FFF 2015 Gastreview: Scherzo Diabolico
Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |Scherzo Diabolico
Mexiko/USA 2015, Regie: Adrian Garcia Bogliano. Darsteller: Francisco Barreiro, Daniela Soto Vell, Jorge Molina, Milena Pezzi, Vita Vargas
Story: Rechtsanwalt Aram hat’s nicht leicht – sein Chef Granovsky schätzt zwar die Qualität seiner Arbeit und seine Einsatzfreudigkeit, aber soweit, den turmhoch aufgebauten Überstundenberg auch zu bezahlen, geht die Freundschaft dann doch nicht (Anmerkung: Ich weiß nicht, was Aram hat. Nach meiner Erfahrung sind Überstunden für Juristen allgemein Privatvergnügen, das noch in keiner Kanzlei, in der ich tätig war, bezahlt worden wäre). Zu Hause warten eine nörgelnde Frau, der es tierisch auf die Eierstöcke geht, dass Aram zu feige ist, nach Beförderung und/oder Gehaltserhöhung zu fragen, und ein Sohnemann, der nur in seinem selbstgebastelten Superhelden-/Lucha-Libre-Kostüm rumläuft. Entspannung findet er nur bei seinen wöchentlichen Besuche bei einer Edelnutte, die nicht nur sexuelle Dienstleistungen (die er zuhause längst nicht mehr bekommt) anbietet, sondern ihn auch mit Anekdoten aus ihrer Profession unterhält, und in seiner Liebe für klassische Klaviersonaten.
Aber alles soll sich ändern – Aram stalkt nämlich ein Schulmädchen, notiert sich minutiös Route und Dauer ihres Heimwegs, lässt sich außerdem von seiner Nutte Fesseltricks beibringen und kauft einen Vorrat diabetischer Lebensmittel und isotonischer Getränke ein. Und dann schlägt Aram zu – er kidnappt das Girl, verschleppt es in eine abgelegene, leerstehende Fabrikhalle und kettet sie an einen Pfeiler. Der Kniff: das Opfer ist die Tochter von Granovsky, und erwartungsgemäß geht der Kanzleichef ob der Entführung und Arams taktischer Videos, die nichts von Lösegeldforderungen erzählen, sondern nur diverse Demütigungen des Mädchens (sie muss um ihr Leben flehen, sich nackt ausziehen usw.) zeigen. Granovskys berufliche Leistungen gehen in den Keller, und Aram, der in solch schwerer Stunde unverdrossen an der Seite seines Chefs steht und großmütig seine Aufgaben mitübernimmt, ist nach einiger Zeit am Ziel seiner Träume – Granovsky wird gefeuert, Aram sein Nachfolger mit Aussicht auf Partnerschaft in der überregionalen Kanzlei.
Umgehend lässt er das Mädchen frei und feiert seinen neuen Reichtum – Geld, Schmuck, neues Auto und neue Wohnung machen seine Frau froh, für sein neues Verhältnis, seine Sekretärin Perla, kann er auch ein schickes Appartment mieten, und seine bis dato Vertraute, die Nutte, in den Wind schieben. Sieht so aus, als hätte alles vorzüglich geklappt, doch dann hört die bis dahin ziemlich unter Schock stehende Annabel Granovsky auf einer CD, die ihr Vater (gekauft auf Arams Empfehlung) einlegt, die Mozart-Sonate „Rondo alla Turco“, mit der sie bei ihrer Entführung „unterhalten“ wurde…
Kritik: Empfehlungen des FFF-Personals sind ja durchaus mal mit Vorsicht zu genießen. Während die Werbetrommel für „Shrew’s Nest“ ja völlig richtigerweise gerührt wurde, war ich bei der Ankündigung von „Scherzo Diabolico“ als „bösestem“ Film des Festivals und Lieblingsfilm der Programmdirektorin mal wieder sicherheitshalber skeptisch.
Die mexikanische schwarze Thrillerkomödie erzählt die Geschichte eines Waschlappens, der auf einen unnötig komplexen Plan verfallen ist, um sowohl seine berufliche als auch private Position zu verbessern und, haha, scheinbar alles perfekt organisiert hat. Alles verläuft so, wie Aram es sich vorgestellt hat, und letztlich auch ohne größere Gemeinheiten. Ja, er demütigt Annabel für die Videos, die er ihrem Vater mailt (natürlich trägt er dafür eine Maske und spricht kein Wort), aber er gibt sich große Mühe, ihr keinen wirklichen physischen Schaden zuzuführen (wie er z.B. eben für die Diabetikerin zuckerfreie Powerriegel als Verpflegung bringt). Aram meint offensichtlich wirklich, dass Annabel, wenn er ihr nicht aktiv körperliche Gewalt antut, aus der ganzen Entführungskiste ohne größere Probleme wieder in ihr Leben zurückfinden wird und alle glücklich und zufrieden bis an ihr Ende leben (außer halt Granovsky, der sich einen neuen Job suchen muss). Dass ausgerechnet der lächerliche kleine Zufall, dass Aram seinem Boss die CD empfohlen hat, die er Annabel während der Reise im Kofferraum per MP3-Player auf die Ohren gegeben hat, dazu führt, dass bei dem Mädchen sämtliche Sicherungen durchbrennen und sie zu einem perfiden und brutalen Rachefeldzug antritt, gegen den Arams Verbrechen der Entführung wie ein Ticket für fünf Minuten Falschparken wirkt, tja, das konnt‘ ja keiner ahn’n…
Problematisch für den Film dabei ist, dass sich die angekündigte „Bösartigkeit“ eigentlich auf den letzten Akt beschränkt. Die größte Zeit verbringt der Streifen mit Vorbereitung und Durchführung des Kidnappings, was an und für sich filmisch nicht übermäßig spektakulär ist. Es gibt da ein paar witzige Szenen (und auch einiges an nackter Haut, was mich darüber sinnieren lässt, dass in Mexiko ein paar Pfund mehr auf den Rippen augenscheinlich absolut als Schönheitsideal durchgehen), aber richtig in Gang kommt die Nummer erst mit Annabels „snap“ – dann wird’s wirklich schön böse und auch ziemlich heftig splattrig; nicht immer auf allerhöchstem technischen Niveau, was die rustikalen Sudeleien angeht, aber immerhin. Nicht ganz einfach macht’s der Film dem Zuschauer, weil so ein richtiger Anknüpfungspunkt für den Zuschauer unter den Charakteren fehlt. Aram und seine Sippe fallen als Sympathieträger aus, ebenso auch Granovsky, und bis zu ihrem „character turn“ ist Annabel eine ziemlich unbeschriebene leere Seite – und danach ist man jetzt auch nicht unbedingt dazu geneigt, sie in ihrer blinden Wut, die auch und gerade unschuldige Opfer fordert, anzufeuern.
Die schauspielerischen Leistungen sind mittelmäßig – niemand ragt sonderlich heraus und bis auf den Superhelden-Sohn Arams fällt niemand wirklich negativ auf. Eine gewisse Affinität zu klassischen Klaviersonaten und zur „Rondo alla Turco“ sollte mitgebracht werden.
Toter Hund? Nein, aber eine mit bloßer Mädchenhand erschlagene Ratte.
Fazit: Akzeptabler schwarzer Humor, der allerdings ein bissl lang braucht, bis er zum „good stuff“ kommt und bis dahin manche Gemüter etwas ermüden könnte – etwas Straffung oder Spannung in den ersten beiden Akten hätte da womöglich geholfen. 6/10.
Doc Acula
Kein Trailer zu finden.
Das Rondo alla turca (mit "Türkischer Marsch" üblicherweise benannt aber falsch übersetzt) ist der dritte Satz einer Mozart-Klaviersonate, also in dem Sinne keine Sonate.
So etwas wird landläufig auch geglaubt, ist aber Unsinn. Diabetiker sollten solche Produkte meiden, brauchen sie zumindest nicht.
Die kurze Version des türkischen Marsches gespielt von Lang Lang….
https://www.youtube.com/watch?v=uWYmUZTYE78
Diabetiker brauchen ein Blutzucker-Meßgerät und abhängig von den Messwerten paarmal am Tag ein wenig Insulin. Gibt es als ziemlich DAU-sicheren Injektions-"Pen". Hält ungekühlt einen Monat. [/unötiges wissen]
Ich gehe davon aus, dass es für die Handlung egal ist, ob es Powerriegel gibt oder Insulin… Obwohl es theoretisch auch zeigen könnte, dass der Anwalt halt doch nicht so gut vorbereitet ist, wie er dachte…. *duck*
.."von außen" gibt es keinen Anwalt, der ohne Gegenleistung auch nur die Uhrzeit nennt.. 😛
Intern kann das natürlich ganz anders aussehen..