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Aug 2015

FFF 2015 Zweitgutachten: „Get Shorty“, „Stung“, „Turbo Kid“, „Ava’s Possessions“

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

FFF, Tag 3. Abermals im Hotelzimmer kurz vor der Heia, solange die Eindrücke noch frisch sind. Heute im Programm: Kurzfilme, ein Verriss, eine Lobeshymne, und eine Portion Ratlosigkeit.

GET SHORTY

Das Kurzfilmprogramm in Ultrakurzfassung.

DAY 40: blasphemische Animationsverfilmung der Schöpfungsgeschichte. Hab sehr gelacht.

HE TOOK HIS SKIN OFF FOR ME: Der Titel ist wörtlich zu nehmen, und der Film holt aus der Prämisse raus, was geht. Okay.

RABBIT 105: Horror im Parkhaus. Es ist vor allem – sehr zäh.

RAMONA: hat keine Handlung, von der er wüsste. Ich wäre eingepennt, aber am Ende läuft „She’s in Parties“ von Bauhaus. Laut. In voller Länge. Das macht den Film zwar nicht besser, aber ich wollte es erwähnen, dass ich den Song auf der guten Soundanlage des Kinos sehr gerne angehört habe.

HERMAN THE GERMAN: tja, es gibt ihn doch, den guten deutschen Festivalbeitrag. Sehr amüsant. Eine Langfilmfassung braucht es aber nicht.

TUNING OSCAR: Oscar versprach seiner Freundin, nach ihrem Tod zwei Jahre enthaltsam zu bleiben. Aber was, wenn die neue, heiße Freundin eine halbe Stunde vor Ende der Frist partout nicht mehr warten will? Sollte Oscar wirklich die Rache eines Geistes fürchten? Das Highlight des diesjährigen Kurzfilmprogramms.

LA HORA DEL BANO: Macarena Gomez wird nachts vom Geschrei des Babies geweckt und nutzt die Gelegenheit, mit dem Göttergatten ein paar grundsätzliche Dinge, äh, „auszudiskutieren“. Es wird sehr abgedreht, und stellenweise eklig. Keine Ahnung, was man davon halten soll, echt nicht.

STUNG

stung-2015-poster Worum geht’s? Mutierte Killerwespen überfallen Gartenparty. Wer gestochen wird, mutiert selber zur Wespe. Und das ist eigentlich bereits eine komplette Zusammenfassung des ganzen Films.

Wie ist er? Jenseits von säglich. Wir hatten in Köln den Regisseur und den Produzenten zum Q&A da, die uns stolz erzählt haben, wie der Film aus einem „Ideenwettbewerb“ von vor ein paar Jahren hervorging und wie toll sie es finden, dass wir alle heute Abend gekommen seien, um den deutschen Genrefilm trotz der jahrelangen Durststrecke, die hinter uns läge, weiter zu unterstützen. Ich hätte eigentlich aufstehen und sagen müssen, dass ich bestreiten würde, dass besagte Durststrecke rum ist, und dass die Existenz derselben keinen verwundern kann, wenn das hier die beste Filmidee war, was bei ihrem tollen Wettbewerb zutage gefördert wurde.

Denn mal echt, Rat Pack: wollt ihr ernsthaft schon dafür beklatscht werden, dass ihr mittlerweile auch das filmische Niveau von Asylums Megafurz-vs.-Riesenwasauchimmer-Creature-Features erreicht habt, nur mit besseren Effekten? Bei STUNG stimmt außer diesen nämlich nichts: Handlung, Erzähltempo, Schauspieler, Witz, Ideen, Atmosphäre, Inszenierung, es ist alles, alles, alles furchtbar und lieblos hingemurkst. Der Film ist öde, unlustig, unspannend, uninspiriert. Ich erwähne gerne nochmal die gelungenen Monstereffekte, weil sie das einzige hier sind, was über „gerade noch passabel“ hinausgeht. Und selbst das gilt nur für die Viecher selbst – ich habe keinen einzigen Kill gesehen, den ich „memorabel“ nennen würde, das übliche Aufspießen und aus dem Körper ausbrechen regiert.

Gucken? Um Gottes willen, nein. Es sei denn, man ist Masochist oder hat ein Faible für Oldschool-Effekte. Oder wenn er auf SchleFaZ läuft. 2/10.

TURBO KID

Download Worum geht’s? Es ist die Zukunft – bzw. das, was man sich in den B-Filmen der 80er als Zukunft vorgestellt hat. Die Zivilisation ist am Ende, Wasser ist Mangelware, das Gesetz des Stärkeren regiert. Benzin gibt es wohl auch keins mehr, weswegen alle auf Fahrrädern unterwegs sind. Hier träumt der Junge „Kid“ davon, ein Superheld zu werden. Dank eines skurrilen Mädchens und der abgelegten Waffe eines echten Superhelden könnte das was werden….

Wie ist er? Einer meiner Festival-Mitstreiter sagte mir, der Film sei eine einzige Hommage an 80s-Nerdkultur mit tausenden Anspielungen auf obskures Zeug aus Film und Fernsehen. Tja, da hat er bei mir Pech gehabt, als Zu-Spät-Geborener erschließt sich mir das Meiste davon nicht.

Und wenn ich euch eins sagen muss, dann das: das ist völlig egal. Der Film ist derartig witzig, übermütig, temporeich und liebevoll, so vollgestopft mit Gags und derbem, handgemachtem Splatter, dass man die Insiderjokes nicht kapieren muss, um sich prächtig zu amüsieren. Besondere Erwähnung verdient Laurence Leboeuf, die so ziemlich jede Szene stiehlt, auch wenn sie mal gar nichts sagt – allein dieses unfassbare Grinsen ist schon eine Punchline für sich, absolut durchgeknallt und gleichzeitig sehr, sehr süß. Hach…

Gucken? Wenn man auf eine aufwendig polierte Machart verzichten kann und auf abseitigen Humor und Gewaltszenen steht, dann sollte man sich den hier nicht entgehen lassen. 9/10.

AVA’S POSSESSIONS

avas-possessions-poster Worum geht’s? Die frisch exorzierte Ava muss sich einer Selbsthilfegruppe für Ex-Besessene anschließen, um nicht für die Taten, die der Dämon in ihrem Körper begangen hat, in den Knast oder die Klapse zu wandern. Dort lernt sie, wie sie sich für die Rückkehr ihres übersinnlichen Untermieters wappnen kann – und was in der Zeit der Besessenheit, an die sie sich nicht erinnern kann, so alles passiert ist…

Wie ist er? Nach dem Geschreibsel im Programmheft hätte ich eigentlich eine Komödie erwartet. Der Film ist auch in der Tat durchaus mit einem gewissen skurrilen Augenzwinkern erzählt und liefert durchaus Witz, aber er interessiert sich mehr dafür, seine Prämisse auszuerzählen als sie für Gags auszuschlachten. Das macht den Film mal witzig, mal spannend, aber immer interessant. Allerdings ist er auch sehr ruhig und nicht eben eine Tempogranate. Schauspielerische Leistungen und Inszenierung sind gefällig, wie auch der Soundtrack.

Gucken? Wie ihr an meinen schwammigen Ansagen oben schon gemerkt habt – kein einfacher Film zum Bewerten und Empfehlen. Ich hab ihn gemocht, aber zu sagen, wer einen Blick riskieren sollte und wer nicht, fällt schwer. Deshalb ein vermutlich unbefriedigendes: wer sich darauf einlassen will, sollte dies tun, aber ohne Gewähr. 7/10.

Marcus Heine



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heino
heino
24. August, 2015 09:18

Tja, da muss ich leider gegen den Wind pinkeln:

“Turbo kid” sollte mir eigentlich gefallen, weil ich selbst ja auch ein KInd der 80er und mit dem ganzen im Film angerissenen Kram aufgewachsen bin, aber leider kann ich nur die Ausstattung und die Musik als Pluspunkte nennen. Denn wenn man mal ehrlich ist, ist der Film genau wie die Vorbilder, deren Hommage er sein möchte, und die waren schon nicht gut. Was ihm an erzählerischer Intelligenz und Witz fehlt, will er durch heftigen Splatter wett machen, aber das hat mich mangels dramaturgischer Notwendigkeit nur gelangweilt. Schade drum. 2/10

“Ava`s Possessions” hat eine schöne Grundprämisse, ist aber zu sehr auf den Endtwist hin ausgerichtet und äußerst zäh erzählt. Das ist extrem schade, weil Jordan Galland durchaus ein Händchen für Schauspieler und Atmosphäre hat, aber das Tempo ist mit “langsam” noch sehr nett beschrieben. 4/10

DocAcula
24. August, 2015 10:10

Okay, heute outet sich also heino als Geschmackspansen…

Wortvogel
Wortvogel
24. August, 2015 10:12

@ Acula: Ja, ich denke, den heino haben wir verloren. So sad to see him go…

Goran
Goran
24. August, 2015 10:19

Oh man, ich hab das Get Shorty doch gesehen und musste ernsthaft zwei Minuten darüber nachdenken, was denn RAMONA noch mal war.

heino
heino
24. August, 2015 10:34

Und das vom Besitzer dutzender Asylum-DVDs:-)

Marcus
Marcus
24. August, 2015 11:06

heino: Spalter. Und lass doch den Doc. Wenn er schon EINMAL geschmacklich nicht daneben lag…. 🙂

Goran: I know. Ein weiterer Grund, wieso ich das Lied erwähnt hab…

AlphaOrange
AlphaOrange
24. August, 2015 11:19

Ich steh da irgendwo zwischen Marcus und heino. Ich wollte Turbo Kid eigentlich lieben, aber so richtig gelang mir das nicht. Die Grundidee ist so charmant, erfrischend kindlich-naiv, in seiner Absurdität hemmungslos konsequent. Man sieht, wie da ein Kindheitstraum auf der Leinwand aufersteht – ohne dass es überhaupt meine Ära gewesen wäre, dazu bin auch zu spätgeboren.
Bei dem massiven Potential tuts mir aber immer etwas weh, wenn so ein Film dann einfach kaum mehr sein will als Splatterparty und alle anderen Aspekte vernachlässigt, wesentliche Erzählelemente marginalisiert. Die Story ist äußerst schematisch, der Splatter oft Selbstzweck, die Hauptfiguren stechen als “leidlich interessant” bereits positiv raus (am anderen Ende der Skala findet man dann zB den Cowboy).
Ich lasse mal bewusst offen, ob man das überhaupt hätte besser machen können ohne den Film damit in seinem naiven Charme zu beschädigen. Vielleicht fehlt mir auch einfach die 80er-Prägung.

Holger
25. August, 2015 01:58

Hab auch heute Stung gesehen und teile die Meinung voll und ganz: ein bescheuerter, vorhersehbarer Film nach Schema F mit extremen Logiklöchern. Der Regisseur war anwesend und war “ganz gespannt”, wie das Hamburger Publikum wohl reagiert. Die Reaktion kam: ein bisschen Höflichkeitsapplaus und ansonsten eisige Kälte. Lance Henriksen hätte lieber in Rente bleiben sollen…

Marcus
Marcus
25. August, 2015 03:11

Holger, das freut mich. Bei uns aufm FFF haben allerdings genug Leute echt geklatscht….