20
Apr 2013

Up close and personal: “Sin Reaper”

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Heute gibt’s mal wieder einen Gastbeitrag, über den ich mich ganz besonders freue: Schauspieler Hanno Friedrich berichtet aus erster Hand und ganz persönlich von den Dreharbeiten des Horrorfilms “Sin Reaper”. Er hat uns sogar ein paar “behind the scenes”-Fotos mitgebracht.  

Lesen, freuen, Danke sagen!

Hanno-Porträt©Sandra Then
Ich kenne den Regisseur von SIN REAPER Sebastian Bartolitius seit 2007, wir haben uns am Set von DER WEIHNACHTSWESSEL kennen gelernt. Gleichgesinnte finden einander ja leicht, und wir haben recht zügig herausgefunden, dass wir beide Horrorfilm-Aficionados sind. Er besetzte mich darauf als Schauspieler in dem LUXUSLÄRM-Musikvideo „Sag es wie es ist“, welches nicht unbeträchtlich dazu beitrug, dass die Gruppe die 1Live-Krone gewann.

Und dann sagte Sebastian, was ich schon von vielen Regisseuren gehört habe: „Wenn ich jemals einen Horrorfilm drehe, dann bist du dabei.“
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Abgehakt. Ich habe das auch noch nicht ernst genommen, als er nach mehreren Jahren anrief, mit der Nachricht, dass er in Thüringen einen klassischen Slasher drehen würde, mit jungen britischen und amerikanischen Schauspielern und, wenn alles gut gehen sollte, mit Lance Henriksen! Für den internationalen Markt! Die Besetzung kam ausschließlich vom Produzenten Nico Sentner, bis auf meine Personalie.
Einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte ich ja in Deutschland durch die Comedy-Serie auf dem Bällchensender, da hatte dann auch der Sentner kein Gegenargument. Telefonisch bestätigte der Produzent dann auch meine Vermutung, dass es nur einen Rückstellungsvertrag geben würde (erst mal kein Geld), weil der Schauspieleretat für die – immer noch wacklige – Verpflichtung von Henriksen drauf gehen würde. Als Lockstoff gab’s stattdessen eine Extraerwähnung im den Credits mit dem Zusatz „with Hanno Friedrich“.

Die Rolle war auch recht klein, wurde nach meiner Zusage aber ausgebaut, nach dem Motto “wenn wir den schon mal haben…”. Drehsprache sollte englisch sein, auch darauf freute ich mich, und Drehort war die Johanniterburg in Kühndorf, eine wahrhaft gotische Gruselburg.
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Als ich dort ankam, traf ich ein sehr junges Team, das sich schon in den vorausgegangenen Drehtagen eingegrooved hatte, und sehr junge englisch sprechende Schauspieler, die mir höflich und respektvoll begegneten. Das sollte sich glücklicherweise bald ändern. Während alle anderen in WG-Verhältnissen in der Burg wohnten, bezog ich mein Einzelzimmer, denn ich war schließlich der Produktions-Opa.

Dann der erste Drehtag für mich. Wunderschönes Wetter, Sonnenschein – die anderen Tage waren Nachtdrehs, wie sich das für einen Horrorfilm gehört.

Ich sollte bei dem Take lässig aus dem Hintergrund auftauchen und unserer Hauptdarstellerin Helen Mutch die Frage stellen: „Maybe I can help?“. Kamera läuft, bitte, danke… Stille. Helen sagt: „Oh my god“. Der Regisseur meint: „Hanno, das sieht aus, als ob du der Killer bist. Du bist zu groß, deine Stimme ist zu tief, das müssen wir irgendwie anders machen. Helen hat offensichtlich Angst vor dir“. Und weil mich das so amüsiert und das Team auch was zum Lachen haben soll, mache ich’s noch größer und tiefer, der Regisseur sagt: „Hanno, wir drehen keinen Porno“. Helen muss schallend lachen und das Eis ist gebrochen. Das Problem ist schnell gelöst, und nach wenigen Takes geht’s weiter.

Interessanterweise fragten mich die englischsprachigen Schauspieler, ob sie mir zuschauen dürften. Sie sagen Sachen wie „I like watching you play“ oder „The things you do with your voice.“, fragen mich nach Tipps oder nach meiner Einschätzung, ob dieser Film die rechte ‚career choice’ sei. Womit ich das verdient hatte? Keine Ahnung. Die jungen Akteure sind extrem gut vorbereitet, hinterfragen sich aber dauernd, zweifeln, sind sehr auf ihre Wirkung bedacht, kommunizieren mit ihren Agenten. Ich staune, mit welcher Zielgerichtetheit sie nach Hollywood schielen. Und wenn sie mich fragen, warum ich so locker bin, kann ich nur antworten: Egal, wie schwierig oder anstrengend oder uninteressant das ist, was du zu spielen hast – in dem Augenblick, wo die Kamera läuft, musst du Spaß daran haben und alles andere ausblenden.

Nur dieser Moment zählt.

Dann wird deine Arbeit dir immer Freude bereiten.

Außerdem ist dann auch Entspannung nach Drehschluss möglich, besonders Andrew James Porter, unser Party-Animal und 20 Jahre jünger als ich, wundert sich, wie gut der alte Herr mithalten kann.
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Sebastian, unser Regisseur, macht mir eine weitere große Freude. Mein Charakter, Michael, muss über eine Brüstung stürzen und im Innenhof der Burg aufprallen. 4 bis 5 Meter. Ob ich den Stunt selber machen will? Es wäre nämlich gut, wenn man mein Gesicht erkennt. Stuntman Jens Nier erklärt mir, wie das geht, und ich rufe laut hurra. Wir proben, ich gewinne Vertrauen in die Koordination, wir drehen, und es sieht scheiße aus. So, als ob man einen ängstlichen Frosch langsam an einem Seil abließe. Also noch mal. Diesmal mit Schreien, Armrudern und viel schneller. Der Aufprall wird extra gedreht, mit Rückenpanzerung ohne Matte, auch hier geht’s nur mit vollem Einsatz, und am Ende sieht’s tatsächlich toll aus. Ich habe eine ganze Sammlung blauer Flecken mehr und bin glücklich. Mehr darf ich hier nicht spoilern.

Dann ist Halloween und unsere Briten und Amerikaner sind total aufgeregt. Sie planen eine Nachtwanderung zur verfallenen Steinhütte, wo die Leiche liegt (???) und haben kräftig Bier und Jägermeister besorgen lassen. Abends schminken sie sich, stecken sich Vampirzähne ins Gesicht und dann werden erstmal Fotos gemacht.
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Im Foto: Hazuki Kato, Patrick J. Thomas, Paulina Bachmann, Andrew James Porter, Helen Mutch

Beim Schminken halte ich mich raus, aber den Ausflug filme ich (als schöne Plansequenz mit einem schockierenden Ende). Dieses Filmchen ist eine kurzweilige, vitale Erinnerung geworden und vielleicht mache ich daraus irgendwann einen Found Footage Short. Naja, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall kann man beim Betrachten erkennen, was unsere heterogene Gruppe für einen Gemeinschaftssinn entwickelt hat. Außerdem wurden wieder Klischees widerlegt. Deutsche und Schweizer sind gar nicht so stier, Briten nicht so snobby, Amerikaner nicht so oberflächlich, Japaner nicht so distanziert. Uns alle einte die Liebe zur Schauspielerei, zum Film, zum Gruselgenre und mir wurde endlich der Wunsch erfüllt, in einem Horrorfilm mitgespielt zuhaben.

Dass SIN REAPER erst in Japan und dann in den USA bei Fangoria veröffentlicht wird, ist ein echter Ritterschlag, Es gibt so viele Independent-Produktionen, die es nur bis zum Selbstvertrieb schaffen, da ziehe ich echt den Hut und bin auch ganz froh, nicht auf ein falsches Pferd gesetzt zu haben. Danke an Seba Bartolitius, den treuen Regisseur. Er hat mir versprochen, dass ich im Sequel den verschollenen Zwillingsbruder meines Charakters Michael spielen werde. Das wird aber höchstwahrscheinlich ein ewiger Running Gag zwischen uns bleiben.

Den fertigen Film habe ich noch nicht gesehen. Es wird sicherlich wieder viel Gemoser geben, Script, production value, overacting, you name it. Aber hier hat eine Gruppe junger Erwachsener aus Deutschland tatsächlich etwas Eigenes im Genrebereich auf die Beine gestellt, wo andere immer nur beim Versuch stecken bleiben, und es tatsächlich in den internationalen Vertrieb geschafft. Dem gebührt uneingeschränkter Respekt.

Ich bin froh, dabei gewesen zu sein.



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Spandauer
Spandauer
20. April, 2013 09:18

Einfach danke!
Sehr schön geschrieben.
Viele interessante Einblicke.

Dr. Acula
20. April, 2013 13:44

Kann ich mich nur anschließen, vielen Dank!

Dietmar
Dietmar
20. April, 2013 15:37

Klasse! Echt klasse! Danke!

Wortvogel
Wortvogel
20. April, 2013 15:57

@ Dietmar: War wieder der Troll mit dem kleinen Dödel. Nicht provozieren lassen. Ich habe ihn (und deine Antwort auf ihn) gelöscht. Ich hoffe, das ist okay.

Dietmar
Dietmar
20. April, 2013 15:58

Du bist aber schnell im feucht Durchwischen! 😉
EDIT: Ach, das ist Haustroll? Ich bin echt anfällig für sowas… 🙂

Doc Knobel
Doc Knobel
20. April, 2013 16:21

Ich hatte gelesen, dass Hanno Friedrich bei “Sin Reaper” mitgewirkt hat, konnte aber einfach nicht das entsprechende Gesicht zuordnen. Sehr sympathisch! Wer hätte gedacht, dass er ein Horrorfilm-Fan ist? Sehr schöner Bericht, vielen Dank! Im übrigen auch sehr lobenswert, dass er sich für so ein Projekt begeistern konnte. Er hätte in der Zwischenzeit auch sicherlich irgendetwas machen können, wo er sofort Geld gesehen hätte. Sehr lesenswert. Sehe den Mann bei den nächsten Auftritten gleich mit ganz anderen Augen. Sehr schön!

Christian
20. April, 2013 17:33

Klasse Bericht – danke!

Nardon
Nardon
21. April, 2013 00:05

Vielen Dank für den Bericht!

Der Karsten
Der Karsten
21. April, 2013 12:00

Super Bericht.. danke dafür.. 🙂
Ich werde mit dem Gesicht trotzdem immer nur den Satz verbinden “WAS HABE ICH IHNEN BEIGEBRACHT??” 😀

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
22. April, 2013 12:22

Sehr toller Bericht – danke dafür!

Hanno Friedrich
23. April, 2013 21:11

Ihr seid ja alle zauberhaft!
Ganz frisch aus der virtuellen Presse: der Fangoria-Artikel, und von wem gibt’s ein Foto? Von Lance Henriksen? Von mir! Ist natürlich nur der Kopfwunde zu verdanken. Egal, für jemanden, der mit dem Fangoria-Magazin aufgewachsen ist, ist das wie ein wahr gewordener Kindheitstraum.
http://www.fangoria.com/new/fangoria-presents-sin-reaper-big-creeper/

Wortvogel
Wortvogel
23. April, 2013 21:20

Hi Hanno: Super Sache! Ich kann mich gut erinnern, wie hibbelig wir alle waren, als ein Kumpel von mir (Maskenbildner) wegen eines Stipendiums in der Joe Blasco School in Los Angeles auch in der Fangoria zu sehen war. Ist aber schon mehr als 20 Jahre her.

G
G
24. April, 2013 03:21

Gibt es eigentlich einen Releasetermin für Deutschland?