FFF 2015 Gastreview: Kung Fu Killer
Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |Kung Fu Killer
HK/China 2014, Regie: Teddy Chan. Darsteller: Donnie Yen, Charlie Yeung, Baoqiang Wang, Bing Bai, Deep Ng, Alex Fong
Story: Eines Nachts wird in Hongkong ein Box-Champion brutal – und mit bloßen Händen – ermordet. Knacki Hahou, der seit drei Jahren einsitzt, weil er in einem Martial-Arts-Duell seinen Gegner getötet hat, meint, wertvolle Hinweise für die ermittelnde Polizistin Luk zu haben. Weil man ihm die gewünschte Audienz nicht gewährt, verprügelt er mal eben siebzehn Mitgefangene – das öffnet dann doch die Gesprächskanäle. Hahou versucht Luk davon zu überzeugen, dass ein Martial-Arts-Experte die führenden Meister verschiedener Kampfsporttechniken auf’s Korn genommen hat und gibt ihr, die von diese Theorie erst mal nicht viel hören will, eine Todesliste mit. Tatsächlich ist schon wenig später ein Name von dieser Liste zu streichen – der beste aller Kick-Spezialisten wurde getötet, natürlich durch… Kicks. Luk geht also nun auf Hahous Vorschlag ein und erwirkt seine bedingte Freilassung. Hahous These, dass sich ein wahnsinniger Kampfsportler in Reihenfolge der philosophischen Wichtigkeit durch die Meister der verschiedenen Techniken (Boxen, Kicken, Ringen, Waffenkampf, „interne Energie“) arbeitet, um den Thron der ungeingeschränkten Martial-Arts-Nummer 1 zu erringen, erweist sich als richtig, und doch kommen Luk und Hahou zu spät, um Opfer Nummer 3 zu retten. Hahou macht sich bei Luk beliebt, indem er sich unerlaubt nach China absetzt, um seine Geliebte Sinn Ying zu treffen und sich bei seinem verstorbenen Meister für die Entehrung seiner Schule zu entschuldigen.
Indes der Killer Fung Yu-Sau schon nach seinem vierten Ziel fahndet – Hung Yip, der Filmstar und Meister des Waffenkampfes. Wieder einmal kommen die Guten zu spät.
Während Hahou versucht, auf eigene Faust Fung zu stellen, Luk wegen notorischer Erfolglosigkeit vom Fall abgezogen wird und jeder überlegt, wer denn nun der letzte Meister sein könnte, landet unser Held ganz plötzlich auf der Verdächtigenliste – denn er kennt Fung besser als er bislang zugab…
Kritik: Wir wissen’s ja nicht seit gestern – der klassische Martial-Arts-Film Made in Hongkong hat seine besten Zeiten hinter sich. Ob’s daran liegt, dass John Woo mit seiner ballerorientierten Action seine Regisseurskollegen verdorben hat, daran, dass die Wiedervereinigung mit der Volksrepublik manchen Action-Spezialisten dazu getrieben hat, großbudgetierte Propaganda-Historienschinken in der wuxia-Schwertkampf-Tradition zu drehen, oder einfach daran, wie es z.B. David West in seinem Buch „Chasing Dragons“ postuliert, dass es schlicht keine legitimen Nachfolger für Leute wie Jackie Chan, Sammo Hung und Yuen Biao, die letzte Generation HK-Filmstars, die Knochenmühle der Pekingoper-Ausbildung durchlaufen haben, gibt, sei dahingestellt, aber dass es recht mau aussieht, wenn Leute wie die Genannten oder Jet Li ihre Karrieren mal endgültig an den Nagel hängen, darüber dürfte weitgehend Einigkeit herrschen.
Daher ist es höchste und vielleicht allerletzte Zeit für die explizit als solche gemeinte Genre-Hommage von Teddy Chan („Spion wider Willen“, „Bodyguards and Assassins“), noch einmal die Tropes und Helden des klassischen Kung-fu-Kinos zu würdigen. Denn was oberflächlich als slicker Serienkiller-Thriller daherkommt, ist natürlich nichts anderes als eine geradezu archetypisch-traditionelle Geschichte des HK-Canton-Films – der junge, arrogante Kung-fu-Kämpfer, der im Bestreben, der Beste seines Fachs zu sein, gegen eine Anzahl Kung-fu-Meister antritt, und am Ende gegen den eigentlich kampfesmüden Helden das finale Duell bestreitet, das ist eine Story, durch die sich vermutlich jeder in den 70ern im Kino beschäftigte Martial Artist kloppte. Mit dem Unterschied, dass im Ming-China der Umstand, dass der Jungkämpfer einen Berg entleibter Meister hinterlässt, nicht wirklich jemanden schockiert hätte. „Kung fu is made to kill“, ist denn auch der Leitsatz unseres hiesigen Bösewichts Fung und während das die buddhistische Philosophie der Shaolin-Mönche natürlich anders sieht, ist’s in der praktischen Anwendung (gerade und speziell eben im Kung-fu-Film) schon schwer, diesen Worten ernstlich zu widersprechen. Auch andere traditionelle Themen – der grundsätzliche gegenseitige Respekt der Kämpfer, und ganz besonders der vor dem sifu, dem Lehrmeister, die Ehre der Schule – finden sich in „Kung Fu Killer“ wieder.
Das moderne Update, also die ganze traditionelle Story in einen rasanten, im kontemporären Hongkong angesiedelten, slicken Actionthriller zu verpacken, bringt eine zusätzliche Ebene ins Prozedere, denn während es im alten China Tagesgeschäft war, mit Hand und Fuß den Martial-Arts-Rivalen zu plätten, wird das in vermeintlich zivilisierteren Zeiten wie heute von den Autoritäten eher kritisch beäugt.
Wie sich das für einen modernen HK-Film gehört, ist die ganze Nummer natürlich höchst stylisch und wird in den Kampfszenen gerne mit Wire- und CG-Effekten aufgepeppt. Das ist natürlich (zumindest was die Computerunterstützung angeht) nun deutlich weniger traditionell, aber wohl nicht mehr anders zu erwarten. Die Kampfchoreographie, von Donnie Yen persönlich besorgt, ist amtlich und profitiert durch einige ungewöhnliche Kampforte (der Kampf zwischen Fung und dem Kick-Champion z.B. findet auf einer riesigen Skelett-Skulptur – der Kicker ist nämlich mittlerweile unter die bildenden Künstler gegangen – statt), und weniger von der eleganten denn der dezidiert knochenbrechenden Schule. Das Tempo ist grundsätzlich hoch, es gibt allerdings zwei-drei Atempausen, wenn Hahou z.B. seine alte Kampfschule besucht, in der auch der Zuschauer mal Luft holen kann. Der Showdown – auf einer befahrenen Autobahn – ist a sight to behold.
Donnie Yen („Ip Man“), mit 52 Jahren nun auch schon ein alter Haudegen mit Ablaufdatum in Sicht, ist in den Fights noch in feiner Form und auch Schauspieler genug, um die dramatischeren Momente zu bewältigen (auch wenn das natürlich in gewisser Weise „Routinedramatik“ ist, weil eben auch größtenteils den traditionellen Vorbildern entlehnt). Bauqiang Wang („Jack of All Trades“, „A Touch of Sin“), mit 31 noch ein Jungspund und *vielleicht* ein Hoffnungsträger für die Zukunft, hält sich wacker, ihm fehlt aber noch das Charisma, um ggf. in eine „Heldenrolle“ zu schlüpfen. Charlie Yeung („Bangkok Dangerous“, „Die Schrift des Todes“) und Michelle Bai („Shaolin“) vertreten die Damenfraktion und Bai darf soger einen kurzen Fight gegen Wang bestreiten (keine gute Idee ihrer Figur…).
Was aber noch wichtig ist – wie gesagt versteht Chan seinen Film ausdrücklich als Hommage und hat deswegen praktisch alles, was in Hongkong im Bereich Kung-fu-Kino vor oder hinter der Kamera tätig war, für Cameos verpflichtet, Schauspieler, Stuntmen, Kameraleute, Komponisten, Produzenten… von David Chiang („Die sieben goldenen Vampire“, „Die Blutsbrüder des gelben Drachen“), Siu Wong-Fan („Story of Ricky“, „Mega Cop“, „Ip Man 2“) über Sam Kai-Sen Huang („Total Risk“, „The One“), Bruce Law (HK-Stunt-Legende der 80er und 90er), Bey Logan (HK-Filmexperte, der z.B. die Audiokommentare für die Jackie-Chan-„Dragon Edition“ einsprach), Regisseur Kirk Wong ("Hard To Die"), Bun Yuen (70er-Stunt-Guy, u.a. „Das blutige Schwert der Rache“, „Der Mann mit der Todeskralle“ usw.) bis hin zur Produzenten-Legende Raymond Chow (Chef von „Golden Harvest“ und Förderer von Bruce Lee und Jackie Chan). Jackie Chan himself wird mit einem Ausschnitt aus „Drunken Master“ gewürdigt.
Toter Hund? Nö.
Fazit: Insgesamt also eher ein Film für alte HK-Freunde denn für Neueinsteiger ins Gebiet – es ist vielleicht (ich will’s nicht hoffen, bin aber wenig optimistisch) der endgültige Abgesang auf eine große Ära des HK-Kinos. Das lässt mich mit einer nostalgischen Träne im Knopfloch über ein paar Schwächen des Films hinwegsehen. „Kung Fu Killer“ fehlt ein wenig diese *Liebe* fürs Genre, wie sie z.B. den vor ein paar Jahren gelaufenen "Gallants" (hierzulande mit dem dümmlichen Titel „Tiger & Dragon Reloaded“ versehen) auszeichnet – Chan setzt da eher auf ehrwürdigen Respekt. Ein anderer Ansatz, sicher auch gültig, aber dadurch nicht ganz so emotional treffend wie „Gallants“. 7/10.
Doc Acula
Muss. Ich. Sehen!
Dito. Gallants war grandios. Donnie Yen ist sowieso immer gebucht. Mir gar nicht klar wie alt Donnie schon ist. Da muss einem um die Zukunft des HK Kinos echt Bange werden.