15
Jun 2012

The Making of “Sumuru” (3): Die Dreharbeiten

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Tatsächlich hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nie daran gedacht, als Drehbuchautor zu arbeiten. Ich war zwar überzeugt, das notwendige Rüstzeug mitzubringen, aber die Arbeit als Entwickler kam meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne besser entgegen. Doch Peter hatte mich provoziert, hatte behauptet, er könne als Skripter besser beurteilen, welche Erzählperspektive den Film tragen würde. Das wollte ich so nicht stehen lassen.

Und so stand ich eine halbe Stunde später vor meinen Chefs von Tandem und gab das Telefonat nach bestem Wissen und Gewissen wieder. Es half, dass Harry erklärte, mit Peter vielleicht einen für dieses Projekt ungeeigneten Autor an Bord geholt zu haben. Allen Beteiligten war klar: es ging nun um die Wurst. Das aktuelle Skript war für niemanden akzeptabel. Die Produktion war angeschoben. Die Zeit lief uns davon. Ich setzte alles auf die grüne Null und sagte: „Ich weiß, was fehlt – und ich weiß, was RTL2 braucht. Ich kann das Skript umschreiben, so dass es passt. Gebt mir eine Woche, einen Autoren-Credit und Summe X“. Summe X war in diesem Fall ein solides Honorar für so aufwändiges „script doctoring“. Schließlich musste ich mir den Mist nicht freiwillig oder gar umsonst antun. Das gehörte nicht zu meinen Aufgaben als Entwicker.

Mein Problem: Da diverse Drehorte feststanden und viele Rollen bereits gecastet worden waren, konnte ich das Skript nicht von Grund auf neu bauen. Die groben „plot beats“ mussten erhalten bleiben, die Aktstruktur, die etablierten Beziehungen der Figuren. Ich stellte trotzdem fest, dass sich innerhalb dieses Rahmens einiges machen ließ. Zwar war nur ein sogenannter „polish“ verabredet, aber letzten Endes schrieb ich 60-70 Prozent der Szenen massiv um, bei den Dialogen blieb praktisch gar nichts übrig von dem, was Peter abgeliefert hatte. Ich fand „Sumuru“ damit deutlich humorvoller, stringenter und flüssiger – und vor allem: näher dran an meiner ursprünglichen Idee und dem, was wir RTL2 als Konzept verkauft hatten.

Und siehe: Die Beteiligten sahen es auch so. RTL2 schickte ein Fax mit der Aussage (wieder paraphrasiert): „Wir hätten nicht gedacht, dass es doch noch gelingt, die Geschichte so charmant neu zu bauen“. Allerdings sagten wir dem Sender nicht, dass ich selber Hand angelegt hatte, das hätte nur zu Verunsicherungen geführt, die wir vermeiden wollten.

So kam ich also zu meinem ersten Drehbuch-Credit, den ich allerdings mit Peter Jobin und Harry als „Peter Welbeck“ teilen musste (Harry hatte die Angewohnheit, sich einfach in alle Credits rein zu schmuggeln, das war sein Ding). Es war mir Recht. Ich war nicht eitel oder stolz, ich wollte einfach nur, dass „Sumuru“ gedreht wird. Man will ja nicht für die Tonne arbeiten.

Die Zeit bis zu den tatsächlichen Dreharbeiten verging relativ smooth. Harry hatte irgendeinen obskuren Deal gemacht, der dazu führte, dass Simona Levin den Part der bösen Widersacherin von Sumuru bekam. Sie war eigentlich zu alt für die Rolle, aber sie spielte „Taxan“ mit Gusto. Eine echte Überraschung war Casey B. Dolan, eine südafrikanische Schauspielerin, die als „Dove“ den Bodyguard von Sumuru spielte. Die wenig bemerkenswerte Figur hätte jede halbwegs athletische Blondine spielen können, aber Dolan war nicht nur brünett, sondern als ehemaliges Mitglied des südafrikanischen Olympia-Teams im Karate absolut tauglich, ihre Kampfszenen überzeugend zu spielen. Es ist schade, dass ihr großer Fight im Schnitt so verhackstückt wurde, dass man ihre bemerkenswerte Choreographie nicht so gut nachvollziehen kann wie in den ungeschnittenen Dailies.

Mein persönlicher Favorit wurde aber schnell Terence Bridgett, der mit „bester Freund des Helden“ einen generell undankbaren Part hatte, diesen aber mit einer lässigen Attitüde und einem coolen Look wirklich ausfüllte. Ihm gehört auch eine meiner bis heute besten Zeilen: „This planet is really starting to piss me off!“ – mit schönen Grüßen aus der Abteilung „Sachen, die Captain Picard nie sagen würde“.

Vielleicht sollte ich generell anmerken, dass es meine Absicht war, einen „working class science fiction film“ zu schreiben. Unsere Helden sind Helden aus Zufall, sie haben keine brillanten Fähigkeiten, sind keine geborenen Anführer, verfügen nicht über überlegene Technik. Sie haben Galgenhumor, eine große Klappe und gerne auch mal den falschen Spruch auf den Lippen. Man kann „Sumuru“ vieles nachsagen – aber zumindest das ist gelungen. Finde ich.

Weiter im Text: Zu den Dreharbeiten nach Südafrika bin ich (anders als bei „Lost City Raiders“) nicht geflogen. Das übernahm mein Kollege Balthasar – es ist besser, wenn der Verantwortliche vor Ort nicht gleich der Autor ist. Ihn kann man auch im Making of sehen, in dem die Jobin-Kontroverse natürlich herunter gespielt wird.

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Ich saß in München und konnte die ersten Dailies kaum abwarten. Als die Videos per Overnight-Kurier kamen, stopfte ich sie so gierig wie nervös in den Rekorder – es war eine Szene zu sehen, in der Sumuru dem Astronauten Adam die als Minenarbeiter schuftenden Männer des Planeten zeigt. Sehr stimmungsvoll, viele Komparsen, schöner „crane shot“. Wir waren alle beruhigt. Das sah doch ganz ordentlich aus.

Die ersten Probleme gab es dann nach ca. einer Woche Drehzeit und sie waren das Gegenteil von dem, was man von solchen Produktionen gewohnt ist: Darrell Roodt war zu schnell. Nicht nur dabei, Szenen in den Kasten zu bringen. Er inszenierte die einzelnen Segmente auch so flott, dass der auf 90 Minuten angelegte Film schnell zu kurz zu werden drohte. Ich bekam in München einen Anruf von Darrell: „Torsten, super Skript, macht einen Heidenspass, aber das Ding wird mindestens 10 Minuten zu kurz. Kannst du noch was schreiben, mit dem wir füllen können? Natürlich nur für die existierenden Sets und am besten für die Figuren aus der zweiten Reihe“. Da zahlt es sich aus, dass man mit Südafrika ungefähr auf der gleichen Zeitzone hockt. Ich schrieb einen größeren Subplot für Dove, Jake und den kleinen Will, der zwar das Tempo ein wenig raus nahm, die Figuren dafür aber etwas menschlicher machte. Manchmal sah ich in den Dailies Szenen, die ich gerade mal drei Tage zuvor geschrieben hatte.

Davon abgesehen liefen die Dreharbeiten so stressfrei wie nie mehr danach in meiner Karriere. Das Wetter war toll, alle Darsteller gut drauf und Darrell Profi genug, alles „on time and on budget“ einzutüten. Ich bekam den Dolch von „Taxan“ als Erinnerungsstück – und mein erstes von allen Beteiligten signierten Skript. Traurig macht mich nur, dass ich erst später erfuhr, dass DO Productions das Raumschiff der Helden als ca. 1 Meter großes Modell gebaut hatte (ich dachte, es würde ausschließlich als CGI umgesetzt). Als ich die Produzentin Jahre später danach fragte, erzählte sie mir, dass es im Müll gelandet sei. Wäre DAS ein Prachtstück für mein Arbeitszimmer gewesen!

Der Film war also abgedreht – fertig war er damit aber noch lange nicht.



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Rex Kramer
15. Juni, 2012 09:04

Ah, der nächste Teil, sehr schön.

… und schon wieder durch *seufz*

Um das Schiff ist es wirklich schade. Sieht nett aus.
Für so etwas müsste man bei Profiles in History richtig Geld hinlegen.

Snyder
Snyder
15. Juni, 2012 09:33

Gibt es eigentlich keine Vorgaben dafür, wer bei solchen internationalen Produktionen in die Credits kommt? In den USA ist das ja ziemlich stark reglementiert über die Actors/Directors Guild und sich mal eben (unter einem Pseudonym) reinschmuggeln wär da wohl keine Option.

Wortvogel
Wortvogel
15. Juni, 2012 10:54

@ Snyder: Wo sollten die Spielregeln herkommen? Außerhalb der Unions können Produktionsfirmen machen, was sie wollen. Ich kenne so viele falsche und Gefälligkeits-Credits, da würdet ihr mit den Ohren schlackern. Zu seiner Ehrenrettung muss man allerdings sagen, dass Harry Alan Towers die meisten seiner Drehbücher tatsächlich geschrieben hat. Ich vermute mal, der wollte sich auch die Story-Rechte für den Fall eines späteren Remakes dadurch sichern.

Viel interessanter finde ich die Frage, wer nach seinem Tod an seinen Filmen verdient, wer sie vertreibt, wer die Negative besitzt, wer die Rechte verwaltet.

Peroy
Peroy
15. Juni, 2012 15:44

“So kam ich also zu meinem ersten Drehbuch-Credit, den ich allerdings mit Peter Jobin und Harry als „Peter Welbeck“ teilen musste (Harry hatte die Angewohnheit, sich einfach in alle Credits rein zu schmuggeln, das war sein Ding).”

Hachja… Produzenten…

DMJ
DMJ
16. Juni, 2012 15:07

“Es ist schade, dass ihr großer Fight im Schnitt so verhackstückt wurde”

Und der Verantwortliche dürfte später bei “Lasko – Die krasse Faust vom Gott” untergekommen sein. Da scheint man die Philosophie zu vertreten, dass man einen Darsteller, der gute Martial Arts drauf hat am besten so inszeniert, als solle William Shatner die Rolle spielen.

flippah
17. Juni, 2012 08:55

ja, das ist eine schande. Haywire zeigt ja, dass es auch anders geht. Hoffentlich macht das Schule.

Wortvogel
Wortvogel
17. Juni, 2012 09:21

@ Flippah: Schule machen im Sinne von “Bei allen Filmen, in denen die Hauptfigur eine Kampfszene hat, besetzen wir nur noch professionelle MMA-Fighter”?