinen nervösen Blick auf die Eieruhr mehr. Die Zeitansage ist ebenso Geschichte wie der Mondschein-Tarif.

Die zur Telekom umgetaufte Telefonsparte der Post tat sich noch lange notorisch schwer, in der neuen Zeit anzukommen, trompetete in albernen Spots stolz, wie kompliziert doch alles sei, statt die Vorteile für den Kunden zu preisen:

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“Deutschlands Kommunikations-Gesellschaft” – sexy!

Aber ab da kennt ihr die Geschichte ja auch selbst.



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Mic
Mic
16. Oktober, 2015 20:37

Oh ja, Wählscheibentelefone! Die waren ganz klasse, wenn man nicht gerade dünne Finger hatte. Jedenfalls konnte ich das manches Mal bewundern, wenn ich mir Verwandte so ansah, die die berühmt-berüchtigten Wurstfinger besaßen. Ich selbst war noch so jung, dass ich eher das Telefon festhalten musste, damit mir bei der Kraft, die ich aufwenden musste, nicht das Gerät beim Wählen andauernd wegrutschte.

comicfreak
comicfreak
16. Oktober, 2015 20:44

..in unserem Ort gab es sogar 2 Telefonzellen.
Und wir waren das erste Haus unserer Straße mit eigenem Telefon!
(das orangene mit dem farblich passenden Register darunter)
Auslandstelefonate wurden in dringenden Fällen per Postkarte verabredet, und ich kann mich an manches Mal erinnern, wo eine Nachbarin auf einem unbequemen Küchenstuhl im Flur saß und auf den Anruf der entfernten Verwandten aus Frankreich wartete..

simop
simop
16. Oktober, 2015 20:47

Danke für den Rückblick in meine Kindheit und Jugend… 🙂

Ich habe übrigens Ende der 80er ein Praktikum in einem Unternehmen gemacht, das die Wahltelefone der deutschen Bundespost baute – ein auf historisch getrimmtes Teil, genau die oben gezeigten Tastentelefone (deren Tasten von vielen Arbeiterinnen in Heimarbeit eingesetzt wurden) – und sogar eine offizielle Version von Micky Mouse…

Hach, lang ist es her…

Mic
Mic
16. Oktober, 2015 20:51

Mir fällt gerade ein, dass ich tatsächlich Anfang der 90er noch Klassenkameraden hatte, die überhaupt kein Telefon besaßen. Unvorstellbar, wo heute sogar Zehnjährige schon mit eigenem Smartphone herumlaufen.

Marko
16. Oktober, 2015 21:00

Und wer glaubt, mit den damaligen Tastentelefone konnte man ordentlich Zeit beim Wählen sparen: Ja, man konnte die Nummern schnell hintereinander drücken, aber “wählen” tat der Apparat dann doch per Impulswahl …

AlphaOrange
AlphaOrange
16. Oktober, 2015 21:07

Ans Wählscheibentelefon erinnere ich mich noch gut – das muss aber schon mindestens 1990 gewesen sein. Und dank deines Posts weiß ich nun auch endlich, wieso man damals die scheinbar bekloppteste aller Wählmethoden gebaut hat.

Die Zeitansage der Telekom gibt es übrigens sehr wohl noch: “0180 4 100 100 (20 Cent/Verbindung aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute)”

vobac
vobac
16. Oktober, 2015 21:12

In Bezug auf die Telefonzellen fehlt mir noch die Phase der frühen Neunziger, in der die Telefonzellen auf speziell zu erwerbende Telefonkarten umgestellt wurden – wenn ich mich recht erinnere, liefen die nach einem Jahr ab. Jedenfalls habe ich die Wahrnehmung, dass ich so ca. 1992 mal von Telefonzelle zu Telefonzelle bin, weil ich kein Kleingeld hatte und am Kartentelefon war dann meine Karte nicht mehr gültig.

Wortvogel
Wortvogel
16. Oktober, 2015 21:40

@vobac: Das war nicht mehr mein Thema.

sergej
sergej
16. Oktober, 2015 21:57

Wer Sehnsucht nach einer alten Zelle hat
http://www.tagesspiegel.de/berlin/grosslager-bei-potsdam-telekom-verkauft-ihre-alten-telefonzellen-an-privatleute/9817850.html

Das letzte mal eine Telefonzelle regelmäßig benutzt habe ich bei der Bundeswehr, damals hatte nur die Wenigsten ein Handy und ich schon mal gar nicht.

H.S.
H.S.
26. Juni, 2022 23:48
Reply to  sergej

Und dahinter sind 20 andere Dirnstkammeraden angestanden.

Teleprompter
Teleprompter
16. Oktober, 2015 22:25

Noch einen Tick weiter zurück (weiß ich nur aus Erzählung meiner Eltern) war es nicht mal garantiert, überhaupt eine eigene Telefonleitung zu bekommen, vor allem auf dem Land. Unsere erste Leitung Mitte (späte 1960iger) teilten wir uns mit einem 3 Häuser entfernt wohnenden Nachbarn, es klingelte bei beiden, wer zu erst dran ging, hatte das Gespräch, wenn es für den anderen war, musste man irgendwie versuchen, durchzustellen. Ein abgehender Anruf beim Nachbarn blockierte uns komplett, für einen evtl. Notfall eigentlich kaum auszudenken.

H.S.
H.S.
26. Juni, 2022 23:51
Reply to  Teleprompter

Oh, ja, gemeinschaftsanschluss. Mit den Faxgeräten auf dem Land Gang und Gäbe. Zu wenig Leitungen.

Dieter
Dieter
17. Oktober, 2015 03:54

1973 / 1974 war es, als ich unerlaubterweise einen dieser grauen Apparate in meinem Kinderzimmer hatte. Mein Vater war in der Branche tätig und versorgte sämtliche Zimmer des kleinen Reihenhäuschens mit Telefonapparaten. Das war natürlich illegal, führte auch zu Situationen, in denen ein Familienmitglied das Gespräch eines anderen mithören konnte. Aber ich war stolz wie Oskar.
Nach der Schule rief ich regelmäßig meinen besten Kumpel an, legte den Hörer nebenhin und blockierte so die Leitung oft stundenlang. Wenn mein Kumpel und ich uns etwas mitteilen wollten, mussten wir erstmal den Anderen durch lautes Rufen dazu bekommen, den Hörer wieder in die Hand zu nehmen. Leider wurde dann irgendwann der 8-Minutentakt für Nahgespräche eingeführt. Schluss war’s mit der ersten Flatrate 🙂
Und Werbung für Apparate und Telefonanschlüsse wurde auch gemacht… von der Arbeitsgemeinschaft Telefon: Wer hat noch kein’s – schenk doch eins.
http://3.bp.blogspot.com/-AQlPnuDiZwU/TnGx39VQ1wI/AAAAAAAAB9Y/GFlBALhKUhU/s1600/arbeitsgemeinschaft-telefon-werbung-1976-70er-jahre-vongestern.jpg

plumtree
17. Oktober, 2015 12:11

Es gab noch eine verschärfte Variante zum Wählscheibentelefon.
Wenn man in einer Einrichtung lebte/arbeitete, deren Telefone keinen direkten Draht zur Aussenwelt hatten (Kaserne, Krankenhäuser, Behörden) musste man zur Kontaktaufnahme mit anderen eine Vermittlung anrufen.
Der sagte man die Telefonnummer des gewünschten Partners und darüber wurde dann die Verbindung hergestellt.
Ich bin in einer Polizeikaserne aufgewachsen und manchmal war das ganz schön peinlich, wenn man als Jugendlicher mal wieder ein paar Freunde einladen wollte (das ging ja nur so, keine SMS/Whatsapp/Handys) und eine Serie von Telefonaten machen musste.
Mindestens die Dame (und das waren immer Frauen) von der Vermittlung wusste immer was los war.

Später stellte sie nur noch eine Verbundung zum “Amt” her. Wählen durfte man dann allein.

btw Meine Oma hatte immer so einen Brokatüberstülper für ihr Telefon – damit es nicht schmutzig wird 🙂

Lutz
Lutz
18. Oktober, 2015 00:43

Die Szene aus “In & Out”, in der Matt Dillons Model-Freundin an der Telefonwählscheibe verzweifelt würde heute vermutlich keine Lacher mehr erzielen.

Dietmar
Dietmar
18. Oktober, 2015 01:03

Wir waren arm und hatten deshalb lange kein Telefon (muss man das nicht jetzt zeitgeistangemessen “Telephon” schreiben wie früher? Äh… schrieben wir das so? Jetzt bin ich unsicher (Blöde Reform, blöde!).) Jedenfalls: Anrufe an uns wurden von der Nachbarin entgegen genommen. Ihren gläserberstenden Ultrasopran habe ich heute noch im Ohr. 20 m Luftlinie zwischen den Häuser im Wald wurden rufend überbrückt. „Lenchen!”, mit Hebung auf “chen”, „Telefon!” Meine Mutter sprintet los: „Oh Gott, oh Gott! Das ist bestimmt Onkel Hermann!” Er rief (und ruft, wird dieses Jahr 80) aus Bremen an. Eile geboten: Ferngespräch! Als das Telefon dann kam, prassten wir so richtig: Grün! Ich weiß noch, wie ich als Jugendlicher J.R.’s Telefon klasse fand. Stylische Hightech!

Danke für den Erinnerungsflash!

Dirk
18. Oktober, 2015 09:14

Ich habe mir irgendwann damals, als ich angefangen habe, selbständig zu arbeiten (aber noch zu Hause wohnte, sowas), ein fürcherlich illegales Telefon von Sony zugelegt, das Tasten hatte, 20 Nummerspeicher, Freisprechen, und Wahlwiederholung. Es hatte sogar das Monsterfeature solange automatisch die Wahlwiederholung zu nutzen, bis die Gegenstelle nicht mehr besetzt war. Aber da gab es schon Tonwahl, sonst hätte das die Hubdrehwähler der Post getötet.

Mencken
Mencken
18. Oktober, 2015 12:04

Ich benutze hier immer noch das froschgrüne Tastentelefon und ein Wählscheibentelefon (in Tannengrün). Zumindest muss man der Post lassen, daß ihre Geräte wirklich langlebig sind.

Bin mir allerdings sicher, daß wir die nie gemietet, sondern gleich gekauft hatten.

Exverlobter
Exverlobter
19. Oktober, 2015 15:09

Meine Oma hatte langezeit ein Wahlscheibentelefon, damit hab ich gern telefoniert, wenn ich sie besuchte. Wie der Wortvogel beschrieben hat war es faszinierend die Mechanik dahinter beinahe spüren zu können.

@Mic
“Mir fällt gerade ein, dass ich tatsächlich Anfang der 90er noch Klassenkameraden hatte, die überhaupt kein Telefon besaßen. Unvorstellbar, wo heute sogar Zehnjährige schon mit eigenem Smartphone herumlaufen.”

Aus meiner Sicht unvorstellbar, dass Zehnjährige heutzutage unbedingt ein eigenes Telefon brauchen. Ich bin zwar in den 90ern aufgewachsen, aber selbst da haben es meine Eltern mir verboten mir eins anzuschaffen. Da wollte das Elternhaus weiterhin Kontrolle ausüben können. (Und damals konnte man sich noch keine Pornos aufs Handy laden). Mich hat das aber nie großartig gestört. Der schon damals grassierende Handywahn ließ mich eher kalt. Ausnahmsweise hatte die Erziehung der Eltern gewirkt. Mich störte eher ihre restriktive Filmpolitik “Amischmarrn verdirbt die Jugend”. Aber beim Handy gebe ich ihnen Recht. Wenn ich die Teens von heute mit ihren Smartphones sehe (ich habe bis heute keins) schüttle ich selber mit dem Kopf.
Gott, jetzt höre ich mich wie ein alter Mann an, lol.

Mic
Mic
19. Oktober, 2015 15:38

Sagen wir mal so: ein Telefon macht bei manchen Kindern Sinn, weil sich die Umweltbedingungen geändert haben. Es ist eben nicht mehr so, dass man überall gefahrlos auf der Straße spielen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, vom Auto überfahren zu werden. Und es ist leider auch nicht mehr so ganz unüblich, dass Kinder durch Gruppenzwang o.ä. nicht auf dem direkten Weg nach Hause kommen. Deswegen ist es gar nicht schlecht, wenn man im Zweifel angerufen werden kann, wenn etwas passiert ist, oder wenn man selber anrufen kann, um den Nachwuchs auf den Pfad der Tugend bzw. nach Hause zurückzurufen.

Aber gegen den Technikwahn, der da ausgebrochen ist, haben meine Frau und ich uns auch lange gestemmt. Es tat auch ein ganz einfaches Nokia-Handy für unsere Tochter. Und als die jetzt, mit 12, das abgetragene Smartphone meiner Frau bekommen hat, war sie tatsächlich die Vorletzte in ihrer Klasse, die noch keins hatte. Ausgekommen wäre sie auch weiterhin mit dem Billig-Handy für 29.90€.

Für mich hat das aber auch im weitesten Sinne etwas mit Medienkompetenz zu tun, die man da aufbaut. Wohl kontrolliert aufbaut. Klappt sogar! Wenn meine Eltern versucht hätten, meine PC-Zeit zu begrenzen, dann wäre aber was los gewesen (davon abgesehen, dass die es nie geschafft hätten, mich auszusperren, es sei denn, sie hätten den PC weggeschlossen). Das klappt im Moment bei uns noch ganz gut.

An der einen Stelle gibt man was nach, an der anderen ist man restriktiver. Passt schon irgendwo, im Mittel.

Und gemessen an mir bist du “alter Mann” noch ein Küken! 😉

dyson
dyson
19. Oktober, 2015 15:47

Hach, schön war’s…
Wir hatten früher (Mitte/ Ende der 80er) so ein beigefarbenes Tastentelefon zu Hause. Irgendwann nach unserem Umzug ’87 (’89?) hatten wir sogar ein zweites Gerät im Flur, ebenfalls ein knallrotes Handset.
Irgendwann (Mitte der 90er) wurde es dann langweilig, als die ersten Schnurlosgeräte kamen und Einzug bei meinen Eltern hielten…

In meiner zweiten Wohnung (in der ersten hatte ich gar kein Telefon) habe ich mir dann ein dunkelgrünes Exemplar mit Wählscheibe zugelegt – von der Form her wie das Tastentelefon aus dem Artikel.
Nach unserem Einzug ins Eigenheim vor knapp einem Jahr nutzten wir das auch noch, allerdings wurde es – den Damen zu Liebe – gegen ein Schnurlostelefon ersetzt. Wenn eines Tages mein Büro im oberen Stockwerk fertig ist, kommt auch die grüne Wählscheibe wieder an ihren Platz auf dem Schreibtisch.
Wrieeek-rrrrrrr-klackklackklack…

Moss the Phreak
Moss the Phreak
19. Oktober, 2015 17:45

Tjaja, mit Telefonbasteleien hatte ich mich schon Ende der 1970er mehrfach ziemlich strafbar gemacht … aber gekriegt haben sie mich nie. :-]

Auch später übrigens nicht, als der einzige legale Weg zur Datenfernübertragung die Benutzung eines Akustikkopplers (vulgo: Datenklo) war und der illegale Anschluss eines Modems (oder auch die Benutzung eines nicht von der FTZ genehmigten Kopplers) zu Geld- oder Haftstrafen führen konnte. Ich hatte auch mal ein aus USA importiertes Funktelefon, das damals dazu führte, dass der Funkpeilwagen zwei Wochen lang immer wieder in der Gegend stand. Der DBP-Techniker, der irgendwann in den 1980ern das Bildschirmtext-Telefon in meinem Büro installierte und bei der Gelegenheit die alten Klemmdosen gegen TAE-Buchsen austauschen wollte, staunte auch, dass ich die schon hatte … 😉

… und hier noch eine gute Nachricht für vobac.

Lülü
Lülü
19. Oktober, 2015 22:34

Hallo Wortvogel,
die Problematik des händigen Eintippens in das Festnetztelefon habe ich vor Jahren überwunden. Es gibt da ein paar Geräte, die man mit seinem Computer (Outlook o. ä) synchronisieren kann. Ich nutze das: http://www.gigaset.com/de_de/telephones-dect/corded/gigaset-dx800a-all-in-one.html

Das hat auch noch ein paar andere Vorteile, die ich haben wollte. Unter anderem mehrere Anrufbeantworter und die Möglichkeit das Handy mit dem Telefon zu koppeln. Da sucht man dann nicht immer die unterschiedlichen Handgeräte, bzw. sein Handy.

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
20. Oktober, 2015 23:34

Wahlwiederholung? Was hätten wir dafür gegeben, eine Wahlwiederholung im elfenbeinfarbenen Wählscheibentelefon gehabt zu haben: Wir hatten Verwandtschaft in der “Zone”; und da die dortigen Abhördienste nicht auf dem heutigen Stand hiesiger Abhördienste waren, gab es nur wenige Leitungen nach drüben. Also hiess es wählen, und wählen. Und Wählen[1] Fünfzig bis hundertmal war nicht selten. Die Nummer (0037 62xxx xxx) werde ich nie vergessen.

[1] Die offensichtlichen Scherze der Art “Siehste, in der DDR gab es doch freies Wählen” spar ich mir

Gab
Gab
30. Oktober, 2015 18:28

Unbedingt erwähnen muss man auch noch, dass damals der Telefonapparat ja mit Schnur an der Telefonbuchse angeschlossen war und diese sich meist im Flur befand. Radius 1 Meter oder so…. jedenfalls lag ich bei stundenlangen Gesprächen mit meinen Freundinnen immer auf dem Boden im Flur, wo dann aber auch die ganze Familie mithören konnte.

In manchen Familien gab es dann sogar sowas wie “Telefonsitzbänkchen”, wo ein hölzerner Sitzplatz mit einem Telefonbrettchen verbunden war….farblich auch im Stil der Zeit….

Später konnte man die Kabel verlängern oder es gab auch die ersten Telefone, wo das Kabel am Hörer befestigt war und man somit bis ins eigene Zimmer kam, was für ein technischer Fortschritt!!!

H.S.
H.S.
27. Juni, 2022 00:04
Reply to  Gab

Oh ja, das Telefon hing fest an der Wand im Flur. Jedes Familienmitglied konnte mithöhren. Ein Date abzumachen…
Wer Glück hatte konnte das Spiralkabel des Höres bis ins Badezimmer ausziehen und die Tür noch knapp schliessen.

PabloD
PabloD
4. November, 2015 16:21

@Mic/4: Wir im Osten haben unser erstes Telefon Ende 1995 bekommen. Als ich 1994 bei einem Sat1-Preisausschreiben (natürlich per Postkarte!) den Hauptgewinn einer bereits 7 Tage später stattfindenden Reise erzielte, sorgte das für ungläubiges Kopfschütteln und einige Schweißperlen in der Mainzer Sendezentrale aufgrund der zu beschaffenden Dokumente. 😀

Achim
Achim
5. November, 2015 11:01

Telefonzelle: Da gibt’s sogar aktuelle Popmusik zu: http://illute.bandcamp.com/track/du-bist-eine-stimme

Mic
Mic
5. November, 2015 22:25

@PabloD: Gut, im Osten war die Infrastruktur, je nachdem wo man gelebt hat, ja auch nicht dafür ausgelegt, oder?

Ich erinnere mich, wie ich Anno 1990 nahe Frankfurt/Oder war und meine Jugendgruppe sich bei einer Nachtwanderung verirrt hatte. Wir klingelten bei einem Haus und baten darum, doch mal telefonieren zu dürfen.

Mit den Worten “ihr kommt wohl aus dem Westen!” wurden wir darüber aufgeklärt, dass nach 22 Uhr kein telefonieren mehr möglich sei.

Fanden wir in dem Moment nur mäßig witzig!