25
Aug 2012

FFF Movie Mania 2012 (25): Excision

Themen: Fantasy Filmf. 12, Movie-Mania 2012 |

USA 2011 / 81 MIN / ENGLISCHE OV

REGIE RICHARD BATES JR.
DARSTELLER ANNALYNE MCCORD / TRACI LORDS / ARIEL WINTER / ROGER BART / JEREMY SUMPTER / RAY WISE / JOHN WATERS / MALCOLM MCDOWELL / MARLEE MATLIN

Offizielle Synopsis: Paulines Selbstdiagnose trifft den Nagel auf den Kopf: Sie müsste dringend in psychiatrische Behandlung. Für ihre Mom sind Tanzstunden die beste Therapie, ihr Dad ist ein konturloser Waschlappen und Pater William hält das Mädchen für “seeeeehr unausgeglichen”. Allerdings! Paulines Absencen auf dem Fußboden des Kinderzimmers sind seeeeehr blutig und garantiert unkeusch. Als ihr Projekt “vorehelicher Sex” in einem Desaster endet und ein Schulverweis ihren Traumberuf Ärztin gefährdet, betreibt Pauline das Medizinstudium eben in Eigenregie.

Kritik: “Excision” ist harter Tobak, soviel steht fest. Ich habe selten einen Film gesehen, in dem arrivierte Stars derart über die Geschmacksgrenzen hinaus gehen. Hier haben wir ein beinhartes “Fuck you!” an die political correctness und das amerikanische Spießertum. So ein ums andere Mal habe ich mir selber verkrampft über die Stirn gewischt und “Jessas…” gemurmelt.

Besonders fasziniert ist Regisseur Bates vom Blut, und dabei nicht notwendigerweise von der Sorte, die aus geschlitzten Adern fließt. Menstruationsblut ist sein Fetisch, den er schmackiger auslebt als seinerzeit “Carrie”. Aber auch jenseits der Regel fließt der rote Saft reichlich und in bizarren Traumsequenzen feiert “Excision” schamlose Orgien.

Ein recht geschickter Kunstgriff ist der Entwicklungsbogen der Hauptfigur: Am Anfang wirkt Pauline nur wie die etwas versiffte, sozial isolierte Außenseiterin, die wir aus vielen Filmen kennen – immer mit der Möglichkeit, sich noch rechtzeitig zum Finale in einen schönen Schwan zu verwandeln, was gerade für Hauptdarstellerin Annalynn McCord kein Problem darstellt:

So gehen wir mit, weil wir trotz aller Exzessen auf Paulines Seite gegen den Rest der grausamen Welt stehen. Wir wollen glauben, dass ihre rebellische Art nur intellektueller Widerstand gegen den Konformismus ist, der Ausbruch einer einzigartigen Persönlichkeit. Umso schlimmer, wenn wir nach und nach realisieren, dass sie vermutlich schlicht und ergreifend geisteskrank ist…

Es ist der Humor, der “Excision” gerade so erträglich macht, dass man angesichts der blutigen Umtriebe nicht das Kino verlässt, und es sind die herausragenden Nebendarsteller, die dem Film das dramaturgische Gewicht geben. Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber gerade Traci Lords, die ich kürzlich mal wieder der totalen Talentlosigkeit beschuldigt habe, bringt die Performance ihres Lebens, so schonungslos wie nuanciert, so abstoßend wie herzzerreissend. Grandios.

Und weil ich immer was zu meckern habe, gönne ich mir Kritik an dem einzigen Punkt, an dem “Excision” seine Überzeichnung zu weit treibt: bei der Hauptfigur. Ich kenne die Prinzipien von Farce und Groteske, ich weiß um den Wert der Übertreibung. Aber Pauline soll eine Außenseiterin sein, kein Monster. Die schmierigen Haare, die buschigen Augenbrauen, der Überbiss, die Pickel, der Herpes, der Neanderthaler-Gang – das ist zu gewollt. Hier müht sich eine schöne Frau nach Kräften, jedem Klischee der Hässlichkeit zu entsprechen, statt einfach darauf zu vertrauen, dass auch “normal” aussehende Mädchen durch simplen Eigensinn sehr schnell und vollständig isoliert werden können. Pauline ist eine Karikatur, die Konfrontation provoziert, statt an ihr zu scheitern – und das macht sie für uns schwer zugänglich.

Davon abgesehen muss man “Excision” dafür loben, eine ungewöhnliche Kombi zu schaffen: er ist extrem unterhaltsam UND extrem widerlich. Wer also mal wieder seine Geschmacksgrenzen austesten will, sollte hier die Karte kaufen.

Fazit: Ein sehr provokanter und hipper Film über eine Außenseiterin, der grotesken Humor mit extremem Splatter mixt und sicher so manchen Zuschauer aus dem Kino treibt. Nur die Hauptdarstellerin überzieht die “hässliches Entlein”-Klischees einen Tacken zu sehr und nimmt uns damit die Chance zur Empathie.

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8 Kommentare
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Exverlobter
Exverlobter
26. August, 2012 08:38

Traci Lords?
Das Asylum-Bashing hat sich anscheinend ausgezahlt.

Jan
Jan
26. August, 2012 16:52

Ein wenig hast du ja schon zu der Hauptfigur gesagt, aber: Kann die McCord was? Kenne sie nur aus 90210 (don´t ask) und finde sie da durchaus nicht schlecht.

milan8888
milan8888
26. August, 2012 19:28

Bei Nip/Tuck war sie besser

Thies
Thies
27. August, 2012 01:49

Ist schon spät, daher nur ein kurzes Fazit: für mich bisher der Höhepunkt des Festivals.

DMJ
DMJ
27. August, 2012 14:23

Jawollja, der war wirklich grandios! Den Punkt der überzeichneten Hauptfigur kann ich nachvollziehen (auch wenn man sagen muss, dass das Pickel-Make up erstaunlich realistisch war), empfande es aber nicht so sehr als Problem. Wie gesagt – “Excision” tarnt sich immer wieder als “Kluger Exzentriker”-Film und solche neigen ja zu überzogenen Hauptfiguren, zudem unterstreicht es bildlich, wie andersartig Pauline ist, als der Rest der Welt.

Sonst aber vollste Zustimmung!
Um mich selbst (wie üblich von hier: http://www.weirdfiction.de/article_database/fff-2012-excision/) zu zitieren:

Geschickt spielt der Film zwei verschiedene Schemata gegeneinander aus: Beginnt man, sich mit der, von ihrer besitzergreifenden, oberflächlichen Mutter unterdrückten Pauline zu stark zu identivizieren und „Excision“ als Film über eine intelligente Außenseiterin zu sehen, machen verstörende Fantasiesequenzen voller Leichen und Innereien oder bizarre Verhaltensweisen der Heldin deutlich, dass sie nicht sympathisch verschroben, sondern wirklich geisteskrank ist. Dennoch bleibt sie einem in aller Exzentrizität stets nahe, da er uns in ihre Welt einführt, auch wenn er diesen Blick öfters bricht.

Die Optik des Films ist wunderschön, die Musik stimmungsvoll und vor allem weiß „Excision“ seine Gaststars (John Waters als Pfarrer, Malcolm McDowell als Lehrer und Ray Wise als Schuldirektor) perfekt einzusetzen, so dass sie ihn wirklich bereichern, anstatt zu reinen Gimmicks zu verkommen.

Gewarnt sei bei aller Gefühlstiefe und Sensibilität jedoch vor einem äußerst hohen Ekelfaktor (neben den Gedärmfantasiene kommen auch ein benutztes Tampon, Speichel und Erbrochenes vor), der allerdings meist mit schwarzem Humor gemildert wird, wodurch dann auch sein finsteres, sich früh abzeichnende Ende umso bestürzender wirkt.

heino
heino
10. September, 2012 21:50

Ist ja schon alles gesagt, daher kann cih nur sagen, dass das der beste Film bsiher war und er sicher auch nicht mehr übertroffen werden wird. Hat mich in vielerlei Hinsicht an den ebenfalls hervorragenden “We need to talk about Kevin” erinnert (ähnliche Hauptfigur mit anderer soziopathischer Störung, ähnliche familiäre Konstellation), der aber völlig anders aufgezogen ist und auch ein völlig anderes, nicht minder bestürzendes Ende hat.

Marcus
Marcus
14. September, 2012 11:15

Wow. Einfach nur: wow.

Warum, das trifft Torsten schon ganz gut, und seinen einzigen Negativpunkt habe ich nicht so empfunden. Der beste Film des Festivals, vielleicht der beste Film dieses Jahres. 10/10.

DVD bitte asap in den Handel, ja? Ich tät sogar ein total überteuertes Bluray/DVD-Mediabook mit Soundtrack und ellenlangem Bonusmaterial nehmen, wenn es eins gäbe…

Peroy
Peroy
17. April, 2013 03:24

Ein sehr guter Film.