30
Mai 2013

Der zunehmend abnehmende Wortvogel (18): Das Leben ist ein einziger Brei

Themen: Diet Diary, Neues |

Heute endlich mal wieder und diesmal aus aktuellem Anlass am Donnerstag.

Als ich mich das letzte Mal gewogen habe, lag ich immer noch knapp über 90 Kilo. Damit bin ich zwar fast 15 Kilo leichter als vor einem halben Jahr, aber immer noch so schwer wie vor zwei Monaten. Das mag auch damit zusammen hängen, dass ich die strikte Diät aus Gemüsesaft und Obst zu Gunsten einer breiteren Ernährung ohne die früheren Stolperfallen (Schokolade, Eis, Chips, Pommes, Fleischkäse) habe auslaufen lassen. Ich trinke immer noch zwei große Gläser Gemüsesaft am Tag, aufs Vollkornbrot kommt nur hauchdünne Putenbrust, der Joghurt hat 0,1 Prozent Fett und zwischendurch futtere ich immer mal wieder ein Pfund Babykarotten aus der Tüte, um die Kauleiste beschäftigt zu halten. Mittagessen ist keine Notwendigkeit mehr, Fleisch auch nicht, oft reichen ein paar gekochte Salzkartoffeln mit gut gewürztem Rahmspinat.

Was sich in den letzten zwei Monaten (im Gegensatz zu meinem Gewicht) erheblich verändert hat, ist mein Körperbewusstsein. Im Sinne von: ich habe jetzt eins. Mir fällt plötzlich auf, dass ich abgenommen habe, wenn ich in den Spiegel schaue. Ich empfinde mich als schlanker, was ungewohnt ist, da ich nie auf so etwas geachtet habe. Ich kann jetzt sehen, was andere sehen, dir mir in letzter Zeit ohne dezenten Hinweis sagen: “Wow, du hast ja wirklich abgenommen!”.

Ich habe letzte Woche eine neue Jeans gekauft, weil die meisten meiner Hosen mittlerweile aussehen, als hätte ich sie vom großen Bruder geklaut. Während ich vor sechs Monaten selbst Größe 54 noch mit Stretchanteil kaufen musste, um bei geschlossenem Reißverschluss atmen zu können, passt mir nun eine 52 recht bequem. Ich stehe vor dem großen Spiegel in der Diele und denke “Skinny Jeans!”. Was natürlich Quatsch ist. Aber sie passen prima und ich fühle mich wohl.

Diese Tatsache bedingt natürlich auch, dass der Wunsch, nicht noch einmal über 100 Kilo zu wiegen, eine ganz andere Bedeutung bekommen hat. Es ist keine rationale Entscheidung mehr, keine Vernunftsache. Es ist mir ein Anliegen. Die 15 Kilo, die ich verloren habe, sind ein Gegner, der mir nie wieder unter die Augen treten soll. Mit dem Gewicht habe ich auch die Sorglosigkeit verloren, was meine Essgewohnheiten angeht. Oder die Verantwortungslosigkeit. Was immer mich zum besseren Menschen macht.

Mit dem verstärkten Interesse, mein Gewicht zu senken und zu halten, geht eine stärkere Selbstkontrolle einher. Während ich das hier schreibe, liegt vor mir auf dem Tisch eine offene Tüte mit Mini-Schokokeksen. Ich esse keinen davon. Im Kühlschrank liegen Schokoeier. Da werden sie noch lange liegen, wenn die LvA nicht zugreift. Im Supermarkt kann ich mir interessiert neue Eissorten anschauen, ohne diesen Stich zu spüren, der mit einer Diät oft verbunden ist.

Ich habe mich immer um die Diät gedrückt, weil ich Angst hatte, dass ich feststellen würde, im Zweifelsfall genau so schwach und gierig zu sein wie die Leute in meinem Umfeld, denen ich das (still oder manchmal auch ausgesprochen) vorgeworfen habe. Essen ist Entscheidung. Man ist seinem Hunger nicht ausgeliefert. Ich habe die Diät dann gemacht in der Hoffnung, dass mein Wille so stark ist wie mein Glaube an ihn. Und siehe da: Essen ist Entscheidung. Es ist die klare Verteilung der Aufgaben, eine Hierarchie von Körper und Geist, die jeder für sich selbst errichtet. Auch wenn mein Körper wütet und schmachtet – so lange mein Geist die Kontrolle behält, bleibt der Kühlschrank zu, bleibt die Packung mit dem Short Bread unangetastet. Ich bin der Herr in meinem Haus.

Ich will mich damit nicht selber loben und ich weiß nur zu gut, dass meine Antworten nicht die Antworten für alle sind. Aber ich habe durch dieses Diätprogramm nicht nur viel über Ernährung und meinen Körper gelernt – ich habe auch viele Menschen getroffen, denen es ähnlich geht, die teilweise noch viel härtere Kämpfe ausgefochten haben. In den letzten Monaten sehe ich immer mehr Leute, die mit schlechten Voraussetzungen ihrem Leben einen neuen Dreh gegeben haben. Massive Raucher, die plötzlich Marathons laufen, Bierhelden, die auf einmal täglich 50 Kilometer mit dem Rad fahren. Mein besonderer Shoutout geht dabei an Mario, bei dem ich wirklich dachte, er würde es nicht packen. Respekt. Und viel Spaß beim San Francisco Marathon.

Zurück zu meinem eigenen Weg. Mittlerweile habe ich meine Gelüste soweit im Griff, dass ich Experimente starten kann. Wegen einer Magenverstimmung am letzten Wochenende habe ich Haferflocken gekauft. Im Internet wollte ich mal checken, was daran so gesund ist. Wie ich dabei herausfinde, sind Haferflocken nicht nur extrem gesund, sondern als Brei auch extrem sättigend, was sie trotz ihrer recht hohen Kalorienzahl (die in etwa der von gekauftem süßen Müsli entspricht) für Diäter ideal macht. Ich konnte mir das nicht wirklich vorstellen, habe aber einfach mal 50 Gramm Haferflocken mit 250ml Wasser und 150ml Milch (plus einem Spritzer Süßstoff) aufgekocht und über Nacht kalt werden lassen.

HEILIGE SCHEISSE! Das Zeug mag kein Feuerwerk auf meiner Zunge auslösen, der Geschmack entspricht dem Aussehen: süßer Tapetenkleister. Das Beißgefühl ist unbefriedigend und irgendwie werden Erinnerungen an alte Gefängnisfilme wach, wenn man Haferbrei löffelt. Aber satt, satt macht das Zeug! Sofort, dauerhaft und ohne Nebenwirkungen. Zwei Portionen am Tag (jeweils um die 250 Kalorien) reichen völlig aus, ergänzt um den Gemüsesaft, morgens einen Apfel und abends ein Eiweiß-Omelette. Ich lebe jetzt den dritten Tag praktisch komplett hiervon:
brei
Nicht ganz so ausgewogen, aber auch nicht ganz so gruselig wie Soylent.

Haferbrei hat viele Vorteile: einfach und preiswert herzustellen, hält sich gut im Kühlschrank und lässt sich auch dann, wenn er zu fest geworden ist, mit ein wenig Milch wieder aufrühren. Ich denke mal, dass ich zumindest bis morgen diese kleine Brei-Kur durchziehe, dann muss ich nach Speyer.

Nun war ja auch immer angedacht, neben der Diät auch noch den Sport frisch anzugehen. Das liegt wegen der beruflichen Hektik, die mir den Kopf nicht frei hält, etwas flach. Aber ich habe eine Idee, von der ich euch vermutlich am Samstag berichten werde. Es wird euch gefallen.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

20 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Moepinat0r
Moepinat0r
30. Mai, 2013 17:00

Interessant. Ich esse seit ner Weile morgens eine kleine Schüssel rohe Haferflocken, garniert mit Nüssen und Craisins (also eigentlich Müsli), aber damit meldet sich der Magen nach ein paar Stunden wieder. Mit dieser Zubereitung passiert das also nicht? Das werd ich die nächsten Tage ausprobieren müssen.
Im übrigen, danke für dieses Diät-Tagebuch. Das hat mir einige neue Perspektiven eröffnet und erweist sich als echte Hilfe auch unter die 100kg-Marke zu kommen.
PS: Was ist denn mit dem “Now you see me”-Review passiert? Lag da noch ne NDA drauf? 😉

Wortvogel
Wortvogel
30. Mai, 2013 17:14

@ Moepinat0r: Der Trick ist eben, die Flocken lange in Milch und Wasser aufzuköcheln (zur richtigen Mischung gibt’s im Netz 1000 Rezepte, meins steht ja oben). Die noch schlabberige warme Masse in den Kühlschrank, über Nacht saugen sich die Flocken weiter voll. Und es ist diese “Biomasse” der aufgequollenen Flocken, die so satt macht.
Du hast Recht: der “Now you see me”-Review war nur irrtümlicherweise frei geschaltet worden. Kommt aber heute nach Mitternacht “offiziell”.

S-Man
30. Mai, 2013 17:16

Ich steh auf Haferschleim. Sowohl heiß als auch kalt (lieber eigentlich heiß, wenn ich so drüber nachdenke). Billig und magenfüllend. Früher zu armen Schülerzeiten gab es bei uns regelrechte Haferschleimparties. Mit Töpfen voll von dem Zeug. Und kostentechnisch ist das bissel Hafer, Milch (und zugegebenerweise verdammt viel Zucker) für alle preiswerter gewesen als nen Döner für den Einzelnen.
Sieht eklig aus, ist aber verdammt nochmal DIE Lösung 😀

Vineyard
Vineyard
30. Mai, 2013 17:58

Hab im vergangenen halben Jahr, nachdem bei mir die Waage ebenfalls über die 100 kg schwang auch angefangen schrittweise abzunehmen.
8-9 Kilo hab ich geschafft, wobei ich derzeit etwas stagniere. (Was auch an diesen verdammten Scheisswetter liegt. Da freue ich mich monatelang auf ein paar schöne lange Stadtspaziergänge bei feinstem Sonnenschein und jetzt wo ich endlich dafür Zeit hätte Nebelsuppe und Regen .-.)
Aber danke für den Tipp mit dem Haferschleim, werde den mal auch wieder reaktivieren.^^

Marko
30. Mai, 2013 18:18

-12kg dank LowCarb bei mir zur Zeit. Bin recht zufrieden mit dem Verlauf. Zudem bemühe ich mich ebenso, das ganze endlich mal als Umstellung zu begreifen und nicht als Diät. 😉

Joersch
Joersch
30. Mai, 2013 19:39

Ich denke mal, dass ich zumindest bis morgen diese kleine Brei-Kur durchziehe, dann muss ich nach Speyer.
Ich musste irgendwie sehr lachen… liegt vielleicht daran das hier im schwäbischen… ach egal 🙂

Howie Munson
Howie Munson
30. Mai, 2013 19:43

Wiegst du die 50 gramm ab oder hast du dafür einen Meßbecher?
Wenn letzteres wieviel ml sind das vom Volumen her?
Und ergibt das dann “eine portion” zu 250 kcal oder mehr?
Hauptgertränk ist jetzt Tee (wenn überhaupt nur minimal mit Stevia gesüßt) und in 8 von 10 Fällen greif ich statt zu Süßigkeiten zu Karotten oder Sauerkraut, obwohl ich sonst nicht so viel an der Ernährung geändert hab ist der Erfolg bisher 6 cm am Gürtel, was mir auch schnell genug ist, so wild bin ich nun auch nicht auf neue Klamotten.
Was den Sport betrifft, so sorgt die momentane Witterung dafür das ich 3 Studen wöchenlich über weichen Untergrund (gegen zusatzlichen widerstand) laufe, unterbrochen von regelmäßigen Gewichthebungen. Nur das tragen vom Hörschutz ist bisschen lästig.*g*
Allerdings lassen sich nicht die gewohnten Portionen durchhalten wenn man das ganze Wochenende “Vollzeit” Gartenarbeit verrichtet, von daher probier ich das mal mit dem aufgekochten Haferbrei.

Wortvogel
Wortvogel
30. Mai, 2013 19:50

@ Howie: Wir haben eine Küchenwaage. Mittlerweile würde ich empfehlen, eher 40g (entspricht ungefähr vier großen Esslöffeln) auf mindestens 400, besser 450ml zu geben, sonst wird die Masse zu dick.
40g sind ungefähr 160 Kalorien, dann rechnest du noch die Milch drauf. Je nach Fettstufe bist du damit auf ungefähr 250 Kalorien. Es ist aber mehr als eine Portion – es sei denn, du hast massiv Kohldampf. Ich selber lasse immer ca. 1 Drittel übrig und esse das zwischendurch.
Sportler essen Haferschleim angeblich gerne, weil er viel verwertbare Energie bringt.

Howie Munson
Howie Munson
30. Mai, 2013 20:31

Ok danke, abmessen mach ich lieber als abwiegen. “Portion” hab es nur genannt, weil du oben von zwei Portionen geschrieben hast, da war ich mir halt nicht sicher, ob nun die Rezeptangabe für eine Portion oder für die Tagesration war.
Nun ist ja alles klar.

spaulding
spaulding
31. Mai, 2013 06:05

Vor drei Wochen hatte ich für 5 Tage gefastet. Die anschließende Kontrollmessung auf einer Waage bei Bekannten – selbst habe ich ja keine – ergab 79kg. Jetzt würde mich schon interessieren, auf welchen Wert sich das Gewicht schon längst wieder nivelliert hat.
Und in ca. 15 Minuten werfe ich mich wieder 1-2h Stunden lang auf die Fitnessmatte…

Michael
Michael
31. Mai, 2013 10:35

Ich vermute ja einen anderen Hintergrund, denn wie der geneigte Filmfreund weiss: Haferbrei macht sexy.

spaulding
spaulding
31. Mai, 2013 11:43

test test test … geht… keine Werbung

Dietmar
Dietmar
31. Mai, 2013 12:03

@spaulding: Danke! Dann ist das ein Problem auf meinem Rechner.
Mist.

Nikolai
Nikolai
31. Mai, 2013 12:18

Es hört halt auf wie es anfängt….Früchtetee und Haferschleim.

Admin
31. Mai, 2013 12:28

@Dietmar
Hi Dietmar,
kein Thema, wenn Du Lust hast, dann maile mir bitte die genauerer Beschreibung des Effekts inkl. Screenshot an -> … <-. --- @Wortvogel + Haferflockenbrei: Schon mal zum Frühstück Habermus ausprobiert? Ich rühre mir das immer wieder morgens aus frisch gemahlenem Dinkel an. Alternativ gibt's einen Dinkelpfannkuchen aus ebenfalls 100g frisch gemahlenem Vollkorndinkel sanft angebraten in Rapsöl (ein Teelöffel). Das hält dann bis zum Mittagessen an. Ansonsten manifestiert sich mehr und mehr ein Fastentag pro Woche (a la intermittierendes Fasten aber ohne Plan). Das ist dann ein willkürlich rausgepickter Tag, der sich danach anfühlt, der relativ entspannt abläuft so wie heute: gut in den Tag mit Sport gekommen, es gibt lediglich moderat etwas projekttechnisch wegzuschaffen und größerer Appetit auf Nahrung ist nicht wirklich vorhanden.

Thorben
31. Mai, 2013 13:16

Also echt Torsten, keine Ahnung wie du das durchhälst… Gemüsesaft und Haferbrei als Essen? Niemals. Lieber würde ich mit 200kg rumlaufen 🙂
Spaß beiseite. Aber ich esse viel zu gerne und ich würde es nie durchhalten mir all die schönen Sachen zu enthalten.
Ich stelle aktuell meine Ernährung auch um – zunächst einmal die Mengen und dabei auch ein wenig die Lebensmittel selbst. Aber komplett die Finger davon lassen – niemals…
Halte Durch 🙂

Wortvogel
Wortvogel
31. Mai, 2013 13:21

@ Thorben: Ich esse auch sehr gerne und dauerhaft sind Haferbrei und Gemüsesaft natürlich keine Option. Sobald ich zwischen 85 und 88 Kilo pendele, wird das wieder normalisiert (wenn auch nicht auf den Vor-Diät-Stand). Morgen ist ja wieder “Cheat Day”, da werde ich mit der LvA in Speyer RICHTIG lecker essen gehen 😉

Thorben
31. Mai, 2013 13:29

@Torsten: Also nur ein Trick für den letzten Schub unter die 90kg-Marke? Ich drück die Daumen 🙂

Wortvogel
Wortvogel
31. Mai, 2013 13:37

@ Thorben: So ist es. Es gibt so eine Art “unsichtbare Grenze”, gegen die mein Körper sich wehrt. Die liegt bei ungefähr 91 Kilo. Und die versuche ich nun etwas unsanft (und geschmacklos) zu durchbrechen. Nach unten natürlich.

Paddy-o
Paddy-o
31. Mai, 2013 13:58

Oha ja dieser Soylent-Schwachsinn ist mehr als gruselig.
Zum einen kann man gar nicht genau wissen, wieviel der Körper von welchem Stoff genau braucht.
Zum anderen kennt man bei Lebensmitteln noch lange nicht alle Inhaltsstoffe und deren Wirkung auf den Körper – beispielweise bei Dingen wie sekundären Pflanzenstoffen.
Die Ernährungswissenschaften sind halt viel schwammiger und ungenauer, als viele zugeben möchten 😉
Zum Thema Haferflocken:
Hmm hab ich ne Zeit lang auch gern gegessen… Deine Variante wäre vielleicht mal ein Einstieg in mein persönliches “Hör endlich auf maßlos Unmengen Scheißkram in dich zu stopfen”-Vorhaben -.-
Danke für den Hinweis. 😉