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Sep 2012

Krawatten und Strampelanzüge: London 2012 (2)

Themen: Neues |

Keine lange Vorrede, wir sind ja gerade mal halb durch. Nach dem Ausflug ins Little Venice und nach Camden fuhren wir mit der U-Bahn zurück zur Charing Cross Station. Dort schlenderten wir erneut und wunderten uns, wie brechvoll die Pubs kurz nach Feierabend sind:

Die Menschenmenge, die Lautstärke, das Gedrängel – diesen Teil der britischen Kneipenkultur werde ich wohl nie verstehen. Wohl aber die Fish & Chips, die ich in einem der Pubs zu mir nahm. Ich stimme allerdings dem Leser zu, der bemäkelte, dass britische Fritten nie wirklich knusprig sind.

In einem Fairtrade-Supermarkt, der auch noch rund um die Uhr offen hat, kaufte ich mir eine Flasche Cola fürs Hotel – aber nicht irgendeine Cola:

Curiosity killed the cat, bekanntlich – die Brühe schmeckt wie Fritz-Cola. Viel zu süß, viel zu klebrig, zu wenig Kohlensäure.

Den nächsten Morgen wollten wir mal wieder frühstücken gehen – und zwar ungewöhnlich. Per Internet fanden wir das edle indische Restaurant “Dishoom“:

Die kulinarische Besonderheit – zum Frühstück gibt es dort das Spiegelei und die Würstchen lecker verpackt in Nan-Brot mit Chili-Marmelade:

Die LvA und ich sind uns einig: empfehlenswert!

Direkt gegenüber ist der legendäre “Cinema Store“, über den ich schon mehrfach geschrieben habe und dessen zweite Ladenhälfte vor einiger Zeit einem T-Shirt-Laden weichen musste. Den T-Shirt-Laden gibt es auch nicht mehr, die Fläche ist nun zu einer langweiligen Lobby für die darüber befindlichen Büros umgebaut worden. Buuuhhhh!

Im “Cinema Store”, in dem vermutlich bald auch unser Charles Band-Buch stehen wird, habe ich diesmal nur eine Lektüre gekauft:

Wäre bei Amazon allerdings deutlich billiger gewesen. Ah well…

In der Nähe am Covent Garden fand ich eine Miniausgabe von Hogwarts:

Ich habe so meine Zweifel, ob der Claim wirklich gedeckt ist…

Ebenfalls neu am Covent Garden – die punkige Eisdiele “Icecreamists“. Ob einem das leckere Eis und die schwarze (!) Waffel allerdings 10 Euro für drei Bällchen wert sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Londoner Touristennepp halt.

Man muss nicht immer Geld ausgeben. Es ist einfach toll, in London “nur mal so zu gucken”. Da findet man auch in einer Seitenstraße nahe der Oxford Street einen Buchladen für “Raritäten und antiquarische Ausgaben”, der schon durchs Fenster so aussieht, als würden in ihm Gruselfilme anfangen:

Zum Abend gönnten wir uns dann die RICHTIG fette Packung Kultur: “Der widerspenstigen Zähmung” von Willy Shakespeare im “The Globe”, dem nachgebauten Theater aus der Zeit des Barden:

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Der hölzerne Rundbau ist nach oben offen, da muss man mit dem Wetter Glück haben. Hatten wir. Wie eigentlich die ganze Reise über.

Schon der Weg zum “Globe” am Embankment entlang war wunderschön, es ging schnurstracks in den Sonnenuntergang hinein:

Als wir an einem großen Gebäude vorbei kamen, in dem wohl ein Radiosender untergebracht ist, entdeckten wir eine Hundertschaft kreischender Mädchen, die scheinbar grundlos an einem Zaun rüttelten:

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Ich sagte es zu Britta im Scherz, aber ein anwesender Polizist bestätigte es tatsächlich: “Justin Bieber is in the house”. Herrjeh…

Nach einer desaströsen “Sommernachtstraum”-Aufführung in München war uns nach “klassischem Shakespeare” und das auf den Mainstream ausgerichtete “Globe” enttäuschte nicht: großartige Darsteller, üppige Kostüme, viel Humor und eine gewisse Einbindung der Zuschauer auf den Stehplätzen sorgten für fast drei Stunden überraschungsfreie, aber trotzdem mitreißende Unterhaltung:

Wie man aus dem Blickwinkel des Bildes erahnen kann, hatten wir auch keine schlechten Plätze.

In der Pause und nach dem Ende der Vorstellung wurde man in die Nacht ans Themseufer entlassen und hatte einen fantastischen Blick zur anderen Seite:

An dieser Stelle ein Hinweis an die vielen, vielen jungen Damen (es waren wirklich nur Damen, keine Herren), die dieses Motiv auch einfangen wollten – mit ihren iPhones, LED-Blitzlicht und ohne festen Untergrund: das wird nix. Dafür hat der liebe Gott nämlich zeitverzögerte Auslösung, lange Belichtungszeiten und Mauern geschaffen, auf die man seine Kamera stellen kann…

Als wir zurück ins Hotel kamen, stand wieder der “Necrobus” vor der Tür – und wenn der seine “Ghost Tour” schon direkt an meiner Absteige beginnt, werde ich nächstes Mal ENDLICH mit an Bord gehen:

Ach ja: Zur “Jack the Ripper”-Tour sind wir auch nicht gekommen. Plöd.

Am nächsten Tag wollte Britta zu Kaffee & Kuchen unbedingt in die drollige “BB Bakery” am Covent Garden:

Zugegeben, die Einrichtung zwischen Konditorei und Puppenhaus hat einen ganz eigenen Charme und die kredenzten Üppigkeiten können sich sehen lassen:

Aber es ist teuer – und der “Cappuccino” ist die wohl beschämend schlechteste Plörre, die ich jemals außerhalb Spaniens vorgesetzt bekommen habe. Das geht gar nicht. Gehen wir nicht wieder hin. So!

Zum Abend hin schauten wir noch kurz bei Primark vorbei, einer preiswerten irischen Modekette, die auch hierzulande ein paar Filialen hat (leider keine in München). Ich war baff, wie günstig es die “basics” zu kaufen gab, die mir gerade wichtig waren: Khaki-Hosen, Jeans, Socken, eine Krawatte mit passenden Manschettenknöpfen. Dafür lohnt es sich wirklich, das enorme Gedränge durchzustehen.

Nur unter Androhung des Entzugs aller Zwischenmenschlichkeiten konnte mich die LvA davon abhalten, auch noch einen Superman-Strampelanzug mitzunehmen:

18 Pfund! Wie geil ist das denn?

Zum Abschluss des Abend war dann “Dredd 3D” angesagt – aber das wisst ihr ja schon.

Time flies when you are having fun. Und so begann auch schon der letzte Tag, den wir noch richtig genießen konnten, weil unser Flug erst am Abend ging. 2011 hatten wir einen Ausflug in die “Kew Gardens” gemacht, diesmal stand eine Bootsfahrt nach Greenwich an. Leider konnten wir nur mit mehr als einer Stunde Verspätung an Bord gehen, denn auf der Themse wurde eine Spaßregatta abgehalten:

Wie ich immer und immer wieder sage: In dieser Stadt ist permanent was los. Darf man sich nicht drüber ärgern, muss man sich drauf einlassen.

Als der “River Cruise” gegen 13.00 Uhr endlich ablegen konnte, wussten wir schon, dass es knapp wird: in Greenwich hatten wir demnach nur eine Stunde Aufenthalt. Dass es trotzdem kein hektischer Reinfall wurde, war erstmal der Bootstour selbst zu verdanken, die mir Ansichten des “nouveau brit-riche” gab, die ich bisher nicht kannte:

Ich kann den Ausflug wirklich nur empfehlen, denn man bekommt dabei ganz tolle Geschichten von Piraten erzählt, uralten Pubs und längst verschwundenen Denkmälern. Nirgendwo sonst liegen das alte Empire und das moderne Königreich so nah beieinander, nirgendwo sonst lässt sich auch aktuelles Versagen der Politik so gut besichtigen: ein ganzer Abschnitt zwischen zwei Brücken ist komplett im Besitz der kuwaitischen Königsfamilie und die gigantischen Apartment-Areale des Bankerviertels werden am Wochenende zur Geisterstadt. Es gibt raue Mengen leer stehenden Wohnraums, der sich angesichts der absurden Preise nicht verkaufen lässt. Das hoch moderne Rathaus nannte unser Reiseführer “Boris’ Power Rangers-Helm”, was ziemlich gut hinkommt.

Greenwich selbst ist wunderschön, ein klassizistischer Traum aus alter Akademie und ehrwürdiger Wissenschaft, flankiert von modernen Restaurants und touristischen Ausflugszielen:

Wir hätten gerne mehr Zeit gehabt (vielleicht sogar mit Übernachtung), aber man macht das Beste draus – Äpfel und Getränke (sowie ein dem Hotel entwendetes Duschhandtuch) luden zum Picknick in der mittäglichen Sonne ein:

Dann mussten wir auch schon wieder aufs Schiff, um unser Gepäck am Hotel abzuholen. Diesmal setzte ich mich durch, wir nahmen die Bakerloo nach Paddington und von dort aus den Heathrow Express. Nachdem das Gepäck dem Flughafen überantwortet war, gönnten wir uns eine (überraschend gute) Pizza im “Est Caffe”. Ich fragte mich außerdem, wer hier allen Ernstes die Mondpreise für die Internet-Terminals zahlt:

Da muss man schon SEHR in Not sein…

Der Rest ist schnell erzählt: Rückflug und Abholung des Wagens problemlos, entspannter Sonntag, Montag früh Befreiung der Katze aus der Pension. Sie hat uns verziehen, damit ist alles in Ordnung.

Soviel zu London 2012. Gibt es ein Fazit? Vielleicht dies: London 2013 ist unvermeidbar. “Ghost Tours”, “Forbidden Planet”, Greenwich und Primrose Hill, der “Jack the Ripper Walk” und “The Mystery of Charles Dickens” besuchen sich schließlich nicht von selbst…



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Dietmar
Dietmar
20. September, 2012 09:12

Toll!

Ich freu´ mich, wie ein … ach, das hatte ich ja schon gesagt …

Hm, man müsste viel mehr reisen können.

Mencken
Mencken
20. September, 2012 10:59

“The Globe” ist auch einer meiner Favoriten, aber Primark geht gar nicht (läuft hier in Berlin aber leider auch super). Billigst hergestellte Wegwerfware (selbst mittels Sextourismus tut man der Dritten Welt da noch einen größeren Gefallen) und in Großbritannien redet man nicht ohne Grund vom “Primark Effekt”, wenn man über die rasch wachsenden Müllkippen diskutiert.

Dr. Acula
20. September, 2012 11:05

Wenn die “Ghost Tour” in London nur halb so spaßig ist wie die in Dublin, wirst du da nächstes Mal viel Freude dran haben 🙂

Wortvogel
Wortvogel
20. September, 2012 11:17

@ Mencken: Mit Primark ist es wie mit dem Supermarkt um die Ecke – man muss sich klar sein, dass es kein Fairtrade-Laden ist, bei dem alle Lieferanten ordentlich bezahlt werden. Das ist aber bei GAP und H&M nicht anders. Würde ich den Großteil meiner Klamotten da kaufen? Nie im Leben. Ich kaufe auch nicht bei Kik oder Bonprix. Meine Retro-Pants sind von Schießer, meine Socken von Falke. Aber es gibt immer mal wieder “basics”, die sich in teuren Varianten für mich nicht lohnen. Und da ist Primark erstaunlich gut, was Schnitt und Passform angeht.

Auch wenn man das sicher mit Vorsicht genießen sollte:
http://primark.de/aboutus/csr

@ Acula: Da freue ich mich auch ganz arg drauf.

Der Karsten
Der Karsten
20. September, 2012 13:54

Sehr netter Reisebericht.. danke dafür von jemanden, der nur selten aus Deutschland raus kommt (kommen möchte). 🙂

Wegen des Primark Links: “Wir bemühen uns..” kann man auch übersetzen “wir habens echt versucht.. geht aber nicht”. ^^ In Arbeitszeugnissen sind solche Sätze ein Totschlagargument GEGEN den Kandidaten.

In Essen soll ein Primark sein. Ich selbst war noch nicht da, aber ein paar Kollegen und Freunde und die waren davon echt angetan. Ein Kollege hat sämtliche mit Hulk / Avengers / Marvel gebrandeten T-Shirts mitgebracht, die er finden konnte. Das ganze noch zu fairen Preisen (pro Shirt irgendwas um 10 Euro).

Wortvogel
Wortvogel
20. September, 2012 14:09

@ Der Karsten: Na ja, “wir bemühen uns…” weist auch auf einen Prozess hin. Die geben durchaus zu, dass (noch) nicht alles ideal läuft. Aber wenn man Waren zu dem Preis anbietet, muss es ja irgendwo her kommen. Darüber darf man auch als Kunde mal nachdenken. Andererseits: die unbeliebte These “es hilft niemandem, wenn der Laden pleite geht” ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Kurzum: ich halte es für moralisch vertretbar, auch mal was bei Primark zu kaufen.

Die haben bei Primark diverse Sachen von Marvel, u.a. coole dunkelblaue Hoodies mit Captain America-Schild vorne drauf. Die sind dann aber immer einen Tacken teurer als das unlizensierte Zeug.

K. Lauer
22. September, 2012 10:11

Ah, das Royal Naval College…da geht einem als Filmjunkie natürlich das Herz auf. 🙂

Trantor
Trantor
4. Oktober, 2012 16:10

@WV: Falls der nächste London-Besuch bis März nächsten Jahres eingeplant ist (Silvester as usual :)), dann direkt mal den “Rain Room” vormerken: Genial bescheuerte Idee, durch 3D Kameras gesteuert es überall regnen zu lassen, außer da, wo man als Besucher gerade steht.

http://www.spiegel.de/panorama/installation-rain-room-durch-den-regen-gehen-ohne-nass-zu-werden-a-859460.html

Primark
8. Januar, 2013 22:47

Das is klasse in London