FFF Movie Mania 2012 (29): Beasts of the Southern Wild
Themen: Fantasy Filmf. 12, Movie-Mania 2012 |USA 2012 / 92 MIN / ENGLISCHE OMDU
REGIE BENH ZEITLIN
DARSTELLER QUVENZHANÉ WALLIS / DWIGHT HENRY / JONSHEL ALEXANDER / LOWELL LANDES / PAMELA HARPER / GINA MONTANA
Offizielle Synopsis: “The Bathtub” nennt sich ein ungebändigtes Sumpfgebiet. Die Menschen im Bathtub wirken angeschwemmt wie das Treibgut, aus dem sie ihre Hütten zimmern. Eine lose Gemeinschaft im Urzustand, ohne Besitz, ohne Hightech, ohne Perspektive. Denn die Segnungen und die Strukturen der uns vertrauten Zivilisation gibt es nicht mehr. Und mittendrin die sechsjährige Heldin dieser Postapokalypse mit wild abstehender Mähne, ausgefransten Jeans, Gummistiefeln und dem ausgefallenen Namen Hushpuppy, wie die in den Südstaaten so gern verzehrten frittierten Maisbällchen.
Kritik: Es ist eigentlich immer schade, wenn ein Film vorab so sehr als Highlight gehyped wird, dass es uns nicht mehr überrascht, wenn er ein Highlight ist. “Beasts of the Southern Wild” galt von Tag 1 an als der Geheimtipp, das “must see” auf einem Festival, das diesmal an “must sees” nicht gerade reich ist (darüber werde ich zum Abschluss noch schreiben). Und das, obwohl Benh Zeitlins Sozialdrama kaum Eigenschaften mitbringt, die ihn für ein Fantasy-Filmfest qualifizieren. Darin ähnelt er “Enter the Void” und “Ex Drummer”.
Aber tatsächlich ist BofSW ein Rausch, Kino in seiner reinsten Form: der Blick in eine uns fremde Welt, ein genaues Auge, so perfekt in seinem dramaturgischen Understatement, dass man fast glauben könnte, die Geschichte passiere mehr, als dass sie erzählt wird. Regie und Drehbuch treten in den Hintergrund, so dass der dokumentarische Charakter dominiert.
Es ist fast unmöglich, hinter den Figuren Darsteller zu sehen, hinter der Kamera einen Regisseur – und hinter der Story ein Theaterstück. BotSW ist einzigartig in der Verweigerung klassischer Erzählweisen, will nicht vorführen, nur beobachten. Dass so ein Ansatz extrem schnell in die Hose gehen kann, ist offensichtlich: wo eine Geschichte nicht erzählt, sondern nur beobachtet wird, muss die doppelt Geschichte stark sein, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu halten.
BotSW gelingt das mühelos.
Hushpuppy ist eine ungewöhnliche, sperrige und doch unglaublich liebenswerte Protagonistin – ein Mädchen im schulfähigen Alter, das nie eine richtige Schule sehen wird und doch schon mehr über das Leben weiß als so manche Erwachsene. Die in einem Leben gefangen ist, dass auch von den Kleinsten Verantwortlichkeit verlangt und die doch nur davon träumt, auch mal auf den Arm genommen zu werden. Die beim Vater Liebe wie Perspektivlosigkeit findet und in ihrer Welt die totale Freiheit, aber auch die totale Willkür von Natur und Armut.
Zeitlin schafft es, die kleine Geschichte von Hushpuppy mit großen Bildern von archaischer Kraft umzusetzen. Hütten aus Treibgut werden im großen Sturm wieder zu Treibgut, dann wieder zu Hütten. Es ist ein nachhaltiger Kreislauf, allerdings ohne Hoffnung auf Zukunft. Das Leben mit der Natur bedeutet Unterwerfung, Freude im Augenblick, Verlust und Wachsamkeit.
Es mag sein, dass ich besonders feinfühlig auf dieses so gar nicht anklagende Sozialdrama reagiere, weil ich vor ein paar Jahren selber dort war. Trotzdem glaube ich, dass es praktisch unmöglich ist, von BotSW nicht gerührt und gefesselt zu sein,
Die Welt von Hushpuppy ist keine Welt, in der man leben möchte – aber man sollte wissen, dass es sie gibt. Und wie weit wir gekommen sind.
Fazit: Eine wunderschöne und tieftraurige, aber zugleich lebensbejahende und würdevolle Fabel im semi-dokumentarischen Stil aus eine Welt, die uns fremder scheint als Mittelerde und Narnia, obwohl sie nur ein paar Flugstunden entfernt ist.
http://www.youtube.com/watch?v=ZF7i2n5NXLo
Ach verflixt! Mein Zeitplan erlaubte mir ja leider keinen Besuch, obwohl ich auf den auch sehr gespannt war. Hoffen wir, dass ihn sich hier zumindest ein kommunales Kino schnappt, denn den würde ich schon gern auf großer Leinwand sehen.
Keine Sorge, DMJ: Deutscher Kinostart 20.12. Da warte ich auch schon drauf!
Ach so, ich nahm an, der bliebe so eine kleine, geheime Festivalsfrucht, die es nie in den normalen Vertrieb schafft! Keine Ahnung, wieso ich das dachte, aber schön, mich geirrt zu haben.
Ja, nicht? Ging mir auch so.
Mag vielleicht daran liegen, dass viele solche Filme nur schwer einen Verleih finden. Ich hoffe immer noch, dass z.B. “We need to talk about Kevin” hier einen ordentlichen Release erfährt, der für mich das Highlight der letzten FFF-Nights war.
Ich widerspreche dem Wortvogel ja selten, aber hier muss ich sagen: es ist durchaus möglich, von diesem Film nicht begeistert zu sein. Nachdem ich mehrere Leute gesprochen habe, die mir erklärt haben, warum sie ihn gut finden, finde ich ihn inzwischen nicht mehr scheiße, sondern habe mich auf ein ‘ok’ hochhandeln lassen.
Was mir schonmal richtig auf den Sack geht, ist die altkluge Attitüde, in der die Off-Kommentare der Hauptperson erfolgen. Hier war ich durch den Trailer gewarnt, aber es war dennoch sehr nervig.
Dass der Film sich nicht zwischen Doku und Handlung entscheiden kann, kann ich akzeptieren, auch wenn es mich anfangs doch sehr genervt hat.
Eigentlich ist es prima, zu zeigen, dass das Leben auch in Armut lebenswert sein kann. Jedoch kann man es meiner Meinung nach mit dem Zuckerguss übertreiben. Teils habe ich beim Sehen Karies bekommen.
Die Zwischensequenzen mit den Auerochsen waren für mich sehr unverständlich und wenig überzeugend – zumal die Auerochsen wie große Wildschweine aussahen.
Kommen wir zum positiven: der Soundtrack ist großartig. Die Darsteller sind allesamt liebenswert. Die Handlung als solche ist ok.
Fazit aus meiner Sicht: der Trailer bietet einen guten Einblick in den Film. Wer davon angesprochen ist, sollte sich den Film ansehen.
@flippah
Lass dir die Auerochsen von El Santo erklären: http://www.1000misspenthours.com/reviews/reviewsa-d/beastsofthesouthernwild.htm
“Trotzdem glaube ich, dass es praktisch unmöglich ist, von BotSW nicht gerührt und gefesselt zu sein,”
If only.
Ja, der Film ist wunderschön fotografiert. Ja, er hat gute Darsteller. Ja, er hat im Gegensatz zum üblichen Arthouse-Kram eine wenigstens rudimentäre Story.
Aber er ist auch himmelendiglich langweilig, zähflüssig, unbefriedigend, ununterhaltsam. Diesen Film zu gucken, ohne permanent auf die Uhr zu sehen oder in Gedanken schonmal die nächste Einkaufsliste zusammenzustellen, ist eine Anstrengung.
Es wäre schade, wenn dieser prätentiöse Plunder den Fresh Blood Award bekommt, wo dieser Jahrgang doch soviel Besseres hergibt. Wem auch immer er gefällt: schön für dich. Mir bringt der hier absolut gar nichts. 4/10.
@heino: “We need to talk about Kevin” kommt wohl noch dieses Jahr von KinoKontrovers. Siehe FFF-Programmheft, Seite 71.
@ Marcus: es war auch klar, dass sich an einem derart sperrigen Film die Geister scheiden würden. Das liegt in der Natur der Sache. So lange wir uns über “Morituris” einig sind…
@Torsten: guck mal in den “Morituris”-Thread. Ich hoffe, mein Einlauf für diesen Scheissdreck ist harsch genug. 😉