"FilmInferno" und "U-Topics": Leseproben aus einem Land vor unserer Zeit
Themen: Film, TV & Presse |Manchmal erschrecke ich selbst, wenn mir klar wird, wie lange ich schon dabei bin. Seit nunmehr 23 Jahren ist die Schreiberei mein Beruf. "Jungautor" kann ich als Beschreibung nun wahrlich nicht mehr für mich reklamieren. Das fällt mir auch bei Facebook auf, wo ich zu irgendwelchem ollen Kram verdächtig oft meine Kommentare mit einem "Ja, da hatte ich auch mal mit zu tun, als ich…" beginne.
Letzte Woche bin ich im Keller wieder auf zwei Überreste früher journalistischer Experimente gestoßen, die ich euch nicht vorenthalten will. Wie üblich gilt die Warnung: meine Erinnerungen mögen lücken- und fehlerhaft sein, mein Talent war damals noch von sehr ungeschliffener Natur.
Den Anfang macht die "FilmInferno", ein Magazin, bei dem ich Chefredakteur war und das mit einer Auflage von mehr als 20.000 Exemplaren in Bahnhofsbuchhandlungen und anderen Outlets zu kriegen war. Chefredakteur Torsten Dewi. Klingt toll. Einmalig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die "Erstausgabe für Sammler" war nämlich auch die letzte, obwohl Herausgeber Andi Bertler versprochen hatte, mindestens zwei oder drei Nummern durchzuhalten (weil sich auch erst dann absehen lässt, wie das Heft läuft).
Wenn ihr auf das Bild hier klickt, könnt ihr eine zehnseitige Leseprobe genießen:
Da haben seinerzeit ein paar interessante Leute mitgearbeitet: Andi Bertler, der Herausgeber der "Hölle auf Erden"-Bücher, Marc Witibschlager vom Kultfanzine "Bad Taste", Martin Beck, der heutige Chef des DVD-Vertriebs Atomik sowie der Webseite Reihe Sieben – und ich eben.
Mit Beck habe ich mich damals absolut nicht verstanden. Wir kamen aus sehr unterschiedlichen Ecken des Film-Fandoms – er war Hardcore-Asia-Experte, während ich eher dem Mainstream fröhnte. Es gab Streits um die Ausrichtung des Heftes, die nicht produktiv waren und zu einem Zwitter führten, der nicht lebensfähig war: einerseits Mainstream-Filmmagazin für das breite Publikum, andererseits Nischenzine für die Nerds. Man kann nicht alles für alle sein – und im Nachhinein muss ich eingestehen, dass Martin damals vermutlich Recht hatte.
Ich bin selber überrascht, in dem Heft meine allerersten Kritiken zu Filmen vom Fantasy Filmfest zu finden. Offiziell begehe ich also 2014 mein 20. Jubiläum als schreibender FFF-Begleiter. Ich war damals auch sehr stolz, dass ich den obskuren "Funny Man" in London in BFI-Kino gesehen hatte. Sollte ich dazu kommen, werde ich die Kritiken per OCR scannen und als Texte hier ganz neu einstellen.
Es ist heute vermutlich kaum vorstellbar, wie aufwändig es war, so ein Magazin zu erstellen, in den Vertrieb zu bringen und zu bewerben. Ich weiß noch, dass die Pressevorführung zu "Time Cop" so nah an der Deadline lag, dass ich mich mit Andi im Café gegenüber des Kinos traf (damals noch das "Neue Arena" in der Hans Sachs-Straße) und bei einem Cappuccino wie gaskrank den Review in mein Laptop hackte, während Andi mir irgendwas von Belegexemplaren erzählte. Die Kritik speicherte ich dann auf Diskette, damit er sie mitnehmen konnte.
Wenigstens war es damals noch relativ einfach, Interviews mit Quentin Tarantino (!) zu bekommen!
Die "FilmInferno" ist ein Kind Ihrer Zeit: unfertig, rau, etwas hilflos, aber mit jugendlichem Feuer und noch nicht vom Internet verdorbenen Geektum erstellt. Keine Ahnung, ob sie mittelfristig eine Chance gehabt hätte als softes Komplementärmagazin zur "Splatting Image". Wahrscheinlich nicht. Aber man muss es versuchen. Versuch macht kluch und so.
Heute ist es etwas einfacher, so ein Magazin auf die Beine zu stellen – es macht nur kaum einer, weil alle Leute, die was zu sagen haben, das lieber im Internet tun. Da lobe ich mir Markus Haage aka Kommentator und Gastautor Videoraider. Der versucht es nämlich glatt noch mal:
Ein Klick aufs Cover bringt euch zur entsprechenden Facebook-Seite. Ich habe übrigens für die erste Ausgabe meinen Blogbeitrag über die Horrorjugend der 80er noch einmal überarbeitet. Auch wenn’s euch nicht interessiert – kauft’s trotzdem. Solche Projekte muss man unterstützen.
Ich habe aber noch ein Schmankerl ausgebuddelt. Zwei oder drei Jahre nach der "FilmInferno" trat nämlich der vgs-Verlag an mich heran. Man war binnen kurzer Zeit zum größten Anbieter von Büchern aus dem Bereich TV-Serien und Kino geworden und drückte von Köln aus monatlich Dutzende (so schien es mir zumindest) Hardcover auf den Markt. X-Files, Star Wars, Buffy, Babylon 5 – was immer es an Lizenzen gab, kaufte man ein. Ich sollte ja später auch diverse der Romane des Verlage übersetzen und/oder sogar selber schreiben.
Um 1997 herum hatte der Verlag allerdings ein ganz anderes Problem: das Programm war für einen traditionellen Verlagsprospekt zu umfangreich und zu speziell. So kam der Verlagsleiter Mike Schweins auf die Idee, eine Art "Magazin" zu entwickeln, das nicht nur die Bücher präsentierte, sondern auch die Welten dahinter erklärte. Eine Art "Guide to the vgs Universe". Gerne auch mit Interviews, Internet-Tipps (damals noch eine brandneue Idee), Gewinnspielen, etc.
Die Aufgabe, das Magazin zu entwickeln, fiel mir und Andi Bertler zu, also dem alten "FilmInferno"-Team. Es entstand "U-Topics" (ziemlich cleverer Titel, (c) Mike Schweins). Das haben wir zwei oder drei Jahre lang gemacht. War launig, weil wir bezahlt wurden, das Heft eine sechsstellige Auflage und 56 Seiten hatte – und keine Verkaufszahlen den "Erfolg" definierten. Es war eher so eine Art erweiterte kostenlos Kundenzeitschrift.
Auch hier habe ich euch wieder ein paar Seiten eingescannt:
In vielerlei Beziehung sind die "U-Topics" der Vorläufer meiner "Science Fiction TV Guides". Das Konzept lief sich nach einer Weile tot, weil viele Lizenzen beim Käufer durchfielen (Romane zu "Hercules" und "Xena" z.B.) und die vgs daraufhin das Programm radikal ausdünnte. Aber es war wieder mal eines der Projekte, die mir viel Spaß gemacht haben und die so lange gut waren, wie sie dauerten.
Good times. Mehr darf man nicht erwarten.
Meine Frage passt wahrscheinlich nicht, aber es wurde beim Filminferno ein Datum für das erscheinen des zweiten Heftes genannt, also waren eigentlich (wie beschrieben) mehrere Hefte geplant.
Was passierte den mit den Abos (30 DM für 4 Hefte) oder mit den geplanten Anzeigen?
@ Spandauer: Das kann ich ehrlich nicht beantworten – als Chefredakteur war ich für die Inhalt zuständig, den Rest machte der Verleger.
..cool ^^
Muss ich nochmal in Ruhe lesen. FilmInferno gefällt mir beim Durchblättern aber gut. Sentimentalität?
"Die “FilmInferno” ist ein Kind Ihrer Zeit: unfertig, rau, etwas hilflos, aber mit jugendlichem Feuer und noch nicht vom Internet verdorbenen Geektum erstellt."
Was war denn in der Pre-Internet Ära das Äquivalent zur IMDB? Wie habt ihr eure Artikel recherchiert? Mag sich blöd anhören, aber würde mich mal interessieren.
@ Exverlobter: Viel Fachwissen, diverse Filmlexika, in einigen Fällen Pressematerial. Der Rest steht hier:
https://wortvogel.de/2011/10/vhs-ntsc-fsk-nl-cat-iii-bpjs-ld-zdf-omu-erinnerungen-an-eine-horrorgeek-jugend-in-den-80ern/
Meinen Respekt an Kollege Haage, sich in diesen Zeiten an ein Print-Magazin zu wagen. Alles komplett alleine, oder kümmern sich verschiedene Leute um die diversen Aufgaben?
Beindruckend ist, wer wie ihr damals den Überblick über die TV und Kinolandschaft behalten konnte. Heutzutage reicht ein Klick auf die IMDB und fertig. Wer solche Kompendien erstellen konnte, hat noch Talent im jounalistischen Handwerk mitbringen müssen.
Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass solche Filmlexika peinliche Miniauftritte aufführten, wie z.B. den dank IMDB und Youtube wiederauf aufgetauchten legendär peinlichen Auftritt von Arnold Schwarzenegger aus Straßen von San Francisco. Ich glaube die Fans in den 80ern damals hatten keine Ahnung was ihnen teils alles entgangen ist. Und jetzt kommen die alten Leichen zunehmend wieder hoch.
@Wolfgang und Andreas: Schließe mich Marko an: Hä? …
Ach so: Du redest von wahren Männern, echten Kerlen und so. Kennt sich hier niemand mit aus.
@ Marko/Dietmar: War eh nur wieder der kleine Troll. Der hatte nach dem Bayern-Spiel gestern wohl noch Langeweile.
Es gilt die Faustregel: wer hier dummes Zeug redet, ist meist aus der entsprechenden Ecke. Gebt mir immer 12 Stunden, das zu löschen, bevor ihr euch zu einer Replik hinreißen lasst.
Ich bin einsam, aber schneller …
"Es gilt die Faustregel: wer hier dummes Zeug redet, ist meist aus der entsprechenden Ecke. Gebt mir immer 12 Stunden, das zu löschen, bevor ihr euch zu einer Replik hinreißen lasst."
ICH REPLIKE WANN ICH WILL !!! >:(
Den Bericht zu Natural Born Killers hätte ich gerne gelesen…
@D. Bentley: dito. Vielleicht wenn wir ganz lieb "BitteBitte" sagen? 😉
Nervensägen…
Dieser Film verursacht Epilepsie! Ich musste nach einer halben Stunde abschalten, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe.
@ Wortvogel: Besten Dank!
@ Exverlobter: Ich hab den Film schon 7 oder 8 mal gesehen und noch nie Epilepsie gekriegt.
Verdammt, immer verpasse ich das Unterhaltungsprogramm…
Hier ist nur Platz für einen Onkel!!! Und der bin ich!
Ich würde ja für ein Onkel-Monopol sorgen, aber leider leider… Pidax!
Auf dem Ohr ist der Filmi taub 😀
Ui, U-Topics!
Die Dinger habe ich auch sehr interessiert gelesen (und sie brachten mich auch dazu, nach dem mieserablen Film "Buffy" noch eine Chance zu geben… na gut, das hätte ich wohl eh getan, aber so war ich halt schon gespannt, bevor ich überhaupt von der Serie wusste).
"Es ist heute vermutlich kaum vorstellbar, wie aufwändig es war, so ein Magazin zu erstellen, in den Vertrieb zu bringen und zu bewerben."
Nach meinen Erfahrungen als Verleger von drei Ausgaben des torrent-Magazins würde ich sagen, dass die beiden letzteren Punkte heute noch genau so schwierig sind. (Ok, es gibt mittlerweile FB und Twitter.) Zu ersterem Punkt: Habt ihr denn damals noch ohne DTP gearbeitet? Im Impressum stehen ja auch noch zwei Firmen für "Reproduktion". Waren das der Satz und die Belichtung? Heute macht man ersteres zuhause am PC und für letzteres braucht man nur noch die Druckerei, ist aber immer noch alles teuer genug…
@ Medienjunkie: Doch, damals hat Andi Bertler (der ist auch von Beruf Grafiker) schon mit DTP gearbeitet. Aber allein die Bildbeschaffung war ungleich schwerer, das Material schlechter, die Programme rudimentärer, etc.
Es ist heute erheblich leichter, einem neuen Magazin Aufmerksamkeit zu verschaffen, wenn man weiß, wie man im Netz und in Sozialen Netzwerken trommeln muss. So kann man die interessierten Leser von der Existenz des Heftes unterrichten. Früher musste man ja hoffen, dass die eher zufällig im Bahnhofsbuchhandel ins richtige Regal schauen.
Drucken lassen ist heute ungleich preiswerter als vor 20 Jahren. Dadurch rentieren sich auch kleinere Auflagen.
"Drucken lassen ist heute ungleich preiswerter als vor 20 Jahren. Dadurch rentieren sich auch kleinere Auflagen."
Wie kommt’s? Outsourcing nach China kann ich mir kaum vorstellen, oder doch.
@ Exverlobter: aus dem gleichen Grund, aus dem digitales Fotografieren heute billiger ist und schneller zu professionellen Ergebnissen führt: man braucht weniger (und billigere) Hardware, die Produktionsstrecke ist weitgehend digitalisiert, etc.
"So kann man die interessierten Leser von der Existenz des Heftes unterrichten. Früher musste man ja hoffen, dass die eher zufällig im Bahnhofsbuchhandel ins richtige Regal schauen."
Ich fürchte, dass ist zum größten Teil immer noch so. Wir haben auch mehr als 600 Fans bei FB, wie viele davon wirklich ein Heft gekauft haben, ist aber eher zweifelhaft. Da bringen richtige Marketingkampagnen oder Presseberichte doch wesentlich mehr.
Stimmt, damals musste man Fotos ja noch von Dias belichten lassen und solche altertümlichen Prozeduren. Heute bekommt man gleich alles in digitaler Form geschickt bzw. runtergeladen.
@ Medienjunkie: Facebook finde ich als Promo auch zu arm. Man muss die Top-Webseite der Zielgruppe finden und dort präsent sein. Das erfordert gute Connections und einiges an Klinkenputzen, aber es geht.