03
Apr 2014

Die meinungsbildende und meinungshemmende Macht der Minderheiten

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Stefan regt sich drüben über Akif Pirinçci auf – als Vorleistung zur Lektüre dieses Beitrages vielleicht sinnvoll.
Pirinçci, Sarrazin, Matussek, Broder: Alle beschreien sie eine empfundene Macht der Minderheiten, eine Diktatur, die der jeweils sehr flexibel definierten Mehrheit ihren Willen aufzwingt und ihr das (hart erarbeitete!) Geld abnimmt. Homosexuelle, Frauen, Ausländer und/oder Hartz 4-Bezieher streben an die Fleischtöpfe, lassen sich vom korrupten Politestablishment durchfüttern, die Rechnung zahlen am Ende “wir alle”, was offensichtlich Homosexuelle, Frauen, Ausländer und/oder Hartz 4-Bezieher nicht mit einschließt. Etwas liberalere Schreihälse substituieren “wir” durch “der Steuerzahler”, maskulin natürlich, die Steuerzahlerin ist durch Mutterschutz und Frauenquote ja selber auf der Seite des Bösen, eine ganze Batterie von Minderheiten versteckt sich in ihrer Mehrheit.
Nicht, dass der andere extreme Flügel sanfter schlagen würde.
Die Linke erkennt keine Volksgemeinschaft an, das Volk als heterogenes, aber dennoch kohäsives System ist ihr im besten Falle suspekt, im schlimmsten Fall zuwider. Unser Land ist in ihren Augen eine Ansammlung gepeinigter Minderheiten, die von vagen Mächten (Industrie, Medien, Politik) um Freiheit und Entfaltung gebracht werden. Der Mangel an Menschlichkeit ist in ihren Augen nur eine Investitionsfrage. Mehr Streetworker, mehr Bürgerbüros, mehr Therapieangebote, mehr Extrawürste. Der Staat als Vollversorger, jeder Anspruch an den Bürger eine Unverschämtheit. Der Unternehmer als “das Schwein” hat zur totalen Enteignung bestenfalls Gnade zu erwarten.
Erst wenn der letzte Baum eine Behindertenrampe hat, der letzte NPD-Ortsverein einen schwulen Kassenmeister wählt, der letzte Formel 1-Grand Prix von einer Frau gewonnen wird, werdet ihr begreifen, dass man Vorurteile nicht wegsubventionieren kann.
Während man rechts im Spektrum jeden Ausländer schon wegen Ladendiebstahls abschieben würde, möchte man links im Spektrum auch jedem Hydranten Bürgerrechte zusprechen und sich Gedanken machen, ob der an ihn pinkelnde Hund nicht vielleicht seine (unantastbar – Verfassung!) Würde beeinträchtigt. Ich weiß immer nie, ob die Linke die mangelnde Empathie der Rechten kompensieren will – oder ob die Rechte eine generelle Luschigkeit der Linken auszugleichen trachtet. Vielleicht sind beide Seiten aber bloß von der eigenen Mannschaft besoffene Fankurven im politischen Stadion und Broder & Co. die Jungs mit dem Feuerzeug an den bengalischen Fackeln.
Die Medien spielen begeistert mit, denn nur Extreme erregen Aufmerksamkeit, nur Abweichung von der Norm lohnt Erwähnung. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – nichts wäre den schlagzeilengeilen Horden grausiger als Einigung, als Konsens, als gesunder Menschenverstand.
Nun könnte ich sagen: Lasst sie doch quatschen. Lasst den Sarrazin den Untergang der Kulturnation beschwören und die Alice Schwarzer vom Milliardengeschäft der illegalen Prostitution faseln. Was schert’s mich? Ich habe meine eigene Meinung, die in großen Teilen so banal wie mehrheitstauglich ist. Die Plärrer in den Foren und Talkshows, in Essays und an Stammtischen brauchen mich nicht kümmern.
Es ist nur nicht so einfach. Weil es tatsächlich eine Minderheitendiktatur gibt, die den gesellschaftlichen Diskurs in den Schwitzkasten genommen hat. Keine Ausländer, keine Homosexuellen, keine Feministinnen. Die haben genug damit zu tun, zu sein. Es sind ihre Vertreter, ihre lautstarken Aushängeschilder, die nur noch in Schlagworten denken und sehr geschickt darin sind, jeden entsprechend zu taggen, der nicht ihrer Linie folgt.
Wer sich heutzutage äußert, muss eine Seite wählen. Es gibt kein Abwägen mehr, keine Ambivalenz. Die Verortung im politischen Spektrum ist ein “all inclusive”-Angebot, dessen Bändchen am Handgelenk verpflichtend, um ans Büffet zu dürfen. Du kannst 99 mal mit deiner politischen Reisegesellschaft einig sein – wenn du nur 1 mal gegen den Strom sprichst, erwartet dich das Brandeisen des Verräters an der guten Sache. Links und rechts sind monolithische Blöcke, die Abstufung nur in der Intensität, nicht aber beim Inhalt erlauben.
Ich selbst bin oft genug auf die Masche reingefallen. Kennt ihr das Meme “Jemand, der einen Satz mit ‘Ich bin kein Rassist, aber…’ anfängt, wird danach etwas rassistisches sagen”? Weit verbreitet. Lustig. Aber falsch. Und gefährlich. Weil es das Ende einer raffinierten Programmierung ist, die einer fatalen Selbstdenunziation gleichkommt.
Wer nicht für Ausländer ist, ist gegen Ausländer. Hat man das im Diskurs erst mal (so absurd vage es ist) definiert, ist jeder Kommentar, der sich in irgendeiner Weise auch nur ambivalent gegenüber Ausländern zeigt, ausländerfeindlich. Das stimmt natürlich nicht, aber um nicht in den Ruch zu kommen, was gegen Einwanderer zu haben, greift man zum Präfix “Ich meine das gar nicht ausländerfeindlich, aber…”
ZACK:
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Schon hat man selber den Scheinwerfer auf sich gerichtet und auf das folgende Argument eine Zielscheibe gemalt. Hohn und Spott garantiert, Ablehnung auch. Die Diskussion ist mit dem Präfix schon vorbei, weil man sich selber als ausländerfeindlich geoutet hat. Man hält besser die Klappe.
Selbst harmlose Themen wie Windkraft sind nicht mehr neutral diskutierbar. Ich habe vor 30 Jahren gegen Atomkraft demonstriert, für erneuerbare Energien, für ein gesellschaftliches Umdenken. Nun kommen die Windräder – und die gleichen Leute, die “Atomkraft – nein danke!” auf den Jutetaschen tragen, beschweren sich nun über Windkrafträder mit dem gleichen Furor wie über Endlager: Klar brauchen wir die – aber doch nicht hier, nicht bei mir! Versucht man zu argumentieren, dass der Verbrauch von Energie eben auch die Erzeugung von Energie bedingt, ist man sofort ein Büttel der Energie-Lobby, der Multis.
Oder Pirinçci, Sarrazin, Matussek, Broder: Manches, was sie sagen, ist gar nicht so falsch. Gerade Sarrazin arbeitet oft mit konkreten Zahlen, die gerne unter den Teppich gefegt werden. Aber die absurde Übersteigerung ihrer Argumente, die Schlagzeilen und Verkaufszahlen bringen soll, produziert einen automatischen Backlash, der eine konkrete Auseinandersetzung gar nicht zulässt. Man darf nicht ernsthaft (auch nur im Detail) für Pirinçci sein – also muss man gegen Pirinçci sein. Ob man sich auf der Gegenseite wohl fühlt, ist dabei nicht von Belang. Pirinçci selbst hat es unmöglich gemacht, dem womöglich wahren Kern seiner Thesen nachzuspüren, weil man dabei zwangsweise in die Scheiße greift.
Ich nehme das besonders bei Facebook wahr, wo es unmöglich ist, in Diskussionen auch nur kritisch neutral zu bleiben. Neulich musste ich mich über einen ganzen Tag lang virtuell anschreien lassen, weil ich es gewagt hatte, mich zum Thema Cybermobbing zu äußern. Der These, dass CM so ziemlich die Geißel der modernen Jugend sei, widersprach ich nicht einmal – ich stellte nur die Frage in den Raum, ob CM einfach nur normales Mobbing in einem neuen Medium sei oder ob es tatsächlich einen belegbaren Anstieg von Mobbing durch das Aufkommen von Cybermobbing gäbe. Böser Fehler – ich hatte damit schon CM verharmlost und quasi allen Jugendlichen, die weltweit darunter leiden, ins Gesicht gespuckt. Das empfundene Problem wog schwerer als die Frage, ob es tatsächlich existierte.
Unsere Kanzlerin ist ein weiteres perfektes Beispiel: Sie ist das Hassobjekt für links UND rechts. Den Konservativen ist sie zu liberal, verkauft “christliches” Tafelsilber unnötig, lässt sich von den Sozis den Schneid abkaufen. Für die Linke steht sie in den Diensten der Industrielobby, hält schützend die Hand über die Eliten, ignoriert die langfristigen Probleme des Landes. Kohl und Brandt ist das nicht passiert.
Die Marktschreier, die Maulhelden von links und rechts haben die Mitte mundtot gemacht. Weil jede Aussage fast magnetisch ins Extrem gezogen wird, hält man lieber die Klappe. Die Mehrheit wird zunehmend tatsächlich zur vielbeschworenen schweigenden Mehrheit, weil jedes Wort von links und rechts argwöhnisch beäugt und so missliebig wie möglich ausgelegt wird. Nichts ist den Extremen zuwiderer als die Moderaten, die tatsächlich in der Sache abwägen, bevor sie entscheiden. Wer ich nicht zuordnen lässt, für den fehlt der Stempel.
Ich fühle mich als Mensch der Mitte zunehmend allein gelassen, weder auf Demos noch in Talkshows noch im Parlament noch in den Medien vertreten. Ich lebe in einem Land, das zeitgleich Leitnation und Schweinesystem ist, ausbeutet und ausblutet. Was ich sagen kann, wird falsch ausgelegt, weil nur die Unterstellung die Diskussion befeuert, den flammenden Widerspruch als Eigenlob erlaubt.
Wir haben uns das selber eingebrockt. Weil wir spannende Talkshows wollen, in denen es “zur Sache geht” – auch wenn die lautstarke Positionierung der Beteiligten nur die Zuordnung der eigenen Meinung ermöglicht und ein tatsächlicher Austausch von Argumenten gar nicht zustande kommt. Wir begnügen uns mit Tags wie bei Twitter, die es uns ermöglichen, Beiträge von Anderen zu bewerten, ohne sie tatsächlich sichten zu müssen. Wir wissen ja, von wem’s kommt. Und für was der steht.
Das Problem dabei: Wenn wir immer nur die extremen Lager hören, bestimmen die extremen Lager die Diskussion. Sie verteilen die Pfründe durch Klientelpolitik und Vetternwirtschaft, weil ihnen die eigenen Netzwerke wichtiger sind als das Wohlergehen der Allgemeinheit. Die Republik zerfasert, verliert sich in Partikularinteressen und Bürgerbegehren. Dass für große Ziele auch große Einigkeit gebraucht wird, fällt hinten weg.
Die Zahl der Kapitalverbrechen sinkt seit der Kaiserzeit, die Zahl der Verkehrstoten auch, die Zahl der Drogentoten nimmt ebenfalls spürbar ab. Vergleicht man Deutschland 2014 mit Deutschland 1964, wird sehr deutlich, wie weit wir gekommen sind: Aussöhnung mit einstigen Erbfeinden, Anerkennung homosexueller Beziehungen, stärkerer Umweltschutz, deutlich verbesserte Rechte für Frauen, Kinder, Arbeitnehmer, Mieter, Behinderte, etc. Das Land ist reich, tolerant, modern, liberal. Nur leider schert das niemanden, weil es sich nicht mit Ausrufezeichen auf eine Titelseite drucken lässt. Weil man sich nicht in bequemer Empörung darüber selber zum besseren Menschen erklären kann.
Ich wäre froh, man könnte mal von diesem ewigen Lagerdenken weg kommen und sachlich diskutieren, was gemacht werden muss, woran es noch hapert, welche Stellschrauben wir haben. Ich möchte Vorschläge hören und machen können, ohne gleich eines “-ismus” bezichtigt zu werden. Ich möchte Leuten wie Sarrazin und Matussek nicht das Reden verbieten oder sie niederbrüllen, sondern im breiten Diskurs die Argumente zerpflücken. Mir wäre eine Kultur lieber, in der solche Menschen Themen nicht monopolisieren und vergiften können.
Obwohl das hier eigentlich nur als “rant” geplant war, ist es eine prima Einleitung für eine Serie, die ich nächste Woche starten möchte – der Wortvogel erklärt, was er machen würde, wenn er König von Deutschland wäre.



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marathonsschaatser
marathonsschaatser
3. April, 2014 15:06

“Man darf nicht ernsthaft (auch nur im Detail) für Pirinçci sein – also muss man gegen Pirinçci sein.”
Ja, muss man. Weil man, “monolithische Blöcke hin oder her”, Faschistischen Idioten nicht Recht gibt, wenn Sie in Ihrer Suada mal in einem Halbsatz nicht lügen.
Und dass du die Mär vom faktenreichen, anhand von Statistiken argumentierenden Sarrazin glaubst, das kostet dich an dieser Stelle einen Leser.
Was du wiederum wunderbar als Bestätigung der Richtigkeit deiner Argumentation ansehen wirst.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 15:08

@ marathonsschaatser: Genau.

flippah
3. April, 2014 15:09

Sehr guter Kommentar. Ich muss gerade an unsere FB-Diskussion von neulich (um was ging’s da eigentlich noch gleich?) denken, bei der wir uns wegen einer Nuance zwischenzeitlich total zu veruneinen drohten. Das zeigt, wie sehr man selbst schon diesen Automatismen unterliegt.

Wolfman17
Wolfman17
3. April, 2014 15:09

Ich bin schon lange schweigsamer Leser dieser Seite, aber hier muss ich doch mal bekunden, dass der Autor mir aus der Seele spricht.
Diskussionen, Argumentationen, Kompromisse und Problemlösungen scheinen bei dem Links-Rechts-Schubladendenken kaum mehr möglich.
Faschismus- und Kommunismuskeulen, sofortige Verharmlosungsvorwürfe etc. kaufen mir meistens den Schneid ab, mich auf eine Diskussion einzulassen. Ich mag Sarrazin nicht besonders, und spätestens bei der Genetikschiene hörts bei mir auf, aber man muss dem Mann zugestehen, dass er wirklich bestrebt ist, seine Argumente mit Belegen zu untermauern. Und dann verdient er auch eine faire Auseinandersetzung (Buch lesen und auf Thesen eingehen).
Und ja, wenn man einwendet, dass sich die Situation von Minderheiten seit den Sechzigern deutlich verbessert hat, ist man der Verharmloser und bekommt die rassistische oder homophobe Aktion, die irgendwo vor kurzem geschehen ist, an den Kopf gehauen.

reptile
reptile
3. April, 2014 15:19

Jep! Mich juckt es auf Facebook auch ständig, bestimmte Dinge zu kommentieren. Letztens sah ich ein Bild, bei dem offenbar ein Mann durch Kopfschuss auf einem Dorfplatz oder dergleichen hingerichtet wurde. Es gab keinerlei Informationen zur Quelle des Bildes. Jedenfalls wurde es für das Thema Kindesmissbrauch genutzt. Es wurde sogar behauptet, das Bild zeige die Hinrichtung eines Kinderschänders und man sollte darunter schreiben, ob man dies befürworten würde oder nicht.
Natürlich wurde darunter eifrig kommentiert: “richtig so! – “brauchen wird hier auch!”. Kennt man ja.
Mich hat es einen Moment lang gejuckt, zu fragen, woher das Bild stamme. Und für welche Art von Kinderschänder die Todesstrafe denn gefordert wird. Zum Glück habe ich davon abgesehen. Dort ist einfach keine Diskussion möglich. Da ist man nur eine kritische Nachfrage von entfernt, Kinderschänder zu unterstützen.

marathonsschaatser
marathonsschaatser
3. April, 2014 15:21

@reptile
Ich beende in derartigen Situationen eine Facebook-“Freundschaft” immer sofort. Und bei denjenigen, die auch im echten Leben echte Freunde sind, frage ich dann nach, wie sie das meinen. Und auch da sind schon Freundschaften zu Bruch gegangen.

reptile
reptile
3. April, 2014 15:22

Wieso beenden? Ich hatte ja nicht kommentiert, sondern nur gesehen, dass dies eine Facebook Bekanntschaft getan hatte.

TimeTourist
TimeTourist
3. April, 2014 15:27

Ich freu mich schon auf die neue Serie. Du hast mir in den wenigen Sätzen dermaßen aus der Seele gesprochen, dass ich es doch gleich auf Facebook teilen musste. Dieses ständige um die Sache herumreden, sich winden und in Gesprächen Angst haben müssen wer einen gleich -als was auch immer- abstempelt, nur weil man vernünftig über ein Thema reden möchte. In meiner Arbeit habe ich ständig mir Randgruppen zu tun. Allein schon für die Ausführung meiner Arbeit werde ich ständig in sämtliche Lager gezerrt – von Links nach Rechts. Dabei fühle ich mich zu keinem dieser Lager zugehörig, sondern zur Mitte. Der neue König von Deutschland – unser Wortvogel – hat mal wieder klare Worte gefunden.
„Der König ist tot, es lebe der neue König!“

marathonsschaatser
marathonsschaatser
3. April, 2014 15:34

Wenn eine meiner Facebook-Bekanntschaften Inhalte mit Inhalten im Duktus des unsäglichen “Todesstrafe für Kinderschänder” postet, dann beende ich die Bekanntschaft. Das ist jetzt nicht SO schwer zu verstehen.
Darüber hinaus lässt sich diese Diskussion hier doch ganz einfach abkürzen: “Es gibt Sachen, die wird man doch wohl hoffentlich noch sagen dürfen, ohne gleich für einen … gehalten zu werden.”
Irgendwoher kommt mir das bekannt vor.

Mencken
Mencken
3. April, 2014 15:43

Frauen passen nicht so recht zu den anderen Beispielen, wäre ggf. ja eher eine “Macht der Mehrheit”.
Das hier:
“Weil es tatsächlich eine Minderheitendiktatur gibt, die den gesellschaftlichen Diskurs in den Schwitzkasten genommen hat. Keine Ausländer, keine Homosexuellen, keine Feministinnen. Die haben genug damit zu tun, zu sein. Es sind ihre Vertreter, ihre lautstarken Aushängeschilder, die nur noch in Schlagworten denken und sehr geschickt darin sind, jeden entsprechend zu taggen, der nicht ihrer Linie folgt.”
will auch nicht so recht passen, denn wenn es nur die “lautstarken Aushängeschilder” wären, sollte das mit dem ganzen Lagerdenken im Alltag ja kein Problem sein, weil z.B. bei Facebook die große Mehrheit eben nicht den extremen Meinungen anhängt. es sei denn natürlich, dass man davon ausgeht, die Mehrheit traut sich gar nicht mehr, den Aushängeschildern nicht auch in Tonfall usw. zu folgen, aber dann gibt es tatsächlich eine Minderheitendiktatur von Homosexuellen, Frauen etc. und die Differenzierung ist sinnlos.
Kann das zugrundeliegende Gefühl gut verstehen, aber der Text scheint mir noch etwas uneben zu sein.
Nebenbei: Todesstrafe für alle Kinderschänder und wer dagegen ist, ist schon verdächtig!

Sebastian Felzmann
Sebastian Felzmann
3. April, 2014 15:48

Herzlichen Dank für diesen spritzigen und doch ‘sachlichen’ (so absurd das jetzt in diesem Kontext klingen mag) Rant. Ich kann deiner Argumentationsweise nur recht geben – und frage mich im übrigen, warum wir eigentlich von den Medien noch als 4. Gewalt sprechen, wenn sie ihre angeblich zivilisatorisch-kontrollierende Wirkung längst zugunstern einer immer höheren Auflage und immer besserer Verakufszahlen aufgegeben haben.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 16:00

@ Mencken: Ich möchte in beiden Punkten widersprechen.
Frauen sind eine Mehrheit aus Minderheiten – das habe ich oben ja auch geschrieben. Wir reden von den Rechten der Frauen, wenn es z.B. um Managerposten geht, wo sie gerade mal 3 Prozent stellen. Oder von Müttern, die nach einer Auszeit für die Familie nicht mehr den Einstieg ins Berufsleben finden.
Die Minderheit der Maulhelden, so ist zumindest mein Eindruck, bestimmt einen deutlich zu großen (lauten) Teil der Diskussion. Damit werden die Begriffe definiert und die Labels verteilt. Der Rest sind Mitläufer, die nachplappern, ohne Ahnung zu haben – was diese natürlich besonders reizt, im Zweifelsfall auf die “-ismus”-Karte zu setzen, wenn man sie mit den Lücken in ihren Thesen konfrontiert.

flippah
3. April, 2014 16:06

Bei Sarrazin ist es tatsächlich so, dass er seine Thesen nur mit vermeintlichen Fakten zu untermauern scheint, die dann bei genauerer Betrachtung nicht mehr passen – bzw. er eben nur die Untersuchungen heranzieht, die in sein Weltbild passen.
Das ist nichts ehrenrühriges, das machen fast alle Menschen so. Und es heißt nicht, dass man ihn dafür verdammen sollte. Es heißt im Gegenteil, dass man sich mit diesen Thesen sachlich auseinandersetzen muss, Wahrheit von Missverstandenem trennen muss. Denn selbstverständlich ist auch bei Sarrazin durchaus ein Körnchen Wahrheit dabei.

McCluskey
3. April, 2014 16:12

Wie extrem beide Lager aufeinandertreffen, hab ich – auch nur als stiller Zeuge – in den letzten Wochen auf FB bezüglich der Ukraine mitbekommen. Da droschen allerdings auch Mitglieder derselben politischen Partei mit unterschiedlichen Meinungen auf sich ein, zumindestens hab ich das bei CDU- und FDP-Angehörigen erlebt.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 16:15

@ McCluskey: Die Krim ist ein gutes Beispiel für ein Thema, bei dem bestimmte Meinungen nicht gewünscht sind.

reptile
reptile
3. April, 2014 16:33

Sarrazin passt überhaupt gut zum Thema finde ich. Was gab es damals für ein Theater, als sein erstes Buch erschienen ist. Auch da war keine sachliche Diskussion mit ihm, zumindest in den vielen Talkshows, möglich. Wobei man sagen muss, dass gerade Sarrazin selber ja eher ruhig und sachlich spricht. Anstatt sachlich mit ihm zu diskutieren gab es ja das bekannte Theater. Auch da gab nur die Pro oder Contra Fraktion.

Baumi
3. April, 2014 16:35

Ich würde aber sagen, dass Sarrazin, Pirincci und Co mehr Schuld an diesen Zuständen tragen, als diejenigen, die sich über sie empören. Gerade die Debatte über Integration und Ausländerkriminalität ist viel weiter und differenzierter, als sie es einem weismachen wollen.
Es mag ewige Schönfärber geben, die nichts Böses sehen wollen, aber die haben eine weitaus geringere Medienpräsenz als die “man wird ja wohl noch sagen dürfen”-Fraktion – insofern beeinflussen sie den Diskurs auch weit weniger.
Ehrliche Auseinandersetzungen mit existierenden Problemen werden zwar durch beide Positionen erschwert, aber während die einen zu naiv oder gutgläubig sind, um sich ehrlich mit dem Thema zu befassen, gießen Sarrazin und Pirincci m.E. bewusst Öl ins Feuer, weil sie davon profitieren.
Sie säen also Zwietracht, weil es ihnen zum Vorteil gereicht, und nehmen in Kauf, dass damit eine vernünftige und konstruktive Debatte erschwert oder unmöglich gemacht wird. Und das finde ich gefährlicher und verachtenswerter als naive Idealisten.
Positives Gegenbeispiel wäre übrigens jemand wie Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky. Ich hab’ sein Buch nicht gelesen, aber zumindest in den öffentlichen Auftritten, die ich mitbekommen habe, schaffte er es, Probleme in seinem Stadtteil offen anzusprechen, ohne sich dabei irgendwelcher Klischees oder Vorurteile bedienen zu müssen. Und genau Letzeres geht Sarrazin und Pirincci eben ab – womit sie vom Thema ablenken und Teil des Problems statt Teil der Lösung werden.

Howie Munson
Howie Munson
3. April, 2014 16:44

zu sarrazin:

Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

sz-magazin
“Oft” korrekte zahlen zu benutzen reicht halt nicht, um ernst genommen zu werden. Man muss schon den Anspruch haben, nie einfach irgendwas zu erfinden.
Sollte auch nicht unmöglich sein mit den korrekten Fakten zu argumentieren, ohne sich auf Sarrazin zu berufen, wenn der denn seine Quellen ordenlich aufführt. Aber das werden wir sicher nicht in einer “5 Leute aus 3 Lagern”-Talkshow erleben…

Uli
Uli
3. April, 2014 16:44

Kann dem nur beipflichten, diese zunehmende Extremisierung nehme ich auch so wahr.
Die “Krim Krise” ist da ein gutes Beispiel, auf der einen Seite fordern einige härtestmögliche und sofortige Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die anderen sagen man sollte gar keine Sanktionen verhängen, das wäre alles “dummes Zeug”. Mit dem Mittelweg moderater Sanktionen ist scheinbar niemand glücklich, alle zetern, alle schreien.
Ich fände es auch schön zu einem Thema mal nicht sofort eine Meinung haben zu müssen, weil ich mich damit überhaupt nicht auskenne. Wenn ich aber die Meinung vertrete, unsere gewählten Volksvertreter würden das von allein bestmöglich regeln, werde ich vermutlich mit faulen Eiern beworfen.

Mencken
Mencken
3. April, 2014 18:10

@Uli: Kann ich nicht bestätigen, ich sage öfters, dass ich zu einem Thema nichts sagen kann, weil mir das entsprechende Wissen fehlt, und bisher gab es da noch nie Probleme.
@Baumi: Bei Buschkowsky stimme ich zu, ist aber auch jemand, der sich in Neukölln nicht mehr allein auf der Straße sehen lassen kann, weil er bei den Linksextremisten in Ungnade gefallen ist. Hilft also auch nicht unbedingt weiter, selbst “moderater” zu sein.

Christopher
3. April, 2014 18:41

ich danke dir für diesen Kommentar, ich muss zugeben, dass ich auch oft der von dir genannten Argumentation aus den Memes erliege und gleich in diese Richtung denke.
“Jemand, der einen Satz mit ‘Ich bin kein Rassist, aber…’ anfängt, wird danach etwas rassistisches sagen”
Es ist halt einfach dem Lauten zu folgen, als dem Besonnenen, der Laute hat direkt eine Antwort, beim Besonnenen muss man auch selbst denken, vielleicht eigene Standpunkte beziehen, sich selbst mit der Materie auseinandersetzen.
Was fehlt in jeder Diskussion ist die Aussage “keine Ahnung, weiß ich nicht, habe ich keine Meinung zu, muss ich mich erst informieren”. Mit dieser Aussage disqualifiziert man sich für alle Nachrichten, für alle Medien, für alle Posten in der Politik oder für Posten und Positionen, die von Meinungen dominiert werden. Damit können Personen, die solche Aussagen machen und erst besonnen über ein Thema nachdenken wollen nie in solche Positionen kommen.
Bei der einzigen Person, bei der es so wirkt als wäre sie besonnen ist es wohl eher Machtkalkül. Abwarten, bis sich alle anderen gegenseitig in den Grabenkämpfen des geschrienen Wortes abgenutzt haben und dann die Position zu besetzen, die als letzte noch Munition hat. Aber naja, Frau Merkel macht das schon clever.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 18:42

@ Mencken: Bei Buschkowsky zeigt sich das Problem in aller Schärfe – du kannst ein Problem nicht neutral genug aufzeigen, ohne dass es doch wieder zu deinen Ungunsten interpretiert wird.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 18:45

@ Christopher: Ich denke schon, dass man sich in gewissen Situationen aus einer Situation heraus nehmen kann. Ich habe z.B. zu wenig Ahnung, was die Krim angeht, um meine Meinung (die ich durchaus habe) zu äußern – das Risiko, dass mir schlicht die wichtigsten Fakten fehlen, ist zu groß. Zum Thema Abtreibung sage ich nichts, weil ich niemals werde nachvollziehen können, wie die Situation einer schwangeren Frau ist. Bei der Todesstrafe halte ich mich zurück, weil ich beide möglichen Standpunkte für nachvollziehbar halte.

gerrit
gerrit
3. April, 2014 19:13

Wer die Todesstrafe vollzieht, begeht möglicherweise einen Fehler, den er im Leben nicht wieder gutmachen kann…

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 19:16

@ gerrit: Das mag sein. Aber es gibt auch Fälle ohne jeglichen Zweifel, bei denen ich zumindest den Denkansatz, dass diese Person ihr Lebensrecht verwirkt hat, nachvollziehen kann. Hinzu kommt ein eher humanistischer Aspekt: lebenslang ohne Möglichkeit auf Entlassung könnte als brutaler angesehen werden als die Todesstrafe. Who’s to say? Not me.

Kaio
Kaio
3. April, 2014 20:06

“Who’s to say? Not me.”
Das ist sowieso auch so etwas, in Zeiten des Internets wissen viele Leute nicht mehr wann sie einfach mal zu manchen Themen die Klappe halten sollten weil sie nichts produktives beizutragen hätten. Hauptsache irgendwie was gesagt und Stellung bezogen, es wäre ja Schade drum wenn die Welt das verpasst hätte.
Und dadurch kommt dann auch schnell das Lagerdenken. Wenn man sich keine tieferen Gedanken gemacht hat ist es schnell und sicher wenn man sich einfach einer bestehenden Seite anschließt.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 20:09

@ Kaio: So ist das wohl leider. Ich habe auch ein paar Mal den Fehler gemacht, Facebook-User, die irgendwelche schlauen Sprüche begeistert geteilt haben, darauf hinzuweisen, dass diese logische Fehlschlüsse enthalten und weder stimmig noch lobenswert sind. Kommt nie gut an. Bequemer Beifall will nicht gestört werden.

milan8888
milan8888
3. April, 2014 20:16

Ich finde Leute die die Todesstrafe fordern gehören wegen Aufruf zum Mord mit dem Tode bestraft!

Tante Jay
3. April, 2014 20:22

Licht und Schatten in dem Artikel. Ja, ich würde Sarrazin und Co. auch lieber mit Argumenten zerpflücken, die will aber keiner hören.
Wir leben zwar in einem Land wo Milch und Honig fließen – aber wo Milch und Honig zum Teil auch verdammt ungleich verteilt sind. Ansprüche an HartzIV-Bezieher *darf* man stellen, aber bitte: Die Menschenwürde sollte dabei schon gewahrt bleiben. Was ist noch berechtigter Anspruch und was dient einzig und allein zur Einschüchterung? Teilweise sind hier die Grenzen verwischt.
Mit deinem Fazit komm ich wieder klar. Und auch, dass wir weniger nach dem Gießkannenprinzip arbeiten müssen und mehr ins Detail gucken und am Detail rumschrauben.
Das ist anstrengend. Und teuer.
Nur, wie willst du das, mit dem Journalismus wie er gerade in Deutschland sehr weit eben nicht funktioniert, erreichen?
Der Journalismus war mal eine Kontrollinstanz der Demokratie und hat den Mächtigen auf die Finger geschaut. Gerade Spiegel fällt mir hier ein. Und heute? Da werden Twitter-Storifies als Story-Ersatz genommen. Die Reaktion als Nachricht.
Na super.
So wird das nichts. Ideen, wie man das besser machen kann?

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 20:35

@ Jay: Du hast das Problem schon zu sehr verinnerlicht – es wird ja schon immer besser, wie ich auch geschrieben habe. Und die Presse war früher nicht freier und besser als heute, dank Internet sind ihre Schwächen nur erheblich sichtbarer geworden. Auch das gehört zu den Mythen, dass früher alles irgendwie besser war. Früher gab es kein Bildblog, kein Netzwerk Recherche, keinen Niggemeier und kein DWDL. War auch nicht schön.
Für mich wäre wichtig: Konsens, dass wir gut aufgestellt sind und auf dem richtigen Weg. Dass eine breite Gesellschaft auch die Rechte der Minderheiten achtet und dass einzelne Arschlöcher a) nicht für die gesamte Gesellschaft stehen und b) kein Grund sein dürfen, den Konsens immer wieder in Frage zu stellen. Dass wir alle grundlegend die gleichen Ziele haben: Wohlstand, Frieden, Umweltschutz, Arbeitsplätze, Chancen für alle. Mir fehlt momentan das Bekenntnis zu dieser Basis.
Wenn man soweit ist, muss man Bestandsaufnahme machen – was sind die großen Ziele in 5, 15, 20 Jahren. Wie lassen die sich erreichen?
Aber ich greife meiner neuen Serie vor…

G
G
3. April, 2014 20:42

@Wortvogel: Du möchtest Sarrazin und Co sachlich zerpflücken? Dann tu das doch, wieso sollte dich das etwas lautere Geschrei eines anderen davon abhalten, genau das zu tun? Dieses Heraushalten aus der Diskussion schadet ihr noch mehr, als Sarrazin und und Co das jemals könnten.
Wieso interessiert dich überhaupt, ob du bei manchen Gruppen dieses ideologische “All inclusive”-Angebot, wie du es nennst, nicht annehmen, bzw. erfüllen kannst, oder möchtest? Diese Sektierer (nichts anderes sind sie in meinen Augen) haben doch ohnehin alle einen an der Waffel und haben noch nie eine Mehrheit in der Bevölkerung gehabt. Sachlich gegen sie vorzugehen ist hier das einzig richtige, egal ob sie aus der rechten oder linken Ecke kommen (obwohl es manchmal recht lustig sein kann, sie absichtlich zu provozieren und aufzuscheuchen, ich suche die Kontroverse mit denen – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg – selber schon fast zu oft).
Ich finde auch nicht, dass man als “Mann der Mitte” immer mehr allein gelassen wird, so wie du das beschreibst. Ich glaube, du verwechselst hier “lauter brüllen” mit “Mehrheit haben”. Nur weil sich jemand besonders auffällig verhält, heißt das nicht, dass er automatisch eine kritische Masse von Menschen hinter sich hat. Das beste Beispiel hierfür bringst du selbst: So wie du Angela Merkel beschreibst, ist sie jemand, der es keiner dieser Gruppierungen recht machen kann. Wenn diese eine relevante Anhängerzahl hätten, wie hat Frau Merkel es dann geschafft, wiederholt wiedergewählt zu werden?
Was die Aufregung um Pirincci und Sarrazin angeht: Wenn jemand so gezielt Wahrheit mit Lüge vermischt, dann darf er oder sie sich nicht wundern, wenn er ein entsprechendes Echo erhält. Da kannst du dich übrigens nicht ausnehmen, oder hast du dich nicht unlängst erst über die dummen Aussagen von Kreationisten oder die Rede von Frau Lewitscharoff entsprechend auf deinem Blog aufgeregt?
Was die Medien angeht: SIcher macht vor allem der Boulevard beim Krawallschlagen mit. Es gibt aber genug andere Medien, die sich dem verschließen.
“Mir wäre eine Kultur lieber, in der solche Menschen Themen nicht monopolisieren und vergiften können.”
Da bin ich mit dir einer Meinung. Die Antwort, die du auf die Problematik gibst, halte ich aber für hinterfragenswert.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 20:46

@ G: Ähnlich wie bei den Fundamentalisten sehe ich das Problem bei den politisch Extremen (mit denen ich ja explizit nicht die als Spinner gebrandmarkten Dödel am Ende des Spektrums meine) in der Breitenwirkung. Sie diktieren durch Lautstärke und Präsenz den Diskurs. Klar kannst du sagen “muss dich nicht scheren”. Ich sage aber “tut es”. Weil es der Gesellschaft schadet, wenn sie nicht mehr nach dem Konsens sucht, sondern sich nur noch im Konflikt suhlt.

G
G
3. April, 2014 20:55

Die politisch Extremen sind aber immer “Minderheitenprogramme”, die die von dir behauptete Breitenwirkung gar nicht in dieser Form entfalten. Daher würde ich sagen, dass man ihnen sachlich entgegentreten soll, ihrem Geschrei aber nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, denn nur dadurch können sie überhaupt eine breitere Masse erreichen.

Spandauer
Spandauer
3. April, 2014 21:09

Sehr schöner Kommentar, nach gefühlter langer Abwesenheit.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 21:15

@ G: “Die politisch Extremen sind aber immer “Minderheitenprogramme”, die die von dir behauptete Breitenwirkung gar nicht in dieser Form entfalten.” – das sagst du. Ich nehme das ganz anders wahr. Täglich.
@ Spandauer: Jau, ich stecke auch noch immer voll im Umzug und in der Arbeit.

txxx666
3. April, 2014 21:29

Auch wenn es angesichts von Pseudo-Linken wie den Spezialdemokraten und den Olivgrünen fast in Vergessenheit geraten könnte: bei der Frage “(politisch) links oder rechts” geht es nicht um zwei gleich bescheuerte Extreme fern von einer “goldenen Mitte”, sondern um die Grundsatzentscheidung “Gleichberechtigung vs. Unterdrückung” bzw. “Demokratie vs. Hierarchie”.
Wer meint, die Deutschen (bzw. “der Westen”) verdankten ihre privilegierte Position in der Welt(wirtschaft) ihren Tugenden (und nicht dem Erbe einer schmutzigen Kolonialgeschichte) oder die oberen Zehntausend der Gesellschaft, die Multimillionäre und Milliardäre, hätten ihre immensen Reichtümer tatsächlich “verdient” (und nicht auf unlautere Weise geerbt oder durch Ausbeutung oder Betrug ergaunert) und diesen Status Quo um jeden Preis zementieren will, ist ein Rechter, ein Reaktionär, ein berechnender Kapitalist und Kriegsgewinnler oder ein tumber Nationalist.
Wer dagegen meint, die obszönen Unterschiede zwischen verhungernden Kindern da und Privatinseln, Zweitvillen und 100-Meter-Yachten da gehörten ausgeglichen, ist ein Linker, ein wahrer Sozialist oder Kommunist (unabhängig vom Etikettenschwindel der autokratischen Kommandowirtschaften des “realexistier(thabend)en Sozialismus”).
Und ich glaube, wenn sich die Menschheit nicht bald um einen gerechten globalen Ausgleich von Macht und Geld bemüht, sondern weiterhin im Konkurrenzprinzip, im Gegeneinenader statt Miteinander, und Grenzziehungen zuzrückbleibt, werden wir selber das Ende dieser “Zivilisation” noch miterleben.
http://misanthrope.blogger.de/stories/2094275/

G
G
3. April, 2014 21:57

@Wortvogel: Hast du konkrete Beispiele?

Baumi
3. April, 2014 22:19

@Wortvogel: Buschkowsky wäre m.E. auch ein besserer Aufhänger für diesen Artikel gewesen als Pirincci. Letzterer hat in seinem jüngsten Auftritt schlichtweg so viel hanebüchenen und bewusst provokativen Unsinn abgesondert, dass die paar Körnchen Wahrheit dazwischen im Vergleich schlicht nicht ins Gewicht fallen. Ein Kilo Blech bleibt ein Kilo Blech – auch wenn der Legierung irgendwann mal ein Viertelgramm Gold hinzugefügt wurde. Ist auch kein Wunder, weil es Pirincci m.E., wie gesagt, nicht um Probleme, Lösungen oder Wahrheit geht, sondern nur um Aufmerksamkeit durch Provokation.
Buschkowsky hingegen nehme ich zumindest ab, dass er wirklich Interesse an Lösungen hat. Als sein Buch erschien haben damals wohl viele Medienvertreter gehofft, ihm zum nächsten Sarrazin stilisieren zu können, aber das Spiel hat Buschkowsky dann wohl nicht so wie gewünscht mitgespielt. Dass es trotzdem Deppen gibt, die ihn in die rechte Ecke stellen wollen, ist zwar schlimm, taugt aber in keiner Weise dazu, Pirinccis Tiraden zu legitimieren.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 22:31

@ Baumi: Da muss ich gleich zweifach korrigieren – Pirincci war der Einstieg in den Artikel, nicht der Aufhänger. Ich legitimiere auch nichts, was er sagt – im Gegenteil, ich bestätige ja sogar, dass sein Verhalten es unmöglich macht, sich sein Argumente auch nur ansehen zu WOLLEN.
@ G: Pirincci war im Fernsehen. Und wird bei Niggemeier diskutiert. Und rangiert (wie Sarrazin und Konsorten) oben in den Buchcharts. Das ist schon keine Nischenaufmerksamkeit mehr, die sich ignorieren lässt.
@ txxx666: Tiefer bist du nicht in die Mottenkiste des Klassenkampfes gekommen, oder? Staublunge?

G
G
3. April, 2014 22:46

@Wortvogel: Aufmerksamkeit erregen ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Erreichen einer Mehrheit. Und Niggemeier regt sich wesentlich mehr über die unfähige Interviewerin auf, als über Pirincci (eigentlich ist der im Artikel maximal die zweite Geige, wenn überhaupt).

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 22:55

@ G: Ich nehme das so wahr. Du nicht. Und?

txxx666
3. April, 2014 23:06

Staublunge? Nein, nur Kopfschmerzen, dass wegen all der Krämerseelen, die Angst um ihre paar Privilegien haben, der Turbo-Kapitalismus sich wohl leider nicht per Evolution zu einer echten Demokratie weiterentwickeln, sondern in einen globalen Bürgerkrieg münden wird.
Der “Klassenkampf”, den du in der Mottenkiste wähnst, tobt längst weltweit und demnächst auch in diesem Theater.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 23:12

txxx666: Sicher. Globaler Bürgerkrieg. Klaro. !Hasta la revolucion siempre!

Tante Jay
3. April, 2014 23:33

Für mich wäre wichtig: Konsens, dass wir gut aufgestellt sind und auf dem richtigen Weg.
Torsten, genau das sehe ich eben nicht so. Aber das ist wohl auch ein grundlegendes Problem unserer politischen Einstellung. Ich sehe uns – und nicht nur uns, das Problem ist weltweit zu beobachten – mit großen Schritten stramm nach rechts marschieren.
Bürgerliche Freiheiten sind nichts mehr wert, man kann sie nach belieben für ein “Super-Grundrecht” auf “Sicherheit” eintauschen. Und über all das legt Angela Merkel eine große Decke mit Chloroform getränkt, auf dass möglichst wenig NSA-Kompromat an die Oberfläche blubbert.
Es hat einen Grund, warum bei *jedem* Anflug eines Skandals Angela Merkel erstmal abgetaucht ist. Da gabs doch mal ne Umfrage: nur noch 15% der Deutschen finden die Regierung gut, aber 75% (nagel mich nicht auf Zahlen fest) finden Angela Merkel gut. Was ja dann wohl heißt, dass eine ganze Menge Menschen Angela Merkel nicht mal mehr mit der Regierungsarbeit in Verbindung bringt.

Wortvogel
Wortvogel
3. April, 2014 23:41

@ Tante Jay: Das halte ich für sehr gewagte Aussagen. Der Konsens gilt erstmal nur für Deutschland – und dieses Land mag in viele Richtungen driften, aber nicht wirklich nach rechts. Und die Tatsache, dass es uns in vielen Bereichen immer besser geht (siehe drittletzter Absatz) ist auch nicht zu bestreiten.
Global kann man solche Aussagen nicht treffen – Südamerika z.B. ist in den letzten 20 Jahren eher nach links gerutscht. Eine einheitlicher Trend wäre bei 200+ Staaten auch schwer vorstellbar.
“Bürgerliche Freiheiten sind nichts mehr wert”? Das ist billige Polemik. Noch vor 35 Jahren hat der deutsche Geheimdienst selber gesprengt, um der Jagd auf Terroristen Feuer zu machen Siehe Celler Loch. Damals wurden Bürgerrechte auf breiter Front mit Füßen getreten. Was die Zukunft bringt, wird man sehen. Aktuell sehe ich die bürgerlichen Freiheiten in solidem Zustand.

Baumi
4. April, 2014 00:07

@Wortvogel: Gebe Deinen Einsprüchen auf meinen Kommentar Recht – ich sollte nicht übermüdet schreiben.
For the record: Ich hatte drüben beim Niggemeier auch deutlich den Eindruck, dass er sich im Artikel weniger über Pirincci als über die unfähige Moderatorin aufregt, die dessen Trollereien nichts entgegensetzen konnte. Die Diskussion über P.s Thesen entspann sich dann erst in den Kommentaren, weil da plötzlich die üblichen Verdächtigen aus den Rechtsaußen-Blogs aufschlugen und anfingen “Das ZDF zensiert unbequeme Wahrheiten” zu brüllen, weil ein Halbsatz der Tirade aus der Mediathek entfernt worden war.

Alex
Alex
4. April, 2014 00:44

Kleine Anekdote aus meinem Leben: Als hier mal wieder ein kleiner NPD-Aufmarsch drohte, machten die Grünen in der Innenstadt mobil, man dürfe der NPD keinen Platz bieten. Ich hab einfach mal gefragt, warum nicht? Völlig neutral, einfach nur auf die Antwort gespannt. Stattdessen musste ich mir ein nicht ganz so freundliches “Du Faschist” anhören.
Es fehlt die sachliche Begründung. Keiner erklärt mehr, warum irgend etwas richtig oder falsch ist. Wenn man sich die Kommentare bei Stephan anschaut, dann sind ein Großteil einfach nur Beschimpfungen, eine wirklich Begründung, warum Akif falsch liegen könnte, gibt es zwar, aber sie ist selten.
Und das ist der Ursprung, aus dem sich Sarrazin und Akif Pirinçci bedienen. Vielfach wird nicht mehr diskutiert, es wird nur noch moralisch abgelehnt, das aber nicht mehr begründet, obwohl es häufig doch so einfach wäre.
Es ist so viel politisch korrekt, nur nach einer Zeit weiss keiner mehr, warum eigentlich. Und warum fühlt sich das, was korrekt ist, nicht mehr richtig an?
Mich erinnert die Diskussion an die sexuelle Befreiung und der Gegenbewegung mancher Jugendlicher in den USA, die Jungfrau bis zu Ehe bleiben wollen.

G
G
4. April, 2014 00:46

@Wortvogel: Woran machst du die Breitenwirkung denn fest? Nur an den erzielten Verkaufszahlen von Sarrazin und Pirincci?

Wortvogel
Wortvogel
4. April, 2014 00:57

@ Echt jetzt? An MEINEM Empfinden. Ich habe nie behauptet, es sei eine empirische Analyse. Matussek, Broder und Sarrazin verkaufen Millionen Bücher, sind in Talkshows, beherrschen Schlagzeilen. Sie setzen Themen.
Du kannst jetzt gerne NOCHMAL fragen, woran ich das festmache. Du kannst es aber zur Abwechslung einfach auch mal als meine Meinung akzeptieren.

G
G
4. April, 2014 01:08

@Wortvogel: Nö. 😀
Im Ernst: Ich glaube, dass dich dein Empfinden hier täuscht und du den Herrn mehr Bedeutung zumisst, als sie eigentlich haben. Aber egal.

marathonschaatser
marathonschaatser
4. April, 2014 12:09

ZITAT: “… dieses Land mag in viele Richtungen driften, aber nicht wirklich nach rechts”.
Nein, dieses Land driftet nicht nach rechts? Akif Pirinçcis Buch stürmt die Bestseller-Liste, aber das Land driftet nicht nach rechts? Ich bin da anderer Meinung. Ich bin der Meinung, dass schon heute der Satz “Die Moslems sind rückständig und gefährlich, besser wir schaffen sie außer Landes.” in weiten Teilen der Bevölkerung mehrheitsfähig wäre – faktisch würde man den Deportationen bereits in der jetzigen Stimmung wieder zuschauen, und hinterher würde man nichts davon gewusst haben wollen. Und die Stimmung wird weiter angeheizt.
Ich nehm mir jedes Recht der Welt raus, auf inakzeptable, weil Menschen verachtende Standpunkte reflexartig zu reagieren. Jemanden, der über die genetisch bedingte Minderwertigkeit von Kopftuchmädchen schreibt, mache ich nicht durch Gegenargumente satisfaktionsfähig. Ebensowenig jemanden, der es schafft, sein ganzes hasserfülltes “Denken” schon im Buchtitel so unterzubringen, dass sich eigentlich jeder aufrichtige Buchhändler weigern müsste, diese Hetzschrift zu verkaufen. Tut es EINER? Nein, weil das Publikum in diese ja auf gar keinen Fall nach rechts driftenden Land nach diesem Buch fragen würde.

radio_gott
radio_gott
4. April, 2014 12:13

Ich glaube, dieses Lagerdenken und das Hypen der lautesten Schreihälse beider Lager hat schon etwas mit Kalkül zu tun, um das Volk mit sich selbst beschäftigt zu halten, damit man es in Ruhe ausnehmen kann. Oder lasst es mich mit einem Gleichnis sagen:
Ein Banker, ein Deutscher und ein Ausländer sitzen an einem Tisch, darauf liegen 12 Smarties. Der Banker schnappt sich 10 Smarties und sagt zum Deutschen: “Pass auf, der Ausländer will Dir Dein Smartie wegnehmen!”

Wortvogel
Wortvogel
4. April, 2014 12:58

@ marathonschaatser: Ich dachte, du bist raus hier?
“Nein, dieses Land driftet nicht nach rechts? Akif Pirinçcis Buch stürmt die Bestseller-Liste, aber das Land driftet nicht nach rechts?” – nein. Wie alt bist du? Hast du irgendeine Ahnung, wie konservativ, fremdenfeindlich und muffig Deutschland in den 60ern war, den 70ern, den 80ern? Die Rechte für Frauen, Homosexuelle, Behinderte, Ausländer – all das sind Errungenschaften, die nicht durch ein dummes Buch in den Charts negiert werden.
“jeder aufrichtige Buchhändler weigern müsste, diese Hetzschrift zu verkaufen.” – das ist Zensur. Ein klares Zeichen, dass ein Land ins Extrem abdriftet. Eine starke Demokratie überlebt auch einen Pirincci.

Peter Krause
4. April, 2014 13:29

@Alex: da gab es ein Experiment mit ein paar Affen in einem Käfig, oben hängt eine Banane, darunter ein Stuhl, aber sobald ein Affe an die Banane wollte, wurden alle mit kaltem Wasser abgespritzt. Es dauerte nicht lange bis alle Tiere konditioniert waren und sich keiner mehr um die Banane kümmerte.
Dann wurden die Tiere nach und nach ausgetauscht. Der neue Käfiginsasse will natürlich an die Banane, wird aber von den anderen gemeinschaftlich davon abgehalten.
Am Ende saßen nur noch Tiere im Käfig, die nie den Wasserstrahl erlebt hatten – aber die Banane faßt man nicht an!

Uli
Uli
4. April, 2014 16:03

@Peter Krause:
Epische Analogie, die Geschichte muss ich mir merken.

Johannes
Johannes
5. April, 2014 14:36

Ich finde es wirklich bestürzend, dass ein derart plumpes, primitives und verächtliches Geschreibsel wie das von Pirincci einen gesellschaftlichen Nerv trifft. Ebenso bestürzend empfinde ich die mediale Diskussionskultur, die so verroht ist, dass einen schaudert wenn man sich durch die verschiedenen Kommentariate liest. Entweder sind es linke Spinner die von 9/11, FED und der allgemeinen Verknechtung der Massen faseln oder eben rechte Idioten die Ausländer raus! krakeln, vom Untergang des weißen Gen Pools zittern und sich nach Neuschwabien träumen. Beide Lager stimmen dabei überein, dass die Gegenseite faschistisch ist, die Mehrheit endlich aufwachen soll und sie selber natürlich die Opfer sind. Immer mehr beschleicht mich das Gefühl das beide Pole dem selben MilIleu entspringen. Einem, dass zu bequem zum Nachdenken ist und daher keine noch so abstruse Theorie zu abenteuerlich hält. Dazu noch hochgradig verbittert, was die rethorischen Amokläufe als Kanalisierung ihrer eigenen Lebensunzufriedenheit auf simple Feindbilder erklären lässt. Ob links oder rechts etikettiert, diese Leute haben sich in ihrer schwarz-weißen Legowelt verlaufen. Sich inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen ist da glaube ich vergeudete Zeit; die sind eher ein Fall für die Soziologen.

Dietmar
Dietmar
5. April, 2014 15:37

Das ist wieder einer dieser Artikel, die mich so blogabhängig gemacht haben. 🙂
Meine Gedanken:
-Ich möchte in keine andere Zeit zurück, wir haben einen großartigen gesellschaftlichen Fortschritt erreicht, der weiter gehen muss. Ein Nach-Rechts-Driften der Gesamtgesellschaft sehe ich nicht. Ich sehe beispielsweise latenten Rassismus, den es vermutlich immer schon gab, was ihn nicht besser macht.
-Mit Schlagworten werden die entsprechenden Lager und Klientel bedient. Echte Diskussion ist selten. Auch das scheint mir nie besser gewesen zu sein. Eine öffentliche Diskussionskultur wie etwa bei Intelligence² oder TED habe ich im deutschen Fernsehen noch nicht gefunden. Aber selbst dort sieht man auch nach gründlicher Auseinandersetzung eher nicht, dass jemand einlenkt.
-Ich habe nach wie vor ein Problem mit der Forderung, man müsse etwa Sarrazin erst gelesen haben, um ihn zu kritisieren. Ich meine: Nein, muss man nicht. Am Beispiel Pirinccis (diesen Schlenker unter dem “c” kriege ich nicht hin, aber das sieht unser Alphabet auch nicht vor. So!): Niggemeyer hat sich damit auseinander gesetzt und eine sorgfältigen Darstellung geliefert. Die überzeugt mich und scheint schlüssig in der Kritik an der Moderatorin. Die Zitate sind haarsträubend (okay, da kann ich jetzt ja nicht mehr so richtig mitreden). Wer jetzt sagt, da wäre etwas nicht richtig dargestellt, muss das belegen. Das Totschlagargument, man müsse erst mal das Buch von Pirincci selbst gelesen haben, lasse ich nicht gelten. Es gilt auch nicht.
Denn: Wie soll das denn funktionieren? Wie soll man sich eine Meinung bilden? Wer hat denn die Zeit, solch einen Mist in unfassbarer Zahl zu lesen, nur um sagen zu dürfen, dass er es für Mist hält?
Sicher gibt es dumpfe Leute, die blind draufhauen. Der sogenannte mündige Bürger sollte das nicht tun, allerdings kann man aber schlichtweg nicht verlangen, dass er über alles umfassend bescheid wissen muss, bevor entscheidet. Weil das einfach nicht möglich ist.
Ein letzter Punkt:
Es gibt durchaus so etwas wie eindeutig falsche Positionen. Menschenverachtung wäre so eine. Der muss man entschieden entgegentreten. Da gibt es auch kein Annähern der Positionen. Würde man das tun, gibt man dem Unrecht seine Berechtigung.

LHME
LHME
5. April, 2014 16:45

Schön merken , wenn hier ein Artikel mit Gesellschaftlichem Hintergrund steht : nicht mehr lesen. Der grundfehler ist schon seine eigenen Kanäle als Gesellschaft zu betrachten … Über den Rest reden wir mal nicht , jeder hat seine Meinung und man muss auch niemanden davon abbringen wollen . Is nur immer traurig wie alle die hier immer kommentieren hier auch alles abnicken. Nein alles super in Deutschland , is ja besser als damals also per se gut und alle die Missstände aufdecken schreien, immer …

Wortvogel
Wortvogel
5. April, 2014 17:36

@ LHME: Schön, wie du “nichts kommentieren” musst – nur um dann doch zu kommentieren. Und schön, dass die Tatsache, dass viele zustimmen, nicht mal ansatzweise den Gedanken aufkommen lässt, man könnte sich mit den Thesen auseinander setzen, weil eventuell die eigene Ignoranz der Erkenntnis im Weg steht.
@ Dietmar: Ich habe nicht gesagt, man müsse Sarrazin lesen, um über ihn diskutieren zu können. Gleiches gilt für Pirincci. Aber auch ein Arschloch kann die Wahrheit sprechen – und der Wahrheit tut es nie gut, wenn man sie nur im Kontext des Verkünders betrachtet.

Dietmar
Dietmar
5. April, 2014 19:26

@Wortvogel: Stimmt. Mein Kommentar berührt an dieser Stelle Deine Kritik am Lagerdenken und der Schwarz-Weiß-Malerei nur lose.

Andreas
Andreas
7. April, 2014 13:33

@Wortvogel: Da brannte es scheinbar richtig in Dir, wenn man sich das durchliest (ohne die FB-Diskussion zuvor zu kennen). Hut ab für diesen Rant, er spricht mir stark aus der Seele. Nicht zu 100% – aber das wäre ja auch kaum machbar…
Das starre Lagerdenken, das scheinbar bedingungslose Festhalten an der “richtigen” Seite war schon vor dem Internet da, nur ermöglicht uns das Netz erst, noch stärker nur uns bequeme Antworten / Fragen zu erlauben. Das ist menschlich – aber auch verführerisch.
Ich habe selbst im Shitstorm gestanden, als ich es wagte satirisch über eine Messeabsage eines Kickstarterprojektes zu schreiben (Star Citizen anyone?). “Die deutsche Community” wäre mit mir nicht einverstanden, wurde mir da geantwortet (möge man sich auf der Zunge zergehen lassen). Und einem anderen Blogautoren, der ebenfalls zeitgleich Kritik übte, wurde neben kübelweise Beschimpfungen auch gleich auf den Weg gegeben: Ein Blog solle keine eigenen Meinungen enthalten. Der Autor habe sich dieser zu enthalten – die Massenmedien (“die da oben”) würden eh schon alles steuern und armes Deutschland war wohl auch noch zu lesen. Da kann man nur noch ungläubig in seinen Browser schauen und sich fragen, ob man das gerade wirklich erlebt oder ob das ein schlechtes Kinderbuch ist, was man zuklappen kann.
Aber derartige Einträge wie der vom Wortvogel machen das dann wieder gut 🙂 Ja, es darf die sachliche Mitte geben. Nein, ich muss nicht gut finden, dass Griechenland xy-Milliarden bekommt. Aber nein, ich muss es auch nicht verurteilen. Es fehlt mir nämlich schlicht der Durchblick in diesem Thema. Nein, Facebook-Bildchen mit “muss man ja mal sagen dürfen” helfen da auch kein bisschen.
Thx Torsten!

TRESIE
7. April, 2014 13:48

Guter Text.

Baumi
7. April, 2014 15:41

Hier noch ein lesenswerter Artikel zu einem ähnlichen (wenn auch nicht ganz identischen) Thema, auf den ich eben via Facebook aufmerksam wurde:
http://www.vox.com/2014/4/6/5556462/brain-dead-how-politics-makes-us-stupid

Nardon
7. April, 2014 21:46

Danke für den Beitrag. Schade das ich, wenn ich so etwas meinem gegenüber erklären will, nicht die Worte finde und mich verhaspel.

Peter Krause
9. April, 2014 04:32

Es ist schon seltsam, was diese “Volkesstimmen” mit einem machen, und wie man ihnen vorauseilenden Gehorsam zollt. Zum Beispiel hätte ich den Kurzfilm “Schneeschmelze” längst mal weiterempfohlen, wenn ich keine Angst vor den “Pädo”-Schreiern hätte …

Peter Krause
9. April, 2014 04:47

(… und auch jetzt hätte ich mich nicht zu diesem Kommentar durchgerungen, wenn er nicht auf 3 Ebenen zum Thema passen würde. Ihr findet den Film auf Youtube.)

Peter Krause
9. April, 2014 05:56

(Torsten zieht sich aus, legt seine Fragen bloß, und viele sind davon einfach nur pikiert bis schockiert, und verpassen, worum es eigentlich geht. Meine Liedempfehlung: “True Colors”, Cindy Lauper)

Lutz
Lutz
9. April, 2014 11:21

Ich stelle bei mir schon lange Ermüdungserscheinungen bei derlei Debatten fest, wenn das WAS gesagt wird beim Stein des Anstoßes nicht mit dem WIE es gesagt wird übereinstimmt, weil man es in den folgenden Diskussionen einfach nicht auf einen Nenner bringen kann. Es ist vollkommen egal, ob sich bei Broder, Pirincci, Sarrazin, den #Aufschrei-Leuten und Konsorten wahre Kerne finden lassen die Fakten lassen sich einfach nicht von den oftmals arroganten und/oder peinlichen Auftritten lösen.
Es mag zwar richtig sein, dass man nur mediale Aufmerksamkeit bekommt, wenn man provoziert, aber in meiner Erfahrung ist es so, dass, sobald in einer Diskussion der Name des vermeintlichen Steinanstoßers (oder vielleicht doch nur Saudurchsdorftreibers?) genannt wird, diese nicht mehr sachlich oder zumindest auf Argumente fokussiert geführt werden kann. Manchmal bekomme ich das Gefühl, dass in Deutschland eine ähnliche Schwarz-Weiß Dichotomie wie in den amerikanischen Medien angestrebt wird.
Ich bin jedenfalls bei solchen Debatten inzwischen schnell raus, weil ich das Gefühl habe, dass ich dabei letztendlich viel mehr Energie in die Diskussion stecken würde, als am Ende an Erkenntnisgewinn für mich und andere herauskommen könnte, geschweige denn an Ergebnissen oder gar Veränderungen.

milan8888
milan8888
10. April, 2014 15:47

Könnte es sein dass Pirinçci einfach nur einen auf Joachim Bürger macht?

Nicholas
11. April, 2014 23:24

Ja, uns in Deutschland und ähnlichen Ländern geht es im großen und ganzen verhältnismäßig gut, aber was ist mit dem zig Millionen Kriegs- und Armutstoten im Rest der Welt? Wir forcieren seit vielen Jahren ein Wirtschaftssystem von dem wenige (wir) profitieren und unter dessen Auswirkungen viele Menschen (und die Umwelt) leiden. Wir laden tagtäglich mehr Schuld auf uns, da ist radikales Umdenken (natürlich gewaltfrei) durchaus angebracht wie ich finde!

Dietmar
Dietmar
12. April, 2014 01:09

@Nicholas: Irgendetwas hakelt hier auf meinem Rechner. Zweiter Versuch: Es gelingt mir nicht, einen Kurzvortrag von Hans Rosling auf TED einzubetten, in dem er beschreibt, wie weltweit die Bevölkerungszahl gekoppelt an durchschnittlich sich verbessernden Lebensbedingungen nicht mehr so stark ansteigt, weil die Geburtszahlen rückläufig sind. Suchbegriffe auf Youtube “Rosling TED” sollten funktionieren. Sehr interessant!

Mika
Mika
12. April, 2014 11:20

Hach! Ich finde es ziemlich amüsant.
Jetzt hat er ja ein klein wenig nachgelegt (Deutschland ist wie Nordkorea) und die Menschen, die eigentlich auf seiner Seite stehen sollten, kommentieren dann “Dann soll er doch zurück in die Türkei!”.
Herrlich!