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Mrz 2012

Die “heute show”: Leider nur dritter Sieger

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich habe nichts gegen den drolligen Versuch, mit der “heute show” eine bemühte Kopie der “Daily Show” als die lang ersehnte Erfindung der deutschen Polit-Comedy zu feiern. Oliver Welke ist nicht Jon Stewart, einen deutschen Stephen Colbert kann es nicht geben, aber besser gut kopiert als schlecht gegottschalkt.

Ich werde jedoch kein Stammzuschauer. Es ist mir fast schon peinlich, aber wieder mal machen die Engländer das erheblich besser. Auf Channel 4 läuft gerade die zweite Staffel einer wöchentlichen “Current Affairs”-Comedy namens “10 o’clock live”. Dafür hat man drei wirkliche Comedy-Schwergewichte angeheuert: Jimmy Carr, Charlie Brooker und David Mitchell. Plus eine süße Blondine.

Was “10 o’clock live” so brillant macht, ist die Mischung aus Standup und Panel-Diskussion, aus ernsthaftem Kommentar und bissiger Verarsche bei gleichzeitiger Late Night-Lässigkeit. Immer unter der Gürtellinie, aber nie unter Niveau. Klar kann sich Jimmy Carr prima über das Tagesgeschehen lustig machen – aber David Mitchell hat meist ein echtes Anliegen und kann noch dazu in fünf Minuten eine Art Tempo-Talkshow mit zwei Gästen führen, die substanzieller ist als das, was die gesammelte Talk-Riege der ARD in einer Woche produziert. Der Mann hat mich neulich davon überzeugt, dass die Argentinier kein Anrecht auf die Falkland-Inseln haben – da lag ich wohl 30 Jahre lang falsch.

Charlie Brooker, die konstant knurrige britische Ausgabe von Oliver Kalkofe, sucht sich als Gegner nicht etwa dusselige Talkshows oder alberne Werbungen – er legt sich mit den Verlagen und Politikern an, dem eigenen Sender und den Kommentatoren auf seiner Webseite. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Und genau deshalb schreibe ich diesen Beitrag – Brooker hat ein großartiges Gedicht zu der kürzlich von “Sun”-Mitarbeitern aufgestellten Behauptung verfasst, die “Sun” veranstalte keine Hexenjagden auf ihren Titelseiten. Das hat Tim Minchin-Qualitäten – einbettbar ist leider nur der Remix:

http://www.youtube.com/watch?v=S49p4DuBfYE

Das nicht ganz so wirre Original gibt es hier.

Sorry, sowas sehe ich nicht auf dem ZDF. Close but no cigar.

Wer jetzt neugierig geworden ist, kann hier in die erste Folge der “10 o’clock live”-Show von 2011 einsteigen – Kenntnisse über das englische Tagesgeschehen sind dabei hilfreich:

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18 Kommentare
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Achim
Achim
14. März, 2012 14:29

Britisches Tagesgeschehen?
Kann ich nicht mit dienen, die ham doch kürzlich ihren Prime durch nen neuen ersetzt? Der davor war auch nicht mehr Tony Bläh, oder?

Ben
Ben
14. März, 2012 14:46

Was die “Heute Show” so schlecht macht, ist der Umstand, dass man beim ZDF zwar Stewart und Co. kopieren will, dabei aber nicht versteht, dass diese Formate sowas wie “Edutainment” sind: Politisches Aufklärungs- und Bildungsfernsehen im Gewand von bitterböser Satire. Hier in Deutschland scheint man nur den “Wochenshow”-Aspekt zu sehen und verwechselt politisches Kabarett mit Aufklärung.

MountainKing
14. März, 2012 17:53

Genau, man nimmt vor allem Stewart seinen gerechten Zorn über die Dinge, die Ziel des Spotts sind, jederzeit ab. Welke macht andere Sachen ganz nett, aber das Timing in den Anmoderation ist oft völlig schief und wirkt aufgesetzt, abgesehen davon, dass man Lewis Black nicht mit Gernot Hassknecht “nachspielen” kann. Die Sonneborn-Berichte sind aber durchweg ganz gut, wenn das mehr in diese Richtung gehen würde, wäre der Sendung sehr geholfen.

Was mich bei der zweiten Staffel von 10 o’clock live etwas wundert, ist, dass sie eigentlich nicht wesentlich “professioneller” geworden ist, noch immer versucht Lauren Laverne mehr oder weniger erfolglos, das Ganze zusammenzuhalten und zu strukturieren. Aber das ist bei den drei Herren sicher nicht so einfach. 🙂

Howie Munson
Howie Munson
14. März, 2012 19:22

Findet euch einfach damit ab, das ihr nicht zur Zielgruppe gehört, muss ich in all den anderen Fällen ja auch. 😛

und im ZDF noch deutlicher ein politische Angenda zu fahren, führt doch nur dazu, dass wieder ein Chefred gehen muss…
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,663847,00.html

Achim
Achim
14. März, 2012 22:58

Ach, ich liebe die Heute Show, ist Comedy über Politik, keine Satire.

DerTim
15. März, 2012 00:59

Ich finde die Heute Show absolut unlustig und Oliver Welke unerträglich selbstgefällig.

Die von Dir erwähnte 10 O’Clock News ist super, aber wie Du schon sagtest: mit der Besetzung Carr, Mitchell und Brooker kann man eigentlich nichts falsch machen.

Ebenfalls zu empfehlen sind Have I Got News For You (neue Staffel leider erst ab April) mit Ian Hislop und Paul Merton, sowie Russell Howard’s Good News; wobei ich nicht weiß, ob es hier eine 6.Staffel geben wird.

Wortvogel
Wortvogel
15. März, 2012 08:31

@ DerTim: Bei den Panel-Shows bevorzuge ich QI un 8 out of 10 cats.

Dietmar
Dietmar
15. März, 2012 08:51

Die Heute Show ist nix für mich. Alle, insbesondere die “Korrespondenten”, spielen mit so einer “Aufpassen-jetzt-wird´s lustig”-Haltung. Die kommen an die Vorlagen nirgends heran.

Wortvogel
Wortvogel
15. März, 2012 09:11

Allerdings muss man fairerweise sagen, dass die amerikanische Vorlage auch ein paar Jahre (und schließlich Jon Stewart) gebraucht hat, um das richtige Format zu finden.

Marcel
Marcel
15. März, 2012 09:24

Ich schau mir die Heute Show ganze gerne an. Gibt ja sonst nix in die Richtung. Dennoch ärgere ich mich auch häufig über verschenktes Potenzial. Da wird zu häufig auf billige Witzchen gemacht (Brüderle nuschelt, höhö), anstatt dem ganzen Wahnsinn mal den Spiegel vorzuhalten und Dinge wirklich beim Namen zu nennen.

Mahwa
Mahwa
15. März, 2012 12:52

Die Daily Show schafft es 5 mal die Woche eine bessere Sendung auf die Beine zu stellen als die Heute Show, die nur einmal in der Woche kommt.
Fairerweise muss man auch sagen, dass man es der Daily Show in Amerika mit Fox-News, dem Vorwahlkampf der Republikaner und der Tea-Party auch sehr einfach macht.

Shah
Shah
15. März, 2012 13:48

Ich find die heute-show geht absolut in Ordnung. Ja, es sind flache, platte Witze, aber ich finde da ist nix, was nicht in Ordnung geht. Auch der Sonneborn schafft kein konstantes Niveau, obwohl er da schon echt lustige Aktionen hatte. Alles in allem kommt es auf die Folge an und das Zusammenspiel der Einspieler (aua, stil…). Gerade Christian Ehring oder auch Alexander von Humboldt in seiner CDU – Verliebtheit finde ich wirklich gut.

Was gibts denn sonst in dem Breich? Extra 3? Das wurde mit Schlegl getötet und grad sehen wir Nekrophilie…

Montana
Montana
15. März, 2012 14:40

Plus eine süße Blondine.

Hey, wir haben die anbetungswürdige Martina Hill. Aber okay, in der heute show ist sie verschenkt.

@MountainKing: Ich habe jetzt nur kurz einige Nummern von Lewis Black bei YouTube quergeschaut, aber soll “Gernot Hassknecht” wirklich seine deutsche Entsprechung sein? Das wäre in der Tat traurig. Mich erinnert Black eher an den oft großartigen “Rausschmeißer” der Mitternachtsspitzen (Wilfried Schmickler).

@Shah: Meinst Du “mit Schlegl” im Sinne von “durch Schlegl”? Einverstanden. Ich finde aber, dass X3 durch Christian Ehring gewonnen hat. Ab und zu kommen ja noch Schlegl-Aktionen, deren Grundideen oft gar nicht schlecht sind, aber nach dem guten Ansatz ansatzlos in den Keller gehen…

Shah
Shah
15. März, 2012 16:22

@Montana

Ja. Extra 3 hat durch Ehring gewonnen, der wenigstens mal ne Pointe richtig setzen kann. Trotzdem hab ich das Gefühl, dass die Stories zusehends platter und vorhersehbarer werden und ich mittlerweile ganze Folgen durchstehe mit einem “Meh”-Gesichtsausdruck. Vll liegts aber auch daran, dass man einfach älter geworden ist. Bei Thomas Pommer früher gabs für mich kein halten mehr. Oder so tolle Sachen wie “Ahmed Schlüter”. Die vermisse ich zusehends.

MountainKing
15. März, 2012 17:06

@ Montana
Die Anlehnung an Lewis Black ist schon sehr deutlich, steht auch im Wiki-Eintrag der Show. Teile im Übrigen auch völlig deine Meinung im Hinblick auf Martina Hill, bei Switch großartig, aber in der heute-show will der Funke nicht so recht überspringen.

Achim
Achim
15. März, 2012 20:48

Was/wer nicht gut an der HS ist, ist Bettina Lamprecht, die machte auch die unsäglichen Türk-TV in den letzten Staffeln des alten Switch.

Frau Hill hat tatsächlich eine dimensionsarme Rolle in der HS. Zu überkandidelt, zu hektisch.

pa
pa
16. März, 2012 11:21

Hassknecht wirkt gekünstelt. Lewis Black nimmt man seinen Zorn ab, der redet als würde er permanent vor einem Herzinfarkt stehen.

Howie Munson
Howie Munson
21. Dezember, 2012 08:46

Ich hab’s wohl zu oft erwähnt, nun ist sie wieder da: Rudis Tagesshow (in unlustig und statt zapping-schnipsel wird geswitcht): “Das Ernste”

http://www.youtube.com/watch?v=zpXACpR0KYk

Zwei Stellen (“Pointen” möchte ich es lieber nicht nennen) sind drin die ich erwähnen möchte:
1. Ruhig Brauner (Minute 11:00)
2. Guttenberg spielt Dracula und muss seinen Dr. abgeben.. (Minute 17:00)

Ja, ist die erste Sendung, aber switch in noch anstrengender scheint mir nicht wirklich viel Potential zu haben, wirklich gut zu werden.