Keine Macht den Doofen!
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Es gibt die Behauptung, 95 Prozent von allem sei Mist. Ich bin über die Verteilung nicht ganz sicher, es könnten auch 80 Prozent sein oder 98. Es herrscht auch kein Duopol von "Nicht-Mist" und "Mist", so mancher "Nicht-Mist" riecht schon streng und so mancher "Mist" hätte eine ganz eigene Kategorie verdient. Shades of grey. Aber im Kern stimme ich der Behauptung zu. Schlimmer noch: sie stimmt nicht nur für Musik, Architektur, Wetter und Webseiten – sie stimmt auch für Menschen. Eine große Liebe zur eigenen Spezies muss ich mir nicht nachsagen lassen.
In den letzten zehn Jahren hat sich mir der Verdacht erhärtet, dass die Menschen auch nicht dazu lernen. Der Buchdruck hat ebenso wenig geholfen wie die Industrielle Revolution, die Demokratie ebenso wenig wie Wikipedia – nach meinem ganz eigenen und empörend subjektiven Empfinden ist die Menge der ungebildeten Austauschbaren vs. die Menge der frustriert Genuinen immer gleich geblieben, von den Höhlen bis zum Homeoffice. Die Schafe sind in der erfolgreichen Überzahl und sehen vielleicht genau deswegen keine Notwendigkeit zur intellektuellen Evolution.
Michael Schmidt-Salomon kann das viel besser ausdrücken als ich:
Der Mann ist großartig. 2008 hatte ich mir sein Kinderbuch "Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel" gekauft, um es parat zu haben, sobald mein Sohn mich das erste Mal nach Gott oder ähnlichem Firlefanz fragen wird. (Erfreulicherweise hat sich allerdings herausgestellt, dass in seiner Schule Religionsunterricht tatsächlich bedeutet, einen Überblick über die Religionen der Welt zu bekommen, und nicht, religiös zu werden. Finde ich enorm.)
Das Buch ist trotzdem toll! 😉
Einige Analysen aus dem Video sind ja soweit richtig aber deine aufgestellte Behauptung dass praktisch 5 Prozent der Leute fein raus sind, weil sie schlau genug, sind da nicht mitzumachen, ist doch sehr gewagt. Selbst wenn diese 5 Prozent offenbar schlau genug sind die Einzigen zu sein die die Misstände durchschauen, so sind die offenbar nicht aktiv genug um gegenzusteuern und etwas zu ändern.
Da ist sehr viel von der Überheblichkeit unterwegs für die ich einige andere Atheisten so verachte.
@ realstar: Ein System, das 95 Prozent der Leute bequem trägt und hält, kann nicht von fünf Prozent für ihre Zwecke verändert werden. Die Welt MUSS den 95 Prozent dienen, alles andere wäre eine Diktatur der Eierköpfe. Demnach ist die Untätigkeit der fünf Prozent keine mangelnde Aktivität, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Aufgabe der fünf Prozent kann allenfalls sein, durch ihre Kreativität das Leben für 100 Prozent besser zu machen – in der Absicht für sich, in der Konsequenz für alle.
Zum zweiten Punkt: das ist grober Unfug. Es liegt in der Natur der Sache, dass die 95 Prozent die fünf Prozent für arrogant erachten, die Dummen die Schlauen, die Armen die Reichen, die Ohnmächtigen die Mächtigen. Umgekehrt ist Bescheidenheit weder Notwendigkeit noch Ergebnis von Atheismus, sie validiert ihn auch nicht. Einfacher gesagt: ob ein Atheist im Recht ist, hat nichts mit der Freundlichkeit seines Vortrags zu tun.
@Marko: Ein mit Nachdruck vorgetragenes "Wow!" für den/die Religionslehrer/-Lehrerin.
Craig Ferguson hat doch vor einigen Jahren schon outgefigured why everything sucks:
http://www.youtube.com/watch?v=UKUZ42T9diU
🙂
Dass nicht die Schwarmintelligenz, sondern die Schwarmdummheit die Oberhand behält, zeigt ja die digitale Revolution und die Machtübernahme des Internets. Zu Beginn war das www der große Hoffnungsträger hinsichtlich Liquid Democracy und Transparenz in allen Bereichen: Wissen für Alle, Alles für Jeden und Jeder für Alle. Wenn man sich jetzt 'Neueste Meldungen' von facebook oder beliebteste tweets oder gar die Startseite von yahoo anschaut, erkennt man, dass wie zu Zeiten der Buschtrommeln das lauteste Gequake oder der größte Haufen viel mehr Aufmerksamkeit erzeugt als eine differenzierte Darstellung. Es reicht oft ein aufgeregter post einer facebook-süchtigen Hobbymalerin, dass mal wieder ein weißer Lieferwagen unterwegs ist, der kleine Mädchen bei lebendigem Leibe frisst (gerne mit dem Verweis 'bitte weiter verteilen'), dass die facebook-Gemeinde panisch die Vorgärten verrammelt und kollektiv schreit, man solle diese Soziopathen an den Eiern aufknüpfen. Dahinter steckt natürlich wieder nur eine Fehlmeldung, aber der User informiert sich nicht so gerne, würde ja Aufwand bedeuten. Natürlich gibt es für jede B*LD-Meldung den BILDblog und für jede Meldung die hoax-Info (http://hoax-info.tubit.tu-berlin.de/hoax/hoaxlist.shtml), aber wer nutzt das? Das Diktat des schnellen Klicks regiert, und diverse digitale Riesenkraken filtern und kommerzialisieren Suchergebnisse, sobald man sich einmal unvorsichtigerweise in ihren Dunstkreis begeben hat.
Das Tolle ist, dass jeder, der Zugang zu einem Computer mit Netzanschluss hat, sich fast jedes Wissen aneignen kann, samt Antithese und Synthese, wenn er lange genug sucht. Das Schlimme ist, dass der Suchende anfangs statt Informationen eher Meinungen findet, und im Netz darf wirklich jeder den Schnabel aufreißen. Einst befragte man den Fachmann, jetzt verbreitet jeder Kinderpfleger seine Ansichten über alternative Krebstherapien. Einst wurde hinter verschlossenen Türen von demokratisch gewählten Vertretern nach langem Für und Wider ein Beschluss herbei geführt, jetzt entfesseln die Laubenpieper nach einer getweeteten Frage eines Lokalpolitikers den berüchtigten ’shitstorm' und verhindern das Windkraftwerk, oder Ähnliches. Die Empörung regiert über den Dialog, und widerlicherweise ist das Geschrei im Netz dann auch meistens noch anonym und voller orthografischer Katastrophen.
Die Blogosphäre und Infosphäre des www wird darüber hinaus dominiert von meist männlichen, gebildeten Technikaffinen, die nicht nur viel Zeit, sondern auch einen großen Geltungsdrang haben, Objektivität kann man da natürlich abhaken.
Auf der einen Seite also die herrschende digitale Elite, auf der anderen die vom Wortvogel wahrgenommene Schafsherde, die alles frisst, was man ihr vorsetzt und mehrfach wiedergekäut ihren Kot überall verteilt. Das ist weder Demokratie noch Aristokratie, vielmehr Oligarchie oder gar Tyrannis. Die Chance, die das demokratische Instrument Internet versprach, wurde nicht genutzt, weil der Eigenvorteil wieder einmal über das Gemeinwohl siegte.
Allerdings meine ich, im Kleinen Besserungen wahrzunehmen, die auch mit der Verflechtung und Schnelligkeit des Netzes zusammenhängen. Ganz allgemein ausgedrückt: höhere Toleranz durch bessere Information, schnellere Aufklärung, peer-to-peer Unterstützung im Zwischenmenschlichen und rasche Hilfe, bessere Selbstbestimmung. Kurz: all das, was oben Gesagtem widerspricht. Ich glaube eben, dass der Zug noch nicht ganz abgefahren ist, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich Kulturoptimist bin.
@ Hanno: Exzellent analysiert, wie immer. Und ich glaube durchaus, dass sich was ändert. Die Lebensverhältnisse verbessern sich, neue Technologien erlauben auch neue soziale Bindungen, etc – aber ob das letztlich die dumpfe Masse erreicht (trickle down socionomics?), das wage ich zu bezweifeln.
Ich habe auch lange geglaubt, dass die Menschen nur den Zugang zum Weltwissen brauchen – bis ich verstanden habe, dass sie ihre eigene Ignoranz und Denkfaulheit jederzeit vorziehen und das Weltwissen nicht bloss nicht nutzen, sondern aktiv ablehnen. Vielleicht ist das auch ein Grundmerkmal der 80 und der 20: die 20 sind sich klar, dass das, was sie glauben wollen, nicht notwendigerweise das ist, was auch stimmt. Daraus nähren sich Erkenntnis und Neugier. Die 80 glauben, was sie glauben wollen. Es sind träge, in sich geschlossene Systeme, abgeschottete gegen äußere Impulse, die inneren Wandel anregen könnten.
"Auf der einen Seite also die herrschende digitale Elite, auf der anderen der Wortvogel …"
Huch? Ah nein, da hab ich mich verlesen, so steht’s da oben ja gar nicht.
😉
"Wenn man sich jetzt ‘Neueste Meldungen’ von facebook oder beliebteste tweets oder gar die Startseite von yahoo anschaut, erkennt man, dass wie zu Zeiten der Buschtrommeln das lauteste Gequake oder der größte Haufen viel mehr Aufmerksamkeit erzeugt als eine differenzierte Darstellung."
Oder sie erzeugen einfach nur die lauteste und sichtbarste Form von Aufmerksamkeit.
@Marko und Dietmar: Einmal mehr wundere ich mich über die Erfahrungen vieler hier, ich kenne gar keine andere Form von Religionsunterricht und meine Schulzeit ist mittlerweile immerhin auch ein paar Jahrzehnte her.
Cooles Realstück: Beim Abspielen hat mir doch youtube glatt Werbung von einem glanzvollen Paradebeispiel für Doofheit eingeblendet: http://www.dvck.de/
"Cooles Realstück: Beim Abspielen hat mir doch youtube glatt Werbung von einem glanzvollen Paradebeispiel für Doofheit eingeblendet: http://www.dvck.de/"
Oh Himmel, die Parade der Ewiggestrigen will einfach nicht enden
@StephanL: musstest du das verlinken? Drei Sätze gelesen und schon ist einem wieder ganz kulturkritisch zumute. Manche Leute haben ein Weltbild, das ist so falsch, dass nicht mal mehr das Gegenteil richtig ist.
Kommasetzung können sie schon mal nicht… und falls sie Luther meinen können sie auch nicht Kopfrechnen. Oder welches historisches Ereignis meinen die?! Entdeckung von Amerika??
leider meinen sie sich nicht selbst. *duck*
Irgendetwas stimmt mit eurer Filter-bubble nicht. Bei mir kommt: http://www.evolvefish.com/
Zu sagen, der Großteil der Menschen ist dumm und das sei das Problem, ist imo völlig verkehrt. Insbesondere wenn man meint, die größten Idioten sitzen in Politik und Wirtschaft und fahren deshalb das Land (und dutzende weitere) an die Wand. Ein dummer Mensch erfindet kein imaginäres Kapital, Leerverkäufe und so einen Murks. Kluge Menschen tun das. Die Kombination aus dem, was der Mensch mit dem Tier gemein hat – Gier, Eigennutz, Kurzfristhandlung – und dem, was ihm eigen ist – Intelligenz – macht ihn so gefährlich. Diese Kombination trifft Schmidt-Salomon mit seinem "irren, wahnsinnigen Menschen" ziemlich gut. Irre – aber nicht doof. Ein völlig abstruses aber doch irgendwie passendes Beispiel:
Der klassische Mensch lebt dem Eichhörnchen (mal stellvertretend für viele Tiere) sehr ähnlich. Er kümmert sich darum, sich zu ernähren und fortzupflanzen und darüberhinaus schließt er ne Rentenversicherung ab. Nicht weil er ausgetüftelt hat, dass das ein toller Weg ist, um nachhaltig zu leben, sondern weil man ihm erklärt hat, dass sich das über Generation bewährt hat. Genauso wie das Eichhörnchen sich keine Nüsse vergräbt, weil es klug ist, sondern weil sich das evolutionär so entwickelt hat.
Das Problem kommt dann, wenn der Mensch Werkzeuge (die stammen von klugen Menschen) und Intelligenz hat. Unser Werkzeug ist nun ein tolles Schneeballsystem, das doppelte Rente verspricht. Der dumme Mensch wird in seiner Gier seine Versicherung auflösen und dort einzahlen, der kluge Mensch setzt in seiner Gier selber ein solches System auf. Der dumme Mensch landet auf der Straße, der kluge in der Südsee – nur hat letzterer dabei die Existenz von hundert anderen auf dem Gewissen.
Sachen wie die Wirtschaftskrise kommen zustanden, indem gierige intelligente Menschen nach Schlupflöchern suchen, wie sie sich selbst bevorteilen können. Niemand hat imaginäres Vermögen (ich bleib hier vage, dafür bin ich zu schlecht in diesen Wirtschaftssachen) erfunden, weil er ein Idiot ist. Jemand hat es erfunden (oder im Rahmen des Systems "entdeckt"), weil er eine ganz helle Leuchte war und daraus einen Vorteil schlagen konnte.
Diese ständigen Anmaßungen, all die Politiker und Manager seien Deppen und man selber wäre ja so viel schlauer und könnte alles besser – das ist platte Stammtisch- und Internet-Phrasendrescherei.
Meiner Meinung nach ist der Mensch also nicht gefährlich, weil er in der Masse dumm ist. Auch nicht weil er schlau ist. Sondern weil er schlau ist, aber ansonsten immer noch Tier. Und in dieser wahnwitzigen Kombination auch noch viel zu mächtige Werkzeuge in seinen Händen hält.
"Keine Macht den Doofen" ist also mMn völlig verkehrt, denn die tatsächlich Doofen sortieren wenn schon nicht aus dem Genpool, dann doch zumindest von den Schalthebeln der Gesellschaft aus.
@ AlphaOrange: Hier hat niemand einen Zusammenhang von doof/schlecht und klug/gut konstruiert. Dass die 20 Prozent teilweise aus skrupellosen smarten Säcken besteht, steht außer Frage. Dass aber auch in der Politik viele opportunistische Totalausfälle sitzen, ebenso wenig. Was die 20 Prozent mit ihren Fähigkeiten anfangen, ist nicht notwendigerweise oder gar erwartungsgemäß moralisch. Man kann die Diskussion, wie viel Prozent der Menschen "gut" sind, sicher führen – es ist aber eine andere.
80% aller Menschen sind Trottel… Dem kann ich aus eigener Erfahrung ohne weiteres zustimmen.
Aber ob die verbleibenden 30% viel intelligenter sind, wage ich zu bezweifeln.
Hab mich verzählt, meinte eigentlich 40%. Also sozusagen mehr als die Hälfte…
Ich will der Diskussionein mal eine ganz neue Perpektive geben: http://youtu.be/GDuIvZkLun8
Ist das nicht dasselbe wie in Kommentar (5)?
..letztens im Rofu:
Mutter steht mit Kindergartensohn in der StarWars-Abteilung.
M: "Guck mall ein Yeti! Magst du den Yeti? Den Yeti? Sag mal YE-TI. YE-TI! Soll ich dir den Yeti kaufen?"
(Ich weiß, meine Mutter hätte gleich gesagt, ich soll mich nicht einmischen, aber ich wollte verhindern, dass der Junge im Kindergarten ausgelacht wird.)
C: "Entschuldigung, aber diese Figuren hier heißen Jedi. Mit "d". Ein Yeti ist ein Schneemensch im Himalaya."
M: " Das weiß ich nicht."
(Ja, hab ich gemerkt)
C: "Ja, ich bin mir sicher, das hier sind JE-DI, steht da auch."
M: " Das weiß ich nicht und das interessiert mich auch nicht!"
!
M: "Komm, Schatz, ich kauf dir jetzt einen Kackel-Dackel."
Hätte ich nicht eine gegensätzliche Begegnung kurz danach im Aldi gehabt, ich hätts künftig gelassen.
Erinnert mich an ein Erlebnis in einen Karstadt in Ost-Niedersachsen ca. 1990:
"Nu gugge mol do: Knick Rieder!!"
aber die waren entschuldigt, hatten ja nur russisch in der Schule…
@ Howie: Ich kenne eine durchaus populäre Autorin, die mal in einem Kino an der Kasse gearbeitet hat. Da kamen immer Bengels, die mit "zweima Kino 3" Karten gekauft hat. Wenn es sich lohnte, hat sie immer gerne nach dem Titel gefragt: "Welcher Film?". Gewinde: "Na, der mit van Damm". Sie: "Wie heisst der denn?". Die Jungs: "Na, Ding hier, der Thieme Kopp."
Eine zutiefst arrogante Haltung.
Anstatt einfach einmal zu akzeptieren, dass der Mensch eben kein "gutes" Lebewesen ist und das auch ohne Wertung (!) zu hinzunehmen, propagiert man immer einen utopischen Gutmenschen.
Es ist leicht sich selbst als natürlich "erleuchteteten" und selbstredend (wer zählt sich selbst schon gerne zu den doofen?) nicht doofen zu sehen. Selbstwahrnehmung ist immer ein klein wenig hinterfotzig, nicht wahr?
Zu diesem Salomon: Ein Mann mit Ohrring ist nicht ernst zu nehmen. Tragen soetwas nicht nur doofe Männer? *zwinker*
Fred: du hast bewiesen das du die Kommentare nicht gelesen hast, somit hast du recht: deine Haltung ist Arrogant.
Wie bitte soll man denn Menschen ohne Wertung beurteilen? Wir sind doch keine Tiere, die frei von moralischen Eigenschaften agieren. "Natürlich" gesehen mag der Mensch weder gut noch böse sein, aber sollen wir die Ethik einfach über Bord werfen und uns auch menschlich neutral sehen? Wie soll das denn gehen, ohne Kultur und Vernunft zu verlieren?
Ist mir unverständlich, diese Ansicht.
@ Marko/Howie: Ist eh wieder der Troll. Keine Diskussion wert.
@Howie: stimmt, den Schaaf hab den übersehen!
Ist schon spät, sorry und das iphone ist auch doof manchmal…also Korrektur: @Howie: stimmt, ICH Schaaf hab den übersehen!
Samira: macht nix, kommt vor.
Intelligenz ist immer ein schwieriges Thema, meist sinnvoller, zwischen Neophilen und Neophoben zu unterscheiden.