01
Dez 2012

Der zunehmend abnehmende Wortvogel (5)

Themen: Diet Diary, Neues |

 

Es war keine gute Woche. Obwohl ich meinem vagen Diätplan absolut treu geblieben bin, hat sich die Gewichtsabnahme weiter verlangsamt. Mein Körper kämpft dagegen an, will die Fettpolster nicht abbauen, stellt lieber seine Funktionen allgemein ein oder zwei Stufen runter. Ich akzeptiere, dass nun ein guter Zeitpunkt wäre, mit Sport dagegen zu halten – aber bei dem Dreckswetter?!

Ich habe auch wieder ein paar Sachen gelernt. Eine ganze Ingwerknolle im Gemüsesaft ist keine gute Idee. Keine so schlechte wie eine ganze Lauchzwiebel, aber auch keine gute. Ich rate ab. Überrascht war ich bei einer Standard-Kalorienkontrolle – morgens und abends gönne ich mir ja eine Scheibe Wurst auf das gesunde Brot. Dass Leberkäse und Salami nicht gerade Light-Produkte sind, war mir klar. Dass hauchfein geschnittene Hühnerbrust aber nicht mal ein Drittel Kalorien mitbringt, war mir neu. Also: seit heute liegt Hühnerbrust auf dem Brot. Das spart mir noch mal locker 100 Brennelemente am Tag. Außerdem kann man den sehr wässrigen Gemüsesaft deutlich andicken, in dem man einen guten Schuss Apfelmus dazu gibt. Das hat dann was von einem Smoothie.

Ansonsten möchte ich heute mal über ein anderes Thema schwadronieren, nämlich die Frage: was mache ich nach der Diät? Gibt es überhaupt ein “nach der Diät”? Ein guter Bekannter von mir hat in den letzten zehn Jahren mehrfach bis zu 20 Kilo verloren, aber immer wieder drauf geladen. Nicht immer aus vollständig eigener Schuld (ein komplizierter Beinbruch hat für lange Zeit seine gewohnten Tennisstunden torpediert), aber das ist ja auch nicht der Punkt. Derzeit ist er wieder mal erfreulich schlank, aber er hat kapiert – nach der Diät ist vor der Diät. Er wird seine Essensgewohnheiten nie mehr normalisieren können. Die Bierchen an der Bar, der Wein zum Essen, das Brot und die Kartoffeln am Abend – alles vorbei. Trennkost und Mineralwasser werden sein Leben bestimmen. Das passt ihm nicht, denn er ist (wie ich) ein Genussmensch und Instinktesser.

Ich will das nicht. Ich nehme das für mich auch nicht an. Wäre jetzt schon klar, dass ich meine aktuellen Essgewohnheiten ins Unendliche verlängern müsste, um mein Normalgewicht zu halten, würde ich die Diät beenden. Das ist es mir nicht wert. Wie mehrfach erwähnt: ich will mich verbessern, nicht bestrafen. Ich hatte auch mit 105 Kilo keine nennenswerten körperlichen Beschwerden und schon früher habe ich mir die Frage gestellt: warum muss ich eigentlich so erpicht sein auf “schlank”? Warum nicht rein hauen, was immer und wie viel immer ich will, warum die Gewichtszunahme nicht als unbequeme, aber erwartbare Konsequenz akzeptieren? Ist der Lustgewinn durch Eis und Fleisch, durch Chips und Wein nicht allemal größer als durch Askese oder den Respekt des sozialen Umfelds?

Wie in so vielen Dingen liegt meine Antwort in der Mitte. Würde ich in meine alten Essgewohnheiten zurück fallen, würde ich wieder zunehmen. Nichts wäre gewonnen, die Anstrengungen dieser Wochen wären umsonst gewesen. Die Notwendigkeit, Gewicht nur halten zu müssen, ohne es weiter zu reduzieren, sollte es aber möglich machen, eine Balance zu finden. Der Schlüssel dazu ist banal, aber die Tatsache, dass ich erst gestern darauf kam, zeigt deutlich, warum ich so lange Probleme mit dem Gewicht hatte.

Das hier ist übrigens eines der Bilder, die mich von der Notwendigkeit einer Diät überzeugt haben:

Früher sah ich aus wie Stan Laurel, heute wie Oliver Hardy. Das wird sich ändern – Harold Lloyd ist mein Vorbild. Und wenn ihr wisst, was ich damit meine, seid ihr auch zu alt.

Ich muss lernen, Essen neu zu werten, anders zu gewichten. In meinen Kinderjahren ist eingerissen, dass ich Chips und Pommes, Cola und Schokolade als “normales Essen” begriffen habe, als Standard, als Grundlage. Gebratenes und Süßes, Fettes und Paniertes waren für mich das Normalmaß. Das sind sie nicht – oder sie sollten es zumindest nicht sein. In einer gesunden Ernährung sind sie Ausnahme und Belohnung, der Lustgewinn ist keine permanente “instant gratification”. Man isst eben nicht nur mit dem Bauch, sondern auch mit dem Kopf.

Aus der Erkenntnis, dass ich den ungesunden Kram in meinem Ernährungsplan von der Regel zur Ausnahme reduzieren muss, ergibt sich auch das Konzept, an dem ich meine Ernährung künftig ausrichten werde, wenn es denn funktioniert und ich es durchhalte. Ich esse gesund und in Maßen, trinke weiterhin meine Gemüsesäfte und bleibe beim Körnerbrot und der Hühnerbrust. Anders als während der Diät darf ich aber wieder Leberkäs-Semmeln essen und Eis, Chips und Currywurst – wenn ein Anlass besteht, wenn ich unterwegs bin, wenn ich es angeboten bekomme. “Weil es da ist” fällt als Argument weg, der Vorrat wird nicht mehr aufgefüllt.

An meinen “cheat days” kann ich heute schon sehen, wie das funktionieren könnte. Ich futtere da auch nicht wahllos in mich rein, sondern wähle vorab aus, was und in welcher Menge ich genießen will. Und es hat dann einen ganz anderen Charakter, eine ganz andere Qualität. Es wird wieder ein Genuss, den ich mir gönne – keine stumpfe Mampferei. Das ist… angenehm.

Trotzdem würde ich nie bestreiten, dass “sinnlos rein stopfen” immer noch mehr Spaß macht. Man muss das auch als gegeben hin nehmen, denn nur über diese Ehrlichkeit kommt man zu einem Ergebnis. Es ist wie mit harten Drogen: solange man den Kids immer nur einbläut, dass die ganz eklig sind und zu hässlichen Krankheiten und unwürdiger Beschaffungskriminalität führen, funktioniert Abschreckung nicht – weil die Kids, wenn sie Drogen dann doch probieren, überrascht feststellen, dass es sich erstmal total geil anfühlt. Es muss stattdessen gelingen, den langfristigen Preis der tatsächlich vorhandenen “instant gratification” so drastisch zu vermitteln, dass der Kopf über den Trieb siegt – bei Meth wie bei Milka.

Soweit die Theorie. Die Praxis muss man abwarten.

1.12.2012: 95,2 Kilo.



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Howie Munson
Howie Munson
1. Dezember, 2012 13:40

Ich akzeptiere, dass nun ein guter Zeitpunkt wäre, mit Sport dagegen zu halten – aber bei dem Dreckswetter?!

Liegestützen, Kniebögen und Sit-ups/Crunches gehen halt auch drinnen…. oder halt irgednwas anderes, was vielleicht weniger nevig ist.

Aber gefunden hab ich da auch noch nicht wirklich was spaßiges, was bei mir momentan gut funktioniert ist der Umstieg von Cola-Mix mit Zucker auf ungesüßten Tee. (normalen Süßstoff hasse ich vom nachgeschmack her, Stevia ist vom Geschmack ok, aber im Tee gar nicht so nötig).

Alle zwei Stunden Tee kochen ist aber schon lästiger als nur ggf. eine neue Flasche aufzumachen.

Baumi
Baumi
1. Dezember, 2012 15:51

Soweit ich weiß, ist Sport nur bedingt geeignet um Gewicht zu verlieren. Er hat natürlich jede Menge anderer positiver Nebeneffekte, besonders für das Herz-Kreislauf-System ist er verdammt gut, aber wer damit schlank werden will, hat schlechte Karten.

Siehe auch hier: http://www.tagesspiegel.de/wissen/sport-und-gesundheit-warum-sport-nicht-schlank-macht/7431722.html

Zitat:
“Wer in einer Woche 500 Gramm Gewicht loswerden will, muss 56 Kilometer laufen.”

Wortvogel
Wortvogel
1. Dezember, 2012 16:14

@ Baumi: Es ist ja auch nicht die Rede davon, NUR Sport zu treiben. Er soll ergänzend helfen, da der Körper jetzt versucht, den Kalorienverbrauch zu reduzieren, um die Diät auszutricksen. Die relevante Aussage in dem von dir verlinkten Artikel ist diese:

„Wer abnehmen will, muss eine Diät halten, seine Kalorien drastisch reduzieren und zusätzlich regelmäßig sportlich aktiv sein.“

Das habe ich vor.

Baumi
Baumi
1. Dezember, 2012 16:20

@Wortvogel: Mist, wieder um eine Ausrede ärmer, nicht laufen zu gehen… 😉

Howie Munson
Howie Munson
1. Dezember, 2012 16:50

“Wer in einer Woche 500 Gramm Gewicht loswerden will, muss 56 Kilometer laufen.”

das steht im Teaser, im Text ist es dann “56 Kilometer zügig spazieren” gehen. Darunter kann man dann aber auch alles mögliche verstehen… also für mich ist die Information jetzt eher Partywissen und weniger Ratgeber…

Achim
Achim
1. Dezember, 2012 18:17

Also ich hatte mal von ca. 125 Kilo auf 110 – 112 Kilo runter gegangen, ganz ohne meine Ernährung um zu stellen. Aber weniger als 110 Kilo hatte ich damals nie hinbekommen.
Obwohl die Märsche mir ein Genuss waren, hatte ich leider damit aufgehört. Zwar hatte ich danach allmählich wieder 125 Kilo erreicht, sogar noch mehr, aber aber Jojo war das nicht, da ich ja keine Muskeln verloren hatte, die beim Zunehmen dann keine Kalorien verbrennen konnten.

Ich persönlich halte viel von supplementierten Aminosäuren bzw. dem Aminopeptid L-Carnitin, wer nix davon hält, soll das Zeug nicht nehmen.
Zu viel von dem Zeug, wie von Protein, geht auch, das ist dann schlecht für die Nieren. (Proteine bestehen bekanntlich aus Aminosäuren)

Dietmar
Dietmar
3. Dezember, 2012 09:06

Vorgestern war ein Freund zu Besuch, den ich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen habe: 20 Kilo hat der abgenommen und sieht aus wie damals. Er läuft jetzt Marathon und trainiert seit ca. zwei Jahren konsequent dafür. Jetzt erzählte er mir, dass er ein ganz anderes Problem hat: Er weiß gar nicht, wie er die ganzen Kohlenhydrate rein bekommen soll. So viel kann er gar nicht essen, wie er braucht. Also gönnt er sich jetzt jeden Abend eine Tüte Chips und isst ansonsten wie in seiner Jugendzeit.

Ich habe mein Fahrrad jetzt überbeansprucht und müsste für das 20 Jahre alte Rennrad in ein neues Tretlager und ein Hinterrad investieren. Ist zu viel. Mein neues kommt im Januar, und dann geht das wieder los.

Paddy-o
Paddy-o
3. Dezember, 2012 10:46

Torsten deine Erkenntnis ist gold richtig. Weder Diät noch Mampferrei kann ein Normalzustabd sein.
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Finden deines persönlichen Mittelwegs! 🙂

Wortvogel
Wortvogel
3. Dezember, 2012 11:12

@ Dietmar: Klar, bei deinem Freund dreht sich das Prinzip um – er verbraucht jetzt mehr Kalorien, als er reinstopfen kann. Ich kannte das mal bei einem Ballett-Tänzer: der hat geraucht und gefuttert, dass einem schwindelig werden konnte. Sein Argument: “Ist nach zwei Stunden im Atelier wieder aus dem Körper raus gespült.”

@ Paddy-o: Danke.

Tom
Tom
3. Dezember, 2012 11:30

“Es geht mir nicht besser, wenn ich jetzt noch mehr esse.” Aussage eines Freundes.
Mit Junk Food werden die Opfer massiv angegriffen, un Du hast mehrere Schlachten oder sogar einen Krieg verloren; warum aber solltest Du Dich als Opfer auf die Seite Deiner Feinde stellen? Nur weil sie es geschafft haben, Deine Interpretation von Geschmack in ihrem Sinne zu beeinflussen? Du kannst doch einfach neu interpretieren – ja, so eine Art Selbst-Gehirnwäsche durchführen.
Ich hätte mir früher nie vorstellen können, Tee ohne Zucker zu trinken, das fände ich heutzutage vollkommen ätzend.

John Lenin
John Lenin
3. Dezember, 2012 12:19

zwei kleine punkte aus eigener erfahrung:

– sport ist womöglich nicht der goldene schlüssel, aber an tagen, an denen ich laufen war, reduzierte sich mein verlangen nach vielen kalorien fast von allein – ich esse dann jedenfalls bewusster als an tagen ohne sport, wo ich nach einem stück kuchen noch ein zweites esse, weil dann der “ist ja eh wurscht jetzt”-gedanke stärker ist.

– es muss halt an mehr tagen eine negative kalorienbilanz sein als eine positive, das ist das ganze geheimnis: mehr raus als rein, dann nimmt man ab. ob das über sport oder diät geht, egal (bis auf die nervige tatsache, dass der körper erstmal muskeln abbaut und dann fett, da kommt wieder der sport ins spiel).

und das ist es dann auch schon. wenn man sein wunschgewicht hat, können genauso viele kalorien rein wie raus, aber die bilanz muss weiterhin ausgeglichen sein. meistens ist da sport das geringere missvergnügen, weil man dann ruhigen gewissens auch wieder reinhauen darf.

grutzi
grutzi
3. Dezember, 2012 12:26

Erschreckenderweise ist das Gewicht zu halten viel schwieriger als Gewicht abzunehmen, jedenfalls bei mir, der ich eher auf FDH und Sport gesetzt habe und eben sonst nicht viel am Essen geaendert habe. Insofern wirst du es vielleicht leichter haben, wenn dir deine Gemuesedrinks nicht irgendwann zum Hals raushaengen.
Ich habe es in 2,5 Jahren (2008-Sommer 2011) geschafft von 135 (eher mehr, hab mich nicht mehr gewogen) auf 102 zu schrumpfen. Das Gewicht (bei 193cm Groesse) haette mir gut gefallen, ich war stolz auf mich und dachte ich habe es geschafft. Dann war ich 6 Wochen in den USA im Urlaub, natuerlich ohne regelmaessigen Sport und Waage aber mit all dem schoenen Zeug was man ja mal probieren will (In-N-Out Burger etc.) – wieder zurueck war ich bei 108. Ich war geschockt. Dann kam der eher sportarme Winter und die Weihnachtszeit und noch ein 3 woechiger Urlaub in Asien diesen Februar -> 111 kg. Bin jetzt zumindest mental wieder im Abnehmmodus, trotz Weihnachtszeit, gehe regelmaessig schwimmen und bin wild entschlossen diesmal ueber den Winter nichts mehr draufzupacken. Aber es ist schon eine Qual.
Und bezueglich keine gesundheitlichen Probleme mit 105 kg, das mag sein, aber dein Blutdruck und Gelenkverschleiss verringern sich trotzdem mit jedem Kilo, die Folgen davon merkt man allerdings erst in spaeteren Jahren. Bei mir ist zumindest der Blutdruck schoen bei 110/90 geblieben, trotz 9kg Zunahme.
Also schoen am Ball bleiben!! 🙂

Monty
Monty
3. Dezember, 2012 14:20

“aber an tagen, an denen ich laufen war, reduzierte sich mein verlangen nach vielen kalorien fast von allein”

genau so gehts mir auch. Und wenn man ab und zu Sport macht potenziert sich dieser “Nichts wäre gewonnen, die Anstrengungen dieser Wochen wären umsonst gewesen” – Gedanke.
Also unvernünftig essen macht immer noch verdammt viel Spaß. Aber darauf zu verzichten fällt einfach leichter.