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Nov 2013

50 Jahre Dr. Who: Nerdpocalypse (3)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

doctor_who__the_day_of_the_doctor_wallpaper_by_skinnyglasses-d6m4e2w Okay, es ist soweit: Das Highlight des 50. “Who”-Geburtstages wurde in England ausgestrahlt – und unter anderem in deutsche Kinos übertragen. Nicht Star Wars, nicht Star Trek, nicht die Krönung von Papst oder Weltmeister – eine Episode einer britischen TV-Serie, die mal siebzehn Jahre lang wegen fortschreitender Erfolglosigkeit auf Eis lag und deren Charme eigentlich immer aus ihrer konsequenten Nischigkeit bestand. Was genau genommen den 33. Geburtstag bedeutet. Oder den 32., wenn man den TV-Film von 1996 als Who-Jahr rechnet. Aber wer will kleinlich sein?
“Doctor Who” cool zu finden, ist selbst schon wieder uncool. Uralt-Nerds behaupten, nur Fans von Hartnell bis Baker könnten beurteilen, was es bedeutet, ein Whovian zu sein. Alle unter 30 behaupten, nur wer schon bei Eccleston eingestiegen sei, dürfe überhaupt mitreden. Die “seit Tennant”-Fans sind Noobs, Poser, Mitläufer, Hipster! Und wer angesichts des Hypes jetzt einsteigt – unterste Stufe der who’schen Nahrungskette, Gosse, Abschaum.
Alles sehr seltsam, das.
Aber ich will gar nicht mehr so meta daher quatschen, sondern lieber kurz, aber knackig die 75minütige Special-Episode “The Day of the Doctor” besprechen, die uns mit viel Tamtam angekündigt wurde. Es geht mal wieder um nicht weniger als alles: Wir wissen, dass der Doctor selbst für die Vernichtung der Timelords und der Daleks verantwortlich ist. Es ist die große Schuld, die er sich aufgeladen hat (und die Chris Eccleston eine ganze Staffel lang in seinem Dackelblick mit sich trug). Seit der Episode “The Name of the Doctor” wissen wir, dass dafür eine bisher ungesehene Inkarnation (in Gestalt von John Hurt) verantwortlich war. Und seit “The Night of the Doctor” wissen wir, dass dieser “Warrior Doctor” das Bindeglied zwischen der Paul McGann- und der Chris Eccleston-Inkarnation war.
Mit dem Plot will ich mich gar nicht lange aufhalten, schließlich werden viele von euch den TV-Film noch anschauen wollen und Spoiler würden in diesem Fall sicher nicht helfen. Nur soviel: Gleich mehrere Inkarnationen des Doctors treffen auf Gallifrey zusammen und kreisen um den Moment, an dem der ewige Krieg zwischen Timelords und Daleks per doppeltem Genozid beendet wurde. Es geht um das, worum es immer in guten Who-Episoden geht: um die Frage, ob sich das, was geschehen muss, verhindern lässt – und welche Folgen es für die Zeit und das Universum hat. In alle Richtungen.

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Ich bin beruhigt, erleichtert und hoch erfreut, mitteilen zu können, dass “The Day of the Doctor” ein Hammer ist, ein Rocker vor dem Herrn, dem es tatsächlich gelingt, die Versprechen der vorangehenden Staffeln und Episoden einzulösen. Er bringt nicht nur mehrere (hauptsächlich drei) Doktoren zusammen, die wunderbar miteinander agieren – er baut auch eine Handlung, die ihre Unterschiedlichkeit gleichzeitig betont und bedingt. Das scheinbar unlösbare Rätsel, das die Vernichtung von Gallifrey aufgibt, kann nicht von einem Doctor gelöst werden, sondern nur von drei – von DIESEN drei. Es braucht den Doctor (Smith), den Krieger (Hurt), und den Helden (Tennant).
Der Weg dahin ist so spektakulär inszeniert und monströs unterhaltsam, dass man wirklich das Gefühl bekommt, die BBC hätte wie mit einer gewaltigen Linse alle kreativen Kräfte gebündelt und auf dieses Special gerichtet. Die Spezialeffekte sind herausragend – ich bin neidisch, das nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben. Es gibt riesige Schlachten, erstaunliche Bauten, ganz große Bilder. Aber “Day of the Doctor” glänzt auch, wenn man genauer hinschaut. Da gibt es bezaubernde Details, etwa wenn Clara mit ihrem Motoroller direkt in die Tardis fährt oder der Doctor ein Bild bewundert, das überraschend plastisch wirkt. Hier wurde an Stellen investiert, für die in der Hektik einer Serie normalerweise kein Auge ist.
So vollgepackt wie mit Spezialeffekten ist “Day of the Doctor” auch mit Gastauftritten und Verweisen auf frühere Episoden. Von ehemaligen Gefährten bis zu alten Tardis-Interieurs, von “Soll er das sein?”-Cameos bis zum Schwanzvergleich per Sonic Screwdriver – als Showcase nicht nur des Who-Universums, sondern der gesamten Who-Mythologie ist “Day of the Doctor” ein so verfrühtes wie perfektes Weihnachtsgeschenk.
Tennant, Smith und Hurt sind vielleicht der perfekte Beweis dafür, dass “Doctor Who” nicht nur in Form der Hauptfigur, sondern selbst als Serie über mehrere Generationen regeneriert wurde, denn ihr Aufeinandertreffen hat so gar nichts von der pudrigen Nostalgierer der bisherigen “Three Doctor/Five Doctor”-Specials aus den 70er und 80er Jahren. Das hier ist “legitimate drama” – und ganz großes Kino obendrein. Es stehen drei Top-Schauspieler im Rampenlicht, ohne sich gegenseitig den Platz streitig zu machen. Und selbst zwei der besten Gefährtinnen der Post-2005er-Ära kommen mehr als zu ihrem Recht. Ja, ich weiß, man kann diskutieren, ob “Rose” wirklich in dieser Form vorkommen musste, aber meine Antwort auf diese (mehrfach geäußerte) Kritik lautet: why the hell not?
Müsste ich den Aspekt heraus greifen, der mich am meisten begeistert hat, dann ist es die völlige Unterwerfung des Specials unter den Who-Mythos: Das hier ist kein freistehendes TV-Special, das konsequent runtergedummt wurde, um auch über das Fandom hinaus seine Zuschauer zu ködern. Das hier ist “Doctor Who” – wer nicht drin ist, ist draußen. Die BBC traut sich, der Nischigkeit ihrer Hitserie nicht nur Rechnung zu tragen, sondern sie zu feiern. DAS hat Eier.
“Day of the Doctor” schafft das, was ich vorab eigentlich für unmöglich gehalten habe – it delivers. Es bleiben keine Wünsche offen, aber eine jede Menge Möglichkeiten für die nächsten Staffeln. Erinnert ihr euch, dass ich gestern davon sprach, kein echter Whovian zu sein? Geschenkt. Ich bin ein Whovian.



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justus_jonas
justus_jonas
24. November, 2013 21:54

Unterschreib ich. Erstaunlicherweise hat die Folge überdies auch das beste 3D geliefert, dass ich seit langer Zeit im Kino gesehen habe. Sprich: Es wurde dezent und sinnvoll eingesetzt. Und ergab bei einer Geschichte, in der es mitunter um dreidimensionale Gemälde geht, auch mal narrativen Sinn.
Wenn Moffat jetzt – wie versprochen – noch im Dezember die offenen Handlungsstränge der drei Smith-Staffeln auflöst, dann war das wirklich ein spektakuläres Who-Jahr.
http://www.youtube.com/watch?v=DMOOLd_44Mo

Marcus
Marcus
24. November, 2013 21:56

“Die Spezialeffekte sind herausragend – ich bin neidisch, das nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben.”
Das kannst du auch mal sein – ich war im Kino. Und besonders die Stelle, wo in das 3D-Gemälde reingezoomt wird, ist der Hammer.
Ansonsten schön, dass es dir genauso gut gefallen hat wie mir.

MisterPink
MisterPink
24. November, 2013 22:10

Es. War. So. GROSSARTIG!
Ich freue mich riesig, dass es dir, Torsten, und euch Wortvogelkommentatoren auch gefallen hat!
Diese ganzen Bonbons, die Einführung zum richtigen Kinobesuch, die “Es gibt Zygons in eurem Kino, und wir haben leider nicht die geringste Chance euch zu retten, viel Glück”-Ansage von Smith (talk about ‘3D bereichernd eingesetzt’; die 3D-Brillen zu nutzen, um herauszufinden, ob sein Sitznachber ein Zygon ist [mit Brille auf der Nase ein Auge zukneifen: wird eine Folie der Brille des Sichtnachberns schwarz, hat man ein Problem…], war brilliant, ich hab noch minutenlang mit meinem mir völlig unbekannten Sitznachber gekichert und gekämpft) und überhaupt, diese wunderbaren One-Liner.. ich bin über alle Maße beglückt, obwohl ich nur ein 2005er Whovian bin. (Wobei ich auf reddit, der einzigen Plattform, auf der mit anderen Fans in Berührung komme – es kennt einfach niemand in meinem Real Life – sehr wohlwollend behanelt werde, die meisten freuen sich riesig, wenn sie dir was aus der Classic Who Ära erklären dürfen!)

Dr. Acula
24. November, 2013 23:05

Glück gehabt, Vogel, richtige Meinung 🙂
Meine etwas konfus, da euphorisiert geschriebene Einschätzung: http://www.badmovies.de/soap/client.php/Doctor_Who:_The_Day_of_the_Doctor

Peroy
Peroy
24. November, 2013 23:34

Fuck this shit.

pa
pa
25. November, 2013 10:13

Nett auch die halbe Stunde, die zeigt, was die anderen “Doktoren” während der Dreharbeiten taten: http://www.bbc.co.uk/programmes/p01m3kfy

Pogopuschel
25. November, 2013 10:45

Volle Zustimmung!
Kleine Anmerkung: Clara ist ne coole Sau, die braust natürlich mit einem richtigen Motorrad in die Tardis.

Wortvogel
Wortvogel
25. November, 2013 10:52

@ Pogopuschel: Aber die hat einen dieser peinlichen Roller-Helme auf!

Teleprompter
Teleprompter
25. November, 2013 11:27

Auch für einen Zaungast im Who-Universum war das eigentlich ganz unterhaltsam; was BBC da technisch auf den (in meinem Fall natürlich kleinen) Schirm gebracht hat, ist schon aller Ehren wert. Und das nicht zur reinen Doctor-Parade zu machen, sondern denen richtig was zu tun zu geben, war auch mehr als o.k; wobei ich schon klar sagen muss, dass ich Tennant im direkten Vergleich um Lichtjahre besser finde als den hibbligen Smith, ist natürlich Ansichtssache.
Was mich immer wieder erstaunt ist, wie kritiklos die eigentlich ziemlich hirnrissigen finalen Lösungen der Megaprobleme und -bedrohungen im Who-versum hingenommen werden. Als Janeway ständig alle Gefahren mit einem umgedreht polarisierten Subpartikelstrahl abgewehrt hat, fanden das (zu Recht) alle auf Dauer öde, aber wenn der/die Doctoren immer wieder mal eben mit Ihren Schraubenziehern oder Tardissen Zeit, Raum und Story verdrehen und alles gut ist, wird das überwiegend abgefeiert. Aber wie gesagt, bin da nur Zaungast..

Wortvogel
Wortvogel
25. November, 2013 11:42

@ Teleprompter: Das ist leicht zu erklären – die Absurdität war bei “Doctor Who” immer Prinzip, Teil des Charmes. Es geht der Serie nicht um Logik oder Stimmigkeit. Voyager dagegen hat sich immer den Ruch von “hard SF” gegeben und seine Lösungen bierernst verkauft, auch wenn sie Verarsche waren.

Drudatz
Drudatz
25. November, 2013 12:09

Du hast vergessen den s/w Anfang zu erwähnen der sowas von Homage an die erste Folge ist. Ich hoffe Du bereust nun nicht alle Classic Folgen (bis jetzt) gesehen zu haben! 😀

Wortvogel
Wortvogel
25. November, 2013 12:18

@ Drudatz: Ich habe nichts “vergessen” – ich kann aber nicht jedes Detail erwähnen. Und nein, ich “bereue” überhaupt nicht, die alten Folgen nicht komplett gesehen zu haben – wieso auch? Die Qualität dieses Specials ändert nichts an meiner Meinung zum “classic Who”.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
25. November, 2013 15:03

Ein schönes Special, dass schon mit der “No Cell Phones”-Einführung der lustigen Kartoffelkopfkrieger (Name ist mir gerade entfallen, bin aber auch erst in Season 4 und da tauchten die jetzt das erste Mal auf) äußerst vielversprechend startete. Und das 3D war in der Tat äußerst gut gelungen!

DMJ
DMJ
25. November, 2013 19:42

Ich sehe mich nach wie vor nicht als Whovian, aber dieses Special (zum Glück im Kino gesehen und auch mich hat das 3D begeistert, obwohl ich an sich die Schnauze von 3D voll habe) war in der Tat ein Rocker vor dem Herren!
Sowohl Comedy, als auch Drama funktionierten, es gab Insiderzeug zuhauf und dass nun schon wieder ein zentrales Stück der Mythologie verändert wurde, machte mir überhaupt nichts. – Denn es war eben nicht die im letzten Moment aus dem Hut gezauberte Partikelquantenumkehrungsdingelei, sondern das Ergebnis eines großen, langen Specials mit gleich drei grundverschiedenen Doctoren. Und das, wie der Vogel oben schon sagt, in einer Serie die eh immer augenzwinkernd und im Grunde eher magisch, denn wirklich technisch war.
Schöne Sache, die mir auch wieder mehr Hoffnung auf die Serie selbst gemacht hat, da diese ja nun auch wieder ein klares (und auf den Doctor, statt irgendeinen hochgejubelten Companion ausgerichtetes) Ziel bekommen hat.